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Brandenburger Haus Der Architekt

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Architekt des Brandenburgerhauses Johannes Wald

Hirschfeld als ein umsichtig kalkulierender Unternehmer ging bei Investitionsvorhaben sicher kein Risiko ein, und so spricht die Wahl des Architekten Johannes Wald für ein bewährtes Vertrauensverhältnis zwischen den beiden. Ein »Stararchitekt« war Wald wohl nicht. Seine Erwähnungen in den offiziellen zeitgenössischen Publikationen zum Hamburger Bauwesen sind sehr spärlich. Außer den Gebrüdern Hirschfeld hatte er noch einen anderen bekannten »Stammkunden«, nämlich den Tierpark Hagenbeck in Stellingen. Gemeinsam mit Henry Schlote hatte er für Carl Hagenbecks Unternehmen an dessen erstem Standort am Neuen Pferdemarkt verschiedene Baulichkeiten errichtet, u. a. auch einen Zirkus. Nachdem Hagenbeck das Gelände in Stellingen erworben hatte, baute Wald dort 1904/05 die Löwenschlucht und 1907 das Vogelhaus und das Affenhaus, später noch ein Insektenhaus.

Architekten geben sich durch ihre Architektur zu erkennen. Falls sie nicht als theoretische Denker oder Publizisten in Erscheinung treten und nicht in Fachzeitschriften erwähnt werden, weiß man wenig über sie. Im Falle von Johannes Wald aber gibt es eine höchst aufschlussreiche Quelle, die man zur Person befragen kann, nämlich seinen offiziellen Briefkopf. Wo man eigentlich nur nüchterne Angaben zur Firma und ihrer Adresse erwartet, begegnet uns hier beim Briefbogen eine Fülle weiterer Informationen. Wir erfahren etwas vom eher desillusionierenden Baumeisteralltag: »Architekturbüro, Bauausführung, Taxation von Grundstücken und Hypotheken«. Dass Wald als seine Spezialität besonders »schwierige Umbauten« anpreist, ist eher ein Indiz für eine schleppende Auftragslage, die Kenntnisse bei der »Bekämpfung von Hausschwamm und bei der Trockenlegung feuchter Wände« lassen seine Zufriedenheit auch mit kleinen Ordern vermuten, und die »Reparaturen zu billigsten Preisen« mögen auch keine nennenswerten Gewinne abgeworfen haben.

In fast rührendem Kontrast zu diesem Zeugnis einer Berufsexistenz in den Niederungen des Hamburger Baualltages steht aber das querformatige Bild in Gestalt eines Triptychons in der Mitte des Briefkopfes. Fast wie bei einem spätmittelalterlichen Altarbild öffnet sich im Hintergrund der Ausblick auf eine weite Landschaft mit Hügelketten, einem geschlängelten Fluss und ziehenden Wolken. Den Realbezug zum Innenraum stellt der nach innen rankende Ast eines Baumes her.

Dort nun, links im Bilde, sitzt an seinem Arbeitstisch der Architekt. Hinter ihm steht ein kleiner Palmenbaum im Kübel auf einem Podest, an der Wand signalisieren Bauten der Antike die geistige Basis des Schaffens. Wie aber präsentiert sich Wald? Nicht etwa in reger Tätigkeit, wie man es von anderen Architektenporträts kennt, etwa bei Fritz Schumacher oder Henry van de Velde, mit dem gezückten Stift als Berufssymbol über frisches Papier gebeugt, sondern in eher grübelnder Nachdenklichkeit, den Kopf auf die linke Hand gestützt. Unangetastet sind die Arbeitsinstrumente auf dem Tisch verteilt, zwei Pläne liegen aufgerollt abseits, der rechte Arm ist schlaff über die Sessellehne gesunken. Schläft er oder grübelt er? Er befindet sich offenbar in einem inneren Dialog mit einer Erscheinung in Form von drei weiblichen, in leichter antikischer Gewandung gekleideten Figuren. An deren Darstellungsform, den Faltenwürfen, vor allem dem flatternden Band der äußersten rechts, hätte der Kunstgelehrte Aby Warburg sicher seine helle Freude gehabt. Wer mögen die drei Damen sein, da sie durch keinerlei Attribute gekennzeichnet sind? Die Zeichen der drei Freien Künste könnten es sein. Für eine Darstellung des Paris-Urteils fehlen alle Indizien, denn dazu ist der Architekt zu träge, und von den drei weiblichen Gestalten macht nur die vorderste den zaghaften Ansatz einer zur Wahl angemessenen Präsentation. So bleiben nur die drei Grazien übrig, die Göttinnen der Anmut und der Heiterkeit als Begleiterinnen der Venus, die dem Baumeister den tristen Berufsalltag erhellen. Wenn Wald sehr belesen gewesen wäre, hätte er vielleicht wissen können, dass einige Architekturtheoretiker im Frankreich des 18. Jahrhunderts den drei Grazien die drei klassischen Säulenordnungen der Antike zugeordnet haben, also die dorische, die jonische und die korinthische. Dann wäre die Dreizahl der weiblichen Gestalten als Gruppe ein Symbol der Kunst »Architectura«.

So aber bleibt der Eindruck eines Mannes, der gleichsam mit einem Seufzer sein hartes Brot verdient, während ihm der Sinn nach Höherem steht.

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