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Wegweiser Ein Religionsunterricht für alle Kinder

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Bundesweites Vorreiterprojekt wird weiterentwickelt – Kirchen und Religionsgemeinschaften ziehen an einem Strang

Seit den Staatsverträgen mit zahlreichen Religionsgemeinschaften entwickelte Hamburg seinen Religionsunterricht weiter – nun stellten Bildungssenator Ties Rabe und die Spitzen der Religionsgemeinschaften ein bundesweit einzigartiges Konzept vor. Anders als in fast allen anderen Bundesländern wird der Religionsunterricht in Hamburg so gestaltet, dass dort Kinder aller Glaubensrichtungen und auch Kinder, deren Familien keiner Religionsgemeinschaft angehören, gemeinsam lernen. Zwar werden schon seit vielen Jahrzehnten alle Religionen in den Unterricht einbezogen. Doch die Inhalte des Schulfaches Religion wurden bislang allein von der evangelischen Kirche verantwortet. Zukünftig wird der Religionsunterricht in Hamburg gleichberechtigt von mehreren Hamburger Religionsgemeinschaften verantwortet und von Religionslehrkräften unterschiedlichen Bekenntnisses unterrichtet. „Das gemeinsame Lernen der Kinder ist eine wunderbare Idee für unsere religiös und kulturell vielfältige Stadt“, hebt Senator Rabe vor: „Es wird kein ganz anderer Religionsunterricht, aber ein besserer, der die verschiedenen Religionen und Weltanschauungen gleichberechtigt berücksichtigt.“

Religionslehrerin erklärt der Klasse die goldenen Regeln

Ein Religionsunterricht für alle Kinder Bundesweites Vorreiterprojekt wird weiterentwickelt – Kirchen und Religionsgemeinschaften ziehen an einem Strang

Während in den anderen Bundesländern der Religionsunterricht nach Religionen und Konfessionen getrennt erteilt wird – so gibt es beispielsweise in einzelnen Bundesländern bis zu 13 verschiedene Religionsunterrichte –, setzt Hamburg auf einen gemeinsamen „Religionsunterricht für alle“. Die Schulbehörde spricht die Inhalte nun aber nicht mehr allein mit der evangelischen Kirche ab, sondern auch mit der jüdischen Gemeinde, den drei islamischen Religionsgemeinschaften Hamburgs, der alevitischen Gemeinde und dem katholischen Erzbistum.

Das hat auch konkrete Folgen: Nicht mehr nur evangelische, sondern auch jüdische, muslimische, alevitische und voraussichtlich auch katholische Lehrkräfte können von nun an den Religionsunterricht erteilen – vorausgesetzt, sie haben ein vollständiges Studium und ein ordentliches Referendariat absolviert. Anders als in anderen Bundesländern soll der Unterricht weiterhin ausschließlich von staatlichen Lehrkräften erteilt werden, Geistliche und Mitarbeiter der Religionsgemeinschaften bleiben ausgeschlossen. Die verschiedenen Religionen bleiben Pflichtthema, können künftig aber authentischer unterrichtet werden. Darüber hinaus werden zahlreiche Fragen nach Werten, nach einem gelungenen Zusammenleben und sogar Religionskritik erörtert. Wie das gehen kann, wurde seit dem Schuljahr 2014/15 an mehreren Pilotschulen erprobt, eine umfangreiche wissenschaftliche Begleitevaluation gab weitere Impulse.

Die Bürgerschaft hatte in den Staatsverträgen 2013 die Weiterentwicklung des Religionsunterrichts für alle mit den islamischen Gemeinschaften und der Alevitischen Gemeinde vereinbart, nachdem zuvor schon die evangelische Kirche ihre Bereitschaft signalisiert hatte. Die Jüdische Gemeinde trat dem Projekt 2014 bei. Weil der Religionsunterricht im Grundgesetz verankert ist, betritt Hamburg auch rechtliches Neuland: Ein verfassungsrechtliches Gutachten bestätigte den eingeschlagenen Weg. Aufbauend auf den bereits guten Erfahrungen mit dem gemeinsamen Lernen im bisherigen Religionsunterricht für alle wird das neue Konzept in den nächsten Jahren sukzessive an allen Hamburger Schulen eingeführt.

Die zukünftigen Rahmenpläne sehen vor: „Der Religionsunterricht wendet sich an alle Schülerinnen und Schüler – ungeachtet der persönlichen Überzeugungen und religiösen Prägungen, die für sie persönlich bedeutsam sind. Er ermöglicht, Religionen und andere Überzeugungen kennenzulernen, über sie nachzudenken und sich ein kenntnisreiches und differenziertes Urteil zu bilden. Wer sich einer Religion verbunden fühlt, kann Kenntnisse vertiefen, andere Überzeugungen und Lebensweisen kennenlernen, persönliche Auffassungen reflektieren und so die eigene religiöse Identität vertiefen. Jene, die keinen ausgeprägt religiösen Hintergrund haben, sich in Distanz oder Widerspruch zu jeglicher Form von Religion verstehen, können ihre kritisch-distanzierte Sichtweise in der Sache fundieren und religiöse Hintergründe anderer besser verstehen.“

Bischöfin Kirsten Fehrs, Evangelisch-Lutherische Kirche: „Schon seit 30 Jahren hat die evangelische Kirche freiwillig Vertreter anderer Weltreligionen in die Gestaltung des Religionsunterrichts einbezogen. Kinder lernen auf diese Weise ihre eigene Religion kennen, aber auch den Glauben der anderen. Der Religionsunterricht leistet damit einen wichtigen Beitrag zum friedlichen Zusammenleben in dieser Stadt. Wenn die Kinder künftig abwechselnd von Lehrkräften unterschiedlicher Konfession unterrichtet werden, wird das den Dialog weiter stärken.“

Fatih Yildiz, Vorsitzender SCHURA - Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg: „In einer multireligiösen Stadt wie Hamburg stellt es einen wichtigen Schritt dar, dass auch die Lehrerschaft diese Multireligiosität widerspiegelt. Diese authentische Wissensvermittlung stärkt Schülerinnen und Schüler und legt Grundsteine für ein respektvolles und gleichberechtigtes Miteinander. Durch die Weiterentwicklung des Religionsunterrichts leben die Religionsgemeinschaften und die Stadt Hamburg vor, wie der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft effektiv gestärkt werden kann.“

Sedat Şimşek, Vorsitzender DITIB Hamburg und Schleswig-Holstein: „Das neue und weiterentwickelte Modell des Religionsunterrichtes in Hamburg fördert gerade durch seine dialogische Ausrichtung auch die Identitätsbildung muslimischer Schülerinnen und Schüler in Hamburg.“

Stefanie Szczupak, Vorstand Jüdische Gemeinde in Hamburg: „Jeder Schüler sollte ein Grundverständnis der jüdischen Religion und jüdischer Werte haben. Viele kulturelle, geschichtliche und politische Zusammenhänge werden erst dadurch verständlich. Der „Religionsunterricht für alle“ hilft den Schülern, das Judentum als aktuellen, jetzt und heute relevanten Teil der Vielfalt Hamburgs zu begreifen. Unsere Beteiligung am „Religionsunterricht für alle“ stellt sicher, dass der Unterricht authentisches Wissen über die religiöse Praxis, die Werte und das Lebensgefühl der jüdischen Bevölkerung vermittelt.“

Yilmaz Çevik, Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ): „Die authentische Vermittlung des Islams durch muslimische Lehrkräfte führt zu einer verbesserten und fundierten religiösen Bildung aller Schülerinnen und Schüler, die ihre Dialogfähigkeit fördert.“

Ismail Kaplan, Alevitische Gemeinde Hamburg: „In den nächsten Jahren entwickelt sich der Religionsunterricht für alle zu einer Säule der Hamburger Identität unserer Kinder.“

Seit einem Jahr prüft auch das Erzbistum Hamburg Wege der Beteiligung an diesem Religionsunterricht.

Dr. Christopher Haep, Erzbistum Hamburg, Abteilungsleiter Schule und Hochschule: „Wir begrüßen als Erzbistum Hamburg die inhaltliche Weiterentwicklung des Religionsunterrichtes in der Stadt Hamburg und die gleichberechtigte Verantwortung der beteiligten Religionsgemeinschaften. Wir haben in den letzten drei Jahren diese Entwicklung des Religionsunterrichtes verfolgt. Wir halten das weiterentwickelte Modell für grundsätzlich anschlussfähig mit Blick auf unsere Vorstellungen von einem Religionsunterricht gemäß Artikel 7 Abs. 3 GG und der kirchlichen Vorgaben. Deshalb ist es unser Ziel, Bestandteil dieses weiterentwickelten Religionsunterrichtes in Hamburg zu werden und darin auch das katholische Christentum durch katholische Lehrkräfte authentisch abzubilden. Um zu überprüfen, wie dieses Ziel erreicht werden kann, haben wir mit der Schulbehörde und der Nordkirche ein Modellprojekt auf den Weg gebracht.“

Das Konzept überzeugt auch die Praktiker in der Schule: „Der gemeinsame Religionsunterricht ist ein Rückgrat unserer Schulgemeinschaft“, betont Schulleiterin Andrea Lüdtke (Kurt-Tucholsky-Schule), die eine der Pilotschulen leitet. „Wenn nicht nur ein Weihnachtsbaum geschmückt wird, sondern zum Opferfest Süßigkeiten verteilt werden, dann wissen alle, dass sie dazugehören“, berichtet die evangelische Lehrkraft Jessica Pohl. Als Velida Hafizovic sich als Lehrkraft vorstellte, überraschte das viele: Eine muslimische Religionslehrerin gab es an dieser Schule bislang nicht. Eine Bereicherung für alle, hat sie den Islam doch nicht nur studiert, sondern zeigt auch, dass und wie Muslime ein normaler Teil Hamburger Schulen sind.

Lehrkräfte im „Religionsunterricht für alle

Der Religionsunterricht wird in Hamburg auch zukünftig nur von solchen Lehrkräften erteilt, die an der Universität vollständig ausgebildet und im Referendariat auf den gemeinsamen Religionsunterricht vorbereitet wurden. Anders als in anderen Bundesländern wird der Religionsunterricht nicht von Geistlichen oder Mitarbeitenden der Religionsgemeinschaften unterrichtet. Das garantiert ein hohes pädagogisches und wissenschaftliches Niveau und eine dialogische Grundhaltung der Lehrenden. Denn im Religionsunterricht geht es nicht um Mission, sondern um Bildung und religiöse Mündigkeit: Schülerinnen und Schüler lernen hier Religion kennen, sie können ihr Verständnis vertiefen und ihre religiöse Identität entwickeln. Das erfolgt im Dialog mit anderen in der Klasse und schließt auch den kritischen Umgang mit religiösen Traditionen ein. Deshalb richtet sich der Hamburger Religionsunterricht auch an alle: Unabhängig davon, ob und welcher Religion sie angehören, setzen sie sich hier mit Grundfragen des Lebens und mit den Religionen in ihrem Lebensumfeld auseinander.

Der Hamburger Weg erfährt bundesweit große Aufmerksamkeit, zeigt er doch, wie in einer religiös zunehmend vielfältigen Gesellschaft der Religionsunterricht an den Schulen gestaltet und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen kann – eine Herausforderung, vor der viele Großstädte Deutschlands stehen.

Hintergrund

Das Fach Religion wird entsprechend Artikel 7 Absatz 3 Grundgesetz als ordentliches Unterrichtsfach in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Nach § 7 Absatz 1 Hamburgisches Schulgesetz erfolgt er im Geiste der Achtung und Toleranz gegenüber anderen Bekenntnissen und Weltanschauungen. Bereits die Weimarer Reichsverfassung sah Religionsunterricht vor, in Hamburg wurde er bislang in Verantwortung der evangelischen Kirche durchgeführt. In den 1990er Jahren entstand das dialogische Grundkonzept des „Religionsunterrichts für alle“.

Der Religionsunterricht trägt zur Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses in einer pluralistischen Gesellschaft bei. Schülerinnen und Schüler setzen sich in ihm mit Grundfragen des Lebens auseinander und begegnen religiösen und weltanschaulichen Deutungsangeboten. Sie werden darin gestärkt, ihre eigene Position zu entwickeln und zu vertreten. Damit leistet der Religionsunterricht einen Beitrag zu gebildeter Religiosität.

In ihrer Lebenswelt begegnen die Schülerinnen und Schüler unterschiedlichen sozialen, kulturellen und religiösen Biografien, Erfahrungen und Kenntnissen. Dies erfordert einen offenen Dialog, in dem die Schülerinnen und Schüler gemeinsam nach solchen Orientierungen im Fühlen und Denken, im Glauben und Handeln suchen, die auf eine lebensfreundliche, freiheitliche und menschenwürdige Zukunft für alle in einer endlichen Welt zielen. Dies entspricht den Grundüberzeugungen der Religionsgemeinschaften, die den Religionsunterricht verantworten.

Die Stundentafeln für die allgemeinbildenden Schulen sehen gemäß der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Grundschule und die Jahrgangsstufen 5 bis 10 der Stadtteilschule und des Gymnasiums sowie der Ausbildungs- und Prüfungsordnung zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife folgende Unterrichtswochenstunden für das Fach Religion vor:

Religionsunterricht in Zahlen


Weiterentwicklung des „Religionsunterrichts für alle“

Im Jahr 2012 vereinbarte der Senat in den Verträgen mit den muslimischen Gemeinschaften „DITIB-Landesverband Hamburg“, „SCHURA - Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg“, „dem Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ)“ und der „Alevitischen Gemeinde Deutschland“ sowie in gleichlautenden Vereinbarungen mit der „Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland“ und im Jahr 2014 mit der „Jüdischen Gemeinde Hamburg“, den bisher an den staatlichen Schulen in Hamburg erteilten Religionsunterricht in gemischtkonfessionellen Klassenverbänden und Lerngruppen weiterzuentwickeln.

Im Rahmen eines Pilotversuchs sollten Schulpraxis, Didaktik und Rahmenpläne, Lehrerbildung und -zulassung sowie der institutionelle Rahmen für einen den Vorgaben des Grundgesetzes entsprechenden Religionsunterricht weiterentwickelt werden. Hierzu wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, der Vertreter der Schulbehörde und der beteiligten Religionsgemeinschaften angehören. Um eine grundgesetzkonforme Verantwortungsstruktur zu etablieren, bildete die Schulbehörde zudem mit allen Religionsgemeinschaften, die den gemeinsamen Unterricht verantworten wollen, jeweils Gemischte Kommissionen aus der Behörde und den einzelnen Religionsgemeinschaften. Zusätzlich wurden an der Universität Hamburg Lehramtsstudiengänge für islamische und alevitische Religion eingerichtet – neben den bestehenden Studiengängen für evangelische und katholische Religionslehrkräfte. Sie sehen den wechselseitigen Besuch von Lehrveranstaltungen in den anderen Religionen verbindlich vor.

Rückfragen der Medien

Bischofskanzlei Hamburg
Stabsstelle Presse und Kommunikation
Susanne Gerbsch, Pressereferentin im Sprengel Hamburg und Lübeck
Telefon: 040 369002 - 23
E-Mail: susanne.gerbsch@presse.nordkirche.de

Jüdische Gemeinde in Hamburg KdöR
Regina Kieseler
E-Mail: Kieseler@jghh.org

Alevitische Gemeinde Hamburg e.V.
Ismail Kaplan
Telefon: 040  3892724
E-Mail: ismail.kaplan@alevi.com und hhalevikulturzentrum@googlemail.com

Schura Hamburg e. V. - Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg
Fatih Yildiz
Telefon: 040 32004664
E-Mail: f.yildiz@schura-hamburg.de und info@schurahamburg.de

Religionsgemeinschaft DITIB Hamburg und Schleswig-Holstein e. V.
Sedat Şimşek
Telefon: 040 55899220
E-Mail: simsek@ditib-nord.de und info@ditib-nord.de<mailto:info@ditib-nord.de>

Verband der islamischen Kulturzentren e. V. (VIKZ)
Yilmaz Çevik
E-Mail: hamburg@vikz.de

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Telefon: 040 378636 - 27
E-Mail: schommer@erzbistum-hamburg.de

 

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