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3. April 2017 Fachkonferenz „Eine Stadt für Alle – Strategien für bezahlbares Wohnen“

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Rede der Senatorin Dr. Dorothee Stapelfeldt

Rede der Senatorin Dr. Dorothee Stapelfeldt bei der Fachkonferenz „Eine Stadt für Alle – Strategien für bezahlbares Wohnen“

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich freue mich sehr, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind.

Bei der Eröffnung unserer „Fachkonferenz Wohnen“ vor knapp einem Jahr Ende April 2016 zum Thema Stadterweiterung habe ich gesagt:

„Wohnen in der Stadt muss bezahlbar sein – auch dadurch, dass der 'Drittelmix' aus frei finanzierten Mietwohnungen, Eigentums­wohnungen und geförderten Mietwohnungen flächendeckend fortgeführt wird. Nur so erhal­ten wir den Charakter einer Stadt, in der alle gern leben und es sich auch leisten können. Zum Drittelmix gehört auch die Integration von Wohnungen für vordringlich Wohnungs­suchende sowie für soziale Wohnnutzungen über Trägerschaften. Hamburg muss unbedingt eine Stadt für alle bleiben mit dem selbstverständlichen Anspruch, dass niemand ausgegrenzt werden darf.“

Trotz vieler unterschiedlicher Perspektiven, teils auch divergierender Interessen auf dem Wohnungsmarkt, waren sich alle Anwesenden in diesem Anspruch des gemeinsamen Tuns einig, davon war und davon bin ich überzeugt.

„Eine Stadt für Alle“ – diese programmatische Aussage versteht unsere Behörde wie auch der Senat als gesellschaftlichen Auftrag und oberstes Ziel für Hamburgs Stadtentwicklung, dem sich alles andere unterordnet.

Die Wege dorthin – eben „Strategien für bezahlbares Wohnen“ – möchten wir heute Nachmittag und bis zum Abend mit Ihnen diskutieren.

Herzlich willkommen bei uns in der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen zu dieser Fachkonferenz!

„Wo ist eigentlich das Problem?“, fragte unlängst in kleiner Runde ein ausgewiesener Kenner des Hamburger Immobilienmarkts. Hamburg habe doch schon durchweg bezahlbare Wohnungen. Denn wären sie nicht bezahlbar, dann wären sie ja auch nicht vermietet.

Das hat er natürlich halb im Scherz gesagt. Und Hamburgs Leerstandquote von 0,6 Prozent – deutscher Niedrig-Rekord – beweist das scheinbar auch.

Aber wir wissen alle, dass „bezahlbar“ eben nicht meint, bezahlbar egal von wem und mit welchen Schwierigkeiten.

Insgesamt beträgt die Mietbelastungsquote in Hamburg über alle Haushaltsgrößen verteilt im Durchschnitt etwas weniger als ein Drittel des Haushalts-Nettoeinkommens. Ein Mietzins, der deutlich darüber hinausgeht, mag für manche noch irgendwie „bezahlbar“ sein. Akzeptabel ist er nicht, und deswegen definieren wir „bezahlbar“ als mit durchschnittlichem Erwerbseinkommen tragbar.

Im geförderten Wohnungsbau ist die Stadt bereits sehr aktiv. Wie Sie alle wissen, haben wir ein Programm, um jedes Jahr 3.000 geförderte Wohnungen zu bauen. Es gibt aber auch einen Bedarf für nichtgeförderte, kostengünstige Wohnungen.

Und wir wollen neben den klassischen Berechtigten für Wohnungen des Ersten Förderwegs verstärkt auch jene in den Blick nehmen, die über ganz normale Einkommen verfügen.

Freifinanzierte Mieten in Neubauten liegen in Hamburg derzeit bei 11 bis 14 €/m² Wohnfläche nettokalt. Ziel des Senats ist es, neben der öffentlichen Wohnraumförderung dauerhaft  bezahlbaren Wohnraum auch für Haushalte zu schaffen, die mit ihren durchschnittlichen Erwerbseinkommen oberhalb der Einkommensgrenzen des geförderten Wohnungsbaus liegen und die sich gleichzeitig nicht die üblichen Marktmieten im Neubau leisten können.

Und Sie überrascht es sicher nicht, dass das aktuelle Hamburger Durchschnittseinkommen von brutto etwa 35.800 Euro jährlich weder für eine Wohnung im Ersten noch für eine Wohnung im Zweiten Förderweg berechtigt.

Bereits das Gehalt eines Kraftfahrzeugführers oder einer Anwärterin im Öffentlichen Dienst von 27 bis 28.000 Euro brutto jährlich ist für eine Ein-Zimmer-Wohnung des Ersten Förderwegs zu hoch. Was Zwei- und teilweise auch Drei-Personen-Haushalte angeht, liegen zum Beispiel Köche und Beschäftigte im Gastgewerbe, im Gesundheits- und Sozialwesen bereits über der Einkommens­grenze für Wohnungen des Ersten Förderwegs - und das obwohl unter diese Einkommensgrenzen bereits rund 40 Prozent aller Haushalte in Hamburg fallen.

Das sind nur Schlaglichter, aber sie verdeutlichen die Notwendigkeit erschwinglichen Wohnraums für die große Gruppe der Angestellten ohne Berechtigungs­scheine. Und das betrifft die neuen Bürgerinnen und Bürger ebenso wie alle diejenigen, die schon hier sind und eben nicht verdrängt werden sollen.

Schauen wir uns daneben den Bestand an, so unterstreicht das noch die Notwendigkeit bezahlbaren Wohnraums, gerade dann, wenn man – wie wir – von den Budgets der Mieterinnen und Mieter ausgeht. Eine Miete von 8 Euro pro m² sehen wir dabei für Normalverdiener und
-verdienerinnen als noch bezahlbar an.

Von fünf Hamburger Wohnungen zu einer Miete von bis zu 8 Euro pro m² befinden sich drei in Händen der SAGA und der Genossenschaften, zwei gehören anderen Eigentümergruppen, also privaten Bestandshaltern, Wohnungsunternehmen usw.

Nach allem, was wir wissen, wird etwa die Hälfte der Mietwohnungen in Hamburg, die aktuell keine Förderung erfahren, zu einem Preis von bis zu 8 Euro angeboten.

Bei den Neuvermietungen ist es Schätzungen zufolge etwa ein Viertel, das für 8 Euro oder weniger angeboten wird. Und genau diesen Anteil bezahlbarer Neubauwohnungen aber gilt es zu erhöhen.

Wichtige Rahmenbedingungen dafür schaffen wir bereits, was schon Gegenstand unserer ersten Fachkonferenz im vorigen Jahr war. Mit ihr haben wir den fachöffentlichen Dialog begonnen mit der Vorstellung unserer Doppelstrategie aus „Mehr Stadt in der Stadt“ – gemeint ist Hamburgs Innenverdichtung – und „Mehr Stadt an neuen Orten“ als Überschrift für die Erschließung neuer Siedlungsgebiete an Hamburgs Rändern.

Was ist seither passiert?

Im vergangenen Sommer haben wir im neu aufgelegten „Bündnis für das Wohnen in Hamburg“ mit der Wohnungswirtschaft und den Bezirken das neue Ziel von jährlich mindestens 10.000 genehmigten Wohneinheiten vereinbart, davon 3.000 öffentlich gefördert.

Beides haben wir schon 2016 übertroffen mit Genehmigungen für 12.471 Wohnungen, davon 3.307 öffentlich gefördert. Und in diesen Anstrengungen lassen wir nicht nach, weil auch der Zuzug in unsere Stadt anhält.

Insgesamt gehen wir bis 2030 von einem Potenzial von 130.000 neuen Wohnungen in Hamburg aus, und dieses Potenzial werden wir nutzen.

Dafür verfolgen wir unsere Doppelstrategie, die als Erstes und Wichtigstes die Verdichtung in den inneren Stadtteilen unter der Überschrift „Mehr Stadt in der Stadt“ zum Inhalt hat.

Unter Federführung des Bezirks Altona arbeiten wir beispielsweise in einer Arbeitsgruppe daran, die Magistralen verstärkt in den Fokus des Wohnungsbaus zu nehmen; das war auch Thema der Fachkonferenz im letzten Jahr.

Weitere Beispiele sind 

  • der Hamburger Osten, wo wir allein von Potenzialen um die 20.000 Wohneinheiten ausgehen,
  • nahe dem Stadtpark das Pergolen­viertel, für dessen Ausschreibungen es bereits ein großes Interesse gibt,
  • das Holstengelände in Altona mit Raum für bis zu 1.300 Wohneinheiten
  • und die für den Wohnungsbau sehr attraktive Konversionsfläche am Mesterkamp in Barmbek-Süd, wo der Busbetriebshof Platz macht für Wohnungen.

„Mehr Stadt an neuen Orten“ wiederum heißt der zweite Teil unserer Doppelstrategie, der Wohnungs­neubau an Hamburgs Rändern vorsieht – attraktiv im Grünen und trotzdem gut angebunden.

Aktuell in der Entwicklung ist der künftige Stadtteil Oberbillwerder. Vor einem Monat kamen auf unsere Einladung und auf Einladung der IBA und der Stadt Hamburg nationale und internationale Expertinnen und Experten zur zweitägigen „Ideenwerkstatt Oberbillwerder“ zusammen und entwickelten zu sechs Schwerpunktthemen Vorstellungen für den neuen Stadtteil, die anschließend mit zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern engagiert und konstruktiv erörtert wurden.

Bereits an der von uns veranstalteten Stadtwerkstatt im November, zu der auch die Öffentlichkeit eingeladen war, nahmen viele Interessierte teil und diskutierten mit.

Expertengespräche, Fach­konferenzen, Stadt- und Ideenwerkstätten – mit ganz unterschiedlichen Veranstaltungs- und Vermittlungsformaten füllen wir unseren kooperativen Ansatz in der Stadtentwicklung mit Leben. Dieser Ansatz hat sich bewährt und wird auch weiterverfolgt – zum Beispiel heute gemeinsam mit Ihnen.

Zweck der heutigen Konferenz soll es sein, den Bogen vom großen Maßstab der Stadtentwicklung auf die konkrete Umsetzungsebene zu schlagen.

An Themen herrscht kein Mangel. Um nur einige der wichtigsten zu nennen:

  • Wie muss eine sozial gerechte Grundstücks­politik aussehen, die keinen „Ausverkauf“ städtischer Flächen mit sich bringt, sondern mit der wir die öffentlichen Ziele umsetzen können?
  • Konzeptausschreibungen, bei denen der Kerngedanke und die Ausrichtung eines Projekts Vorrang vor dem reinen Ertrag haben, sind aus unserer Sicht als Instrument bewährt. Wie entwickeln wir dieses Instrument weiter, damit es auch für Investoren noch attraktiver wird?
  • Welche wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (und Rechtsformen) brauchen die Wohnungs­baugenossenschaften vor dem Hintergrund ihrer gesellschaftlichen Aufgabe?
  • Wir schaffen wir es, die Baukosten zu senken, und zwar ohne wesentliche Abstriche an der architektonischen, städtebaulichen und ästhetischen Qualität und den energetischen und ökologischen Standards?
  • Welche Ansätze entwickeln wir aus den Erfahrungen mit dem 8-Euro-Modell für den freifinanzierten Wohnungsneubau?
  • Wir fördern bereits sogenannte „Kompakt­wohnungen“. Welche neuen Wohnformen wie etwa „Clusterwohnungen“ mit Angeboten für die gemeinschaftliche Nutzung der Küche oder von Gemeinschaftsräumen kommen den Bedürfnissen jener Rentnerinnen und Rentner entgegen, die von wenig Geld leben müssen?
  • Wir fragen auch: Was würde es bedeuten, Miet- und Belegungsbindungen deutlich zu verlängern?
  • Und, nicht zuletzt: Wie versorgen und integrieren wir Menschen, die unsere Unterstützung besonders benötigen, im Gesamtkonzept für vordringlich Wohnungssuchende?

Das alles sind Themen, mit denen wir uns heute in den Panels beschäftigen wollen.

Wir sehen: Es gibt nicht den einen Königsweg zum beschriebenen Ziel einer „Stadt für Alle“, sondern viele Einzelstrategien, die allesamt sorgfältig ausgearbeitet und konsequent verfolgt werden müssen.

Meine Damen und Herren,
wir – die Politik und die Verwaltung, die Wirtschaft und ihre Verbände, die Interessengruppen und Gemeinschaften – gestalten gemeinsam nicht weniger als die Zukunft Hamburgs.

Die Entwicklung unserer Stadt ist untrennbar an ihre Bevölkerungsstruktur gekoppelt. Und diese entwickelt sich gemäß den Rahmenbedingungen, die wir heute miteinander diskutieren und erarbeiten.

Dafür haben die Kolleginnen und Kollegen aus der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, ein wie ich finde vielversprechendes Programm zusammengestellt.

Ich bin sehr gespannt auf Ihre Beiträge und Meinungen und wünsche uns eine inspirierende Konferenz!

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