Leichte Sprache
Gebärden­sprache
Ich wünsche eine Übersetzung in:

Effektiv, menschlich und für alle da Ideen für den Rechtsstaat

Leichte Sprache
Gebärden­sprache
Ich wünsche eine Übersetzung in:

Schnell, effizient, verständlich und für jede und jeden erreichbar – so stellen wir uns den Rechtsstaat vor. Ein gemeinsames Positionspapier der Justizminister- und Senatoren der Länder Berlin, Hamburg und Thüringen.

Till Steffen_Dirk Behrendt Die Justizsenatoren von Hamburg und Berlin: Dr. Till Steffen (links) und Dr. Dirk Behrendt (rechts). Nicht auf dem Bild aber ebenfalls Unterzeichner des Positionspapieres ist Thüringens Justizminister Dieter Lauinger.

Rechtsstaat - Demokratie - Grüne - Positionspapier - Berlin - Thüringen - Hamburg - FHH

Schnell, effizient, verständlich und für jede und jeden erreichbar – so stellen wir Grüne uns den Rechtsstaat vor. Wir orientieren uns an Fakten und beobachten die offenbar gezielten verbalen Angriffe rechter und konservativer Politikerinnen und Politiker auf den Rechtsstaat mit großer Sorge. Es ist völlig inakzeptabel, wenn die Inanspruchnahme von gerichtlichem Rechtsschutz für Geflüchtete als missbräuchliches Verhalten diskreditiert wird. Auch die Vorwürfe gegen die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte weisen wir scharf zurück. Die Rechtsanwaltschaft ist neben der Justiz eine der tragenden Säulen unseres Rechtsstaates.

Tatsache ist, dass die Kriminalität in Deutschland erfreulicher Weise deutlich zurückgegangen ist. Die polizeiliche Kriminalstatistik weist den niedrigsten Stand seit 1992 aus. Das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger stärken wir, indem wir tatsächliche Sicherheit schaffen, statt wahrheitswidrig Unsicherheit herbeireden, um mehr Überwachung und mehr Grundrechtseingriffe durchzusetzen.

Wir schützen den Rechtsstaat vor Populisten, machen ihn fit für das digitale Zeitalter und sorgen dafür, dass das Personal an den Gerichten, in den Staatsanwaltschaften und im Vollzug gute Arbeit leisten kann.

Die Bundesregierung hat den Zeitpunkt zur Entlastung der Justiz  verschlafen und hinkt den Ländern hinterher. Dabei verursachen gerade Bundesagenturen wie das BAMF oder die Agentur für Arbeit einen enormen Arbeitsaufwand an den Verwaltungs- und Sozialgerichten.  Hamburg, Berlin und Thüringen haben darauf schon längst reagiert und zahlreiche neue Stellen in der Justiz geschaffen.

Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung einen „Pakt für den Rechtsstaat“ angekündigt und 2000 Stellen plus Folgepersonal für die Justiz in Aussicht gestellt. In der Verantwortung des Bundes macht eine erhebliche personelle Aufstockung insbesondere bei der Generalbundesanwaltschaft Sinn. Heute übergibt der Generalbundesanwalt viele Verfahren an die Generalstaatsanwaltschaften der Länder. Hier könnte die Bundesregierung die Justiz der Länder also direkt entlasten.

Von wohlklingenden Versprechungen wird der Rechtsstaat jedoch nicht gestärkt. Wir fordern die Bundesregierung auf, einen konkreten Plan für die Stellenverstärkungen in den Ländern, ihre Finanzierung und für eine finanzielle Beteiligung an der dringend benötigten einheitlichen digitalen Infrastruktur der Justiz vorzulegen.

Es gibt darüber hinaus ein Instrument, das völlig kostenfrei und ohne Verzögerung für eine Entlastung der Justiz und der Gerichte sorgt: gute Gesetze. Die Union verspricht zwar einen Dreiklang aus mehr Personal, besserer technischen Ausstattung und einem effizienteren Verfahrensrecht. In der Realität steht die Bundesregierung jedoch seit Jahren auf der Bremse, statt sich um die strukturellen Probleme und die Zukunftsfähigkeit des Rechtsstaates zu kümmern.

Ein Beispiel hierfür ist die Asylprozessordnung. Seit im Sommer 2015 hunderttausende Geflüchtete nach Deutschland kamen und Anträge auf Asyl stellten, ächzen die Verwaltungsgerichte unter einer Last von Klagen gegen Bescheide aus dem BAMF.

Bereits seit 2015 liegt ein Reformentwurf auf dem Tisch, der die Gerichte entlastet, indem die Prozessordnung effektiver gestaltet wird. In vielen Verfahren entscheiden heute  Einzelrichterinnen und -richter über Sachlagen, die in tausenden weiteren Fällen ebenfalls auf Klärung warten. Da es zu wenige Möglichkeit zu obergerichtlicher Leitentscheidung gibt,

führt dies zu einer „Rechtslotterie“, in der gleich gelagerte Fälle unterschiedlich entschieden werden. Die Union blockiert eine Änderung, die auch die Präsidentinnen und Präsidenten der Verwaltungsgerichte seit langem fordern. Wenn die CSU nun lange Verfahrensdauern kritisiert, die sie durch Untätigkeit seit 2015 mitverschuldet, ist das ein Bärendienst für den Rechtsstaat.

Eine weitere kostenlose Entlastung der Justiz kann durch eine Entrümpelung des Strafrechts erzielt werden. Die grünen Justizminister und -senatoren wollen, dass die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte wie die Richterinnen und Richter nicht durch Bagatellverfahren von der gründlichen Bearbeitung schwerwiegender Delikte abgehalten werden. Mehr Sicherheit schaffen wir nicht, wenn wir hochqualifizierte Juristinnen und Juristen mit der strafrechtlichen Verfolgung von Schwarzfahren und Cannabiskonsum beschäftigen. Auch überkommene Vorschriften wie das Informationsverbot des § 219a Strafgesetzbuch müssen dringend aufgehoben oder zumindest reformiert werden. Wer die Justiz entlasten will, sollte sie daher von unsinnigen Aufgaben entlasten.

Wir dürfen durch das Strafrecht nicht Armut bestrafen. Wir wollen die Gefängnisse nicht mit Menschen füllen, die dort nicht hingehören. Die durchschnittlichen Kosten für einen Haftplatz in Deutschland betragen etwa 140 EUR pro Tag und Gefangene/r. Diese Ressourcen sind in Opferschutz, Prävention und Resozialisierung nachhaltiger und deutlich effizienter investiert. Dies ist für uns aktive und nachhaltige Sicherheitspolitik.

Haftvermeidung muss deswegen oberstes Ziel sein. Wir brauchen Alternativen zur Haft und soziale Lösungen für soziale Probleme. Ein wichtiges Anliegen in diesem Zusammenhang ist die Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen. Denn durch die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen werden Haftplätze mit Menschen belegt, die nur deshalb im Gefängnis landen, weil sie die finanziellen Mittel für die Zahlung ihrer Geldstrafe nicht aufbringen können.

Die Rechtspolitik der Bundesregierung verliert die Bürgerinnen und Bürger aus dem Blick. Statt Verbraucherinnen und Verbrauchern mit einer Musterfeststellungsklage oder Gruppenverfahren zu helfen, ihre Rechte geltend zu machen, schützt die Bundesregierung die Interessen der Industrie. Wir wollen keine Zulassungsbeschränkungen und einen direkten Weg zum Leistungsanspruch. Verbraucherinnen und Verbraucher aber auch die Justiz würden von einfacheren und effizienteren Verfahren profitieren.

Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von der Politik Lösungen statt Placebos. Grüne Rechtspolitik orientiert sich an Fakten statt Ängste herbeizureden. Wir wollen eine handlungsfähige und durchsetzungsstarke Justiz. Wir setzen auf Entlastung, indem wir Ressourcen intelligent und nachhaltig nutzen.

 

Unterzeichner

Dr. Dirk Behrendt, Justizsenator Berlin
Dieter Lauinger, ehemaliger Justizminister Thüringen
Dr. Till Steffen, ehemaliger Justizsenator Hamburg

Themenübersicht auf hamburg.de

Empfehlungen

Anzeige
Branchenbuch