Sie sind Weltmeister der Sommeliers für Bier. Wie wird man das und wie kann man sich die Kür des Weltmeister Biersommelier vorstellen? Wo haben Sie Ihr Handwerk erlernt?
Hamburg ist ja bekanntlich das Tor zur Welt – Ich bin nach meinem Abschluss als Dipl. Ing. für Brauwesen an der TU Berlin und einem kurzen Abstecher in die deutsche Brauindustrie durch die Welt gezogen und habe die grandiose Vielfalt der Biere weltweit entdeckt. Da wird man schnell zum „Bierfreak“. Danach ist die Ausbildung zum Sommelier für Bier nur noch die logische Konsequenz, um das richtige Handwerkszeug zu haben, die eigene Begeisterung mit anderen teilen zu können.
Bei der Weltmeisterschaft der Sommeliers für Bier habe ich eigentlich nur mitgemacht, um Erfahrungen zu sammeln, Kollegen zu treffen und um mich auszutauschen, aber natürlich auch um Spaß an gelebter Bierkultur zu haben. Mit einer Teilnahme am Finale habe ich nicht gerechnet und erst recht nicht mit der Entscheidung der Jury, mich zum Besten zu küren. Bei der letzten Weltmeisterschaft waren insgesamt 50 Biersommeliers aus unterschiedlichen Nationen dabei. Es wurden verschiedene Grundfragen rund ums Bier gestellt. Im Anschluss standen verschiedene Verkostungen auf dem Programm. Dabei mussten Bierstile erkannt und sensorisch bewertet werden. Wer sich in diesen Disziplinen behaupten konnte, zog ins Finale ein. Und wenn es einem dann noch gelingt, andere mit seiner Begeisterung anzustecken, wird man zum Weltmeister der Sommerliers für Bier gekürt.
Sie sind in den letzten Jahren viel gereist, haben in der Karibik, Süd- und Nordamerika gelebt. Was war der Anlass selbst eine Brauerei in Hamburg zu gründen?
Ich bin Hamburger Jung. Als wir ins Ausland gegangen sind, stand von Anfang an fest, dass wir irgendwann in den Heimathafen zurückkehren werden. Und es war immer völlig klar - wenn eine eigene Brauerei, dann in Hamburg
Was waren die größten Herausforderungen bei der Gründung der Kehrwieder Kreativbrauerei?
Die Suche nach geeigneten und bezahlbaren Räumlichkeiten war weit schwieriger und hat viel länger gedauert als gedacht. Aber das hat sich ja nun glücklicherweise erledigt. Wenn alles nach Plan läuft, ist in sechs Monaten das erste Bier aus der eigenen Brauanlage auf dem Markt. Bis dahin sind wir weiter als Wanderbrauer unterwegs, mieten uns bei befreundeten Brauereien ein oder brauen gleich zusammen mit den Gastgebern einen Gemeinschaftssud.
Was zeichnet Ihre Biersorten aus?
Wir machen Bier abseits von Pils und Weizen und entwickeln immer wieder neue Rezepte oder interpretieren alte Bierstile neu. Dabei verwenden wir ausschließlich natürliche Rohstoffe, die während des Brauprozesses hinzugegeben werden. Neben Wasser, Hopfen, Malz und Hefe können das auch Früchte oder Kräuter und Gewürze sein, aber auf keinen Fall künstliche Hilfsstoffe oder Extrakte. Denn damit ein Bier eine fruchtige Note bekommt und beispielsweise nach Melone, Litschi oder Grapefruit riecht und schmeckt, braucht es gar keine zusätzlichen Inhaltsstoffe. Alles was man braucht ist der richtige Aromahopfen.
Unsere Biere werden weder filtriert noch pasteurisiert, sie stehen für Genuss statt Masse und es gibt beim Riechen und Schmecken immer wieder etwas Neues zu entdecken - ein besonders Geschmackserlebnis, das irgendwie anders ist und auf jeden Fall in Erinnerung bleibt. So beispielsweise unser Prototyp – ein kalt gehopftes Lager das sich durch seine fruchtige Aromatik von jedem anderen Lager unterscheidet. Oder unsere Single Hop India Pale Ale (SHIPA)–Serie brauen wir alle Biere exakt gleich ein, nur jeweils mit einem anderen Hopfen. Die Biere bekommen dadurch ein komplett unterschiedliches Aroma. Ein weiterer Beweis dafür, was Hopfen alles kann. Darüber hinaus stehen immer wieder Saisonbiere oder Sondereditionen auf dem Brauplan. So beispielsweise das Feuchter Traum, ein Wet Hop Pale Ale, das jedes Jahr zur Hopfenernte mit frischem deutschen Cascade-Hopfen gebraut wird. Oder die Weltmeister Weiße, ein Bier gebraut im Stil der ursprünglichen Berliner Weiße mit Laktobacillus, einer Brettanomyces- und einer Saccaromyces-Hefe, das anschließend drei Monate auf Himbeeren in Barrique-Fässern reifte.
Wie lange dauert es, eine neues Rezept zu entwickeln?
Ich verkoste sehr viele Biere. Und wenn ich die Zeit finde, lese ich auch einiges über Bier. Durch diese Eindrücke formt sich eine erste Idee. Für mich liegt der große Reiz darin, vergessene Bierstile zu entdecken und neu zu interpretieren. Oder das Gedankenkarussell in meinem Kopf beginnt sich zu drehen und ich überlege welche Hopfensorten und Hefestämme ich kombinieren könnte, oder probiere ein Bier und überlege, wie es schmecken würde, wenn ich noch weitere Zutaten (Gewürze, Kräuter oder Früchte) hinzugeben würde.
Mit der Grundidee fahre ich dann einen Testsud und schaue, ob es passt. Im Laufe der Zeit habe ich einen gewissen Erfahrungsschatz gesammelt. Bei unserem Prototyp haben wir beispielsweise gleich einen Volltreffer gelandet. Wenn das nicht der Fall ist, verändere ich das Rezept und der Sud wird erneut getestet. Solange bis das Bier so schmeckt, wie ich es mir vorstelle.
In den letzten Jahren hat sich sehr viel auf dem Brauereimarkt in Deutschland getan. Es sind kleinere Brauereien entstanden und neue Bierstile in Deutschland eingeführt worden. Wohin entwickelt sich Ihrer Meinung nach die Bierkultur in Deutschland?
Ich bin mir sicher, dass die Kreativbier-Szene noch massiv wachsen wird und dass es zu einer langfristigen Wiederbelebung der deutschen Bierkultur kommt. Die USA sind schon Jahrzehnte weiter. In den US-amerikanischen Supermärkten, Restaurants und Bars gibt es eine beachtliche Bierauswahl. Die USA haben den Vorteil des sogenannten Three-tier Systems. Per Gesetz werden Verflechtungen zwischen Brauereien und Groß-und Einzelhändlern untersagt. Das Gesetz sorgt dafür, dass Einflussnahme im Sinne von Brauereigebundenheit oder Lieferverträgen nicht möglich sind. Ein entscheidender Grund für die großartige Biervielfalt in den USA. In den letzten 34 Jahren sind dort 2700 neue Brauereien entstanden, die alle ausschließlich aromaintensive und charakterstarke Biere produzieren. Im Vergleich dazu gibt es in Deutschland sicher noch Nachholbedarf. Aber wir sind auf einem guten Weg. Immer mehr Gastronomen und Einzelhändler entdecken das Kreativbier-Segment und erkennen, dass man sich viel besser von der Konkurrenz abheben kann, wenn man seinen Kunden eine entsprechende Biervielfalt anbietet. Gebremst wird die Entwicklung leider nur durch die brauereigebundenen Angebote in Gastronomie und Handel. Würden die Bierlieferverträge über Bord geworfen, könnte die Bier-Monokultur durch eine aromaintensive Vielfalt ersetzt werden. Ich bin mir sicher, dass das Kreativbier-Segment kontinuierlich wächst und in fünf bis zehn Jahren haben wir sicherlich eine ähnlich kreative und vielfältige Bierszene wie in den USA oder bei unseren Nachbarn in Belgien oder Dänemark. Aber es wird immer eine Nische bleiben. In den USA liegt der Craft Beer-Anteil bei zehn Prozent. Es ist also noch viel Platz für weitere gute neue Biere und ich freue mich auf viele spannende neue Projekte.
Wie erklären Sie sich den rückläufigen Bierkonsum in Deutschland?
Bier hat viel zu lange nicht die Wertigkeit bekommen, die es verdient. Viele in der Branche müssen neu lernen, wie echte Bierkultur gelebt werden kann. Hierfür müssen Bierlieferverträge eingestellt werden, das Verramschen mit Rabattaktionen muss aufhören. Momentan ist der Biermarkt noch auf ein austauschbares Einsorten-Angebot ausgelegt. All das hat meiner Ansicht nach zum rückläufigen Bierkonsum geführt. Ich kenne viele Deutsche, die dem Bier den Rücken gekehrt haben, weil es ihnen zu langweilig war und die dann nur noch Wein tranken. Glücklicherweise hat sich ja jetzt in Sachen Biervielfalt schon einiges getan und immer mehr Leute werden wieder Biertrinker, allerdings sehr anspruchsvolle.
Was halten Sie von der Mode der Alkopops?
Von Alkopops halte ich absolut gar nichts. Ich bevorzuge Getränke mit natürlichen Zutaten.
Und was sind Ihre Zukunftspläne?
Weiterhin Biere zu brauen, die mir Spaß machen und das ganz bald auch auf meiner eigenen Anlage. Das werden immer aromaintensive und charakterstarke Biere sein. Im Laufe der Zeit werden sich feste Bierstile in unserem Sortiment etablieren und nebenbei braue ich immer wieder neue und auch ausgefallenere Biere. Genauso wie es mir gefällt - ohne Kompromisse und irgendwie anders.