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Jurykommentar zu den Förderanträgen der Freien darstellenden Künste in der Spielzeit 21/22


Für die Spielzeit 2021/22 haben sich die Jurys für die Förderung von 78 Projekten ausgesprochen (das entspricht 18 Förderempfehlungen mehr als im Vorjahr). 

Das Gesamtantragsvolumen ist deutlich angewachsen, das Fördervolumen wurde durch eine einmalige Erhöhung der Gelder aus Corona-Mitteln der BKM in Höhe von 200.000 Euro aufgestockt.

Über die Vergabe der Mittel zur Förderung der freien darstellenden Künste haben unabhängige Fachjurys in jeweils mehrstündigen online Sitzungen beraten. 


Kinder- und Jugendtheater

Die Jury für die Produktionen der Freien Theater für ein junges Publikum fand für den Produktionszeitraum 2021/22 aussagekräftige Anträge vor. Konzeptioneller Einfallsreichtum und szenischer Mut scheinen trotz der Corona Pandemie ungebrochen, und so überstieg die beantragte Fördersumme deutlich die Möglichkeiten der Förderung. 

Zeitgemäße Erzähltheaterformate sowie Figurentheater mit Bilderbüchern als literarische und bildnerische Vorlagen bildeten Schwerpunkte sowie Tanztheaterproduktionen in kleineren Besetzungen für jüngere wie ältere Kinder und für Jugendliche. Es ist seit längerem erkennbar, dass die Hansestadt durchaus als ein bundesweites Zentrum dieses Genres gelten darf; etliche qualifiziert wie kontinuierlich tätige Künstlerinnen und Künstler wie Produktionsteams in diesem Bereich belegen das. Die Tätigkeit von Kampnagel mit K3 - Zentrum für Choreografie und weitere Spielstätten fördern diese Entwicklung. Genrespezifische Festivals und andere Präsentationen der Hamburger Tanztheaterszene für ein junges Publikum könnten diese positive Entwicklung weiter stärken.

Mit sichtbarem Einfallsreichtum haben Produktionsanträge übergreifende und jeweils alternative Formate im digitalen wie analogen entwickelt und zudem hybride Formate erdacht. Dabei begegnen sie ihrem jungen Publikum stets kooperativ und mit Respekt und bemüht, deren Lebenswelten besser wahrzunehmen. Ausdruck dessen sind mehr und professionellere Vorabrecherchen im schulischen Raum, zumeist in Kooperation mit Angeboten kultureller Bildung (werden auch gesondert gefördert von der Kulturbehörde).

Die Jury achtete bei den Förderentscheidungen der Konzeptionsanträge auf nachvollziehbare Entwicklungen im Ästhetischen wie Strukturellen und selbstverständlich auf ein ausbalanciertes Verhältnis von strukturstabilisierenden zu impulsgebenden Entscheidungen bei den Produktionsvorhaben.

Tanz

Für die Spielzeit 21/22 hat die Tanz-Jury etwas weniger Anträge als in den Vorjahren begutachtet. Zwar gab es auch dieses Jahr mehr Anträge, die eine Förderung verdient hätten, als zur Verfügung stehende Mittel, doch war diese Diskrepanz weniger ausgeprägt als in den Jahren zuvor. Dies erklärt sich durch die Auswirkungen der Corona Pandemie, es gab deutlich mehr Anträge auf Strukturförderung im Bereich Tanz. 

Der Fokus unserer Entscheidung lag zuallererst auf der künstlerischen Qualität der Anträge, wobei wir versucht haben, die aus den Anträgen sprechende ästhetische, thematische und methodische Vielfalt in der Förderentscheidung widerzuspiegeln. Insgesamt freute sich die Jury über die hohe Qualität der Anträge im Bereich Tanz. 

Angesichts dieser Qualität und der Erfahrungsstufen der Künstlerinnen und Künstler ist der Jury einmal mehr klargeworden, dass die Exzellenzförderung als zusätzliches Instrument nach der Konzeptionsförderung notwendig ist. Es gibt viele Hamburger Künstlerinnen und Künstler, insbesondere im Tanz, die eine Perspektive nach Abschluss der ein- oder zweimaligen Konzeptionsförderung benötigen. Die Arbeitsstrukturen, die in dieser Förderung entwickelt werden, müssten sonst wieder abgebaut werden, was dann die künstlerische Karriereentwicklung unterbricht. Eine vier- bis fünfjährige Exzellenzförderung würde Hamburg auch als Produktions- und Lebensort für international agierende Künstlerinnen und Künstler attraktiver machen und die Stadt im Bereich der freien darstellenden Künste anschlussfähig halten.

Sprech-, Musiktheater und Performance 

Die Corona-bedingten Theaterschließungen, Vorstellungsausfälle und vielfältigen Einschränkungen für die künstlerische Arbeit stellen zweifelsohne große Hindernisse für die künstlerische Projektarbeit in den Bereichen Sprechtheater, Musiktheater und Performance dar. In den Projekten, die der Teil-Jury für Sprechtheater, Musiktheater, Performance (SMP) zur Begutachtung vorlagen, schlagen sich diese Schwierigkeiten aber zumindest nicht in den Projektideen nieder, die die Künstlerinnen und Künstler realisieren wollen. Vielmehr manifestiert sich in einer Vielzahl von Inszenierungsskizzen eine große Bandbreite an Formaten und Erzählstrategien, die die problematischen Produktionsumstände in unterschiedlichsten Ansätzen mit reflektieren. 

Die enorme Bündelung künstlerischer Potentiale, kreativer Ausdrucksformen und innovativer Arbeitsweisen, die in Hamburg seit einigen Jahren stattfindet, zeigt sich durch die Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Zeiten der Pandemie also zunächst nicht gefährdet: Wie im Vorjahr ist eine große Anzahl von Anträgen mit hoher inhaltlicher und formaler Qualität zu verzeichnen, die von der Jury als grundsätzlich förderwürdig erachtet wurden. Rund die Hälfte der beantragten Projekte haben wir aufgrund ihrer herausragenden künstlerischen Qualitäten als besonders förderungswürdig erachtet. Davon konnten am Ende lediglich 15 Projekte (Vorjahr: 10) zur Förderung vorgeschlagen werden. In Anbetracht der hohen Qualität der beantragten Projekte ist das offensichtlich eine deutlich zu geringe Förderquote.

Angesichts der Fülle an hochqualitativen Projekten sind wir als Jury uns durchaus bewusst, dass die Auswahl der zur Förderung vorgeschlagenen Projekte anders hätte ausfallen können. So werden vielen Künstlerinnen und Künstler Chancen vorenthalten werden, ihre Arbeiten zu realisieren und ihre künstlerischen Potentiale zu entfalten. Darüber hinaus steht die Befürchtung im Raum, dass überregional vernetzte und erfolgreiche Künstlerinnen, Künstler und Teams den Standort Hamburg als Produktionsstätte auf längere Sicht als zusehends weniger attraktiv erachten. 

Wir haben uns dazu entschieden, die geförderten Projekte bis auf geringfügige Anpassungen mit der jeweils vollen beantragten Summe zu bedenken. Denn grundsätzlich ist zu beobachten, dass die Künstlerinnen und Künstler ihre Projekte von einem zur Durchführung notwendigen Minimum aus kalkulieren. Kürzungen würden entweder einen Verlust an künstlerischer Substanz nach sich ziehen oder die ohnehin schon prekäre Arbeitssituation der Künstlerinnen und Künstler verschärfen. Soll das erreichte Maß an Produktivität, Lebendigkeit und gesellschaftlicher Relevanz der Hamburger Freien Szene erhalten bleiben, wird sie die Professionalisierung ihrer Akteurinnen und Akteure vorantreiben oder zumindest erhalten müssen. Der Frauenanteil der geförderten Projekte, gemessen an den die Anträge verantwortenden Personen, beträgt in diesem Jahr 66 Prozent.

Zu den Jurorinnen und Juroren gehörten in diesem Jahr: 


In der Sparte Sprechtheater, Musiktheater, Performance (SMP): Leyla Ercan (Agentin für Diversität, Programm-, Publikums- und Personalentwicklung, Nds. Staatstheater Hannover), Noah Holtwiesche (Neuere deutsche Literatur/ Theaterforschung, Uni Hamburg), Bahar Roshanai (Programm-Managerin, Musikvermittlerin und -pädagogin, Körber-Stiftung Hamburg, Bereich Kultur)
Beisitz: Mascha Wehrmann (Koordinatorin Theaterakademie der Hochschule für Musik und Theater Hamburg)
In der Sparte Tanz: Katrin Ullmann (freie Tanz- und Theaterkritikerin), Olivia Hyunsin Kim (Choreografin und Performerin in Berlin, Frankfurt und Seoul), Maximilian Probst (Autor und Kulturjournalist „Die Zeit“, Hamburg), Beisitz: Dr. Kerstin Evert (Künstlerische Leitung K3 | Tanzplan Hamburg)
In der Sparte Kinder- und Jugendtheater (KiJu):
Charlotte Baumgart (Kulturwissenschaftlerin, künstlerische Leitung Kompanie Kopfstand), Eva Binkle (Musiktheaterpädagogin Staatsoper Hamburg), Thomas Lang (Vorstandsmitglied der ASSITEJ 1996-2016)

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