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Leichte Sprache
Gebärden­sprache
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10. April 2019 Start von „Amal, Hamburg!“

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Grußwort des Senators Dr. Carsten Brosda

Start der Internetplattform „Amal, Hamburg!“

Sehr geehrter Herr Dr. Paulsen,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

„Im Grunde ist meine Heimat nicht die Sprache […], sondern das, was gesprochen wird.“

Diesen Satz lässt der spanische Schriftsteller Jorge Semprún am Ende seines Romans „Frederico Sánchez verabschiedet sich“ sagen.

Das, was gesprochen wird – das meint, im Gegensatz zur Sprache als einem rein semantischen System, das Sprechen als einen Akt der Kommunikation, der Interaktion, letztlich als einen Akt des Handelns. 

So hat es auch die Literaturpreisträgerin Herta Müller einmal beschrieben, die 1987 das von dem Autokraten Ceaușescu regierte Rumänien verließ und ins Exil nach Deutschland ging. Sie formulierte ihre Erkenntnis aus der Erfahrung einer Diktatur heraus, in der Sprache ein Mittel der Unterdrückung ist. Umgekehrt, so Herta Müllers Erfahrung als Schriftstellerin, kann Sprache aber auch ein Mittel des Widerstandes sein.
Das, was passiert, bestimmt das, was gesprochen wird – und umgekehrt. Sprechen bedeutet nicht einfach nur die schlichte Verständigung und den Austausch von Informationen. 
Sprechen ist Handeln.
Sprechen schafft soziale Beziehungen und öffnet den Raum zwischen uns, in dem die Vernunft zu finden ist.

Wenn wir uns darüber bewusst sind, können wir erkennen, welche Herausforderung es für jemanden bedeutet, in einem Land zu sein, dessen Sprache er nicht spricht. Zu dem Verlust der Heimat, von Familie und Freunden, gesellt sich ein zweiter Verlust, dem der Teilhabe durch Sprache.

Hier setzt das Projekt „Amal, Hamburg!“ an.
Nach dem Vorbild des Berliner Pionier-Projekts informiert es Menschen auf Arabisch und Farsi bzw. Dari über das kulturelle, politische und gesellschaftliche Leben in unserer Stadt.

In einer Art Tageszeitung für das Handy berichten hier Exiljournalistinnen und -journalisten über Ereignisse und Entwicklungen in Hamburg, Berlin und Deutschland, die für Geflüchtete wichtig und interessant sind. Mittels Nachrichtensendungen, Reportagen, Interviews in Wortbeiträgen und Videoclips in der jeweiligen Muttersprache wird Menschen, die nach Hamburg geflüchtet sind, aber die deutsche Sprache noch nicht beherrschen, so die Teilhabe am Gesellschafts- und Kulturleben unserer Stadt ermöglicht. 
Dies ist insbesondere in der Ankunftsphase eine wichtige Hilfe. 

Die Reporterinnen und Redakteure in Berlin stammen selbst aus Syrien, Afghanistan, Iran und Ägypten. Deutsche Journalistinnen und Journalisten begleiten das Projekt. Das hat sich bewährt und so wird es auch in Hamburg sein.

Dass das Projekt "Amal!“ eine Nachrichtenplattform ist, die insbesondere für das Handy gedacht ist, ist deshalb so wichtig, weil Smartphones zu einer Art zweiten Flucht führen können: Der Augsburger Kommunikationswissenschaftler Jeffrey Wimmer beschreibt, dass das Smartphone Geflüchtete aufgrund dramatischer Fluchterfahrungen und Problemen beim Heimisch-Werden zu einer Flucht von der realen in die virtuelle Welt verleiten kann. 

„Amal, Hamburg!“ kann hier mediale Unterstützung leisten, indem es geflüchteten Menschen Zugang zu den Themen und Informationen und Diskussionen öffnet, die unsere Öffentlichkeit und damit auch unsere Gesellschaftlichkeit ermöglichen und konstituieren. 

Statt die muttersprachlichen Heimatsender oder –medien aus dem Iran, Afghanistan oder Syrien aufzurufen, die zwar vertraut sind, aber keine Informationen zum Ankunftsland enthalten, bietet „Amal!“ genau diese Nachrichten zur hiesigen Gesellschaft. 

Es gibt Bericht über die Leitkultur-Debatte, über die Bundestagswahl, die Situation in den Unterkünften oder darüber, auf welche Art die Menschen in Deutschland und wie sie in Afghanistan heiraten. Diese Berichte gibt es aber nicht nur auf Arabisch und Persisch – sondern auch auf Deutsch. Denn die Texte der Neuangekommenen zeigen uns einen neuen Blick auf die deutsche Gesellschaft und sind somit nicht nur für ihre Landsleute, sondern auch für uns Deutschen hoch interessant. Außerdem helfen sie so, die Brücken in die neue Heimatgesellschaft auch sprachlich zu bauen.

Neben Projekten, die das unmittelbare Kennen- und Verstehenlernen auf einer persönlichen, direkten Ebene befördern, übernehmen auch Medien daher eine wichtige Rolle bei der Integration: 
Sie vermitteln Wissen darüber, was die Ankunftsgesellschaft bewegt und tragen zur Wertevermittlung bei.
Und umgekehrt erfährt die Ankunftsgesellschaft aber auch etwas für die neu angekommenen, deren Werte und Sichtweisen.

„Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben wissen, wissen wir durch die Massenmedien“, sagte einmal gewohnt lakonisch der Systemtheoretiker Niklas Luhmann. Medien tragen daher eine große Verantwortung. 

In Zeiten des immer schnelleren Produzierens von Nachrichten mit wenig Zeit zur Recherche ist es eine große Herausforderung, dem gerecht zu werden. Aber eine Alternative dazu gibt es nicht.
Deswegen ist es gut, dass es „Amal!“ nun auch in Hamburg gibt.

Hamburg ist ein bedeutender Medienstandort mit über 110.000 Beschäftigten in der Medien- und IT-Branche in 23.000 Unternehmen. Journalismus spielt in diesem breiten Spektrum eine besondere Rolle: Hamburg ist die Heimat von Marken wie SPIEGEL, ZEIT, STERN, Abendblatt und Tagesschau. 
Es wäre schön, wenn hiesige Chefredakteure und leitende Verantwortliche der Medienhäuser für das Projekt „Amal, Hamburg!“ gewonnen werden könnten und zum Beispiel in Form einer Partnerschaft die jungen Journalistinnen und Journalisten unterstützen würden.

Es lässt sich feststellen, dass immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund in Print-, Sende- und Onlinemedien beruflich tätig werden. Die Organisation „Neue Deutsche Medienmacher“ ist ein sichtbarer Beleg dafür. Es sind aber immer noch zu wenig.

Um Geflüchteten den Weg in heimische Medien zu erleichtern, gibt es das Projekt DMF der Hamburg Media School. Seit dem Frühjahr 2016 können dort Medienschaffende mit Fluchtgeschichte – unabhängig von ihrem jeweiligen Aufenthaltsstatus – ein halbjähriges Kursprogramm mit anschließendem Praktikum in einem Hamburger Medienunternehmen bzw. einer Filmproduktion absolvieren. Ziel ist es, einen fundierten Überblick über die deutsche Medienlandschaft mit der Aussicht auf einen beruflichen Einstieg bzw. Wiedereinstieg zu geben. 

Die Behörde für Kultur und Medien plant ein ähnliches Projekt für den Kulturbereich.
Viele nach Hamburg Geflüchtete haben in ihren Herkunftsländern im Medien- und Kulturbereich gearbeitet und ihre Perspektiven sind mit Sicherheit auch für die hiesige Kulturlandschaft bereichernd. Um die Zugänge zu unseren Hamburger Institutionen und ihren Strukturen zu erleichtern, startet die Behörde für Kultur und Medien ein Programm, bei dem sich Kultureinrichtungen gemeinsam mit geflüchteten Menschen um die Förderung eines gemeinsamen Projekts bewerben können. Die Idee ist, dass durch wechselseitige Lernprozesse beide voneinander profitieren können. 
Ende des Monats stellen wir das Programm und die Möglichkeiten, sich zu bewerben, in Gänze vor.

Ich habe die Hoffnung, dass diese verschiedenen Projekte – das DMF der Hamburg Media School, die Neuen Deutschen Medienmacher, „Amal, Hamburg!“ und bald das Projekt der Behörde für Kultur und Medien – dazu führen, dass immer mehr Menschen mit Migrations- oder Fluchthintergrund in unseren Medien und Kultureinrichtungen vertreten sein werden. 
So kann ein wechselseitiger Austausch und ein Handeln durch Sprechen gelingen.
So kann es gelingen, dass wir einander nicht fremd bleiben.

Mein Dank gilt der Körber Stiftung, dem Hamburger Abendblatt und der Evangelischen Journalistenschule, die „Amal, Hamburg!“ ins Leben gerufen haben. 

Ich wünsche dem Projekt viel Erfolg!

Schönen Dank.

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