Sehr geehrter Herr Dr. Cremer-Thursby,
sehr geehrter Herr Torp,
sehr geehrte Frau Gemar-Schneider,
sehr geehrte Frau Dr. Bake,
sehr geehrter Herr Schreiber,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich freue mich sehr, dass der Künstlerin Elena Luksch-Makowsky an diesem wunderbaren Ort endlich wieder die Aufmerksamkeit zuteil wird, die ihr gebührt.
Wenn ihr eindrückliches Werk „Frauenschicksal“ gleich seinen Schleier lüftet, schließt sich ein Kreis. Vor fünf Jahren haben wir den 100. Geburtstag des Hamburger Stadtparks gefeiert. In der begleitenden Ausstellung „Park Pioniere“ – die Sie, Herr Schreiber, damals für das Museum für Hamburgische Geschichte kuratiert haben und die von der Stadtentwicklungsbehörde maßgeblich mitgestaltet wurde – war ein Abguss der Skulptur für einige Monate öffentlich zu sehen.
Nach dem Jubiläumsjahr verschwand das empfindliche Werk wieder im Depot der Kunsthalle. Aber eine Idee war geboren: Nämlich die, das „Frauenschicksal“ den Hamburgerinnen und Hamburgern und ihren Gästen dauerhaft zugänglich zu machen. Und zwar an dem Ort, für den die Plastik ursprünglich einmal geschaffen wurde: dem Stadtpark, der noch heute als städtebauliches Paradebeispiel für urbane Gartenarchitektur mit sozialem Auftrag gilt.
Meine Damen und Herren,
wenn die Bildhauerin Elena Luksch-Makowsky ab heute mit einem ihrer bedeutendsten Werke wieder sichtbar wird, ist das keineswegs nur eine Fußnote der Kunstgeschichte. Es ist vielmehr eine Metapher, die uns gleich in mehrerer Hinsicht etwas erzählt über das Los von Weiblichkeit in Kultur und Gesellschaft.
Da ist zum einen die Künstlerin selbst. Im Reigen der namhaften Kunstschaffenden, die ab 1914 den frisch eröffneten Stadtpark mit 20 Skulpturen bestücken durften, war Elena Luksch-Makowsky die einzige Frau.
War es zu jener Zeit eine Ehre oder gar ein Triumph für sie, dass die Väter des Stadtparks ausgerechnet ihr Werk auserwählten? Oder wird die akademisch ausgebildete Künstlerin sich eher als das gefühlt haben, was wir heute eine „Quotenfrau“ nennen? Wir können nur mutmaßen.
An einem aber dürfte in der Rückschau auf die weiteren Ereignisse kaum Zweifel bestehen: Es entbehrt nicht einer gewissen Tragik, dass ausgerechnet Elena Luksch-Makowskys Plastik Ende der 1970er-Jahre aus dem Park entfernt und auf Dauer in die Kunsthalle verfrachtet wurde. Anderen Quellen zufolge soll das Werk Anfang der 80er-Jahre buchstäblich vom Sockel gestoßen worden sein.
Wie auch immer – Frauen waren damals (und sind es bis heute) auch und gerade im öffentlichen Raum mit ihrer Kunst unterrepräsentiert. Dass Elena Luksch-Makowsky dieses Feld, auf das sie sich einst vorgekämpft hatte, am Ende doch allein den Männern überlassen musste – das hätte die „Park-Pionierin“ gewiss gegrämt, hätte sie es noch miterlebt.
Meine Damen und Herren,
als politischer Mensch, aber auch als studierte Kunsthistorikerin empfinde ich im Rückblick so etwas wie doppelte Wehmut. Vergegenwärtigen wir uns kurz, in welchem Klima wir uns bewegen, als Elena Luksch-Makowskys Kunstwerk für lange Zeit unsichtbar wird: Es sind just die Jahre, in denen Frauen sich allerorten in der Gesellschaft zu emanzipieren beginnen. In denen sie aufzubegehren beginnen gegen verkrustete Strukturen und überkommene Rollenmuster und sich – endlich! – ihren Platz im Beruf und als Mitgestalterinnen des öffentlichen Lebens erobern.
Dass inmitten dieser frauenbewegten Ära, die ich als Studentin und junge Politikerin selbst hautnah miterlebt habe, ausgerechnet das einzige von weiblicher Hand geschaffene Kunstwerk aus dem Stadtpark weichen musste – was für eine unglückliche Chronik aus heutiger Sicht. Die Skulptur selbst hätte den Frauen jener Auf- und Umbruchszeit der 1970er- und 80er-Jahre so vieles erzählen können. Den Männern übrigens auch.
Denn das ist das Faszinierende: Anfang des vorigen Jahrhunderts erdacht und erschaffen, spricht diese eindrucksvolle Plastik in der Ästhetik des Jugendstils über ein Thema zu uns, das über die Generationen nie an Aktualität eingebüßt hat: die Rolle der Frau und Mutter in der Gesellschaft. Ihr Ringen um Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ihr Streben nach Selbstverwirklichung und gleichberechtigter Partnerschaft. Ich bin sicher, auch viele junge Mütter in der heutigen Zeit werden sich immer noch im „Frauenschicksal“ von Elena Luksch-Makowsky wiedererkennen. Ihr Werk ist ein Zeugnis seiner Zeit – aber eben auch ein Werk von bemerkenswerter Zeitlosigkeit.
Umso erfreulicher, dass diese Skulptur ab heute wieder die Blicke und Gedanken der Menschen auf sich ziehen wird. Ganz so, wie es sich übrigens der damalige Direktor der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark, für die Plastiken in diesem Park des Volkes erhofft hatte: nämlich, dass die Werke „nicht nur dekorative Wirkung entfalten“, wie er es ausdrückte, sondern die Betrachter auch in ihrer „Urteilskraft fördern“ mögen.
Meine Damen und Herren,
ich möchte auch im Namen der Hamburgerinnen und Hamburger allen danken, die diese Wiederbegegnung mit Elena Luksch-Makowsky und ihrem „Frauenschicksal“ ermöglicht haben:
dem „Stadtpark Verein Hamburg“, dessen Vorläuferorganisation die Skulptur einst für den Park finanziert hat – und ihre heutige Heimkehr mit viel Umsicht und Geschick gemanagt hat.
Den engagierten Stiftungen – der Karin Stilke Stiftung, der Böttcher Stiftung und der Kunststiftung Christa und Nikolaus Schües – die in vornehmster hanseatischer Manier das Vorhaben im Hintergrund großzügig unterstützt haben.
Und ganz besonders herzlich danke ich Ihnen, Herr Schreiber: für ihr außergewöhnliches bürgerschaftliches Engagement, das Sie neben Ihrer Wissenschaftskarriere an den Tag gelegt haben, für Ihre kunsthistorische Leidenschaft in dieser Sache und nicht zuletzt für Ihre charmante Hartnäckigkeit, mit der Sie erfolgreich auf diesen Tag hingearbeitet haben.
Dass wir heute das „Frauenschicksal“ und seine Schöpferin Elena Luksch-Makowsky im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf den wohlverdienten Sockel heben konnten, ist in hohem Maße Ihr Verdienst.
Ich sehe den heutigen Tag auch als Verbeugung vor den vielen talentierten Frauen in der Kunstwelt, deren Geschichte und Geschichten noch allzu oft unerzählt bleiben und die wir mit diesem Werk stellvertretend würdigen.
Herzlichen Dank dafür Ihnen und allen Beteiligten!