Katharina Fegebank, Senatorin für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke: „Mit dem Agathe-Lasch-Preis erinnern wir an eine exzellente Sprachforscherin und unbeugsame Frau, die allen Widerständen zum Trotz als erste Frau an der Universität Hamburg und als bundesweit erste Germanistin zur Professorin berufen wurde. Gleichzeitig soll der Preis auch Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler ermutigen und auszeichnen, die sich mit ihrer Arbeit für die niederdeutsche Sprachforschung Verdient gemacht haben. Auf die diesjährige Preisträgerin Dr. Hanna Rieger trifft dies zweifelsohne zu. Im Rahmen ihrer Dissertation sorgt sie auf beeindruckende Art und Weise durch die Kombination von Textanalyse, kulturhistorischer Einbettung und Strukturanalyse für eine Neuinterpretation von einem der bedeutendsten Werke der niederdeutschen Literatur des Mittelalters. Im Namen des Hamburger Senats gratuliere ich Hannah Rieger herzlich und wünsche ihr für ihre weitere Laufbahn viel Erfolg.“
Die Jury unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Ingrid Schröder von der Universität Hamburg hat mehrheitlich beschlossen, den Preis Dr. Hannah Rieger für die Neuinterpretation des Versepos „Reynke de Vos“ anzuerkennen. Sie verknüpft eine narratologische, eine rhetorische und eine wissensgeschichtliche Perspektive miteinander und zeigt, wie diese in den Reden des Fuchses erzählstrategisch höchst kunstvoll ausgenutzt werden, indem den verschiedenen Adressatenkreisen je eigene Interpretationsangebote unterbreitet werden. Durch die präzise Zusammenführung der Ebenen fügt Dr. Rieger dem bisherigen Verständnis des Textes wesentliche neue Aspekte hinzu. Die Kombination von Textanalyse, kulturhistorischer Einbettung und Strukturanalyse mit Gegenüberstellung von Erzählebene und Metaebene ermöglicht auf eine sehr überzeugende Weise eine neue Lesart des Textes.
Die Preisträgerin
Dr. Hannah Rieger, geboren 1987 in Kassel, ist akademische Rätin am Institut für deutsche Sprache und Literatur I, Abteilung Ältere deutsche Sprache und Literatur an der Universität zu Köln. Ihre Dissertation an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel trägt den Titel „Die Kunst der ‚schönen Worte‘. Füchsische Rede- und Erzählstrategien im Reynke de Vos (1498)“ und wurde 2020 mit dem Fakultätspreis der Philosophischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel für die beste Dissertation des Jahres ausgezeichnet.
Agathe-Lasch-Preis
Seit 1992 wird vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg alle drei Jahre der mit 5.000 Euro dotierte Agathe-Lasch-Preis an Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler verliehen, die sich durch eine Dissertation oder äquivalente Leistungen, z. B. wissenschaftliche Arbeiten im Umfang einer Monographie, im Bereich der niederdeutschen Sprache und Literatur oder mit einem Thema zur Sprache in Norddeutschland qualifiziert haben. Zu den Auswahlkriterien gehören u. a. hervorragende wissenschaftliche Qualität der Arbeit und theoretische und methodische Fundiertheit. Im Vorfeld der diesjährigen Verleihung waren insgesamt sieben Arbeiten von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern begutachtet worden. Der Jury gehören neben der Vorsitzenden Prof. Schröder Dr. Ilka Brüggemann-Buck (NDR 1 Niedersachsen, Hannover), Prof. Dr. Michael Elmentaler (Universität Kiel), Dr. Reinhard Goltz (Institut für niederdeutsche Sprache, Bremen), Prof. Dr. Dieter Stellmacher (Universität Göttingen) und Prof. Dr. Jan Wirrer (Universität Bielefeld) an.
Agathe Lasch – Werk und Erinnerung
Die Philologin Agathe Lasch, geboren am 4. Juli 1879 in Berlin, war die erste Professorin an der Universität Hamburg und erste Germanistikprofessorin in Deutschland überhaupt. 1909 an der Universität Heidelberg promoviert, lehrte und forschte sie zunächst mehrere Jahre an einem amerikanischen Frauencollege, bevor sie 1917 ihre Arbeit am Deutschen Seminar des Hamburgischen Kolonialinstituts aufnahm. Hier übernahm sie sogleich die Leitung der „Sammelstelle für das Hamburgische Wörterbuch“ und begann mit den Vorarbeiten für ein vollständiges wissenschaftliches Wörterbuch der Hamburger niederdeutschen Sprache. 1919 habilitierte sie sich an der im selben Jahr neu gegründeten Hamburgischen Universität und wurde dort 1923 zur Professorin ernannt. Im selben Jahr fasste sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Conrad Borchling den Plan, ein weiteres Wörterbuchprojekt in Angriff zu nehmen, die vollständige Neubearbeitung des „Mittelniederdeutschen Handwörterbuchs“ von Lübben/Walther. 1926 wurde sie schließlich auf das Extraordinariat für niederdeutsche Philologie berufen. Agathe Laschs Tätigkeit an der Hamburgischen Universität endete mit der Herausgabe der siebten Lieferung des Mittelniederdeutschen Handwörterbuchs im Jahre 1934.
Als Frau konnte sich Agathe Lasch auf ihrem wissenschaftlichen Weg in Deutschland gegen alle Widrigkeiten behaupten und durchsetzen, als Jüdin in Deutschland wurde sie dagegen Opfer der nationalsozialistischen Barbarei: 1934 vorzeitig aus dem Hochschuldienst entlassen, mit Publikationsverbot belegt, ihrer Bibliothek beraubt, wird sie am 15. August 1942 nach Riga deportiert und dort am 18. August, dem Tag ihrer Ankunft, ermordet.
Agathe Lasch wird heute in vielfältiger Weise gedacht. In Hamburg-Othmarschen gibt es seit 1970/71 einen Agathe-Lasch-Weg und die Hamburger Universität hält seit 1999 mit dem Agathe-Lasch-Hörsaal die Erinnerung an ihre erste Professorin wach. Zwei Stolpersteine, einer vor dem Haus Nr. 9 der Gustav-Leo-Straße (früher Rehhagen) und einer auf dem Bürgersteig vor dem Universitätshauptgebäude, erinnern an Agathe Lasch.
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