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Kurt Sonntag

(5.10.1898 Wildenfels, Kreis Zwickau – 31.1.1975)
Lehrer an der Lichtwarkschule, später Dozent an der Hochschule für Lehrerbildung
Heinrich-Traun-Straße 7 (Wohnadresse 1955)

Hans-Peter de Lorent hat über Kurt Sonntag ein Portrait verfasst, das in Hans-Peter de Lorents Buch: Täterprofile. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz. Band. 3. Hamburg 2019 erschienen und im Infoladen der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg erhältlich ist. Hier der Text:
„Er ist von Natur ruhig und besonnen; allerdings könnte er noch einen kleinen Schuss von dem haben, das man einen Kerl nennt.“
Kurt Sonntag gehörte zu den Lehrern mit einem besonderen Bildungsweg. Nach einer seminaristischen Ausbildung als Volksschullehrer und praktischer Tätigkeit an der Schule, absolvierte er das Studium für das höhere Lehramt und eine Promotion. Er zählte auch zu denjenigen, deren praktische Tätigkeit wichtige Personen am Ende der Weimarer Republik und in der NS-Zeit kreuzten. So war er mit Sophie Barrelet und Ernst Schöning einer derjenigen Lehrer, die an der reformpädagogischen Lichtwarkschule unter Schulleiter Heinrich Landahl tätig waren, und der wie Barrelet und Schöning nach 1933 in NS-Organisationen eintrat, Sonntag in die SA. In der Folgezeit hatte er mit Oberstudiendirektor Bruno Peyn zu tun und später in der Lehrerbildung mit Prof. Bernhard Pein, beide überzeugte NS-Aktivisten. Er geriet in den Trubel der Zeit, als qualifizierter Pädagoge, der durch Anpassung versuchte, seine Karriere abzusichern.
Kurt Sonntag wurde am 5.10.1898 in Wildenfels, Kreis Zwickau, als Sohn eines Tanzlehrers geboren. Nach der Volks- und Seminarschule in Wildenfels wechselte er 1913 auf das Lehrerseminar in Schneeberg, im Erzgebirge. Nach zweijähriger Unterbrechung durch den Kriegsdienst („war ich im Felde“), legte er am 25.11.1919 die erste Lehrerprüfung ab, im Herbst 1922 die zweite. Von 1922 bis Ostern 1924 war Kurt Sonntag im Volksschuldienst tätig und studierte währenddessen an der Universität Hamburg Germanistik und Geschichte für das höhere Lehramt.[1]
Für die Zulassung zu den Prüfungen musste Kurt Sonntag am 15.4.1926 noch die verkürzte Reifeprüfung bestehen. Den Vorbereitungsdienst absolvierte er an der Lichtwarkschule vom 1.4.1929 bis zum 31.3.1930. Zur Prüfungskommission gehörten Oberschulrat Wolfgang Meyer, Landesschulrat Ludwig Doermer, Schulleiter Heinrich Landahl und Alfred Kleeberg.[2]
Kurt Sonntags Eltern waren früh gestorben. Er schrieb, dass er sich das Studium nach seiner Volksschullehrertätigkeit durch „Werkarbeit und Projektunterricht“ finanzieren musste.[3]
Nach langer Ausbildung geriet Kurt Sonntag in die schwierige ökonomische Phase der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise. Nach dem zweiten Staatsexamen übernahm die Schulverwaltung Sonntag als Studienassessor in den höheren Dienst. Zuerst, am 1.4.1930 an der Lichtwarkschule, später an der Thaer-Oberrealschule vor dem Holstentor. Den Hilfslehrern wurde 1931 gekündigt, um sie danach, ab dem 1.10.1931, auf ¾-Basis weiter zu beschäftigen. Das erwies sich finanziell als schwierig für Kurt Sonntag. Parallel zur Schularbeit schrieb er an seiner Doktorarbeit zum Thema: „Das geschichtliche Bewusstsein des Schülers. Ein Beitrag zur Bildungspsychologie“.[4]
Noch als Lehrer an der Lichtwarkschule, seit 1933 unter Schulleiter Erwin Zindler[5], nachdem Heinrich Landahl von den Nationalsozialisten als Schulleiter abgesetzt und später entlassen worden war, trat Kurt Sonntag am 5.11.1933 der SA bei, dem NSLB gehörte er seit dem 1.7.1933 an.[6]
Es zog den promovierten Kurt Sonntag in die Lehrerausbildung. Zum 1.6.1935 wurde er kommissarischer Dozent an der hessischen Hochschule für Lehrerbildung in Friedberg. Der Schulleiter der Thaer-Oberrealschule, Bruno Peyn[7] bedauerte Sonntags Weggang in einer Beurteilung für die Hessische Hochschule, in der es unter anderem hieß:
„Vorweg möchte ich mein Bedauern zum Ausdruck bringen, dass mir durch den an ihn ergangenen Ruf Herr Dr. Sonntag unserer Anstalt entzogen werden konnte, da er sich in geradezu vorbildlicher Weise nach Übernahme der Sexta für die Erziehung unserer Jüngsten schrankenlos eingesetzt hat. Die Schulleitung kann über das Wirken von Herrn Studienassessor Dr. Sonntag nur das beste Zeugnis ausstellen. Unterrichtlich fordert er die Jungens auf das schönste, wobei vor allen Dingen auch hervorzuheben ist, dass musterhafte Disziplin in allen seinen Stunden herrscht. In seinem Turn- und Sportunterricht herrscht eine saubere körperliche Haltung. Soweit ich erkennen kann, genießt er das volle Vertrauen der Elternschaft und hat sich durch die Bemühungen um jeden einzelnen den Dank aller erworben.“[8]
Da auch Hessen ihm keine feste Dozentenstelle anbot, kam Sonntag am 1.10.1935 zurück nach Hamburg und wurde am 19.10.1936 der Hansischen Hochschule für Lehrerbildung überwiesen, wo er kommissarisch beschäftigt wurde. Der Direktor dieser Hochschule, Prof. Bernhard Pein schrieb über ihn am 31.10.1938:
„Charakterliche Eignung: Dr. Sonntag ist von Natur ruhig und besonnen. Er beteiligt sich gern an Lagern, Lehrausflügen und geselligen Veranstaltungen der Hochschule; allerdings könnte er noch einen kleinen Schuss von dem haben, das man einen Kerl nennt. Im praktischen Zusammenleben mit den Studenten auf Lehrwanderungen fehlt es ihm noch an praktischem Zupacken; im Übrigen ist er ein guter Kamerad und stets hilfsbereit.
Fachliche Eignung: Sonntag war zunächst Volksschullehrer und ist dann Studienassessor geworden. Auf beiden Arbeitsgebieten besitzt er eine für seine Hochschultätigkeit voll ausreichende schulpraktische Erfahrung und kommt gleicherweise für die Ausbildung von zukünftigen Volksschullehrern und Lehrern an höheren Schulen in Frage. Neben seiner Lehrtätigkeit hat er die Verwaltung der 60.000 Bände umfassenden Hochschulbibliothek mit einem außerordentlich umfangreichen Leihbetrieb, der eine große Zahl der Hamburger Lehrerschaft einschließt. Bei dem Aufbau und der Verwaltung der Bücherei hat er organisatorisches Geschick bewiesen.“[9]
Pein kam zu dem Resümee:
„Dr. Sonntag muss zum nächstmöglichen Termin eine Professorenstelle an der Hochschule für Lehrerbildung erhalten.“[10]
Zum 1.5.1937 war Kurt Sonntag in die NSDAP eingetreten. Die Ernennungsurkunde zum Dozenten vom Präsidenten der Kultur- und Schulbehörde, Karl Witt, und von dem jetzt zuständigen Senator Wilhelm von Allwörden, war am 10.5.1937 unterschrieben worden.[11]
An der Hochschule für Lehrerbildung fungierte Sonntag nunmehr als „Sachbearbeiter für Ostlandfragen, die in Vorlesungen und Arbeitsgemeinschaften behandelt werden“.[12]
Erst am 1.3.1939 wurde Kurt Sontag zum Dozenten ernannt.[13]
Am 28.8.1939 erhielt Kurt Sonntag den Einberufungsbefehl zur Wehrmacht.
Hamburg stellte im Juli 1940 beim Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung den Antrag, die Dozenten Dr. August Hagemann[14], Dr. Kurt Sonntag und Dr. Fritz Stückrath zum 1.7.1940 zu Professoren zu ernennen. „Wie bereits erwähnt sind die drei Dozenten bereits vor Ausbruch des Krieges für die Ernennung zu Professoren in Aussicht genommen worden.“[15]
In einem Schreiben vom 19.5.1941 fasste Kurt Sonntag („zur Zeit bei der Wehrmacht“) noch einmal zusammen, wie in all den vergangenen Jahren seine Beförderungen jeweils nicht zustande gekommen waren. In diesem Fall:
„Ein neuer Antrag der Hochschulbehörde auf Einstufung nach C 3 und Ernennung zum Professor vom Sommer 1940 wurde vom Ministerium nach etwa neun Monaten zurückgesandt mit dem Bemerken, dass auf Wunsch des Reichsministers Heß infolge des inzwischen beschlossenen Abbaus der Hochschule für Lehrerbildung Beförderungen nicht mehr ausgesprochen würden.“[16]
Am 15.4.1939 wurde Kurt Sonntag Dozent auf Lebenszeit.
Seit dem 5.7.1932 war er mit Paula Maria, geborene Johst, verheiratet, mit der er vier Kinder hatte (geboren 1934, 1937, 1939, 1941).
Sonntag, seit dem 28.8.1939 bei der Wehrmacht, bemühte sich in den Kriegsjahren weiter um eine bessere Gehaltsfestsetzung und eine Professorenstelle.[17]
Am 1.3.1942 wandte er sich an Landesschulrat Willi Schulz, der gleichzeitig für das Hochschulwesen zuständig war. Sonntags Frau hatte die Mitteilung bekommen, dass sein Dozentengehalt, nunmehr festgesetzt, 230 Mark weniger als seine Assessoren-Vergütung betragen würde. „Es steht fest, dass ich damit unverschuldet mit der Familie in eine sichere Bedrängnis versetzt werde.“
Sonntag bat Willi Schulz, „sich mit all Ihrem Einfluss dieses ernsten und einmaligen Falles anzunehmen und eine gerechte Lösung im Sinne eines Ausgleiches, wie ich Ihnen in meinem Brief andeutete, möglichst sogleich herbeizuführen“.[18]
Unterstützung fand Sonntag auch bei dem Direktor der Hochschule für Lehrerbildung, Bernhard Pein, der erneut forderte, Sonntag „muss zum nächstmöglichen Termin eine Professorenstelle an der Hochschule für Lehrerbildung erhalten“.[19]
Kurt Sonntag war bei der Wehrmacht zum Funker ausgebildet, vom Unteroffizier am 13.7.1942 zum Wachtmeister befördert worden, am 1.5.1943 zum Leutnant. 1945 war er in Dänemark in einer Nachrichtenabteilung stationiert. Wie andere kriegsbedingt abwesende Offiziere auch, wurde Sonntag gleichzeitig in der Heimat befördert. Am 12.1.1944 beantragte Reichsstatthalter Kaufmann beim Reichsministerium in Berlin die Ernennung von Kurt Sonntag zum Oberstudienrat:
„Studienrat Dr. Sonntag befindet sich zur Zeit als Leutnant bei der Wehrmacht. Nach seiner Rückkehr soll ihm die Durchführung der schulpraktischen Ausbildung der Schülerinnen an der Lehrerinnen-Bildungsanstalt übertragen werden. Seine besondere Neigung hierfür ist aus dem anliegenden Eignungsbericht ersichtlich. Für den Leiter der berufspraktischen Ausbildung ist gemäß Erlass vom 5. November 1942 eine Oberstudienratsstelle vorgesehen.“[20]
Die Bürokratie funktionierte auch während des Krieges. Am 27.6.1944 erhielt Sonntag die Ernennungsurkunde.]21]
Bis Ende des Krieges wurde Kurt Sonntag allerdings nicht zum Professor befördert. Am 1.8.1945 nahm er kurz seinen Dienst wieder auf, wurde dann aber am 4.9.1945 entlassen. Im Entnazifizierungsverfahren zeigte sich noch einmal deutlich, unter welchem Druck sich der Lehrer an der Lichtwarkschule 1933 befunden, besser, gefühlt hatte. Und er konnte gewichtige Leumundszeugnisse ins Feld führen.
Am 20.12.1945 schrieb er an die Hamburger Schulverwaltung, die nunmehr von dem ehemaligen Schulleiter der Lichtwarkschule, Heinrich Landahl, geleitet wurde:
„Ich bin am 1.5.1937 in die Partei und am 5.11.1933 in die SA eingetreten. Mein Eintritt erfolgte auf dringende Vorhaltung meines Dienstvorgesetzten, da ich als Schriftführer der deutschen Sektion des internationalen ,Weltbundes für die Erneuerung der Erziehung‘ (New Education Fellowship, Sitz London) sowie durch meine Zugehörigkeit zum Kollegium der Lichtwarkschule, der pädagogisch und politisch freiesten Höheren Schule Hamburgs, von der ich 1933 aus schulpolitischen Gründen sogleich wegversetzt wurde, politisch belastet war. Ich war Beamtenanwärter seit 1929 und wurde erst im Jahre 1939, im 41. Lebensjahre, nach zehnjähriger Wartezeit fest angestellt. Ohne den Eintritt zu SA und Partei wäre ich nicht Beamter geworden.
Ich bin weder in der Partei noch in einer ihrer Gliederungen durch Wort, Schrift oder Tat irgendwie im Sinne des Nationalsozialismus hervorgetreten, habe weder ein Amt noch einen Rang innegehabt, noch irgend einen Auftrag ausgeführt.
Ich bitte die Britische Militärregierung um Wiederaufhebung der Entlassungsverfügung.“[22]
Sonntags Dienstvorgesetzter war zum damaligen Zeitpunkt der Nationalsozialist Bruno Peyn gewesen, der aus Überzeugung schon 1931 der NSDAP beigetreten und auch Mitglied der SA gewesen war.[23]
Gravierender schon das Leumundszeugnis von Dr. Walter Kurenbach, der schrieb: „Herr Dr. Sonntag ist mir bekannt aus fünfjähriger gemeinsamer Arbeit an der Lichtwarkschule, der modernsten und fortschrittlichsten höheren Schule Hamburgs bis 1933. Ich lernte Herrn Dr. Sonntag kennen als einen fortschrittlich, liberal denkenden Kollegen, der sich völlig einsetzte in der gemeinsamen Arbeit mit dem Kollegium für die Verwirklichung der geistigen und sittlichen Erziehungsideen, die sich die Schule gestellt hatte. Er führte eine Klasse, in der sich ein großer Teil jüdischer Schüler befand; er genoss das volle Vertrauen der Eltern und Schüler, auch der jüdischen. Die jüdischen Schüler waren führend in dieser Klasse und fühlten sich unter Herrn Sonntags Leitung wohl. Die ganze Klasse hing an ihm. Leider konnte er die Arbeit nicht fortführen, er wurde 1933 mit anderen Kollegen von der Schule wegversetzt. In meiner Klasse gab Herr Sonntag eine Zeit lang den Religionsunterricht. Es ist mir weiter bekannt, das Herr Sonntag Schriftführer der Hamburger Ortsgruppe des internationalen ‚Weltbundes für Erneuerung der Erziehung‘ war.“[24]
Und auch Schulsenator Heinrich Landahl setzte sich in einem Leumundsschreiben für den ehemaligen Kollegen seiner Schule ein:
„Ich bestätige gern, dass ich Herrn Dr. Kurt Sonntag aus mehrjähriger gemeinsamer Arbeit an der von mir geleiteten Lichtwarkschule gut kenne, und zwar als einen unpolitischen Menschen, der sich ausschließlich seinen Lehraufgaben widmete. Er war ein eifriger Förderer freiheitlicher Erziehungsgedanken, ein Mann ruhiger und klarer Sachlichkeit, also seinem ganzen Wesen nach das Gegenteil eines Nationalsozialisten. Ich bin überzeugt, dass er eine gute und vertrauenswürdige Kraft beim Wiederaufbau unseres Erziehungswesens sein kann, und befürworte daher seine Wiedereinstellung als Studienrat an einer höheren Schule.“[25]
Auch der renommierte Erziehungswissenschaftler und Sozialdemokrat Dr. Julius Gebhard setzte sich für Kurt Sonntag ein:
„Dr. Sonntag musste als junger Studienassessor und langjähriger Beamtenanwärter 1933 in die SA eintreten, da er für politisch unzuverlässig galt. Parteimitglied war er seit 1937. Er ist weder in der Partei noch in der SA jemals durch Wort, Schrift oder Tat irgendwie hervorgetreten, hat kein Amt und keinen Rang innegehabt und ist seiner ganzen geduldsamen, liberalen und ruhigen Art nach durchaus kein aktiver Nationalsozialist oder Militarist gewesen. Im Sinne der Ziele der Vereinten Nationen war er schon vor 1933 in dem später verbotenen Weltbund zur Erneuerung der Erziehung (New Education Fellowship) tätig, dessen Geschäftsführer in der deutschen Sektion ich war und in dem er das Amt des Schriftführers innehatte. Im gleichen Sinne hat er auch nach der Staatsumwälzung von 1933 weitergearbeitet. Ich kenne Dr. Sonntag seit seiner Studentenzeit, seit mehr als 20 Jahren, und kann dafür einstehen, dass er als eine wertvolle Lehrkraft die Jugend durchaus in unserem Geiste und Sinne erziehen wird.“[26]
Und auch der kritische Schulrat Gustav Schmidt, der sich stets geweigert hatte, der NSDAP beizutreten und deswegen 1942 vom Dienst suspendiert worden war27, befürwortete Sonntags Wiedereinstellung im Berufungsverfahren am 13.8.1946:
„Dr. Sonntag war vor 1933 an der Lichtwarkschule in Hamburg tätig. Wegen der Zugehörigkeit zu dem Lehrkörper dieser fortschrittlichen Höheren Schule Hamburgs war er von vornherein bei den Nationalsozialisten verdächtig. Hinzu kam noch, dass er Schriftführer der deutschen Gruppe einer internationalen Erzieherorganisation war. Aus dieser Gefährdung heraus ist Dr. Sonntag der SA beigetreten. Er rettete sich dadurch wohl die Arbeit in seinem Beruf, erreichte es aber nicht, dass er fest angestellt wurde. Darum trat er 1937 noch in die Partei ein. Irgendwelche Ämter hat Dr. Sonntag nicht bekleidet, den Rottenführer in der SA kann man wohl nicht schwer für ihn wägen, weil er dort nur zwei oder drei Mann zu kommandieren hatte. Unter den beigebrachten Zeugnissen möchte ich besonders auf das von Senator Landahl hinweisen. Ich befürworte, Dr. Sonntag wieder ins Amt einzusetzen.“[27]
Insofern verwundert es nicht, dass der Berufungsausschuss am 9.9.1946 seine Wiedereinstellung als Studienrat empfahl, mit der Einschränkung: „Zum Oberstudienrat ist S. während seines Wehrdienstes befördert worden. Es erscheint angemessen, diese Beförderung rückgängig zu machen.“[28]
Sonntag war im Weiteren bemüht, wieder als Oberstudienrat besoldet zu werden und berief sich darauf, dass die Britische Militärregierung ihn vom 19.9.1946 „ohne Berufseinschränkung“ wieder zugelassen hätte. In einem Vermerk der Schulbehörde vom 7.4.1948 wurde darauf hingewiesen, dass die Einschränkung, nur als Studienrat beschäftigt zu werden, durch den Berufungsausschuss erfolgt sei.[29]
Der nächste Berufungsausschuss vom 17.9.1949 bestätigte Sonntag dann als Oberstudienrat und stufte ihn in Kategorie V ein.[30]
Die Gutachten über die pädagogische Arbeit waren dann sehr positiv. Der Schulleiter der Oberschule für Jungen im Alstertal, Johann Helbig, ein entscheidender Mann der höheren Schulen auch in den Entnazifizierungsausschüssen, stellte fest:
„Da er später eintrat, konnte er noch nicht mit ausgewogenem Plan, sondern nur als Lückenbüßer eingesetzt werden. Trotzdem leistete er vom ersten Tage an gute pädagogische Arbeit. Von urteilsfähigen Schülern wird er als Lehrer bezeichnet, der etwas bietet und fordert. Dass für ihn zum Unterricht auch die dramatische Gestaltung als Beitrag gehört, zeigte er in den Klassen 5 und 10. Die kunstgeschichtliche Lichtbildersammlung der Anstalt, die gröblich vernachlässigt war, hat er wieder in Ordnung gebracht. Schon heute hat er für eine geplante Klassenführung im nächsten Jahr die Vorarbeiten für einen Heimaufenthalt der Klasse unternommen. Auf Konferenzen und im Gespräch wirkt er durch seine fortschrittlichen Ansichten anregend. Dabei ist er nicht stürmisch fordernd, sondern von kultivierten Formen, zurückhaltend bei aller Bestimmtheit. Auch für den sozialen Teil unserer Schularbeit hat er viel Verständnis. Seine Aufsicht bei der Speisung führt er mit großer Entschiedenheit, die sich mit Freundlichkeit paart.“[31]
Auch mit dem Nachfolger von Helbig als Oberstudiendirektor des Gymnasiums Alstertal traf Sonntag auf jemanden, der ihn als Pädagogen schätzte. Dr. Hans Roemer war schon mit Sonntag zusammen im Kollegium der Lichtwarkschule vor 1933 tätig gewesen. Und er befürwortete Sonntags Ernennung zum etatmäßigen Oberstudienrat, die in den 1950er Jahren mit der Tätigkeit eines Anleiters für Referendare begründet wurde, wie in vielen Fällen belasteter, ehemaliger NS-Aktivisten, die somit wieder befördert wurden. In Hans Roemers Bericht hieß es:
„Herr Dr. Kurt Sonntag (Geschichte, Deutsch, Pädagogik) ist seit Michaelis 1946 am Gymnasium in Alstertal tätig und genießt im Kollegium aufgrund seines bescheidenen und freundlichen Wesens sowie seines pädagogischen Eifers und seines Interesses für alle Schul- und Erziehungsfragen allgemeine Achtung und Wertschätzung. Herrn Dr. Sonntag, der seinen Beruf mit Begeisterung und großem Verantwortungsgefühl ausübt, kann als Klassen- und Fachlehrer das beste Zeugnis ausgestellt werden. Bei dem Umbau der Schule von einer Jungen- zu einer Koedukationsschule hat er als alter erfahrener Koedukationslehrer durch die Übernahme des Unterrichts in den ersten Koedukationsklassen entscheidend mitgewirkt, wobei seine reichen Erfahrungen auf dem Gebiet der Gemeinschaftserziehung der Schule vielfach zugute gekommen sind.
Herrn Dr. Sonntags Hauptinteresse gehört seit jeher der Methodik des Deutsch-
unterrichts, über die jüngere Fachkollegen gerne seine Ansicht einholen. Er hat über diesen Fragenkomplex auch noch bis vor kurzem regelmäßige Arbeitsgemeinschaften im Rahmen des Instituts für Lehrerfortbildung abgehalten. Für neue gangbare Wege in Unterricht und Erziehung ist Herr Dr. Sonntag aufgeschlossen und bemüht, diese auch in der Praxis zu erproben. Unter anderem hat die Schülermitverwaltung in ihm einen regen Förderer gefunden. An der praktisch-pädagogischen Ausbildung der der Schule zugewiesenen Studienreferendare war Herr Dr. Sonntag auch während der letzten Jahre vielfach beteiligt. Er hat die Anleitung auf allen Unterrichtstufen mit Umsicht und Gewissenhaftigkeit durchgeführt und gute Erfolge zu verzeichnen gehabt.“[32]
Daraufhin wurde Kurt Sonntag vom ehemaligen Schulleiter der Lichtwarkschule, Heinrich Landahl, der nach Ablösung des „Hamburg-Blocks“ nach der Wahlperiode 1953–1957, nun wieder Schulsenator war, am 17.4.1958 zur Ernennung als Oberstudienrat vorgeschlagen, wobei er sich wörtlich auf den Bericht von Hans Roemer bezog.[33]
Kurt Sonntag war also auch nach 1945 nicht zum Professor ernannt worden und kehrte auch nicht wieder hauptamtlich in die Lehrerausbildung zurück, gab aber einige Kurse und Seminare am Institut für Lehrerfortbildung. Am 31.3.1964 wurde er pensioniert.[34]
Kurt Sonntag starb am 31.1.1975.[35]
Text: Hans-Peter de Lorent

Anmerkungen
1 Alle Angaben laut Personalbogen und Lebenslauf in seiner Personalakte, StA HH, 361-3_A 3094
2 Personalakte a. a. O.
3 Siehe die Biografie Wolfgang Meyer in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd. 2, Hamburg 2017, S. 150 ff.; siehe die Biografie Alfred Kleeberg in diesem Band. Siehe die Biografie des Nachfolgers von Landahl als Schulleiter der Lichtwarkschule in der NS-Zeit, Erwin Zindler, in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd. 1, Hamburg 2016, S. 538 ff.
4 Personalakte a. a. O.
5 Siehe Biografie Zindler, a. a. O.
6 Entnazifizierungsakte Kurt Sonntag, StA HH, 221-11_Ed 6607
7 Siehe die Biografie Bruno Peyn, in: de Lorent 2016, S. 480 ff.
8 Schreiben vom 18.1.1935, Personalakte a. a. O.
9 Eignungsbericht von Prof. Bernhard Pein vom 31.10.1938, Personalakte a. a. O. Siehe die Biografie Berhard Pein in diesem Band.
10 Ebd.
11 Ernennungsurkunde, Personalakte a. a. O.
12 Schreiben von Wilhelm Arp vom 25.11.1937, Personalakte a. a. O.
13 Personalakte a. a. O.
14 Siehe auch die Biografie August Hagemann, in: de Lorent 2017, S. 344 ff.
15 Schreiben aus dem Juli 1940, Personalakte a. a. O.
16 Schreiben vom 19.5.1941, Personalakte a. a. O.
17 Personalakte a. a. O.
18 Schreiben vom 1.3.1942, Personalakte a. a. O.
19 Eignungsbericht vom 31.10.1938, Personalakte a. a. O.
20 Schreiben an das Reichsministerium vom 12.1.1944, Personalakte a. a. O.
21 Personalakte a. a. O.
22 Schreiben vom 20.12.1945, Entnazifizierungsakte Sonntag, a. a. O. Personalakte a. a. O.
23 Siehe die Biografie Peyn, a. a. O.
24 Schreiben vom 10.12.1945, Entnazifizierungsakte a. a. O.
25 Schreiben vom 14.2.1946, Entnazifizierungsakte a. a. O.
26 Schreiben vom 8.7.1946, Entnazifizierungsakte a. a. O. Siehe zu Julius Gebhard die Biografie, die Reiner Lehberger geschrieben hat, in: Hamburgische Biografie, Personenlexikon Bd. 3, hrsg. von Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke, Göttingen 2006, S. 132 f.
27 Entnazifizierungsakte a. a. O. Siehe auch zur Person Gustav Schmidt die Biografie Albert Henze, in: de Lorent 2016, S. 173.
28 Empfehlung des Berufungsausschuss vom 9.9.1946, Entnazifizierungsakte a. a. O.
29 Entnazifizierungsakte a. a. O.
30 Berufungsausschuss vom 17.9.1949, Entnazifizierungsakte a. a. O.
31 Bericht vom 2.4.1947, Personalakte a. a. O.
32 Bericht vom 2.9.1957, Personalakte a. a. O.
33 Ernennungsvorschlag vom 17.4.1958, Personalakte a. a. O.
34 Personalakte a. a. O.
35 Personalakte a. a. O.
 

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Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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