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Wilhelm von Allwörden

(1. Juni 1892 in Altona - 10. August 1955 Hamburg)
Senator der Wohlfahrtsbehörde, Senator für Kulturangelegenheiten (dazu zählte auch die Landesunterrichtsbehörde), verantwortlich für die Fürsorgebehörde und Staatsarchiv, Leitung der Verwaltung für Handel, Schifffahrt und Gewerbe, Hafen- und „Arisierungs“ Kommissar, Wirtschaftsbeauftragter, SA-Gruppenführer
Adresse: Hammer Steindamm 114 (1935), Sierichstraße 86 (1939)
Wirkungsstätte: Verwaltung für Kulturangelegenheiten, Dammtorstraße 25

Dr. Hans-Peter de Lorent hat über Wilhelm von Allwörden ein Portrait verfasst, das in Hans-Peter de Lorents Buch: Täterprofile. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz. Band. 3. Hamburg 2019 erschienen und im Infoladen der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg erhältlich ist. Hier der Text:

„Er gehört zu jener kleinen Gruppe von Gläubigen, die in Hitler einen Heiligen, fast einen Gott sah. Er war ein Idealist durch und durch.“
Einer der mächtigsten Nationalsozialisten in Hamburg neben dem Reichsstatthalter und Gauleiter der NSDAP, Karl Kaufmann, war Wilhelm von Allwörden. Ein Mann der ersten Stunde, seit 1925 Mitglied der NSDAP, mit der Mitgliedsnummer 7476 Träger des Goldenen Parteiabzeichens, seit 1931 Bürgerschaftsmitglied, in der SA seit 1926, wurde er von Karl Kaufmann in diverse Ämter berufen. Seit 1933 im Hamburger Senat, war er zum 1.10.1933 von Kaufmann mit der Leitung der neuen Verwaltung für Kulturangelegenheiten betraut und hatte damit die politische Verantwortung für die Schul- und Kulturpolitik in Hamburg.

Von Allwörden wurde noch in diverse weitere politische und ehrenamtliche Funktionen berufen. Zum Schluss, während des Krieges, war er seit 1942 Referent in der Abteilung Wirtschaft des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete. Ein überzeugter Nationalsozialist, der 1945 verhaftet und interniert wurde und nach 1945 sogar Fürsprecher fand, die ihm bescheinigten, sich durch ein freundliches Wesen und stete Hilfsbereitschaft ausgekennzeichnet zu haben. Sein Ende war tragisch, er erlitt am 10.8.1955 bei einem Fußballspiel des HSV gegen Preußen Münster auf dem Fußballplatz am Rothenbaum einen Herzschlag.

Wilhelm von Allwörden wurde am 1.6.1892 als Sohn des Dentisten Johann Wilhelm Friedrich von Allwörden in Altona geboren. Er besuchte die Volksschule in Altona und zeitweilig in Wrist/ Holstein, anschließend mehrere private Handelsschulen, unter anderem die Grone-Schule in Hamburg, ohne dabei einen Abschluss zu erwerben.[1] Danach fand von Allwörden Anstellungen als Arbeiter, Kontorbote, Volontär und ab 1911 als kaufmännischer Angestellter. Seine Beteiligung im Ersten Weltkrieg war kurz, die Folgen schwerwiegend. „Unmittelbar nach seinem Einsatz als Infanterist an der Ostfront geriet er 1915 in russische Gefangenschaft, aus der er im August 1918 heimkehrte.“[2]

Möglicherweise der Ausgangspunkt für seine spätere politische Entwicklung.

Von Allwörden arbeitete dann als kaufmännischer Angestellter im Einzelhandel in Altona. Er fand seine politische Heimat in der völkischen Bewegung. Dort „machte er sich ihren vehementen Nationalismus und radikalen Antisemitismus zu Eigen und engagierte sich in der Deutschvölkischen Freiheitsbewegung und im Völkisch-sozialen Block, wo er seit Mai 1924 als stellvertretender Ortsgruppenleiter fungierte.“[3]

Danach begann die Karriere von Wilhelm von Allwörden in der NSDAP. Er trat am 11.6.1925 in die Partei ein und erhielt die Mitgliedsnummer 7476. Dafür trug er später das Goldene Parteiabzeichen. Von Juni 1925 bis Mai 1930 war er als Propagandaleiter in Altona und Schleswig- Holstein tätig, darüber hinaus seit 1928 Ortsgruppenleiter in Altona und seit November 1929 Stadtverordneter und NSDAP-Fraktionsführer im Altonaer Rathaus.[4] In der SA war er seit dem 1.2.1926 Mitglied und wurde zum Standartenführer befördert. Er baute in Altona eine SA-Gruppe auf und übernahm im Mai 1928 für einige Zeit die Leitung des SA-Gaues Nordmark.[5]

Mit dieser Geschichte war klar, dass von Allwörden in der NSDAP im Weiteren eine herausragende Rolle spielen würde. Anfang 1930 war er stellvertretender Gauleiter in Hamburg und hauptamtlicher Geschäftsführer der NSDAP im Gau Hamburg. Als Gauleiter fungierte seit dem 1.5.1929 Karl Kaufmann, der Albert Krebs ablöste. Kaufmann war vorher Gauleiter von Rheinland-Nord gewesen, wo er mit dem dortigen Gaugeschäftsführer Joseph Goebbels agiert hatte. Kaufmann, Jahrgang 1900, vertraute Wilhelm von Allwörden und zählte diesen bis 1945 zu seinem engsten Führungskreis. Während Karl Kaufmann 1930 in den Reichstag gewählt wurde, kandidierte von Allwörden 1931 für die NSDAP zur Hamburgischen Bürgerschaft, wurde gewählt und Fraktionsvorsitzender.[6]

Die Karriere von Wilhelm von Allwörden war unaufhaltsam. Am 1.1.1933 wurde er Vorstandsmitglied von zwei Krankenversicherungsunternehmen in Hamburg, am 8.3.1933 in der Bürgerschaft zum Senator gewählt. Vorher waren die Abgeordneten der KPD ausgeschlossen und verfolgt worden und die SPD hatte zum Boykott der Wahl aufgerufen. Als die Senatsmitglieder, die nicht der NSDAP angehörten, zwei Monate später aus dem Senat entlassen wurden, blieb von Allwörden Senator, nachdem ihn Reichsstatthalter Kaufmann am 18.5.1933 aufgrund des zweiten Gleichschaltungsgesetzes vom 7.4.1933 dazu ernannt hatte. Er wurde zunächst Senator für die Wohlfahrtsbehörde und übernahm am 1.10.1933 die neu gebildete Verwaltung für Kulturangelegenheiten, der die Landesunterrichtsbehörde unterstand. Außerdem war er verantwortlich für die Fürsorgebehörde und das Staatsarchiv. Als nach 1937 wieder eine Umgestaltung der Hamburgischen Verwaltung anstand, berief ihn der nach dem Führerprinzip agierende Reichsstatthalter Kaufmann am 16.3.1938 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum hauptamtlichen Beigeordneten.[7]

Wilhelm von Allwörden war also lange Zeit für den Kulturbereich und auch als Senator für das Schulwesen zuständig. Der am 8.3.1933 gewählte Karl Witt, im damaligen Koalitionssenat für die DNVP als Schulsenator nominiert, musste schon am 18.5.1933 diese Verantwortung wieder abgeben, konnte den Titel als Senator behalten und war im Weiteren unter Wilhelm von Allwörden Präsident der Landesunterrichtsbehörde.[8]

Wilhelm von Allwördens Aufgabe bestand darin, im Kultur- und Bildungsbereich für die Durchsetzung nationalsozialistischer Vorstellungen zu sorgen. Karl Witt war zwar auch in die NSDAP eingetreten, aber die Hauptverantwortung lag bei von Allwörden und in der Umsetzung bei dem NS-Landesschulrat Willi Schulz, der gleichzeitig Gauamtsleiter des NSLB war und ebenfalls das Vertrauen von Karl Kaufmann genoss.[9]

Wilhelm von Allwörden wurde sicherlich bei allen grundsätzlichen Entscheidungen, auch das Führungspersonal betreffend, involviert. Insgesamt hatte er aber dermaßen viele andere Funktionen und Ehrenämter, dass er sich auf seine leitenden Mitarbeiter verließ.

So war er noch Gauwart der Nationalsozialistischen Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ (KdF), einer Unterorganisation der Deutschen Arbeitsfront (DAF), mit der Aufgabe, die Freizeit der deutschen Bevölkerung zu gestalten, zu überwachen und gleichzuschalten, die am 28.11.1933 gegründet worden war. Diese Aufgabe nahm von Allwörden von 1934 bis 1938 ehrenamtlich wahr. In der NSV war er gleichfalls ehrenamtlich als Gauamtsleiter von 1933 bis 1938 tätig.

Wilhelm von Allwörden hatte also die Verantwortung für die Schul- und Kulturpolitik in Hamburg bis zum 31.3.1938. Er war „entschiedener Anhänger einer bodenständigen nationalpolitischen Erziehung. Seiner Überzeugung nach bildeten Sprache, Lebensraum und Rasse das eigentliche Fundament für eine ‚gesunde völkische Entwicklung‘. Dafür sollte das ‚jüdische Element‘ aus Schule und Kultur entfernt werden“.[10]

Vor allem war Wilhelm von Allwörden nachhaltig um die Pflege des niederdeutschen Brauchtums in Schule und Öffentlichkeit bemüht. Folgerichtig übernahm er auch den Vorsitz der im Herbst 1935 geschaffenen „Vereinigung Niederdeutsches Hamburg“.

Dabei wurde er intensiv unterstützt von den Hamburger Lehrern und Schulleitern Heinrich Behnken[11], Felix Schmidt[12] und Alexander Strempel[13], die wichtige Funktionen in dieser Vereinigung übernahmen. Von Allwörden war Vorsitzender, Bürgermeister Carl Vincent Krogmann Ehrenvorsitzender, wobei von Allwörden nicht nur seinen Namen gab, sondern auch ein wichtiger und geschätzter Propagandist der Vereinigung war. Als die Vereinigung am 1.2.1936 in allen Räumen des traditionellen Ausflugslokals Sagebiel ein großes Niederdeutsches Volksfest mit rund 5000 Teilnehmern durchführte, schrieb das „Hamburger Tagesblatt“:
„Dann sprach Senator von Allwörden als Vorsitzender der Vereinigung. Plattdeutsch natürlich. Seit langen Zeiten sind Männer und Frauen still verbissen an der Arbeit gewesen, um das deutsche Volkstum nicht verloren gehen zu lassen. Immer, selbst in der schwersten Zeit, sind sie am Werk gewesen, haben nur der inneren Stimme ihres Herzens gehorcht. Gerade in Hamburg ist durch sie die niederdeutsche Arbeit so lebendig geblieben, auch in der Zeit, als es nicht zum ‚guten Ton‘ gehörte, plattdeutsch zu sprechen, als die Bestrebungen der damaligen Machthaber rücksichtslos so weit gingen, alles Volkstümliche auszurotten im Sinne ihrer internationalen Gleichmacherei. All den unentwegten Menschen, die Volkstumsarbeit trotzdem fortsetzten, gehört heute unser Dank. Ihr Werk konnte nur gelingen, weil der niederdeutsche Schlag kernig und echt, sich selbst treu geblieben ist. In vielen Vereinen ist dieser Gedanke gepflegt worden, und heute, da in unserem Denken nur der deutsche, nationale Gedanke Raum hat, sind wir darangegangen, diese Arbeit wieder zusammenzufassen, ihnen zu helfen auf dem Weg, der notwendig ist, in der Arbeit am Volkstum und damit in einem guten Stück Arbeit für das Dritte Reich.“[14]

Erkennbar ist, dass Wilhelm von Allwörden seine Ehrenämter auch dazu nutzte, seine nationalsozialistischen und völkischen Positionen mit Überzeugung und offenbar auch überzeugend darzustellen. Bürgermeister Krogmann, der während seiner gesamten Amtszeit Tagebuch führte, das im Hamburger Staatsarchiv aufbereitet vorliegt, notierte: „Sehr gute plattdeutsche Rede von Herrn Senator von Allwörden.“[15]

Krogmanns private Aufzeichnungen machen auch deutlich, wie er seine Rolle als Ehrenvorsitzender sah: „Die Funktionäre unterrichteten ihn von ihren Plänen, er ließ sich über Konflikte informieren und leistete Vermittlungsdienste.“[16] Somit hatte die niederdeutsche Bewegung in Hamburg eine wichtige und kräftige Unterstützung durch den Bürgermeister und den Senator für den Kultur- und Schulbereich, sicherlich auch ein Grund dafür, dass viele Hamburger Lehrer, die plattdeutsch sprachen und als niederdeutsche Autoren aktiv waren, sich von den politischen Repräsentanten angesprochen und unterstützt fühlten.

Nachdem der Senat abgeschafft worden war und Reichsstatthalter Kaufmann 1938 neun Beigeordnete der Hansestadt Hamburg nach dem Führerprinzip berufen hatte, wurde Wilhelm von Allwörden mit der Leitung der Verwaltung für Handel, Schifffahrt und Gewerbe beauftragt. Kaufmann ernannte ihn zusätzlich zum Hafen- und „Arisierungs“kommissar, 1939 dann zum ständigen Wirtschaftsbeauftragten mit Sitz in zahlreichen Aufsichtsräten öffentlicher Unternehmen in Hamburg. „Von Allwörden war damit einer der wichtigsten wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger des nationalsozialistischen Regimes in Hamburg.“[17] Er war somit auch an der Enteignung jüdischer Unternehmen in Hamburg maßgeblich beteiligt.

Die Verantwortung für den Schulbereich wurde jetzt wieder auf Karl Witt übertragen, der auch einer der neun Beigeordneten war. Wobei Karl Witt nach Beginn des Krieges sich als Offizier zur Marine meldete und die Funktion dann jeweils für einige Zeit auf andere überging, so auf Oscar Toepffer und Friedrich Ofterdinger.

Die Nationalsozialisten befanden sich mit Kriegsbeginn nicht nur in Hamburg in einer neuen Phase und von Allwörden als zuverlässiger Intimus von Reichsstatthalter Karl Kaufmann wurde für andere, als wichtiger angesehene Aufgaben benötigt.

Während des Krieges erhielt von Allwörden im Mai 1942 die Abordnung in das neu eingerichtete Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete nach Berlin, wo er mit anderen für den Aufbau einer Besatzungsverwaltung und die wirtschaftliche Ausbeutung der besetzten Ostgebiete sorgen sollte. Er war dort für ein Jahr als Referent in der Wirtschaftsabteilung tätig, bis er im Mai 1943 mit der Leitung der Verwaltung die Verantwortung für eine der drei Hauptabteilungen übernahm.[18]

Wilhelm von Allwörden kehrte am 26.3.1945 nach Hamburg zurück und wurde von Reichsstatthalter Kaufmann zum ihm unmittelbar unterstellten Sachbeauftragten für alle Fliegerschadensfragen bestimmt.[19]

Im Mai 1945 verhaftete die Britische Militärregierung von Allwörden und überführte ihn später in das Internierungslager Delmenhorst-Adelheide, wo er bis März 1948 festgesetzt wurde.[20] Einen Entnazifizierungsfragebogen hatte von Allwörden am 22.5.1945 ausgefüllt, wobei er auffällig viele Auslandsreisen angab, darunter bis zum Krieg mehrere „Vergnügungsreisen“, KdF-Fahrten nach Island, Norwegen Schweden, dann Fahrten, die er „Informationsreisen mit der Industrie- und Handelskammer“ nannte, nach Polen, Kroatien, Ungarn und in die Niederlande, später dann Reisen in die Ukraine und die baltischen Länder, deren Zweck er mit „Haushalts- und allgemeine Verwaltungsfragen“ bezeichnete.[21]

Ungewöhnlich lang und unpräzise waren seine Angaben zu eigenen Schriftwerken und Reden. Darin musste von Allwörden einräumen, dass er als Verantwortlicher zahlreiche „Wahl- und Propagandadruckschriften“ herausgegeben hatte, ebenso viele Artikel, die er als Präses der Kultur- und Schulbehörde in der Zeit von 1933 bis 1938 verantwortlich gezeichnet hatte und die er nicht mehr im Einzelnen aufzuführen vermochte. Seit 1926 hatte er auch unendlich viele „Sprechabende der Partei“ in Altona, Schleswig- Holstein und Hamburg abgehalten.[22] Wilhelm von Allwörden war ein viel beschäftigter Propagandist der Nationalsozialisten gewesen.

Nach knapp dreijähriger Internierungshaft kehrte er nach Hamburg zurück und musste sich einem Entnazifizierungsverfahren stellen. Dafür wurden erst einmal seine Mitgliedschaften und Aktivitäten aufgeführt für die „politische Überprüfung des ehemaligen Internierten Wilhelm von Allwörden“.[23]

Die Liste war beachtlich. Der Zentralausschuss stellte zuerst einmal fest:
„Angesichts dieser Häufung von schweren Belastungen stand der Ausschuss zunächst vor der Frage, ob seine Zuständigkeit überhaupt gegeben oder die Angelegenheit nicht vielmehr an den Staatskommissar für die Entnazifizierung zur weiteren Veranlassung (Einstufung in die Kategorie I oder II) abzugeben sei.“[24]

Nach dem Gesetz Nr. 105 zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5.3.1946 waren fünf Kategorien vorgesehen:

I.          Hauptschuldige (Kriegsverbrecher)
II.        Belastete (Aktivisten, Militaristen und Nutznießer)
III.       Minderbelastete
IV.       Mitläufer
V.        Entlastete, die vom Gesetz nicht betroffen waren.[25]

Der Zentralausschuss gab die Zuständigkeit aber nicht ab, sondern reihte Wilhelm von Allwörden „als minderbelastet in die Kategorie III“ ein.[26] Er begründete dies damit, dass „ihm kein Material vorgelegt worden ist, aus dem sich etwa ein unmenschliches Verhalten des Betroffenen oder dergleichen ergeben hätte. Dagegen liegt eine Reihe von Entlastungszeugnissen vor, denen der Ausschuss im Hinblick auf die Zeugen und den Charakter der darin gemachten Aussagen notwendigerweise Beachtung schenken musste. In diesen Zeugnissen kommt mehrfach zum Ausdruck, dass der Betroffene sich persönlich anständig und menschlich verhalten und sich für eine menschliche Behandlung auch von Gegnern eingesetzt hat. Besonders entlastend aber war eine mündliche Zeugenaussage des Herrn Bürgermeister Koch in der zum Ausdruck kam, dass der Zeuge – von den Nazis eine Zeit lang unter schlimmen und entwürdigenden Bedingungen gefangen gehalten – seine Entlassung und damit, wie er sich ausdrückte, wahrscheinlich sein Leben, dem Umstande verdankte, dass von Allwörden sich für seine Entlassung verwandt hatte.“[27]

Es handelte sich dabei um Christian Koch (1878–1955), FDP, 2. Bürgermeister im ersten Senat von Max Brauer, am 15.11.1946 gewählt. Christian Koch leitete das Amt für Wiedergutmachung und Flüchtlingshilfe, die Gefängnisbehörde und war Staatskommissar für die Entnazifizierung, somit ein wichtiger Zeuge und Fürsprecher.[28]

Auch die weitere Begründung des Zentralausschusses ist interessant und zeigt, wie zwischen den Kategorien abgewogen wurde:
„Wenn also der Ausschuss bei dieser Sachlage der Meinung war, dass eine Einstufung des Betroffenen in die Kategorie I und II nicht infrage komme, so wäre es doch andererseits einfach absurd gewesen, eine Einstufung des Betroffenen in die Kategorie IV, wie in der schriftlichen Aussage eines Zeugen angeregt wird, auch nur in Erwägung zu ziehen. Das wäre zweifellos eine schwere Ungerechtigkeit gegenüber zahlreichen Mitläufern und einfachen Anhängern der Partei, die – durchaus zu Recht – in diese Kategorie eingestuft wurden, obwohl sie nicht entfernt so belastet sind, wie von Allwörden.“[29]

Der Zentralausschuss wies darauf hin, dass von Allwörden in einer schriftlichen Stellungnahme folgendermaßen gekennzeichnet wurde: „Er, nämlich von Allwörden, gehört zu jener kleinen Gruppe von Gläubigen, die in Hitler einen Heiligen, fast einen Gott sah. Er war ein Idealist durch und durch.“[30]

Dazu stellte der Zentralausschuss fest: „Entscheidend für die Beurteilung des von Allwörden ist jedoch nicht allein sein Verhältnis zu Hitler, zu dem er später im Gegensatz gestanden haben will, entscheidend ist vielmehr, dass diesem Mann, von verschiedenen Seiten Idealismus und persönliche Anständigkeit bescheinigt wird, die politische Konzeption des Nationalsozialismus angenommen und sich auf seine Weise für ihre Verwirklichung nachdrücklich eingesetzt hat. Dass diese Konzeption nur mit den Methoden der Gewalt und Unterdrückung in die Wirklichkeit umgesetzt werden konnte, hat von Allwörden bei seiner Intelligenz zweifellos frühzeitig erkannt, wenn er auch – soweit erkennbar – persönlich diese Methoden nicht zur Anwendung zu bringen wünschte.

Was man also dem Betroffenen zu seinen Gunsten auch immer anrechnen mag – die schwere politische Schuld, der Nazipartei 20 Jahre lang in der verschiedensten Weise und in hohen Funktionen gedient zu haben, bleibt bestehen. In diesen Diensten hat der Betroffene Dienstauszeichnungen der Partei erhalten und ist – wie die Einkommensspalte seines kleinen Fragebogens ausweist – auch materiell nicht schlecht dabei gefahren.“[31]

Dem Entnazifizierungsausschuss lag auch ein Leumundszeugnis von einem ehemaligen Oberschulrat in der Landesunterrichtsbehörde vor, nämlich von Dr. Wilhelm Oberdörffer. Dieser schrieb am 5.5.1947:
„Herr von Allwörden zeichnete sich in seinen Anordnungen und Anregungen durch wohlüberlegte Sachlichkeit aus. Auf dem personellen Gebiet erkannte Herr von Allwörden die auf gründlichem Fachwissen beruhende Eignung seiner Mitarbeiter in leitenden Stellen als unerlässlich an und vertrat diese Ansicht auch gegenüber anders gerichteten Wünschen und Forderungen von Parteistellen. Als ich im Herbst 1940 aus rassischen Gründen aus meiner Stellung als leitender Oberschulrat für das höhere Schulwesen in der Schulverwaltung Hamburg ausscheiden musste, setzte sich Herr von Allwörden nachdrücklich für die Wahrung meiner wohl erworbenen Beamtenrechte ein und erleichterte mir in hervorragendem Maße durch seine verständnisvolle Beurteilung meiner schwierigen Lage den Übergang in den Ruhestand. Als alter, ursprünglich begeisterter und überzeugter Nationalsozialist verfolgte Herr von Allwörden mit Besorgnis die in zunehmendem Maße hervorgetretenen Mängel des Regimes und zog sich durch seine offene Kritik die Feindschaft zahlreicher maßgeblicher Nationalsozialisten in Hamburg zu. Andererseits haben ihm sein freundliches Wesen und seine stete Hilfsbereitschaft in weiten Kreisen der Bevölkerung Achtung und dankbare Anerkennung auch über die Zeit seines Wirkens in Hamburg hinaus gesichert.“[32]

Dieses Schreiben war sicherlich neben der Aussage von Christian Koch eine erhebliche Entlastung für von Allwörden. Ich bin skeptisch, was die Person Oberdörffer betrifft, der seit 1921 in der Oberschulbehörde gearbeitet hatte, seit 1926 als Oberschulrat für das höhere Schulwesen zuständig und am 1.5.1933 in die NSDAP eingetreten war. Oberdörffers Ausscheiden aus seiner Oberschulrats-Funktion 1941 habe ich in der Biografie Oberdörffer im ersten Band der „Täterprofile“ dargestellt. Es ergaben sich dabei viele Ungereimtheiten und divergierende Interpretationen. Aus meiner Sicht spricht einiges für die These, dass Oberdörffer, der 1937 erfahren hatte, dass einer seiner Ur-Großväter mütterlicherseits „blutmäßig Volljude gewesen sei“, sich 1940 entschieden hatte, aus der Landesunterrichtsbehörde und der NSDAP auszuscheiden. Oberdörffer wurde beurlaubt und erst am 31.3.1941 in den Ruhestand versetzt. Es gelang ihm, dann am 1.4.1941 bei der Firma Reemtsma als Leiter der Personalverwaltung beschäftigt zu werden. Die Tatsache, dass er in dem Leumundsschreiben für von Allwörden 1947 auf dessen Verständnis und Unterstützung hinwies, legt die Vermutung nahe, dass der NS-Wirtschaftsverantwortliche der Hamburger Regierung seit 1938, hierbei möglicherweise Kontakte hergestellt hatte. Es bleiben hier gravierende Fragen offen.

Den Entnazifizierungsausschüssen lagen allerdings auch noch andere Dokumente vor, die von Allwörden belasteten. So etwa das Schreiben der Gemeindeverwaltung Hamburg vom 3.7.1941, in dem es hieß:
„In der heutigen Sitzung des Haupternährungs- und Hauptwirtschaftsamtes ordnete Herr Senator von Allwörden an, dass für alle Juden bestimmte Verkaufszeiten in den Einzelhandelsgeschäften festzusetzen seien. Über das Veranlasste erbittet er bis Mittwoch, den 9. Juli 1941 Bericht.

Im Stadtbezirk Hamburg sind für die Juden bestimmte Läden vorgesehen. Ich bitte Sie, vielleicht in Gemeinschaft mit dem Ortsgruppenfachwalter der Gruppe Einzelhandel, für den Bezirk ihrer Hauptdienststelle bestimmte Verkaufszeiten für die Juden festzusetzen. Es ist unstatthaft, dass die Juden zu gleicher Zeit wie die übrige Bevölkerung einkaufen. Eine öffentliche Bekanntmachung dieser Verkaufszeiten darf grundsätzlich nicht erfolgen; die Verkaufszeit wird über den Einzelhandel bzw. durch unmittelbare Verständigung den Juden mitgeteilt.“[33]

Von Allwörden hatte Berufung gegen die Entscheidung des Zentralausschusses eingelegt, der von Allwörden in Kategorie III eingestuft hatte. Mit seinem Rechtsanwalt plädierte von Allwörden für die Eingruppierung in die Kategorie IV, als „Mitläufer“. Der Berufungsausschuss entschied am 24.8.1949, dieses abzulehnen und bestätigte die Eingruppierung in Kategorie III sowie die Sperrung der Konten und des Vermögens.[34]

In der Begründung des Zentralausschusses hieß es dagegen:
„Der Inhalt des Begriffs ‚Mitläufer‘ ergibt sich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch. Ihn hat auch die gesetzliche Regelung zum Vorbild genommen. Danach können solche Personen, die an exponierter Stelle das Naziregime getragen haben, und von denen feststeht, dass sie das aus innerer Überzeugung getan haben, nicht als Mitläufer gekennzeichnet werden.

In politischer Hinsicht ist festzuhalten, dass der allgemein zutage getretene seichte Optimismus, dass eine Wiederkehr des Nationalsozialismus oder die Einführung eines naziähnlichen Systems nicht in Betracht komme, falsch sei. Die soziologischen und psychologischen Triebkräfte, die zum Naziregime geführt haben, sind nach der Katastrophe von 1945 stärker als nach dem Zusammenbruch von 1918. Auch wohnt ihnen gleichsam wie einem Laster, der gefährliche Zwang zur Wiederholung inne.

Die Tatsache, dass es öffentlich noch keine Nazipropaganda gibt, ist das Ergebnis der Besetzung Deutschlands durch fremde Mächte, aber kein Kennzeichen demokratischer Stärke. Deshalb müssen die Entnazifizierungsausschüsse auch dann konsequent bleiben, wenn viele ihre Funktion für aussichtslos halten. Es muss daher eine scharfe Beurteilung der nationalsozialistischen Exponenten gefordert werden. Daran vermöchten auch die beigebrachten Leumundszeugnisse nichts zu ändern. Es handelt sich hier nur um die Frage, ob der Berufungsführer nach seiner politischen Vergangenheit für den Versuch der Begründung eines Rechtsstaats und der Freiheiten des Individuums als gefährlich angesehen werden muss. Diese Frage musste bejaht werden.“[35]

Eine Begründung in ungewöhnlicher Klarheit.

Der Rechtsanwalt von Wilhelm von Allwörden war Oscar Toepffer. Dieser gehörte der von Karl Kaufmann eingesetzten Gruppe der Beigeordneten ab 1938 an, war vorher lange der führende Jurist im Staatsamt gewesen und enger Berater von Bürgermeister Carl Vincent Krogmann. Als Toepffer nach der Befreiung vom Nationalsozialismus nicht wieder im Staatsdienst bestätigt wurde, ließ er sich als akzeptierter Rechtsanwalt nieder und trat als Verteidiger vieler seiner ehemaligen Mit-Senatoren und anderer belasteter Nationalsozialisten auf. In diesem Fall wies Toepffer darauf hin, dass von Allwörden „Methoden der Gewalt und sonstiges Unrecht zu jeder Zeit energisch bekämpft hat, und zwar insbesondere auch innerhalb der Partei“. Er plädierte in erster Linie dafür, „die Konten- und Vermögenssperre aufzuheben“.[36] Oscar Toepffer hatte erkannt, dass es darum gehen musste, die materielle Existenz der Familie von Allwörden zu sichern. Im Weiteren wurde darum vor den Verwaltungsgerichten geklagt.

Vorher war Wilhelm von Allwörden am 10.8.1955 infolge eines Herzschlags gestorben, und zwar auf dem Sportplatz an der Rothenbaumchaussee , wo der HSV gegen Preußen Münster spielte.[37]

Nun soll der umfangreiche Schriftsatz der Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht nicht im Detail dargestellt werden. Nur soviel: Es ging dabei um die Frage, ob es nachvollziehbar sei, dass die Witwe des ehemaligen Senators von Allwörden, Christiane von Allwörden, das Recht zugesprochen werden könne, die Versorgungsbezüge eines ordnungsgemäß zum Senator Berufenen zu erhalten oder nicht. Dafür wurde geprüft, ob Wilhelm von Allwörden überhaupt die notwendige Qualifikation für diese Berufung hatte oder ob diese ausschließlich aus politischen Gründen erfolgt war.

Diese Klage ging über drei Instanzen und endete stets damit, sie abzuweisen, zuletzt mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9.8.1957. Für alle Instanzen war nach der Vita von Wilhelm von Allwörden erwiesen, dass seine jeweiligen Ernennungen zum Senator und zum hauptamtlichen Beigeordneten in der Hamburger Regierung im Wesentlichen auf seine nationalsozialistische Gesinnung zurückzuführen waren.[38]

Bemerkenswert dabei, dass sowohl bei Wilhelm von Allwörden als auch bei dem mächtigen ehemaligen NS-Senator Alfred Richter festgestellt wurde, dass sie nicht über die notwendigen fachlichen Voraussetzungen für die Berufungen durch Karl Kaufmann als Senatoren und Beigeordnete verfügten, sondern ausschließlich wegen ihrer NS-Treue und der unbedingten Loyalität zu dem NSDAP-Gauleiter und Reichsstatthalter Karl Kaufmann in diese Funktionen berufen worden waren. Lediglich im Falle des ehemaligen Senators Dr. Hans Nieland konnte sich Rechtsanwalt Oscar Toepffer durchsetzen. Nieland war von Kaufmann als Beigeordneter auf Lebenszeit für den Haushalt, als Kämmerer bestellt und Rechtsanwalt Toepffer konnte darauf verweisen, dass Nieland sowohl die Reifeprüfung bestanden hatte, Rechts- und Staatswissenschaften studiert und ein volkswirtschaftliches Doktor-Examen abgelegt hatte. Wilhelm von Allwörden hingegen hatte nach der Volksschule nicht einmal die private Handelsschule abgeschlossen, was auch nach Ansicht des Gerichtes keine nachgewiesene Qualifikation für ein Regierungsamt in Hamburg für den Bereich der Wirtschaft war.[39]

Der Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht am 15.11.1955 war eine interessante Zeugenvernahme vorangegangen. Zu der Entscheidung Kaufmanns, Wilhelm von Allwörden 1938 zum Beigeordneten der Verwaltung für Handel, Schifffahrt und Gewerbe und 1939 auch noch für das Haupternährungsamt und das Hauptwirtschaftsamt zu berufen, wurde auch „der Zeuge Karl Kaufmann, 55 Jahre alt von Beruf jetzt Kaufmann“ befragt. Er sagte aus:

„Die Bildung dieses Senats war natürlich in erster Linie ein politischer Akt. Daneben haben für mich aber auch fachliche Erwägungen eine Rolle gespielt. Herr von Allwörden erschien mir geeignet, die Wohlfahrtsbehörde zu leiten, weil ich wusste, dass er besondere Interessen für soziale Angelegenheiten hatte. (…) Herr von Allwörden wurde 1938 die Verwaltung für Handel, Schifffahrt und Gewerbe übertragen. Mein Bestreben war es eigentlich von Anfang an gewesen, dass Herr von Allwörden sich der wirtschaftlichen Dinge annehmen sollte, die mir sehr am Herzen lagen. Er hatte aber, wie ich schon vorher erwähnte, ein gewisses Hobby in Gestalt der Sozialangelegenheiten. Politische Erwägungen haben bei dieser Ernennung der hauptamtlichen Beigeordneten keine Rolle gespielt, wie ich überhaupt in der ganzen Zeit vor allem auf die fachliche Eignung Wert gelegt habe.“[40]

Der ehemalige Oberregierungsrat und spätere Senatsdirektor in der Behörde für Handel, Schifffahrt und Gewerbe, Dr. Volkmar Brodmeier, der ebenfalls zu von Allwördens Benennung befragt wurde, erklärte:

„Herr von Allwörden hatte den Ruf, dass er schnell und gut entscheiden konnte und bereit war, die Verantwortung zu übernehmen. Er war früher, soviel ich weiß, Einzelhändler gewesen, aber er hat sich dann schnell in unserer Behörde eingearbeitet. Das sieht man auch daraus, dass er später zahlreiche Aufgaben zusätzlich übertragen bekam. Er war durchaus befähigt, unsere Behörde zu leiten. Herr von Allwörden hatte ein enormes Vermögen, sich schnell in eine Sache hinein zu denken. Ich habe mich oft gewundert, wie gut er zum Beispiel mit Herren aus Berlin verhandeln konnte, auch wenn ich ihn nur kurze Zeit vorher mit der Materie vertraut gemacht hatte.“[41]

Der Zeuge Brodmeier musste allerdings auch einräumen:
„Zweifellos spielten bei der Berufung des Herrn von Allwörden in dieses Amt in erster Linie politische Gesichtspunkte eine Rolle. Sie waren wohl die Voraussetzung überhaupt. Aber unter den vorhandenen politisch geeigneten Persönlichkeiten war sicherlich auch die fachliche Eignung wesentlich. An der Spitze unserer Behörde musste jemand stehen, der in politischer Hinsicht Rückhalt hatte, sonst hätte er sich nicht gegenüber dem Gauwirtschaftsberater der NSDAP, der ständig seinen Einfluss geltend machte, durchsetzen können.“[42]

Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hatte in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass auch die Wahlen der Senatoren in der Bürgerschaftssitzung am 8.3.1933 „nur noch äußerlich im Rahmen der bisherigen Verfassung“ vollzogen wurden. „Tatsächlich war dies die Übernahme der Macht in Hamburg durch die Nationalsozialisten. Der verstorbene Ehemann der Klägerin jedenfalls ist am 8.3.1933 gewählt worden, weil ihn die NSDAP als ein maßgebendes Parteimitglied in Vorschlag gebracht hatte.“[43] Auch bei der Benennung der Beigeordneten durch Reichsstatthalter Kaufmann im Jahr 1938 habe ausschließlich die langjährige NSDAP-Zugehörigkeit und seine Funktionstätigkeit innerhalb der nationalsozialistischen Bewegung die entscheidende Rolle für die Benennung von Allwördens gespielt. Dabei wurde auf die Aussagen „des Zeugen Kaufmann“ verwiesen. „Allein die Tatsache, dass sich Herr von Allwörden für soziale Angelegenheiten besonders interessierte oder, wie der Zeuge Kaufmann bekundete, ‚ein gewisses Hobby in Gestalt der Sozialangelegenheiten‘ hatte, qualifizierte ihn noch nicht für dieses Amt.“ Im Gegensatz dazu sah der Senat die Berufungen der Beigeordneten Dr. Werdermann, Martini und Toepffer: „Es handelte sich bei diesen Herren um Persönlichkeiten, die als Volljuristen bereits viele Jahre als Fachbeamte in leitenden Stellungen in der Verwaltung tätig gewesen waren und sich während dieser Tätigkeit als Spitzenkräfte qualifiziert hatten.“[44]

Wie gesagt, die Verwaltungsgerichte aller drei Instanzen konnten nicht davon überzeugt werden, dass bei Wilhelm von Allwörden vornehmlich die fachliche Qualifikation für die Berufung in den Senat und die Regierung die wesentliche Rolle gespielt hatten.

Text: Hans-Peter de Lorent

Anmerkungen
1 Personalakte Senatskanzlei, StA HH, 131-15_A 0050
2 Uwe Lohalm: Wilhelm von Allwörden, in: Franklin Kopitzsch/Dirk Brietzke (Hg.): Hamburgische Biografie, Personenlexikon Bd. 3, Göttingen 2006, S. 16.
3 Ebd.
4 Entnazifizierungsakte, StA HH, 221-11_F 1351
5 Lohalm 2006, S. 16.
6 Entnazifizierungsakte, StA HH, 221-11_F 1351
7 So stellte das Oberverwaltungsgericht Hamburg am 23.8.1956 die politischen Karriereschritte von Allwördens dar, als es um die Versorgungsbezüge für seine Witwe Christiane von Allwörden ging. Siehe Urteil des Zweiten Senats des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 23.8.1956, Personalakte a. a. O.
8 Siehe die Biografie Karl Witt, in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd. 1, Hamburg 2016, S. 88 ff.
9 Siehe die Biografie Willi Schulz, de Lorent 2016, S. 99 ff.
10 Lohalm 2006, S. 17.
11 Siehe die Biografie Heinrich Behnken in diesem Band.
12 Siehe die Biografie Felix Schmidt in diesem Band.
13 Siehe die Biografie Alexander Strempel in diesem Band.
14 „Hamburger Tageblatt“ vom 2.2.1936. Siehe dazu auch den Beitrag von Michael Töteberg über die Vereinigung Niederdeutsches Hamburg, in: Kay Dohnke/Norbert Hopster/Jan Wirrer (Hg.): „Niederdeutsch im Nationalsozialismus. Studien zur Rolle regionaler Kultur im Faschismus“, Hildesheim–Zürich–New York 1994, S. 123 ff.
15 Tagebuch Carl Vincent Krogmann, StA HH, 622-1_C 15
16 Töteberg 1994, S. 128.
17 Entnazifizierungsakte von Allwörden, a. a. O. und Lohalm 2006, S. 17.
18 Ebd.
19 Lohalm 2006, S. 18.
20 Entnazifizierungsakte a. a. O.
21 Entnazifizierungsfragebogen vom 22.5.1940, Entnazifizierungsakte a. a. O.
22 Anlage zum Entnazifizierungsfragebogen, Entnazifizierungsakte a. a. O.
23 Politische Überprüfung des ehemaligen Internierten Wilhelm von Allwörden vom 26.2.1949, Entnazifizierungsakte a. a. O.
24 Ebd.
25 Siehe dazu auch: Hans-Peter de Lorent: Die unvollendete Entnazifizierung, in de Lorent 2016, S. 38 ff. und Joachim Szodrzynski: Entnazifizierung – am Beispiel Hamburg, www.hamburg.de/ns-dabeigewesene/ 4433186/entnazifizierung-hamburg
26 Entscheidung des Zentralausschusses vom 26.2.1949, Entnazifizierungsakte a. a. O.
27 Ebd.
28 Siehe zu Christian Koch: Uwe Schmidt/Helmut Stubbe da Luz: Die Beamten und Gewerkschafter: Karl Raue, Carl Grevsmühl, Christian Koch. (Hamburgische Lebensbilder, Band 14), Bremen 2007.
29 Ebd.
30 Ebd.
31 Ebd.
32 Siehe die Biografie Oberdörffer, in: de Lorent 2016, S. 528 ff. Anders akzentuiert ist die Kurzbiografie von Uwe Schmidt über Oberdörffer in: Franklin Kopitzsch/Dirk Brietzke (Hg.): Hamburgische Biografie, Personenlexikon Bd. 3, Göttingen 2003, S. 302.
33 Abschrift des Schreibens vom 3.7.1941, Entnazifizierungsakte a. a. O.
34 Berufungsausschuss vom 24.8.1949, Entnazifizierungsakte a. a. O.
35 Ebd.
36 Schreiben von Oscar Toepffer vom 23.8.1949, Entnazifizierungsakte a. a. O.
37 StA HH, 731-8_A 751, W. von Allwörden.
38 Siehe die Gerichtsurteile in: StA HH, 221-5_194
39 Ebd.
40 Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 15.11.1955, StA HH, 221-5_194
41 Ebd.
42 Ebd.
43 Schreiben an das Hamburgische Oberverwaltungsgericht vom 7.7.1956, StA HH, 221-5_194
44 Ebd.
 

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Von Hamburger NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Zuschauer/innen ... Eine Hamburg Topografie.

NS-Dabeigewesene

Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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