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Hinrich Wriede

(4. September 1882 (Finkenwerder) Hamburg – 2. Mai 1958 Hamburg)
Volksschullehrer (ab 1933 Schulleiter der Volksschule Käthnerkamp 8, Barmbek,
Pensionierung 1942); niederdeutscher Volkskundler und Schriftsteller; Nazi-Propagandist und -Funktionär
Adresse: Nessdeich 6 (bis 1930), Rögenweg 14 (ab 1931)
Wirkungsstätte: Schule Käthnerkamp 8
„Hinrich-Wriede-Straße“, Bremen (Horn-Lehe)

Hinrich Wriede aus Finkenwerder ist heute nur noch in speziell interessierten Niederdeutsch-Kreisen bekannt.1999 veröffentlichte einer seiner Schüler seine Erinnerungen an die Schulzeit mit Wriede als Schulleiter; seitdem ist einer größeren Leserschaft bekannt, dass Wriede ein Nationalsozialist war. Seine langjährigen und vielfältigen Betätigungen sind im Einzelnen aber vergessen. Im Hamburg der Zeit vor und während der NS-Herrschaft sind seine Aktivitäten allerdings keineswegs belanglos und allemal wert erinnert zu werden.[1]

Der Name „Wriede“ steht für einen der prominenten „Clans“ (Piwitt) des Ortes bzw.  der Insel; er ist durch Jahrhunderte in Finkenwerder beurkundet, zuerst 1569.[2] Einer der Cousins von Hinrich Wriede, Paul Wriede (1870-1926), gehörte 1904 zu den Gründern des Vereins „Quickborn“ in Hamburg („Freie Vereinigung von Freunden der Niederdeutschen Sprache und Literatur“), in dem Hinrich sogleich auch aktiv wurde. Ein anderer Cousin war Johann Kinau, als Schriftsteller: Gorch Fock (1880-1916), der ebenfalls mit dem Verein „Quickborn“ und mit dessen Zeitschrift „Mitteilungen aus dem Quickborn“ (ab 1906) intensiv verbunden war. In Finkenwerder – damals „Finkenwärder“ geschrieben (eigentlich nur für den hamburgischen Nordteil) -  hielten junge Leute wie Hinrich Wriede mit künstlerischen und literarischen Interessen, etliche davon (zukünftige) Lehrer, engen Kontakt untereinander: Man kannte sich. So berichtete einer in seinen autobiographischen Erinnerungen: „Du hest dat Glück hat un büst in junge Johrn mit Rudl Kinau un Hinnick Wrie' [Hinrich Wriede] bekannt worrn un hest döör jüm Freid an dien Sprook kregen. Du büst freuh mit Eduard Bargheer goot Fründ wesen (…). Du hest in de School sien Bruder Ernst as Liehrer hat, bi den'n he wohnen dee. (…) Ick hebbt dat wat Rudl Kinau doon un schreben hett, van jung an giern hat.“[3]

Hinrich Wriede war mit dem zwei Jahre älteren Johann Kinau/Gorch Fock nicht nur verwandtschaftlich verbunden, sondern verbrachte auch  gemeinsame Volksschuljahre mit ihm - an der Finkenwerder Westerschule.[4]Wie die meisten jungen Finkenwerder jener Zeit teilten sie später auch die Begeisterung für die Niederdeutsche Bewegung – also für das betonte Eintreten für plattdeutsche Sprache, niederdeutsche Lebens- und Wesensart mit den dazugehörigen Realien wie Trachten und Hausformen  (was dann  als Ausdruck eines niederdeutschen - oder „niedersächsischen“ - „Volkstums“ verstanden wurde). Vor diesem ideologischen Hintergrund entwickelten H. Wriede und Gorch Fock 1906 den Plan, mittels plattdeutschen Theaterspiels ihren Ideen mehr Verbreitung und Wirkung zu verleihen. So wurde eine Theaterspielgruppe gegründet – und dafür der Name „Finkwarder Speeldeel“ erfunden. Wriede hat – lange nach Gorch Focks Tod – für sich beansprucht, sowohl den Namen geprägt zu haben, als auch der eigentliche Gründer der Spielgruppe gewesen zu sein, was freilich nicht unbestritten ist. Jedenfalls soll Wriede entscheidend dazu beigetragen haben, Gorch Focks Anfänge als Schriftsteller zu unterstützen.[5] Zugleich schrieben beide, teils auch gemeinsam, Texte für die „Finkwarder Speeldeel“. Zu Wriedes Anteil heißt es: „Ein erstes Theaterstück entsteht, für die Speeldeel geschrieben; 'Ut jeeder Rut een Brögamssnut' (1909); es folgen 'Fischerlüd, een Truerspill' (1909), 'Woterkant' (zusammen mit Gorch Fock 1913), 'Leege Lüd, een lustig Spillwark' (1913) [eigentlich: 1914] u.a. (…).“[6]

In jener Zeit – zwischen Jahrhundertanfang und Beginn des Ersten Weltkriegs – bildete sich in Hamburg eine künstlerisch-literarische Ideenschmiede der Niederdeutschen Bewegung – der „Kreis um die Himmelsleiter “, benannt nach einer Gaststätte in der Hamburger Altstadt. Neben Paul Wriede, Hinrich Wriede und Gorch Fock kamen dort so prominente Namen der niederdeutschen Szene wie Hermann Boßdorf, Alma Rogge, Hermann Claudius und Hans Friedrich Blunck zusammen, auch Richard Ohnsorg – allesamt nach 1933 systemkonforme und hoch geschätzte Literaten, Dramatiker, Lyriker, Theatermacher. (Boßdorf war allerdings schon 1921 gestorben.)

Blunck hat überliefert, was in dieser „ Himmelsleiter “ als „unser aller Meinung und Ziel“ galt. Der Journalist Jacob Bödewadt drückte das 1913 so aus:

„Heimat- und Stammestreue bedeutet keine geistige Enge – echte 'Heimat-Kunst' kann zu weltweiten Höhen emporwachsen, und Ewigkeitswert kann nur die Dichtung erlangen, die fest im rassischen Volkstum wurzelt – nicht in seinen Äußerlichkeiten, sondern in seiner seelischen Bedingtheit – während alles noch so virtuose Artistentum wie jede Epoche verstandesmäßig erklügelten Kunstgewerbes wohl von der Tagesmode hocherhoben werden kann, aber auch mit dem Wechsel der Mode spurlos untergeht.“[7]

Der sich in solchen Kreisen bewegende Hinrich Wriede hatte mittlerweile die Lehrerbildungsanstalt in Hamburg besucht (1898-1904), die Prüfung zur Festanstellung als Volkschullehrer bestanden (1907) und die Lehrertätigkeit angetreten.[8]

Dies konnte er offenbar mit seinen Interessen für niederdeutsches, speziell Finkenwerder „Volkstum“ zwanglos vereinbaren. Als 1914 die „Pädagogische Vereinigung von 1905 in Hamburg“ ein „Heimatbuch für unsere hamburgischen Wandergebiete“ herausbrachte, um die „Liebe zu wecken zur Heimat!“[9], steuerte auch Gorch Fock zwei Beiträge bei (zu Sagen und zur Elbe). Hinrich Wriede wandte sich dem niedersächsischen Bauernhaus zu, vor allem aber Finkenwerder - in einem teils hochdeutsch, teils plattdeutsch abgefassten Text: „Finkenwärder, eine Fischerinsel.“[10]

Wriede beklagte darin den Niedergang des alten Finkenwerders, seines niederdeutschen Charakters, seiner Fischerei: „So wird die Fischerinsel Finkenwärder langsam zu einer Hamburger Arbeitervorstadt. Auf dem 'Kamerun', dem Grasplatz zwischen Stack und Aue, ist schon ein Warenhaus des Konsumvereins errichtet worden; früher war dieser Platz der Lohplatz der Fischer“. Dieses übliche niederdeutsch-kulturkritische (auch antiproletarische) Bild wurde weiter ausgemalt: „Und mit dem Wesen der Bevölkerung ändern sich das Aussehen und die Eigenart der ganzen Insel. Neben die schlichten alten Häuser mit Stroh- und Pfannendach packt man jetzt protzige, mit weißglasierten Ziegeln überklebte, schiefergedeckte Steinkasten. (…) Die Maurer der Insel (…), wie die jetzigen Bewohner haben den Sinn für wahre Schönheit, die Liebe für das Hergebrachte verloren. 'Scheinen' und 'glänzen' muß es, möglicherweise an eine ausländische Stilform angelehnt sein.“ Solche Wendungen gegen Neumodisches, Städtisches, gar Ausländisches können nicht wirklich verwundern. Die weitere Zuspitzung ging aber deutlich darüber hinaus: „Schon wohnen fremde Arbeiter, Holländer und Süddeutsche, auf unserer Insel; wie lange wird es dauern, dann werden Polen, Tschechen, Galizier und sonstige minderwertige Rassen ihren Einzug halten.“[11]

Zuvor hatte Wriede seine Erkenntnisse zum Finkenwerder „Volkstum“ bereits im „Quickborn“ präsentiert; zwischen 1904 und 1909 hatte er in der Vereinigung allein vier Vorträge gehalten – immer über Finkenwerder.[12]Nach der Unterbrechung im Weltkrieg – er musste Kriegsdienst leisten, hielt dabei aber ständig Kontakt zum Kreis um den „Quickborn“[13]- setzte er seine „Volkstumsarbeit“ fort. Er war nun (bis 1930) Lehrer an seiner alten Schule in Finkenwerder, der Westerschule, und wohnte weiterhin auf der Insel. Mitte der 1920er-Jahre tat er sich mit dem führenden Rassenbiologen Hamburgs, Dr. Walter Scheidt, in einem volkskundlich-rassenbiologischen Finkenwerder-Projekt zusammen.[14]

Damit hatte sich Wriede offensichtlich für einen Weg entschieden, der einen möglichen alternativen Lebensentwurf verwarf. Zeitweise mag Wriede sich nämlich mit dem Gedanken getragen haben, seinen künstlerischen Neigungen verstärkt nachzugehen. Harry Reuss-Löwenstein, der „so um 1900“ nach Finkenwerder zog, um dort zu malen, traf damals mit Hinrich Wriede zusammen: „Wriede pinselte selbst ein wenig zum Vergnügen und schrieb Geschichten und Stücke in einem urväterlichen Platt, das sogar seine Landsleute, die Finkenwärder, kaum verstanden. Ich mußte immer an jenen Papagei am Amazonas denken, der, aus Urzeiten in die Gegenwart hineinragend, als Einziger noch die längst verschollene Sprache der Ureinwohner redete. 'Hinnick' war jedenfalls ein gutherziger, hilfsbereiter Mann, der für die vielen Maler und Literaten aus München und Berlin, die seine heimatliche Insel derzeit als ein anderes Worpswede heimsuchten, den eingeborenen Fremdenführer spielte.“[15]

Wriede scheint sich einige Zeit in Hamburgs Kunstszene umgesehen zu haben – so war er Gast in der „Tafelrunde“, einem künstlerisch-literarischen Kreis mit Verbindung zur „Hamburger Sezession“, die keineswegs mit Heimatkunst oder volkstümelndem Kunstverständnis gleichzusetzen war.[16]Wriedes Malerei soll auch durch Eduard Bargheer, den er ja persönlich kannte, beeinflusst worden sein.[17]Schließlich nahm er eine Auszeit vom 1. September 1907 bis zum 1. Oktober 1908: So „lässt er sich ein Jahr vom Schuldienst beurlauben und geht nach Paris, um dort zu malen. Nach seiner Rückkehr entschließt er sich zu schreiben, dabei bewusst die niederdeutsche Sprache bzw. das Finkenwerder Platt einsetzend.“ (Er selbst hat auch von Reisen nach Holland und Belgien, in die Schweiz und nach Tirol, nach Dänemark und Schweden berichtet.)[18]

Zurück aus Frankreich, fand Wriede in Finkenwerder offenbar nicht das rechte Verständnis für seine Kunst. Überliefert ist, dass „seine in Paris gemalten Aktbilder zu Hause auf Finkenwerder in die Hände des Dienstmädchens fielen und diese die vermeintlich unanständigen Bilder kurzerhand verbrannte.“[19] 1909 soll Wriede noch Bilder bei einer „Sonderausstellung von der Elbinsel Finkenwerder“ im renommierten Kunstgewerbehaus Hulbe in Hamburg ( Mönckebergstraße ) gezeigt haben.[20]

Nach dem Ersten Weltkrieg gab Wriede, scheint es, seine Kunstambitionen weitgehend auf. Er hielt sich nun an Literarisches, Theaterstücke, Theaterspiel, die „Speeldeel“. Nach 1933 hat er allerdings an der Hamburger NS-Kunstverwaltung mitgewirkt, d.h. an der Kunstkontrolle, -verhinderung und -verfolgung.  Er gehörte dem „Beirat der Verwaltung für Kunst- und Kulturangelegenheiten der Hansestadt Hamburg“ an.[21] In dieser Eigenschaft war er u.a. 1939 in die Überlegungen zur Verleihung des Hamburger Lessing-Preises einbezogen, wobei er als Preisträger den Schriftsteller Adolf Bartels (1862-1945) vorschlug, der als aktiver Vertreter der Heimatkunstbewegung, bekennender Antisemit, dann auch als Ehrenmitglied der NSDAP bekannt war. Wriede begründete seinen wenig originellen Vorschlag folgendermaßen:

„Bekämpfte Lessing damals den französischen Einfluß, so Bartels 50 Jahre hindurch die Überforderung der deutschen Literatur durch den jüdischen Geist. (…) Ja, in einem Punkt steht uns Bartels sogar über Lessing. Neigte Lessing aus dem Geist der damaligen Zeit heraus stark weltbürgerlichen Anschauungen zu, so hat Bartels schon früh, dem Zeitgeist sich entgegenstemmend, mit fanatischem Mut und Eifer den völkischen Standpunkt vertreten.“[22]

In diesem Sinn setzte Wriede im Wesentlichen auf Literatur als Instrument niederdeutscher „Volkstumsarbeit“. Nach 1918 wollte er – jetzt ohne Gorch Fock, der 1916 gestorben war – zunächst die „Finkwarder Speeldeel“ weiter leiten. Ebenso hat er, bis weit in die NS-Zeit hinein, plattdeutsche Stücke geschrieben: „(...) noch im Kriegsjahr 1939 wurde 'De behexte Ewer. Lustspill in dree Törns' durch die Niederdeutsche Bühne Hamburgs uraufgeführt.“[23]Was die „Finkwarder Speeldeel“ betraf, scheiterten seine Bemühungen freilich bald: „1920 bemühte sich Wriede, bei der Gewerbepolizei in Hamburg eine Theaterlizenz für die Aufführungen der Speeldeel zu erwerben. Er bekam einerseits deutliche Unterstützung (…). Nur der Deutsche Bühnenverein polemisierte gegen die gewünschte Spielerlaubnis eines 'reinen Dilettantenunternehmens'.“[24]

Tatsächlich erhielt er die Genehmigung: „Vom 22. 2. 1921 liegt ein Gewerbeanmeldungsschein vor, demzufolge er einen Gewerbebetrieb als 'Schauspielunternehmer' führen darf.“[25]  Künstlerisch gelang die Fortführung der „Speeldeel“ aber nicht (zumal Ohnsorgs „Niederdeutsche Bühne“ inzwischen eine zunehmend erfolgreiche Konkurrenz war). Die erste Theatervorstellung, die von der Vereinigung „Quickborn“ veranstaltet wurde, war eine Aufführung im Altonaer Theater 1920. Gegeben wurde Wriedes Stück „ Kreetslag “, in Szene gesetzt von der „Finkwarder Speeldeel“. Selbst im eigenen Vereinsblatt kam es zu einer kritischen Besprechung: Hanna Kuhlmann fand dort, die „Speeldeel“ könne eben nur mit einem „Dilettantenmaß“ gemessen werden.[26] Vier Jahre später konnte der Vorsitzende der Vereinigung, Paul Wriede, nur noch feststellen: „Die 'Finkwarder Speeldeel' selbst ist in den letzten Jahren eingeschlafen.“[27] Zum Scheitern dieses zweiten Ansatzes der „Speeldeel“ unter Leitung Hinrich Wriedes dürften die finanziellen und politischen Probleme und Unwägbarkeiten der Inflationsjahre entscheidend beigetragen haben. Erst 1936 unternahm ein anderes „Quickborn“-Mitglied, Lehrer Adolph Albershardt aus Finkenwerder, den dritten Versuch, die „Finkwarder Speeldeel“ für das „Volkstum“ wieder einzusetzen; er war erfolgreich.[28]

Für Wriede ergab sich in den folgenden 1920er-Jahren eine Orientierung nach Hamburg: Seit 1920 besaß er ein Grundstück in Volksdorf. Seine Beschäftigung mit dem Finkenwerder „Volkstum“ war damit aber nicht beendet; vielmehr konnte H. Wriede nun in Hamburg Unterstützung suchen und finden. Die bereits erwähnte Kooperation mit dem Rassenbiologen Scheidt 1925/1926 führte zu einer gemeinsamen Veröffentlichung unter dem Titel „Die Elbinsel Finkenwärder“ im einschlägig bekannten, völkischen Lehmanns-Verlag, für die Wriede den Teil „Volkstum“ und Scheidt den Teil „Rasse“ erstellte.[29]  Man mag das als Zeichen dafür deuten, in welche Richtung Wriedes Weg am Ende der Weimarer Republik gehen würde.

Einstweilen noch in Finkenwerder tätig und wohnhaft, war Wriede auch an einem Projekt beteiligt, das eine Reihe von Finkenwerdern, darunter Rudolf Kinau und Adolph Albershardt, ab 1924/1925 verfolgten: „dem Heimatdichter Gorch Fock (Hans Kinau) ein Denkmal zu setzen.“[30] In den „Mitteilungen aus dem Quickborn“ erschien ein Spendenaufruf, in dem alle Niederdeutschen um Unterstützung gebeten wurden. Es sollte in Finkenwerder ein Gebäude errichtet werden als „Raum für die Geistesbildung und körperliche Erziehung der Jugend“, aber auch „zur Abhaltung von Tagungen und Wanderversammlungen“ und als „Volksheim für Heimatabende“.[31] Ein prominent besetzter „Ehrenausschuß“ war zur Unterstützung gewonnen worden, darunter Hamburger Politiker und Vertreter des hanseatischen Großbürgertums, auch der Oberbaudirektor Fritz Schumacher. Es gelang schließlich, die Stadt Hamburg dieses Gebäude als „Turnhalle“ für Finkenwerder finanzieren und bauen zu lassen. 1930 wurde es als „Gorch-Fock-Halle“ eröffnet.

Im gleichen Jahr ließ sich Hinrich Wriede nach Hamburg versetzen und zog von Finkenwerder weg. Mit dem 1. Mai 1933 trat er in die NSDAP ein und im Sommer wurde er, zuvor bereits stellvertretender Schulleiter der Knabenschule Graudenzer Weg 32, Schulleiter der Volksschule Käthnerkamp in Barmbek. Zum Antritt in Parteiuniform erklärte er den Schülern: „Ich werde dafür sorgen, dass meine Schüler stolz darauf sind, deutsche Jungen in einem nationalsozialistischen Deutschland zu sein.“ Natürlich war er auch in den Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) eingetreten, war Gauredner der Partei und des NSLB und Mitglied weiterer NS-Organisationen, u.a. der SA (ab 1937).[32]

Seine lange gepflegten Bemühungen um das niederdeutsche „Volkstum“ konnte er dabei prägnant einsetzen. Als „Wahlredner für die N.S.D.A.P. (…) in vielen ländlichen Bezirken im Auftrage des Gaues“ tätig, sorgte er dafür, dass „sich stürmischer Beifall [einstellte], wenn er sich seiner Finkenwärder Mundart bediente“.[33] Für die Reichsschrifttumskammer trat er als Plattdeutsch-Experte auf („Fachschaft Niederdeutsch im Landesverband Groß-Hamburg der Reichsschrifttumskammer“)[34], wobei er auch Niederdeutsch-Lager mit deutschen, flämischen und holländischen Schriftstellern und SA-Instrukteuren veranstaltete, wie sie von nazistischen Germanisten der Universität auf dem „Hof Thansen“ des völkisch-inspirierten Mäzens Alfred C. Toepfer  entwickelt worden waren. Auch bei der NS-gesteuerten „Vereinigung Niederdeutsches Hamburg“ war Wriede selbstverständlich gern gesehener Autor.[35]

1937 kam es dann zu einer Intrige gegen den Schriftleiter der Zeitschrift des „Quickborn“. Auch den Vereinsvorsitzenden kostete sie seinen Posten. Regie führte wohl der nationalsozialistische Germanist Teske[36], der im Rahmen der NS-„Vereinigung Niederdeutsches Hamburg“ den „Quickborn“ vollends auf Parteilinie bringen sollte: Angesagt war, die Verbindung von Niederdeutschen, Niederländern und Flamen verstärkt zu propagieren.[37] Der Schriftleiter der Zeitschrift, Alexander Strempel, hatte wohl auch zu höflichen Kontakt zu der jüdischen Germanistik-Professorin Agathe Lasch gehalten.[38] Hinrich Wriede wurde jedenfalls als neuer Vorsitzender der Vereinigung installiert – bis 1945 -, und von da an war der „Quickborn“ auf der erwünschten „Linie“.

Zu Kriegsbeginn formulierte Wriede in den „Mitteilungen aus dem Quickborn“: „So möge denn das der letzte und tiefste Sinn unserer niederdeutschen Arbeit sein: alle Niederdeutschen zu treuen, beharrlichen und trotzigen Gefolgsleuten unseres Führers Adolf Hitler zu machen.“[39]

Als Ende 1944 die „Mitteilungen“ ihr Erscheinen einstellen mussten – das Kriegsende war absehbar -, konnte der „Quickborn“-Vorsitzende das nur mit Durchhalte-Parolen kommentieren:

„Im Raum des Politischen gilt für uns nur ein Gesetz: alles ist gut, was dem deutschen Volke, seiner Freiheit, Kraft und Geschlossenheit dient, und alles ist schädlich, was der Einheit, Größe und Macht Großdeutschlands Abbruch tut.

Wird daher jetzt unser Volk aufgerufen, auch auf dem kulturellen Gebiete alle Tätigkeit und Arbeit solange einzustellen, bis Freiheit und Dasein unseres Volkes gesichert sind, so folgen wir gern diesem Ruf und legen unsere Feder hin und schließen unsere Schreibstube und unsere Versammlungsstätten. Bis der Krieg siegreich beendet ist.“[40]

Zu seinem 60. Geburtstag am 4. September 1942 hatte die Vereinigung ihrem Vorsitzenden noch „eine Radierung von Professor Paul Helms“, des NS-getreuen Leiters der Hamburger Kunsthochschule, verehrt, verbunden mit dem Wunsch: „Sie hofft, daß er [Wriede] noch lange an ihrer Spitze stehen möge“[41], ein Wunsch, der noch zweieinhalb Jahre wirkte, bis die NS-Herrschaft beendet war und Wriede als Vereinsvorsitzender ausgedient hatte.

Nach Ende des „Dritten Reichs“ wurde Wriede nur noch als „Retter“ der Vereinigung erinnert, die, getragen von einem „Konsens aus Verschweigen und Verdrängen“[42] ihre Ziele weiter verfolgte. Auf groteske Weise ist daraus abgeleitet worden, Wriede habe „die Quickborn-Gesellschaft als 1. Vorsitzender (seit 1937) vor der 'Vereinnahmung' und Gleichschaltung im Dritten Reich“ gerettet. Auf andere Weise der Wahrheit ausweichend hat die damalige Vorsitzende der „Finkwarder Speeldeel“, Christa Albershardt, noch beim 100-jährigen Jubiläum der Folkloregruppe erklärt: Wriede „war nur zufällig unser Gründer“. Seine NS-Verstrickung habe „mit der Speeldeel absolut nichts zu tun.“[43] (Immerhin war Hinrich Wriede 1956 zum „Ehrenspeelbooß“ der „Speeldeel“ gemacht worden.)[44]

Es war all dies Ausdruck des allgemein verbreiteten Bestrebens, in den Jahren nach 1945 dort anzuknüpfen, wo 1945 aufgehört werden musste. Was Hinrich Wriede betraf, berichtete die „Quickborn“-Zeitschrift beispielsweise von einer „Gorch-Fock-Gedenkstunde“ im Jahr 1950. Die Vereinigung „Quickborn“ und die „Fehrs-Gilde“, Hamburg, veranstalteten sie im Museum für Völkerkunde. Dort traten auf: Hinrich Wriede und der erwähnte Niederdeutsch-Professor Niekerken.[45]

Seit 1942, als er krankheitshalber vorzeitig pensioniert wurde, hatte Wriede sich ganz auf seine Niederdeutschtumsarbeit konzentrieren können. Nach 1945 nannte er seine schriftstellerischen Bemühungen „unpolitisch“ - und formulierte doch zugleich: „Ungefähr 40 Jahre stehe ich in der Volkstumsarbeit“. Solche Erklärungen im Rahmen seines Entnazifizierungsverfahrens trugen zu der Erkenntnis des damit befassten Ausschusses bei: „Wriede war ein sehr betonter und primitiver Nationalsozialist.“ Seine Pension wurde auf die eines einfachen Volksschullehrers herabgesetzt. Ab 1953 aber erhielt er wieder die vollen Bezüge eines pensionierten Schulleiters.[46]

Am 2. Mai 1958 ist Hinrich Wriede gestorben.

Text: Ralph Busch, 2017

1 Zu Wriedes Biographie am besten (vor allem zu seiner Lehrertätigkeit, seiner NS-Karriere und zu einigen Aspekten seiner Aktivität für die Niederdeutsche Bewegung): der Abschnitt „Hinrich Wriede, Martin Duttge, Friedrich Grimmelshäuse . Die braunen Lehrer des schwarzen Schülers“ in Hans-Peter de Lorent. Täterprofile. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz. Band 1, Hamburg 2016, S. 676-690 (zu Wriede besonders S. 676-683). Die Schilderung des ehemaligen Schülers: Hans-Jürgen Massaquoi, Neger, Neger, Schornsteinfeger, [zuerst] Bern/München/Wien 1999 (seitdem viele weitere Auflagen, auch Verfilmung); einen konzisen Überblick gibt der Abschnitt „Hinrich Wriede“, S. 334-336, in: Harald Schloz, Finkenwerder – vom „Fischeridyll“ zum „Industriestandort“?, Hamburg 1996; kurze, beschönigende biographische Skizzen in Monika Mönkemeier, Frische Brise van de Ilv. 100 Jahre Finkwarder Speeldeel, hrsg. v. Finkwarder Speeldeel, Hamburg 2006, S. 18, sowie in Kurt Wagner/Rudolf Meier/Hinrich Stroh, Finkenwerder. Auf den Spuren der Vergangenheit, Hamburg ²1986, S. 147/148. (Dieser Beitrag von Rudolf Meier, „Hinrich Wriede, seine Autobiographie“, ist eine unbearbeitete Selbstdarstellung Wriedes von 1921 (!) [aus: „Lüd van'n Neß . Finkwarder Geschichten (= Quickborn Bücher 28), Hamburg 1921].) Kritisch dagegen, vor allem aber Wriedes Rolle in der Vereinigung „Quickborn“ behandelnd, Hans-Joachim Meyer, „De Krönk un de 'Ehrenspeelboos'“, „Quickborn“ 1/2008, S. 21-27. Ebenso kritisch – und Details zu Wriedes Lehrertätigkeit auf dem Dulsberg (Schule Graudenzer Weg ) ergänzend - der Beitrag „Hinrich Wriede“ in Holger Martens, Zwischen Rassenwahn und Deportation. Zwei Lebensbilder Dulsberger Lehrer im Dritten Reich, hrsg. v. Geschichtsgruppe Dulsberg e.V., Hamburg 2008, S. 25-37.
2 So jedenfalls die Angabe bei Ernst Finder, Die Elbinsel Finkenwärder. Ein Beitrag zur Geschichte, Landes- und Volkskunde Niedersachsens (= Veröffentlichungen des Vereins für Hamburgische Geschichte 13), Hamburg 1940, S. 129. - Als Walter Scheidt und Hinrich Wriede 1926 ihr Buch „Die Elbinsel Finkenwärder“ herausbrachten (siehe Anm. 29), das den Beginn einer Reihe bilden sollte, schrieb Scheidt im „Vorwort“: „Die Anregung, mit Finkenwerder zu beginnen, hat Herr Prof. Dr. Otto Lehmann in Altona dadurch gegeben, daß er die überaus wertvolle Mitarbeit des Herrn Carsten Julius Wriede, Werftbesitzer auf Finkenwärder, vermittelte (…).“ Seinen Teil dieser Gemeinschaftsarbeit widmete Hinrich Wriede „dem Andenken meines Vetters Paul Wriede“, des Vorsitzenden der Vereinigung „Quickborn“, der kurz zuvor verstorben war.
3 Ewald Goltz, Finkwarder. Hunnert Johr Geschichte un Geschichten, Hamburg 1985, S. 13/14 – Ewald Goltz (1909-1983), selbst später (Gewerbe-)Lehrer und Niederdeutsch Bewegter, war Schüler des Lehrers der Norderschule in Finkenwerder, Ernst Bargheer (1892-1974), der als niederdeutsch bewegter Lehrer und Volkskundler der NSDAP beitrat und zu den führenden NS-Pädagogen in den Anfangsjahren des „Dritten Reichs“ gehörte. Sein Bruder war Eduard Bargheer (1901-1979), der ebenfalls eine Volksschullehrer-Ausbildung hinter sich brachte, dann aber eine erfolgreiche Karriere als Maler einschlug; dem NS-Regime galt er allerdings als „entartet“, so dass er sich dessen direktem Zugriff in Italien zu entziehen bemühte. (Siehe dazu u.a. Volker Plagemann, Eduard Bargheer, Hamburg 2008.) Rudolf Kinau (1887-1975) schließlich versuchte nach dem Ersten Weltkrieg die Stelle seines älteren Bruders, Gorch Fock, als Finkenwerder Heimatschriftsteller einzunehmen.
4 Seine Erinnerungen an diese Zeit sind mit Vorsicht zu lesen, es geht Wriede dabei um die Stilisierung Gorch Focks als Vorläufer und Vorbereiter des „Dritten Reichs“: Hinrich Wriede, „Erinnerungen an Gorch Fock“, in: Walter Schnoor (Hg.), Gorch Fock und seine Heimat. Von Deich und Dünung, Berlin o.J. [ 1937], S. 181-201
5 Siehe zu der Kontroverse Hinrich Wriede, „Gorch Fock und die Finkwarder Speeldeel“, „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 42/1951, S. 40; dazu kritisch Birgit Esser, „Biographie Gorch Fock“, www.fulgura.de/autor/autoren1.htm (26.6.15), o. J., unpaginiert [S. 5]; die offizielle Darstellung der Finkwarder Speeldeel bleibt indifferent: Mönkemeier (wie Anm. 1), S. 16-19. Zu Wriedes Rolle bei Gorch Focks ersten literarischen Schritten: Esser, a.a.O., [S. 5].
6 Mönkemeier (wie Anm. 1), S. 18
7 Hans Friedrich Blunck, „Gorch Fock und der 'Kreis um die Himmelsleiter' “, in: Schnoor (wie Anm. 4), S. 202-207, Zitat: S. 203 - Insgesamt dazu: Ulf-Thomas Lesle, „Hamburg als 'Mittelpunkt und Kraftquelle'. Die 'Niederdeutsche Bewegung' – ihre Voraussetzungen und Verbindungen“, in: Inge Stephan/Hans-Gerd Winter (Hg.), „Liebe, die im
Abgrund Anker wirft“. Autoren und literarisches Feld im Hamburg des 20. Jahrhunderts, Hamburg 1989, S. 69-82
8 Angaben nach de Lorent (wie Anm. 1).
9 Pädagogische Vereinigung von 1905 in Hamburg (Hg.), Heimatbuch für unser hamburgisches Wandergebiet, Hamburg 1914, „Vorwort“
10 Ebd., S. 168-174
11 Ebd., S. 173
12 Siehe „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 3/1909, S. 27-29.
13 Aus der „Quickborn“-Vereinszeitschrift lassen sich gewisse Aspekte der Teilnahme Hinrich Wriedes am Weltkrieg rekonstruieren. Die „Mitteilungen aus dem Quickborn“ haben sich bemüht, möglichst regelmäßig über ihre „im Felde“ stehenden Mitglieder zu berichten – unter der Rubrik „Kriegsbriefe“. (Es wurden auch die Namen Gefallener, mit Orden Ausgezeichneter u.ä. veröffentlicht.) Der Erhalt der ersten „Feldpostkarten“ von Hinrich Wriede wurde im Oktober 1914 verzeichnet [im Folgenden nur die Angaben des Jahrgangs und der Seiten aus den „Mitteilungen aus dem Quickborn“].(8/Oktober 1914, S. 20 und S. 30) Er hatte sich als „Ersatzreservist“ aus Nordfrankreich gemeldet. Im April 1915 teilte er kurz Eindrücke aus der Nähe von Ypern mit.(8/April 1915, S. 102) Als einer der maßgeblichen „Quickborn“-Mitarbeiter, G. Kuhlmann, gefallen war, meldete die Zeitschrift: „Hinrich Wriede hat Kuhlmanns Grab besucht.“(8/August 1915, S. 144) Im November des gleichen Jahres kam die Erfolgsmeldung: „Von Hinrich Wriede traf kürzlich die Nachricht ein, er sei Leutnant geworden.“(9/November 1915, S. 16) und ein Foto zeigt ihn in Uniform mit Vollbart. (Ebd., S. 15) Er arbeitete dann „gelegentlich“ an der „Liller Kriegszeitung“ mit. (9/Mai 1916, S. 101) Nach Johann Kinaus/Gorch Focks Tod (31. Mai 1916) erschien von Hinrich Wriede („im Feld“) ein mehrseitiger Nachruf in der „Quickborn“-Zeitschrift (9/1916, S. 126-132), in dem entscheidende Elemente der seitdem – bis in die NS-Zeit hinein – gepflegten Stilisierung zum nationalen Dichterhelden vorgeprägt wurden: „Er hat seine ganze Kraft dem Glauben gewidmet, daß 'Seefahrt ist not.' Und für diesen Glauben ist er hinausgezogen, in diesem Glauben hat er gejubelt, als er zum ersten Male Englands Küste gesichtet hat und für ihn ist er gestorben – für ihn und für Deutschlands Sieg zur See.“( Ebd., S. 132) Wriedes Fazit: „Er hat sein Werk durch seinen Tod gekrönt.“(Ebd.)
Bei der Totenfeier des „Quickborn“ (24. Oktober 1916) war Wriede - „jetzt [d.h. nach der Totenfeier] wieder in Frankreich“ - anwesend . (10/Winter 1917). Gorch Focks Bruder, Rudolf Kinau, war inzwischen auch Soldat in Frankreich und meldete: „Mondag hebb ick Hinnik Wrie besöcht un hebb mol wedder Finkwarder Platt hürt un snackt.“(10/Winter 1917, S. 48) Solche Treffen gab es offenbar mehrere; zum letzten Mal wurde 1919 rückblickend auf „Kriegsbriefe“ verwiesen: „Wir versetzten uns in die Freude, die unsere Mitglieder (… [10 Namen, darunter]) Rudolf Kinau und Hinrich Wriede (…) erfüllte, als sie sich fern von der Heimat trafen und sich von 'Zuhause' erzählen konnten.“(12/Sommer 1919) Danach ging es wie vor dem Krieg weiter: Hinrich Wriede schrieb über Oscar Ortlepp, Anna Schütze und Rudolf Kinau (13/Herbst 1919, S. 9/10) und über Hermann Boßdorf (13/Winter 1919-1920, S. 34-38).
14 Siehe Anm. 29.
15 Harry Reuss-Löwenstein, Kreuzfahrt meines Lebens. Erinnerungen, Hamburg 1962, S. 86
16 Siehe Rüdiger Schütt, Bohemiens und Biedermännen. Die Hamburger Gruppe 1925-1931, Hamburg 1996, S. 156-161 u. S. 163.
17 Siehe Plagemann (wie Anm. 3), S. 29.
18 Die Angabe zu Frankreich/Paris: Mönkemeier (wie Anm. 1), S. 18/19; zu den anderen Reisen siehe Wagner/Meier/Stroh (wie Anm. 1), S. 148.
19 Holger Martens, „Künstler auf Finkenwerder. Maritimkultur in Literatur und Malerei im 20. Jahrhundert“, in: Hans-Eckhardt Dannenberg/Norbert Fischer/Franklin Kopitzsch, Land am Fluss. Beiträge zur Regionalgeschichte der Niederelbe, Stade 2006, S. 85-96
20 Siehe ebd., S. 89.
21 Siehe „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 36/1943-1944, S. 13; dazu Maike Bruhns, Kunst in der Krise. Hamburger Kunst im „Dritten Reich“/Künstlerlexikon Hamburg 1933-1945. Verfemt, verfolgt – verschollen, vergessen, 2 Bände, Hamburg/München 2001, Band 1, S. 69/70.
22 Zitiert nach Hanna Leitgeb, Der ausgezeichnete Autor. Städtische Literaturpreise und Kulturpolitik in Deutschland 1926-1971 (= European cultures. Studies in literature and the arts 4), Berlin u.a. 1994, S. 208
23 „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 32/1938-1939, S. 115 – Es erschienen auch ein hochdeutscher Romane und später Hörspiele Hinrich Wriedes – siehe z.B. die Werkliste in Plattdeutsche Bibliographie und Biographie > Autoren > Hinrich Wriede; www.ins-bremen.de/pbub/autor-werke.php?ID=696&START=1&=RD=Jahr (18.6.15) Eine verlässliche Liste der Veröffentlichungen Wriedes – plattdeutsch oder hochdeutsch, „nur“ literarisch oder eher volkskundlich bzw. dezidiert politisch – liegt nicht vor.
24 de Lorent (wie Anm. 1), S. 680
25 Mönkemeier (wie Anm. 1), S.25
26 „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 13/1920, S. 112/113
27 „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 18/1924, S. 43/44
28 Zur Entwicklung der „Finkwarder Speeldeel“ siehe die Darstellung Mönkemeiers (wie Anm. 1), die allerdings eine kritische Betrachtung erfordert.
29 Walter Scheidt/Hinrich Wriede, Die Elbinsel Finkenwärder, München 1927 (Eine erste Ausgabe erschien 1926.)
30 Hartmut Frank (Hg.), Fritz Schumacher. Reformkultur und Moderne, Stuttgart 1994, S. 278
31 „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 18/Winter 1924/1925, S. 42/43
32 Siehe die Angaben bei de Lorent (wie Anm. 1). - Die Angaben zur Betätigung als stellvertretender Schulleiter am Graudenzer Weg nach Martens (2008) – wie Anm. 1 -, S. 33.
33 „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 27/1933, S. 20
34 Siehe de Lorent (wie Anm. 1), S. 677/678.
35 Zu den germanistischen Studienlagern: Walther Niekerken, „Niederdeutsche Studienlager – ein Werk Borchlings“, „Niederdeutsche Welt“ 17/1942, Heft 1, S. 11-14; Wolfgang Bachofer/Wolfgang Beck, „Deutsche und Niederdeutsche Philologie. Das Germanische Seminar zwischen 1933 und 1945“, in: Eckart Krause/Ludwig Huber/Holger Fischer (Hg)., Hochschulalltag im „Dritten Reich“. Die Hamburger Universität 1933-1945, 3 Bände, Berlin/Hamburg 1991, S. 641-703.
Zu Borchling auch: Ingrid Schröder, „'Mit besonderer Rücksicht des Niederdeutschen und des Niederländischen'. Conrad Borchling und der Ausbau des Deutschen Seminars“, in: Myriam Richter/Mirko Nottscheid (Hg.), 100 Jahre Germanistik in Hamburg. Tradition und Perspektiven (= Hamburger Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte 19), Berlin/Hamburg 2011, S. 65-80. Zu Wriedes Lager: z.B. Hinrich Wriede, „Tagung der Fachgruppe 'Niederdeutsch'“, „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 32/1938-1939, S. 30/31. Vgl. „Hamburger Tageblatt“, 7. September 1938 und 10. September 1938, ebenso: „Niederdeutsche Welt“ 13/November 1938, S. 323/324. - Zu Toepfer u.a.: Jan Zimmermann, Alfred Toepfer, Hamburg 2008. Wriede und die VNH: Texte Wriedes erschienen beispielsweise in den Veröffentlichungen: Hamburg im niederdeutschen Raum. Eine Werbe- und Leseschrift anläßlich der gleichnamigen Ausstellung zur Tagung der Vereinigung „Niederdeutsches Hamburg“ in Bergedorf vom 25. September bis 3. Oktober 1936 und in dem Schulausstellungs-Gebäude Spitalerstr. 6, Hamburg, zusammengestellt von d. Gaustelle für Niederdeutsch im NSLB Gau Hamburg, Hamburg 1936. (Die Ausstellung wurde von der VNH, der Landesunterrichtsbehörde und dem NSLB, Gau Hamburg, veranstaltet.) Ebenso in: Land und Leute an der Niederelbe. Ein heimatliches Leseheft zur Niederdeutschen Tagung der Vereinigung „Niederdeutsches Hamburg“ vom 4. bis 6. Juni 1937 und der Bergedorfer Heimatwoche vom 29. Mai bis 6. Juni 1937, hrsg. v. d. VNH u. Hamburger Schulausstellung der Kultur- u. Schulbehörde u. d. NSLB, Gau Hamburg, in Zusammenarbeit mit d. SA-Gruppe Hansa, Hamburg 1937.
36 Zu Teske siehe Myriam Richter, „ Hans Teske – ein nationalsozialistischer Germanist“, in: Richter/Nottscheid (wie Anm. 35), S. 192-227.
37 Dazu insgesamt Michael Töteberg, „'Nedderdüütsch Volk op'n Weg. Die Vereinigung Niederdeutsches Hamburg. Ein Dossier“, in: Kay Dohnke/Norbert Hopster/Jan Wirrer (Hg.), Niederdeutsch im Nationalsozialismus. Studien zur Rolle regionaler Kultur im Faschismus, Hildesheim/Zürich/New York 1994, S. 123-148; Ingrid Schröder, „Niederdeutsch in nationalsozialistischer Perspektivierung. Die 'Vereinigung Niederdeutsches Hamburg' als Exempel“, in: Dirk Hempel/Hans-Ulrich Wagner (Hg.), Das literarische Feld in Hamburg 1933-1945, Hamburg 2012, S. 64-83, und Volker Georg, „Das Verhältnis der Niederdeutschen Bewegung zur flämischen und niederländischen Sprache und Kultur im Quickborn“, in: Wolfgang Rohde (Hg.), Der „Quickborn“ im 3. Reich. Über das Verhältnis des Niederdeutschen zum Hochdeutschen und Niederländischen, Oldenburg 1998, S. 9-55.
38 Jürgen Meier, „Die Vereinigung Quickborn und das Hamburgische Wörterbuch. Ein Beitrag zur Geschichte nicht nur der niederdeutschen Lexikographie“, in: Friedrich W. Michelsen/Wolfgang Müns/Dirk Römmer (und Jürgen Meier) (Hg.), Dat's ditmal allens, wat ik weten do, op'n anner Mal mehr. 100 Jahre Quickborn. Vereinigung für niederdeutsche Sprache und Literatur e.V., Hamburg, Festschrift, Hamburg 2004, S. 42-55, besonders S. 50-53
39 „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 33/1939-1940, S. 68
40 „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 36/1943-1944, S. 36
41 Ebd., S. 13
42 Michael Töteberg, „Ohne Geld, ohne Lizenz. Der Quickborn und seine Vereinszeitschrift in der Nachkriegszeit 1945-1950“, in: Wolfgang Müns (Hg.), Ehren „Namen hefft' se 'von dem schonen Springe, de to Suden daran Dach un Nacht lopt, wo hart it frust...“. 100 Jahre Zeitschrift „Quickborn“, Festschrift, Hamburg 2007, S. 387-400, das Zitat: S. 399
43 Die grotesk verzerrte Darstellung: Mönkemeier (wie Anm. 1), S. 18. Zur „Speeldeel“/Christa Albershardt: Philipp Rathfisch, „Ein Gauredner in Finkenwerder Tracht“, „die tageszeitung“, Hamburg-Ausgabe, 6. September 2006
44 Am 6. August 1956 wurde Hinrich Wriede „ein besonderer Dank“ abgestattet: „Die Speeldeel ernannte ihn durch ihren Leiter, A. Albershardt, zum Ehrenspeelboos.“ („Norddeutsche Nachrichten“, 7. August 1956, Faksimile – und Abbildungen von Programmen mit „Speeldeel“-Beiträgen von Rudolf Kinau und Hinrich Wriede - in Mönkemeier (wie Anm. 1), S. 39, 50 und 47.)
45 „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 41/1950, S. 80 – Vgl. Anm. 35.
46 Angaben nach de Lorent, „Hamburger Lehrerzeitung“ 10-11/2012 (wie Anm. 1), S. 54.
 

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NS-Dabeigewesene

Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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