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Walter Behne

(19.3.1888 Hamburg - 9.3.1947 in Belgrad hingerichtet)
Oberschulrat für Höhere Schulen
Wohnadresse: Eichenstraße 46 (1934)
Wirkungsstätte: Dammtorstraße 25 (Unterrichtsbehörde)

Der nationalsozialistische Ideologe in der Schulverwaltung: „Laßt hinter euch die Welt des reinen Intellekts!“

Walter Behne war eine der wichtigsten und einflussreichsten Personen im Hamburger Schulwesen während der Zeit des Nationalsozialismus. Am 15.11.1933 zum Oberschulrat für das höhere Schulwesen berufen, war Behne der nationalsozialistische Ideologe in der Schulverwaltung und aufgrund seiner frühen Mitgliedschaft in der NSDAP (seit dem 31.12.1931, Aufnahme beantragt im August 1931) als „alter Kämpfer" eine wesentliche Autorität in der Schulverwaltung bei allen Entscheidungen im Bereich der höheren Schulen.

Nach 1945 holte Walter Behne seine zwischenzeitliche militärische Kriegstätigkeit in Serbien ein. Für einen Kriegsverbrecherprozess 1947 nach Belgrad ausgeliefert, wurde Walter Behne am 9.3.1947 nach kurzem Prozess hingerichtet.

Walter Behne wurde am 19.3.1888 in Altona geboren als Sohn des Lehrers Johann Heinrich Behne. Er besuchte von 1894 bis 1897 die Volksschule Taubenstraße 6, an der sein Vater als Lehrer tätig war. Danach wechselte er auf das Johanneum („von meinem Vater zu Hause privatim vorbereitet"), wo er 1906 die Reifeprüfung bestand.

Er studierte danach in Erlangen, zuerst das Hauptfach Latein, dann Deutsch und Geschichte mit dem Schwerpunkt Mittelalter. In seinem Lebenslauf schrieb er, „für das religiöse Gebiet, insbesondere für Kirchengeschichte eine starke Neigung" gehabt zu haben. (1)

1908 setzte er das Studium in Göttingen fort, wo er 1911 promovierte mit einer Arbeit zum Thema: „Die Reihenfolge der Lieder Gottfrieds von Neißen". Die Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen fand in Göttingen im Juni 1912 statt, vorher hatte er schon 1909 die Turnlehrer- und 1910 die Schwimmlehrerprüfung erfolgreich absolviert. Die praktische Ausbildung und das Probejahr erfolgten dann an der Oberrealschule vor dem Holstentor bei Schulleiter Prof. Dr. Albrecht Thaer. 1914 wurde Behne an der Realschule an der Bogenstraße eingestellt und am 3.4.1916 zum Oberlehrer ernannt. Tatsächlich befand er sich zu dieser Zeit, wie auch sein Kollege und späterer Freund, Bruno Peyn, im Kriegsdienst. Vom 5.11.1915 bis 24.10.1917 in Stellungskämpfen vor Dünaberg, vermerkt in seinen Kriegsaufzeichnungen war außerdem die Schlacht bei Soisson und Reims. Am 31.12.1916 wurde Behne zum Leutnant befördert. Nach dem Krieg schloss er sich den Bahrenfelder Zeitfreiwilligen an, ebenso wie Erwin Zindler und Hartwig Fiege.

Die Tristesse und die Gefühlslage im Stellungskrieg beschrieb Walter Behne in einem Schreiben an den Schulleiter der Realschule an der Bogenstraße , Prof. Lorenz, am 18.4.1916: „Für ihren liebenswürdigen Glückwunsch, vor allem aber auch für das mir erwiesene Wohlwollen spreche ich Ihnen meinen ergebenen Dank aus. Ich selbst kann mir nach Beendigung dieses Krieges nichts Schöneres denken, als an ihrer Anstalt meine Tätigkeit wieder aufnehmen zu können. In manchen einsamen Stunden gibt mir die Aussicht auf diese schöne Zukunft wieder neue Spannkraft, und die hat man nötig in dem oft eintönigen, aber auch wieder die Nerven anstrengenden Stellungskrieg. Ein Artillerist merkt ja im allgemeinen vom Krieg im eigentlichen Sinne nicht soviel wie ein Infanterist. Ich halte mich aber als Artilleriebeobachter die meiste Zeit vorn im Schützengraben auf, und dort herrscht gewöhnlich sogenannte ‚dicke Luft‘. Man wundert sich nur zu oft, dass man mit heiler Haut davon kommt. Der heutige Stellungskrieg hat etwas Hinterlistiges und darum Niederdrückendes an sich, ist man doch jederzeit einem plötzlichen Artillerie- oder Infanteriefeuer ausgesetzt, dazu die kleinen Gewehrgranaten, Sprengungen usw. Die Russen haben in der letzten Zeit darin viel gelernt, französische Artillerie- und Pionieroffiziere sind die Lehrmeister bei Ihnen. In den letzten Tagen ist es bei uns wieder unruhiger geworden, der Gegner fürchtet anscheinend eine Gegenoffensive unsererseits. Was man hier freilich vorhat, weiß keiner, am wenigsten so ein simpler Unteroffizier wie ich. Ich bitte höflichst, mit diesen wenigen Zeilen Vorlieb nehmen zu wollen, erstens kann ich über große Erlebnisse nicht berichten, dann erlauben die unruhigen Lebensverhältnisse im Unterstand kein ausführliches Schreiben. Mit den besten Wünschen zum Osterfest, Ihr ergebener Walter Behne." (2)

Ein anderer Brief Behnes an den Schulleiter ist ebenfalls in seiner Personalakte enthalten. Behne schrieb am 19.9.1918: „Zum 15. Juli standen wir nach einigen Nachtmärschen bei Reims, erlebten hier die leider unglückliche Offensive, hatten große Verluste und traten dann den Rückzug an. Dies Erlebnis und die folgenden Tage drohten uns anfänglich gänzlich aus der Fassung zu bringen. Der Gegensatz zu unserem Maierlebnis war zu groß. Im August begann dann für uns die schwere Abwehrschlacht, an der wir noch beteiligt sind. Ich muss mich leider mit der nüchternen Aufzählung dieser Tatsachen begnügen. Das Papier freilich ist geduldig, weniger die Überwachungsangestellten, zumal, wenn gar die Herren Kollegen dort einen Brief von mir zur Einsicht erhalten sollten. Immerhin hoffe ich, dass ich vielleicht in diesem Jahr noch einmal auf Urlaub komme. Ich hoffe nichts mehr von der Zukunft, wage noch viel weniger, darüber zu urteilen. Körperlich geht es mir immer noch gut, trotz monatelangen Aufenthalts und Wohnens im Freien, wie glücklich waren wir, wenn wir wenigstens ein Zelt über uns hatten. Auch sonst darf ich nicht klagen, seitdem ich beim Regimentsstab gelandet bin, wenn auch mir in vieler Beziehung der Aufenthalt beim Stabe nicht genehm ist – persönliche Auffassung."  (3)

Und später hieß es: „Ich sitze gegenwärtig in einem großen, aber feuchten Stollen, habe Nachtdienst, aber anscheinend lässt mir der Fernsprecher, diese schlimmste Erfindung im Kriege, einige Ruhe. Ich bitte nur zu berücksichtigen, dass in diesem Stollen mein Regimentsstab, sowie ein Bataillon Infanterie sich aufhält, Raum –, Licht –, und besonders Luftverhältnisse sehr beschränkt sind, außerdem ist da vorn allerlei los, wie immer des Nachts. Aber ich kann mir wenigstens den Luxus leisten, mit Tinte zu schreiben und das bedeutet viel für uns."

Aus dem Krieg zurück, begab sich Behne nach der Ausbildung zum ersten Mal wieder in die Schularbeit. Er traf auf einige ehemalige Offiziere, unter anderem auf Bruno Peyn, ebenfalls Lehrer für Deutsch und Geschichte und eine Art Bruder im Geiste. Später wurde gesagt, dass beide im Kollegium  „sehr gewütet und das Kollegium terrorisiert hätten". (4)

Behne kümmerte sich stark um das Schullandheim der Schule an der Bogenstraße im Sylter Wenningstedt.

1927 heiratete Walter Behne zum ersten Mal, im Jahr darauf erhielt er eine Reisebeihilfe von 300 Reichsmark für eine Studienreise mit seiner Frau nach Griechenland, Ägypten und Italien. 1929 wurde diese Ehe mit  Erna Behne geschieden. Vorwurf der Frau: Walter Behne „sei streitsüchtig“. (5)

Erwähnt wurde bereits, dass Walter Behne am 31.12.1931 in die NSDAP eintrat, gleichzeitig in den NSLB, das war ungewöhnlich, weil sich die meisten Lehrer an höheren Schulen im Philologenverein organisierten. Die Orientierung Behnes war rechtsgerichtet. Auch im NSV war er seit 1931 organisiert, im VDA bereits seit 1928. Im Fragebogen zur Entnazifizierung, den er am 25.5.1945 ausfüllte und von Karl Züge bezeugen ließ (6), schrieb er, er habe von 1919 bis 1923 der Deutschen Volkspartei (DVP) angehört hat und sei von 1923 bis 1931 Mitglied der Loge Hanseatentreue, Große Landesloge von Preußen, Johannesloge 3. Grad gewesen. Der Makel in den Augen der Nationalsozialisten, einer Loge angehört zu haben, konnte nur durch das frühe Bekenntnis zur NSDAP wettgemacht werden.

Walter Behne war schon vor 1933 sehr produktiv. Neben seiner Arbeit als Oberlehrer und Klassenlehrer an der Oberrealschule in der Bogenstraße wirkte er von 1924 bis 1931 nebenamtlich mit 8 Stunden an der Hamburger Polizeischule, wo er Unterricht in Deutsch, Geschichte und Politik erteilte. (7)

Mit seiner zweiten Frau, Herta Behne, geborene Vierth, bekommt er drei Söhne (1931, 1933, 1937). In der SA engagiert sich Behne seit November 1932, in der SA- Gruppe Hansa hielt erhäufig Vorträge und wurde zum Sturmführer befördert. Als SA-Obertruppführer nimmt Behne 1937 am Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg teil. (8)

Über seinen Eintritt in die NSDAP, den er als Aktivität für eine „legale, zugelassene Partei“ betrachtete, schrieb er in seinem Einspruch gegen die Entlassung 1945: „Als ich im Dezember 1931 der NSDAP beitrat, meinen Beitritt meiner vorgesetzten Dienststelle meldete, hatte dies keine nachteiligen Folgen in der Stellung als Beamter." (9)

Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten weitete Walter Behne seine Vortragstätigkeit aus. Als nationalsozialistischer Oberschulrat versuchte er die Hamburger Lehrerschaft auf die neue politische Ausrichtung einzuschwören.

Die erste große Lehrerversammlung nach der Gleichschaltung der Lehrerschaft durch den nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) fand bei Sagebiel (an der Drehbahn ) statt. Nach der Begrüßung durch den neuen Schulsenator, Karl Witt, bekam Walter Behne das Wort. Er sagte: „Der Nationalsozialismus will im deutschen Menschen diese Ehrfurcht vor dem Tod und vor dem Leben, die uns im Blute liegt, die unsere großen Führer und Künstler uns von jeher vor Augen gestellt haben, erneut erwecken, um uns alle dadurch zur höchsten Verantwortung zu erziehen. Wir alle sollen dadurch wieder die Sicherheit, die Freudigkeit zum Leben und den Ernst zum Lebenswillen erhalten. Dann begreifen wir, dass das Leben durch Einsatz des Lebens über den Tod hinaus Sieger bleibt. Sinnbildlich haben wir alle, die wir mehr sehen als die Oberfläche, den Sieg des deutschen Lebens in den Tagen vom 30. Januar 1933, über den 5. und 21. März bis zum 20. April miterleben dürfen." (10)

Sein Schwerpunkt war die Werbung für den Eintritt in den NSLB, wobei er sich in erster Linie an die Lehrer der höheren Schulen wandte, die bisher zumeist im Philologenverein organisiert waren: Er bemühte dabei seine höchsten Autoritäten, wenn er berichtete, dass „Adolf Hitler durch unsern Reichsführer Hans Schemm allen deutschen Lehrern den Beitritt zu einem großen, deutschen Lehrerbunde" empfehle. „Dieser Nationalsozialistische Lehrerbund als solcher wird mit der wundervollen, großen und ernsten Verantwortung betraut, das Werk der deutschen Erziehung im neuen Deutschen Reich zu schaffen. Wenn Ihnen heute abend dieser Wunsch übermittelt wird, so ist gewiß mancher unter Ihnen, der den Sinn dieser Übermittlung nicht verstehen kann, ja ihn im ersten Augenblick innerlich ablehnt. Denn dieser und jener, der hier im Saale anwesend ist, sieht ja zum ersten Male einen SA-Mann als Saalschutz, hört zum ersten Male eine SA-Kapelle spielen, sieht die Farben und die braunen Hemden der Nationalsozialisten zum ersten Male vor sich und neben sich. All denen ist der Nationalsozialismus noch eine fremde, vielleicht sogar noch feindliche Welt. Tausend und aber tausend Gründe haben in allen frühen Jahren gerade die Lehrer gefunden, um sich abzuschließen von dem neuen Werden unseres Volkes. Dem einen war Adolf Hitler nicht vornehm genug, ja, vom Standpunkt dessen, der Bildung in abgelegten und bestandenen Prüfungen sieht, zu ungebildet. Die Bewegung als solche wurde wieder verurteilt als eine Erscheinung der Straße, der sich anzuschließen dem gebildeten Menschen, dem geruhsamen Erzieher nicht gezieme. Die Weltanschauung des Marxismus und Liberalismus bis zur letzten, aufgelösten Form wurde gerade von Teilen der Hamburger Lehrerschaft teils ehrlich, teils aus Nützlichkeitsgründen bis zuletzt verteidigt. Daneben gab es manchen, der im stillen Kämmerlein, am gesicherten Schreibtisch, in geschlossenen Veranstaltungen sein nationales Herz schlagen hörte und sich mit dieser Tatsache vollauf begnügte. All diese Menschen haben ihre Zeit gehabt. Viele von ihnen konnten sich doch nur deshalb in ihre alte Gedankenwelt einspinnen, weil dort draußen die SA marschierte und dafür sorgte, daß nicht der Ausbruch des Bolschewismus den geruhsamen deutschen Geistesarbeiter völlig zugrunde richtete. Wir Nationalsozialisten wollen keinen Dank dafür, daß unser Volk, unser Reich in letzter Stunde vor dem Untergang bewahrt worden ist, wir wollen aber, daß jetzt alle, die eines guten Willens sind, sich einreihen in unsere Bewegung, um in gemeinsamer Front das Neue Reich aufzubauen, zu verteidigen, zu sichern, solange uns ein gnädiges Geschick noch einen Atemzug zu tun vergönnt. Alle deutschen Erzieher werden jetzt in Deutschland zu diesem Werk aufgefordert. Im Nationalsozialistischen Lehrerbund verkörpert sich der Stand des deutschen Lehrers. Alle früheren Verbände haben aufgehört zu bestehen, sie gehen alle in den NSLB über." (11)

Dies war schon deutlich mehr als eine Empfehlung bei Sagebiel, einem großen  Veranstaltungssaal, wo die Hamburger Pädagogen zu einer „obligatorischen Lehrerversammlung" dienstverpflichtet waren. Man kann sich nach dieser Rede vorstellen, wie Behne in seinem ehemaligen Kollegium in der Bogenstraße ultimativ den Eintritt in den NSLB und die NSDAP forderte. Und Behne stellte auch gleich klar, dass für den neuen NSLB das Führerprinzip galt: „Die Zeit des Wählens ist, wie im Reich, so auch im Bereich des deutschen Lehrers, vorbei. Wir Nationalsozialisten erkennen nur den Führergedanken an, der Führer ist allein verantwortlich." Und weiter führte Walter Behne aus: „Denn im NSLB gibt es, wie im nationalsozialistischen Staat, keine Wert- oder, wie man früher sagte, Klassenunterschiede. Bei uns gilt nur Führung und Leistung, wer das hat, besitzt die Wertung. So erlebt die deutsche Lehrerschaft zum ersten Male die Verwirklichung ihrer Sehnsucht: es gibt nur einen Lehrer, den deutschen Lehrer; es gibt nur eine Schule, die Schule des deutschen Volkes, die deutsche Volksschule. Wenn Sie ehrlich sind, meine Damen und Herren, könnten Sie für dieses Werk, dessen Erfüllung kaum noch zu hoffen war, unserem Führer Adolf Hitler gar nicht dankbar genug sein. Wir Lehrer alle gemeinsam im deutschen Vaterlande sollen uns zusammenfinden zu dem einen großen deutschen Lehrerstand. Der Begriff des ständischen Staates, der Gedanke des totalen Staates soll sich auch in unserem Stande verwirklichen. Damit werden wir Lehrer wieder Diener des Staates."

Und Behne präzisierte: „Wir vom NSLB bekennen: die Geister, die ihr rieft, wir werden sie schon los. Indem wir im NSLB die Verantwortung von oben nach unten durchführen, gehen wir darin bewußt den Weg des neuen Staates, weil sich gezeigt hat, daß ohne Führung von oben der Ruin des deutschen Volkes sicher war, daß eine Verantwortung von unten nach oben zur Verantwortungslosigkeit, zum Ausweichen vor der Verantwortung führen mußte. Wir sind hier Diener des Staates, wir reden nicht, wie es unter den Lehrern auf den Konferenzen üblich ist, durcheinander, wir liefern die Arbeit, die die Führung von uns verlangt. So macht der NSLB durch Führung bis zu den kleinsten Fachschaften doch alle Kräfte frei zum Dienst am Ganzen, so wendet sich der NSLB an alle die, von denen wir wissen, mit welcher Liebe, Treue, Arbeitskraft, Sauberkeit sie an ihrem Lehrerberuf hängen."

Behne warnte: „Denjenigen aber, die da meinen, im NSLB Unterschlupf zu finden, um getarnt ihre liberalistische marxistische Weltanschauung noch einmal wieder zur Auswirkung zu bringen, sei gesagt: Ihr werdet nichts mehr erreichen, ihr seid uns restlos bekannt, eure Zeit ist gewesen! – Wer trotzdem aber noch so denken sollte, beweist eben immer wieder, daß er den Sinn unserer Tage noch nicht begriffen hat. Das Fanal, das da jetzt brennt über Deutschland, heißt: Adolf Hitler und sein Nationalsozialismus. Darin liegt unser Schicksal beschlossen. Wir deutschen Lehrer werden dazu als Mitwirkende aufgerufen im NSLB."

Walter Behne versuchte die Lehrerschaft einzuschwören: „Mit dem heutigen Tage, dem 29. April vollzieht sich in Hamburg die Zusammenfassung von Lehrern aller Schulgattungen in dem NSLB. Nationalsozialisten, deutsche Erzieher, die ihr heute vor der Hamburger Regierung steht, erlebt die Größe, die Weihe dieses geschichtlichen Augenblicks. Die Hamburger Regierung verlangt von uns deutschen Erziehern, daß wir uns einsetzen mit unserer ganzen Kraft für die Erziehung unserer Jugend mit der Zielsetzung: Rasse, Wehr, Führertum und Persönlichkeit, Religiosität, Volk, Volksgemeinschaft, Vaterland, mit einem Wort: für den Nationalsozialismus. Laßt hinter euch die Welt des reinen Intellekts, werft endlich ab alle Hemmungen, die Euch immer und immer wieder gekommen sind dem Nationalsozialismus gegenüber. Laßt wieder wach werden in Euch den Instinkt des deutschen Menschen, dann werdet Ihr auch wieder Willensmenschen. Vorüber sind die Zeiten der Aufklärungssucht."

Und Walter Behne begründete eine der ersten Maßnahmen des nationalsozialistischen Staates, um Arbeitslose oder stellungsmäßig ungesicherte Junglehrer an sich zu binden, nicht ohne Polemik und im Endeffekt gegen verheiratete Lehrerinnen gerichtet: „Wir wollen kein gleichgültiges genußsüchtiges Bürgertum, wir wollen den sich zur Volksgemeinschaft verpflichtet fühlenden Deutschen. Es geht nicht mehr an, daß wir in Hamburg 254 verheiratete Lehrerinnen im Staatsdienst beschäftigen, wenn noch 340 nicht angestellte männliche Lehrkräfte auf der Straße liegen. Es geht nicht mehr an, daß Lehrerinnen, verzeihen Sie das harte Wort, als Nutznießerinnen des Marxismus aufgrund ihres Gehaltes Ostern nach Rom, im Sommer nach Nordland, im Herbst an die Riviera, im Winter in die Berge fahren, während verheiratete, brotlose Junglehrer nicht einmal das Fahrgeld haben, wenn sie zur Behörde gerufen werden."

Zum Schluss seiner Rede deutete Walter Behne an, was am Ende der nationalsozialistischen Politik stehen würde: „Wir alle, und wir Lehrer im besonderen, werden aufgerufen von unserem Führer zum letzten und größten Kampf in der deutschen Geschichte. Was zwei Jahrtausende im deutschen Volke nicht haben vollenden können, wir und die Generationen nach uns werden es schaffen – oder wir sind nicht mehr. Welch eine Gnade für uns alle, hierfür berufen zu sein, welch eine Gnade aber besonders für uns Frontkämpfer, noch einmal wieder antreten zu dürfen!"

Sieben Jahre später würde der „Frontkämpfer" Behne wieder antreten, mit bösen Folgen für ihn persönlich. Mit schlimmen Folgen für das deutsche Volk.

Einstweilen gestaltete Behne das höhere Schulwesen um und hielt Reden, um die nationalsozialistische Sichtweise in Schule und Gesellschaft zu transportieren. So war er einer der Dozenten bei der Offensive der Hamburger Volkshochschule, die der Hamburger Lehrerschaft ein nationalsozialistisches Geschichtsbewusstsein vermitteln wollte. Behnes Thema: „Geschichte des 19. Jahrhunderts und Fichtes Reden an die deutsche Nation." (12)

In einem Sonderlehrgang über den Nationalsozialismus für Angehörige des öffentlichen Dienstes sprach Behne über die „weltanschaulichen Grundlagen des Nationalsozialismus" und eröffnete am 27. Oktober 1933 in der Musikhalle das Wintersemester mit einem Vortrag über „Volkshochschule und nationalpolitische Erziehung". (13)

In der „Zeitschrift für deutsche Bildung", die Beiträge zur Etablierung nationalsozialistischer Ideologie veröffentlichte, unterstrich Behne „den totalen Anspruch des Staates zur Durchführung der geistigen Revolution, der nicht mehr mit den pädagogischen Interessengruppen um die innere Gestaltung der Schule ringe“. (14)

Für die Aufbereitung der großen historischen Themen für die Hamburger Lehrerschaft zeichnete Walter Behne verantwortlich. In der Hamburger Lehrerzeitung schrieb er über „das Gefühl der Wehmut und tiefen inneren Ergriffenheit", das „noch lange über den deutschen Menschen liegen“ werde: „Denn der große Deutsche, Paul von Hindenburg, ist in die Ewigkeit eingegangen. Ehrenvoll für einen jeden von uns sind Trauer und Schmerz über diesen Verlust."

Behne führte aus, dass „die großen Männer der Geschichte (…) Führer, Gestalter und Erzieher in einer Person" seien. Das Drama, die Tragik der „Geschichte unseres Volkes" sei, dass „nie die fortlaufende Linie gewahrt worden ist“. Die Geschichte der deutschen Kaiser sei eine Geschichte der Diskontinuitäten. Behne belegte dies an vielen Beispielen, um dann ins Schwärmen zu geraten und den historischen Durchbruch zu skizzieren: „Zum ersten Male in der deutschen Geschichte erlebt nun das deutsche Volk am 2. August und 19. August 1934 sein ganz großes, zu der Gründung des Dritten Reiches neugeschenktes Wunder: Die lückenlose Staatsführung. Wenige Stunden, nachdem das deutsche Volk die erschütternde und doch in ihrer Form heroische Nachricht erhalten hatte: Reichspräsident Generalfeldmarschall von Hindenburg ist heute früh, 9 Uhr in die Ewigkeit abgegangen, meldete der Rundfunk das Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches, das mit Wirkung von dem Zeitpunkt des Ablebens des Reichspräsidenten von Hindenburg in Kraft tritt. Das deutsche Volk, ja die ganze Welt war dem Gemüte der Liebe, der Achtung nach erschüttert vom Heimgang unseres Hindenburg. Aber Deutschland und die Welt bebten nicht. ‚Weltwende‘ auch hier, denn in unserem Führer lebt der Nationalsozialismus. Aber die ganze Festigkeit der neuen Bewegung wird der Welt klar durch die lückenlose Staatsführung unseres neuen Reiches. Möge das deutsche Volk diese ungeheure, in seiner ganzen Geschichte noch nie da gewesene Tatsache begreifen. Der 19. August sei unser Dank an das gütige Schicksal, sei unser Dank an den großen Deutschen Paul von Hindenburg, sei unser neues Gelöbnis für unseren Führer Adolf Hitler!" (15)

Behne zeichnete unermüdlich die großen Linien seines Geschichtsbildes auf allen Ebenen. So berichtete die Hamburger Lehrerzeitung von dem Bemühen, auch die Führer der Hitlerjugend zu qualifizieren. „Die Erziehung unserer Hitlerjugend zu politischem Soldatentum setzt eine planmäßige weltanschauliche Schulung der Führerschaft voraus", schrieb der Verbindungsmann von Schulverwaltung und Hitlerjugend, Hans Einfeldt. Er berichtet evon einem Schulungslager der Hamburger Kameradschaftsführer der Hitlerjugend. Einer der Referenten war Walter Behne: „Dr. Behne zeigte, wie die Germanen dem ersten römischen Einbruch im Teutoburger Wald mit rücksichtsloser Brutalität ein Ende bereiteten, wohl ahnend, um welch eine geschichtliche Wende es sich handle. Das Ausströmen der germanischen Stämme in der Völkerwanderung hielt die Unterwerfung unter Rom für lange Zeit von unseren Grenzen fern. Es war aber eine tragische Entwicklung, daß es nirgends möglich war, für die Dauer die germanische Lebensordnung aufzurichten. Es ist bezeichnend, daß ausgerechnet die Vandalen, die sicher zu den edelsten Stämmen zählten, von der Geschichtsmeinung in das schwärzeste Licht gerückt wurden; ein frühes Ergebnis der Lügen- und Greuelpropaganda; denn die Juden waren es auch hier, die das Vandalenreich in Nordafrika unterhöhlten und zersetzten."

Von den Vandalen und der „Lügenpropaganda der Juden" leitete Behne zur französischen Revolution über: „Die französische Revolution bereitet dem Liberalismus den Weg, der dann in alle deutsche Lebensbereiche Auflösung und Zersetzung hineinträgt und damit den Juden die volle Entfaltung ermöglicht. Es will uns heute noch fast unbegreiflich erscheinen, dass die jüdischen Kreise des Bürgertums die Führung der neu entstehenden Arbeiterschaft übernehmen konnten." (16)

Das waren nur einige Kostproben Behneschen Geschichtsverständnisses. Neben seiner Vortragstätigkeit am Rande der Aufgabe als Oberschulrat für das höhere Schulwesen war Behne seit 1936 noch Mitglied des Justizprüfungsamtes, wo er auch Vorträge vor Rechtsreferendaren über neuere Geschichte hielt. (17)

Einfluss nahm er auch als Herausgeber Deutscher Lesebücher für Oberschulen, die sich sicherlich auch honorarmäßig als einträglich erwiesen. Hier teilte er sich die Herausgeberschaft mit den Oberstudiendirektoren Paul Wetzel, Bruno Peyn und den Lehrern Wolfgang Jünemann und Alexander Mrugowski. Mit diesen Schulbüchern wurde ideologisch vorgegeben, was Hamburger Gymnasiasten lernen sollten. Neben Klassikern der deutschen Literatur wurde die nationalsozialistische Bewegung um den „Führer Adolf Hitler" in Szene gesetzt. Etwa durch Gedichte von Baldur von Schirach im Abschnitt: „Aus dem großen Kriege und der Kampfzeit“. (18)

Der Jugendführer der NSDAP dichtet:
Den Soldaten des großen Krieges
Sie haben höher gelitten, als Worte sagen.
Sie haben Hunger, Kälte und Wunden
schweigend getragen.
Dann hat man sie irgendwo gefunden:
verschüttet, zerschossen oder zerschlagen.
Hebt diesen Toten hoch zum Gruß die Hand!
Sie sind so fern vom Vaterland gefallen,
die Türme aber ihrer Treue tragen
uns allen, allen
mitten im Land.

Baldur von Schirach (19)

Ein anderes Werk dieses Dichters:
Das ist an ihm das Größte…
Das ist an ihm das Größte, daß er nicht
nur unser Führer ist und vieler Held,
sondern er selber, grade, fest und schlicht,
daß in ihm ruh‘n die Wurzeln uns‘rer Welt
und seine Seele an die Sterne strich
und er doch Mensch blieb, so wie du und ich… (20)

Die Nationalpolitische Sammlung im Verlag Moritz Diesterweg, war nicht besser. Sie verfolgte dasselbe Ziel. Herausgeber: Walter Behne, Bruno Peyn und Paul Wetzel. Dort wurden unter anderem Schriften des jungen nationalsozialistischen Hamburger Aktivisten Wolfgang Jünemann verlegt. Ein weiterer verblendeter Propagandist nationalsozialistische Ideologie. (21)

Ein Schatten fiel auf Behnes nationalsozialistische Karriere 1937, als der Hilfshausmeister des Johanneums, Herzogenrath, einen Bericht über seine Beobachtungen am Johanneum an die HJ-Gebietsführung leitetr, in dem er scharf den Umgang der Schule mit den dortigen jüdischen Schülern kritisierte. Es gäbe ein einträchtiges, kameradschaftliches Nebeneinander der Schüler, „als gäbe es keine Rassenfrage“. Herzogenrath forderte eine Aufklärungsaktion der HJ in der Aula des Johanneums: „Da wir leider die Juden nicht einfach aus der Schule hinausschmeißen dürfen, muss zur Selbsthilfe geschritten werden, um unsere Jugend dem verderblichen Einfluss des Judengesindel zu entziehen, und müssen die Juden von den Angehörigen der HJ so behandelt werden, daß ihnen die Lust vergeht, noch länger an der Schule zu bleiben." (22)

Herzogenrath hatte sich als SA-Führer direkt an die HJ gewandt: „Die Lehrerschaft bürge nicht für eine Erziehung im nationalsozialistischen Sinne. So würden bei Schulveranstaltungen die Mütter mit ‚gnädige Frau‘, ‚Frau Professor‘ und ‚Frau Doktor‘ angeredet, was der Denunziant als ‚Schleimscheißereien‘ und ‚Verrenkungen‘ bezeichnete." (23)

Nachdem Herzogenraths Denunziation in der „Nordmark-Jugend", der Regionalzeitung der HJ am 15.12.1936 veröffentlicht worden waren, bestellte der zuständige Oberschulrat Walter Behne, der selbst Schüler des Johanneums gewesen war, den Hilfshausmeister ein, um ein gemeinsames Gespräch mit Schulleiter Werner Puttfarken und dessen Stellvertreter, Gerhard Rösch, zu führen, beides ebenfalls ausgewiesene Nationalsozialisten. (24)

Im Namen der Schulverwaltung verwarnte Behne Hilfshausmeister Herzogenrath und forderte ihn auf, zukünftig den Dienstweg einzuhalten. Das nahm Herzogenrath zum Anlass, ein Disziplinarverfahren gegen Behne zu beantragen. Uwe Schmidt schrieb dazu: „Offenbar erwirkten einflussreiche Parteigenossen mit Vorbehalten gegen Akademiker und hochgestellte Funktionsinhaber der Schulverwaltung einen Beschluss des Parteigerichts, durch welchen Behne die Fähigkeit zur Wahrnehmung eines Parteiamtes auf Lebenszeit aberkannt wurde. Hiervon konnte er sich am 28. April 1937 nur durch ein Gnadengesuch an den ‚Führer‘ befreien, welches durch eine Stellungnahme des Führers der SA-Standarte R 463 ( Holstenwall 9) - dem Behne als SA-Truppführer unterstellt war - unterstützt wurde: Behne beherrsche wissens- und bekenntnismäßig die Weltanschauung des Nationalsozialismus. Er sei daher mehrfach als Referent für Fragen der deutschen Geschichte in Sonderlehrgängen für SA-Führer der Brigade 12 ( Gellertstraße 37) aufgetreten und sei ein weltanschaulich gefestigter Mann." (25)

Behnes Macht war auch im Bereich der höheren Schulen bei Personalentscheidungen nicht uneingeschränkt. So berichtete der Lehrer Hans Rösch, was Behne ihm über die Schulleiterbestellungen 1933 im Bereich der höheren Schulen anvertraut hatte. Hans Rösch bezeichnete diese als "Kuhhandel". Rösch, Aktivist der ersten Stunde im NSLB für die Fachschaft höhere Schulen, dadurch eng mit Walter Behne in Beziehung, Lehrer am Wilhelm-Gymnasium, der mit einer Rede vor der dortigen Schulgemeinschaft am 30.1.1934 einen Skandal verursachte und in der anschließenden Auseinandersetzung Interna aus der Startphase des nationalsozialistisch geführten Senates im Schulbereich offenbarte.

Über die Entstehung der Schulleiterliste im Bereich der höheren Schulen vermerkte  Rösch, der viele vertrauliche Gespräche mit Walter Behne geführt hatte: „Die Führung der Behörde hat eine durch parlamentarischen Kuhhandel zustande gekommene Schulleiterliste genehmigt, trotzdem ihr von der Gauleitung des NSLB eine rein nationalsozialistische Schulleiterliste vorgelegt worden war. Die Einzelheiten des Kuhhandels berichtete Oberschulrat Behne vor Dr. Machleidt, Dr. Peyn und mir. Nach dem Bericht Behnes setzten sich Landesschulrat Meyer, Oberschulrat Mühe (deutsch-national), Oberschulrat Oberdörffer (Volkspartei), Oberschulrat Behne an einen Tisch. Schlug nun Behne einen Nationalsozialisten vor, so überstimmten ihn sofort die drei anderen, wenn ihnen der Vorschlag aus irgend einem Grunde nicht genehm war. So kamen vorwiegend Mitglieder des Philologenvereins, nicht aber des NSLB auf die Liste. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang die Äußerung des Schulleiters der Klosterschule, Kowallek: er hätte sich eigentlich sagen müssen, daß er Schulleiter würde, da er ja lange Jahre im Vorstand des Philologenvereins gewesen sei. Behne legt nun Witt die Kuhhandelsliste vor. Witt mußte nun glauben, daß es sich um die nationalsozialistische Liste handele, fragte aber trotzdem noch einmal nach, ob die Liste so gut sei, und genehmigte dann die Liste ohne die ihm vorliegende Liste des NSLB zum Vergleich heranzuziehen.“ (26)

Die Aufzeichnungen von Hans Rösch geben einen Einblick in die Binnenstruktur der Schulverwaltung nach 1933. Auch wenn der eilfertige Eintritt in die NSDAP zum 1.5.1933 von vielen aus Überzeugung, Karrierismus oder Opportunismus vollzogen wurde, unterschieden Nationalsozialisten der ersten Stunde und insbesondere diejenigen, die schon vorher „der Bewegung" angehörten, sehr genau: Da hieß die Parole zwar: „Ein Reich, ein Volk, ein Führer", aber bei den Parteigenossen wurde sehr genau unterschieden, woher sie jeweils kamen. Schulsenator Witt war jahrelang Bürgerschaftsabgeordneter der DNVP gewesen, dann im Mai 1933 in die NSDAP übergetreten. Er hatte den deutschnationalen Theodor Mühe in die Behörde geholt, den bisherigen Oberschulrat Oberdörffer, früher DVP im Amt belassen, da er auch rechtzeitig in die NSDAP eingetreten war. Da hatte der „alte Kämpfer" Walter Behne einen schweren Stand, wie er im kleinen Kreis, unter anderem Hans Rösch und der alten NSLB-Führung anvertraut hatte. (27)

Walter Behne wurde am 15.6.1940 zum Kriegsdienst eingezogen, am 1.2.1941 zum Oberleutnant befördert, danach zum Hauptmann. Am 21.4.1942 wurde er dann aus dem Kriegsdienst wieder entlassen und kehrte in die Schulverwaltung zurück (28). Drei Jahre später sollte sein Kriegseinsatz noch eine bedeutende Rolle spielen.

Am 16.5.1945 führte Walter Behne mit seinem ehemaligen Oberschulratskollegen Oberdörffer ein Gespräch. Oberdörffer war 1941 auf eigenem Antrag aus der Schulverwaltung ausgeschieden mit Hinweis auf seine möglicherweise jüdischen Vorfahren. Er war 1945 kurz als möglicher Landesschulrat im Gespräch. Behne bat in einem Schreiben an Oberdörffer „um vorläufige Beurlaubung von der Führung meiner Amtsgeschäfte“. Er verwies dabei nicht nur auf „die gegebenen gegenwärtigen Verhältnisse", sondern auch auf seinen Gesundheitszustand. (29)

Am 18.6.1945 teilte die Schulverwaltung Behne die sofortige Entlassung mit. Dagegen legte er Einspruch ein. Seine Begründung: „1. Als ich im Dezember 1931 der NSDAP beitrat, meinen Beitritt meiner vorgesetzten Dienststelle meldete, erwuchsen mir daraus damals keine nachteiligen Folgen in meiner Stellung als Beamter. 2. Im Jahr 1933 ist keiner der aus dem Bereich der damaligen Schulverwaltung ausgeschiedenen Oberbeamten ohne die ihm gesetzlich zustehende Pension entlassen worden. 3. Als Vater von drei Jungen im 15., 12., und 9. Lebensjahr bin ich verpflichtet, für deren Fortkommen zu sorgen. Unter Berücksichtigung dieser rein sachlichen und rechtlichen Begründungen bitte ich, zu der Überzeugung kommen zu wollen, dass die Zahlung einer Pension an mich als gerechtfertigt erscheinen dürfte." (30)

Am 29.8.1945 teilte der neue Schulsenator Heinrich Landahl Behne mit, dass seine Weiterbeschäftigung von der Britischen Militärregierung nicht genehmigt worden ist. (31)

Am 27.9.1945 wurde Walter Behne „wegen angeblicher Kriegsverbrechen in Serbien" (wie sein Rechtsanwalt Herbert Vierth schrieb) verhaftet, zuerst in Altona ins Gefängnis gebracht, dann in das Internierungslager Neumünster, danach nach Neuengamme überführt. Am 10.5.1946 wurde Walter Behne dann nach Belgrad ausgeliefert, wo ein Kriegsverbrecherprozess gegen ihn und andere ehemalige deutsche Wehrmachtsoffiziere vorbereitet wurde.

Vorher hatte Behne in der Erwartung, dass er sicherlich nicht wieder in der Schulverwaltung oder im öffentlichen Dienst beschäftigt werde, den Antrag gestellt, „ein Gewerbe für Übersetzungen und Sprachvermittler anzumelden, sowie das Erteilen von Sprachunterricht" genehmigt zu bekommen. Beides wurde im August 1946 endgültig abgelehnt. Am 3.9.1945 hatte schon das Gewerbeamt abschlägig entschieden. Am 14.8.1946 teilte Oberschulrat Heinrich Schröder dem Gewerbeamt mit, dass Dr. Behne für diese Tätigkeiten „nicht tragbar erscheint". Lakonisch ergänzte er: „Im übrigen dürfte die Angelegenheit erledigt sein, weil Dr. Behne kaum in absehbarer Zeit nach Deutschland zurückkehren dürfte." (32)

Walter Behne hatte tatsächlich andere Probleme. Das Entnazifizierungsverfahren in Hamburg lief in seiner Abwesenheit weiter. Betrieben wurde es von Rechtsanwalt Herbert Vierth, dem Schwager Behnes. Vierth wandte sich am 22.5.1946 kurz nach der Auslieferung Behnes nach Belgrad an Schulsenator Landahl. Er schrieb: „Mein Schwager hat stets von Ihnen mit Hochachtung gesprochen. Ich nehme daher an, dass sie auch jetzt noch Interesse an dem Schicksal meines Schwagers haben und nach Möglichkeit verhindert wollen, dass frühere Beamte ihrer Behörde und deutsche Reserveoffiziere unschuldig wegen angeblichen Kriegsverbrechens in Serbien verurteilt werden." (33)  Eine Antwort Landahls fand sich in Behnes Personalakte nicht.

Der Beratende Ausschuss für die Oberbeamten, der sich aus den Oberschulräten Johannes Schult, Karl Hoffmann und Emmy Beckmann zusammensetzte, verwarf am 27.1.1947 die Berufung gegen Behnes Entlassung: „Seiner ganzen Eigenart nach bietet er nicht die geringste Gewähr, dass er am Aufbau eines demokratischen Staatswesens teilnehmen kann." (34)

Einem Vermerk von Oberregierungsrat von Zerssen war zu entnehmen: „Nach einer Rundfunkmeldung ist Dr. Behne auf Grund eines Urteils eines Kriegsgerichts in Belgrad vom 9.3.1947 wegen angeblich als Adjutant eines Oberkommandanten in Jugoslawien begangener Kriegsverbrechen erschossen worden." (35)

In der Hamburger Schulbehörde nahm man offiziell am 4.7.1947 davon Kenntnis. Bei der 72. Besprechung der Schulaufsichtsbeamten und Referenten wurde protokollarisch festgehalten: „Herr Senator Landahl teilt mit, dass der ehemalige Oberschulrat Dr. Behne als Kriegsverbrecher in Belgrad hingerichtet worden sei. Eine Trauerfeier findet am Sonnabend, dem 12. Juli, in der Rissener Kirche statt. Beamten und Lehrkräften der Schulbehörde sei der Rat zu geben, an der Trauerfeier nicht teilzunehmen." (36) Die zu den Personalakten genommene Sterbeurkunde hielt fest, Behne sei „im Frühjahr 1947 in Belgrad, Jugoslawien, verstorben“. (37)

Im Weiteren ergaben sich zwei Stränge. Das Entnazifizierungsverfahren, dass Bedeutung hatte für die Witwenbezüge von Behnes Ehefrau, Herta Behne, geborene Vierth, und anderseits die Versuche von Herta Behne, über ihren Bruder und Rechtsanwalt Herbert Vierth zu bezweifeln, dass Walter Behne tatsächlich ein Kriegsverbrecher gewesen sei.

Interessant erscheint am weiteren Verfahren auch, nachdem die Nachricht von der Erschießung Behnes in Jugoslawien Hamburg erreicht hatte, wer sich für Behne verwendete und mit welcher Argumentation.

Gravierender war allerdings, die Vorwürfe und Abläufe während des Krieges in Serbien genauer zu beleuchten.

Walter Behne war als Hauptmann bei der Wehrmacht. Er war Adjutant bei der Ortskommandantur in Arras (Frankreich) und kam im April 1941 mit dieser Kommandantur nach Jugoslawien, wo sie als Ortskommandantur in Sabac eingesetzt wurden. Im August 1941 wurden fünf serbische Bauern festgenommen, nachdem sie mit der Waffe in der Hand angetroffen worden waren. Sie wurden im Gefängnis inhaftiert. Serbische Partisanen verwundeten kurz später einen deutschen Soldaten der Ortskommandantur. Der Oberbefehlshaber der Wehrmacht Süd-Ost hatte für solchen Fall angeordnet, dass als Vergeltung eine Anzahl von Serben erschossen werden solle. Der Ortskommandant, Hauptmann Kwasny, dem die Verwundung seines Soldaten abends gemeldet worden war, befahl die Erschießung der festgenommenen Bauern. Die Beteiligung Walter Behnes an diesem Erschießungskommando wurde widersprüchlich dargestellt.

In einem zweiten Fall hatte der Ortskommandant befohlen, dass einige serbische Geiseln in das Gefängnis einzuliefern seien. Damit wurden zwei Feldwebel beauftragt. Den Befehl des Ortskommandanten verlas sein Adjutant, Walter Behne. Der Befehl enthielt die Anweisung, dass auf die Geiseln zu schießen sei, wenn diese einen Fluchtversuch unternehmen würden. Einer der beiden Feldwebel erschoss fünf Geiseln. Rechtsanwalt Vierth stellte in seinem Schreiben den Fall so dar, dass der Auftrag des Adjutanten Behne von dem Feldwebel, der die Geiseln erschossen hatte, falsch verstanden worden sei. (38)

In einem weiteren Fall wurden 300 Serben im Oktober 1941 in Sabac von der Wehrmacht erschossen. Ob Walter Behne zu diesem Zeitpunkt überhaupt in Sabac und an der Beauftragung oder der Erschießung der 300 Serben beteiligt gewesen war, wird von Herbert Vierth und Frau Behne bestritten, die behaupteten, Walter Behne sei zu dieser Zeit im Heimaturlaub gewesen. Angezeigt worden war Behne von dem Hamburger Hermann Schacht, der Soldat in Behnes Einheit gewesen war. Schacht hatte ausgesagt, dass Behne „den Befehl gegeben hatte, dass die Geiseln bei Flucht zu erschießen seien. Das hat Feldwebel Winter als Aufforderung angesehen." Schacht soll auch angegeben haben, „dass Behne den Befehl über die Erschießung einiger hundert Serben gegeben und dann sofort in Urlaub gefahren sei“. (39)

Rechtsanwalt Herbert Vierth zeichnete ein sehr geschöntes Bild von seinem Schwager und Mandanten. Er sei für solche Befehle und Taten „als Mensch auch viel zu weich und sensibel“ und „streng christlich“ eingestellt gewesen.

Aus meiner Sicht bleibt die Frage, ob ein Offizier dafür verantwortlich gemacht werden kann, wenn infolge eines von ihm gegebenen, möglicherweise „falsch verstandenen oder falsch interpretierten“ Befehls Geiseln erschossen werden.

Allerdings stand die Glaubwürdigkeit des Rechtsanwalts auf höchst wackligem Fundament. Vierth räumte zwar ein, dass Behne zum Oberschulrat befördert worden sei, weil er schon „vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten der Partei angehörte“. Er habe sich aber „von jeher aus dem lauten Parteibetrieb ferngehalten“. Er sei „in anständigem Sinne aus reinen Idealen tätig gewesen" und „Herr Dr. Behne hat nicht etwa fanatisch alles, was anderer Meinung war, als er, in Grund und Boden verdammt, sondern hat im Gegenteil stets auf den innerlichen Menschen gesehen und ist auch andersdenkenden Leuten, die unter der NS-Herrschaft irgendwie verfolgt wurden, stets hilfreich entgegengekommen“. Schließlich: „Sein Charakter war in jeder Beziehung rein und sauber und seine Gesinnung auch. Für seine Überzeugung trat er kompromisslos ein und hat niemals um eigener Vorteile willen gehandelt. Mit seiner Frau führte er ein harmonisches Eheleben, das nur hin und wieder dadurch gestört wurde, dass seine Frau den Nationalsozialismus nicht sehr schätzte." Zusammenfassend erklärte der Schwager von Walter Behne: „Dr. Behne ist ein rechtlich denkender, in jeder Beziehung nur ideal veranlagter Mann, dessen Charakter es widersprach, dem geringsten Menschen auch nur das kleinste Unrecht zuzufügen. Er war kein Aktivist im üblichen Sinne.“ (40)

Das passt nicht wirklich zusammen mit den zitierten Äußerungen Behnes und dem, was der Beratende Ausschuss für das höhere Schulwesen am 23.8.1946 im Entnazifizierungsverfahren Bruno Peyn feststellte: „Von vielen Seiten ist uns geschildert, wie er zusammen mit dem früheren Oberschulrat Behne 1933 das Kollegium der Bismarck-Oberschule terrorisierte und fast ganz in die Partei hineinzwang.“ (41)

Diese offensichtlich mit dem Wirken Behnes von Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft nicht in Kongruenz zu bringende Charakterisierung weckt auch Zweifel an Vierths Rekonstruktion der Vorgänge in Serbien.

Im weiteren Entnazifizierungsverfahren fand am 14.6.1948 eine Sitzung unter Vorsitz des für milde Urteile bekannten Dr. Theodor Kiesselbach statt. Dabei werden zwei Drittel der Witwenpension eines Studienrats ins Gespräch gebracht. Erst die Zentralstelle für Berufungsausschüsse vom 27.10.1948 entschied, nachdem auch Frau Behne, die angab, nie irgend einer NS-Organisationen oder -gliederung angehört zu haben, den Fragebogen ausgefüllt hatte und entnazifiziert worden war (in Kategorie V, Entlastete, eingeordnet). Die Entscheidung befürwortete 60 % der Pensionsbezüge, „wenn ihr verstorbener Mann als Studienrat gestorben wäre." (42)

1951 stellte Frau Behne einen Antrag auf Hinterbliebenenversorgung, da ihr Mann „im Frühjahr 1947 in Belgrad in Kriegsgefangenschaft verstorben sei". Da als Todesursache auf der Sterbeurkunde vermerkt war: „Erschießung", fragt die Landesversicherungsanstalt am 26.2.1951, aus welchem Grunde Walter Behne erschossen worden sei. Der Jurist der Schulbehörde, von Zerssen, antwortete: „Aufgrund eines Urteils eines jugoslawischen Gerichts wegen angeblich als Adjutant eines Ortskommandanten in Jugoslawien begangener Kriegsverbrechen. Von Seiten der Familie ist unter Vorlage vieler Urkunden angegeben, dass es sich um ein Fehlurteil handelt. Tatsächlich ist die Rechtsprechung der jugoslawischen Gerichte gegen sogenannte Kriegsverbrecher außerordentlich scharf gewesen." (43)

Kurios auch eine Anfrage der Oberstaatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg, die laut Schreiben vom 13.3.1951 gegen Behne wegen „Verbrechens an der Menschlichkeit“ ermittelte. Sie fragte bei der Schulbehörde nach dem Aufenthaltsort Walter Behnes. (44)

Am 14.12.1950 unternahm Rechtsanwalt Herbert Vierth einen erneuten Vorstoß. Er schreibt, dass gegen den Ehemann von Herta Behne „bisher ein Entnazifizierungsverfahren noch nicht eingeleitet worden" sei. „In irgendeine Kategorie ist er noch nicht eingereiht. Da Herr Dr. Behne, der seit 1910 im Schuldienst tätig war, verstorben ist, steht seiner Witwe eine volle Pension zu. Es widerspricht der Gerechtigkeit und den gesetzlichen Vorschriften, wenn der Witwe jetzt nur ein Teil der ihr zustehenden Pension ausbezahlt wird."

Und in der Tat: Der Staatskommissar der Hansestadt Hamburg für die Entnazifizierung und Kategorisierung entschied am 22.2.1952 endgültig: „Mit Wirkung vom 1.2.1952 wird Herta Behne 100 % der Hinterbliebenenbezüge eines Studienrates ausbezahlt.“ (45)

Den nächsten Schritt unternahm Rechtsanwalt Oscar Toepffer, der selbst in der Zeit des Nationalsozialismus Parteimitglied gewesen war und dem Hamburger Senat bzw. als Beigeordneter der Hamburger Regierung angehörte, vorübergehend auch die Verantwortung für die Schulverwaltung hatte und bei dieser Gelegenheit Walter Behne kennengelernt hatte. Toepffer rollte den Fall noch einmal auf, verwies auf das sogenannte 131er Gesetz und forderte, dass Herta Behne die Versorgungsbezüge eines Oberschulrates ausgezahlt würden. Toepffer, der selbst nach 1945 nicht wieder in den öffentlichen Dienst übernommen worden war, hat eine Reihe ehemaliger Nationalsozialisten als Rechtsanwalt verteidigt. (46)

In einer Stellungnahme zu Toepffers Anliegen schrieb Oberschulrat Wulle am 30.1.1956, dass Behne „ohne Machtergreifung der Nazis niemals Oberschulrat geworden wäre. Behne muss als Aktivist seiner Partei bezeichnet werden, er war der führende Nationalsozialist im damaligen Oberschulratskollegium."Wulle sprach sich aber gegen ein Aufrollen des Verfahrens aus, man müsste Belastungszeugen feststellen und das würde bedeuten, „sehr viel Staub aufzuwirbeln“ und das „riefe Entlastungszeugen auf den Plan“.

Landesschulrat Matthewes stellt dazu am 30.1.1956 fest, dass es keinen Zweifel daran gäbe, dass Behne nur Oberschulrat geworden sei, weil er Nationalsozialist war „und als solcher hat er auch sein Amt ausgeführt“. Matthewes kam aber auch zu dem Schluss: „Ich halte es für sehr unzweckmäßig und schwierig, Zeugen zu benennen und meine deshalb, man solle dem vorgeschlagenen Vergleich zustimmen."

Der von Rechtsanwalt Oscar Toepffer vorgeschlagene Vergleich sah vor, dass die Versorgung und Hinterbliebenenbezüge neu festgesetzt und an der Besoldung eines Schulrates orientiert wurden. Im Laufe der nächsten Jahre wurden diese dann auf A 14 festgesetzt. (47)

Interessant übrigens, dass Mitglieder der Entnazifizierungsausschüsse auch zu ganz anderen Bewertungen gelangten.

Am 8.3.1948 schrieb der Vorsitzende des Fachausschusses 6b, Friedrich Wilhelm Licht, dass er mit der wohlwollenden Gewährung der Hinterbliebenenpension für Behnes Witwe Herta Behne nicht einverstanden sei: „Nachforschungen in Rissen haben ergeben, dass Frau Behne sich keineswegs von der nationalsozialistischen Richtung so völlig ferngehalten hat, wie es nach dem Fragebogen den Anschein hat und wie der Beratende Ausschuss infolgedessen angenommen hat. Personen, die sie während der Nazizeit haben beobachten können, sagen aus, dass sie politisch  ‚mindestens‘ so fanatisch gewesen sei wie ihr Mann und es wohl auch noch heute sei. Die der Schulbehörde bekannt gewordene Tatsache, dass Frau Behne nach der erfolgten Hinrichtung ihres Mannes in Rissen eine öffentliche Trauerfeier zu veranstalten versucht hat, weist in die gleiche Richtung. Frau B. ist die Besitzerin eines acht Zimmer umfassenden Hauses in Rissen, das ihr belassen worden ist, da sie es als persönliches Eigentum mit in die Ehe gebracht hat. Gegenwärtig wohnen außer ihr und ihren Kindern mehrere Untermieter in dem Hause, die ihr eine nicht unbeträchtliche Miete einbringen, so dass von einem eigentlichen Notstand kaum die Rede sein kann. Angesichts der besonders schweren Belastung des früheren Oberschulrates Behne und des ungünstigen Ergebnisses dieser Nachforschungen, hält der Fachausschuss die Bewilligung auch nur einer Teilpension für untragbar.“ (48)

Auch nach 1945 waren die Gräben noch sehr tief.

Walter Behnes Witwe Herta starb am 4.2.1977.

Zu guter Letzt soll noch darauf eingegangen werden, wie sich andere aktive Nationalsozialisten in Leumundszeugnissen zu Walter Behne äußerten und wie sie jeweils argumentierten. (49)

Theodor Mühe, der seine Aussage mit Prof. Dr. Mühe, Oberschulrat i. R. unterschrieb, der mit Walter Behne Oberschulrat für die höheren Schulen in der Nazizeit gewesen war und als ehemaliger Lehrer der Oberrealschule in Eimsbüttel (Kaiser-Friedrich Ufer) Behne über Jahrzehnte aus nächster Nähe kannte, sagte am 18.11.1947 aus:

„Ich versichere eidesstattlich, dass der verstorbene ehemalige Oberschulrat Dr. Behne bei aller Begeisterung für den Nationalsozialismus mit unbeugsamer Energie und Leidenschaft den Standpunkt vertrat und weitgehend durchsetzte, dass Beförderungen, Versetzungen, Urlaub und sonstige Personalangelegenheiten stets in erster Linie nach pädagogischen Gesichtspunkten entschieden wurden.

Er wurde dadurch höheren Orts so unbequem, dass bei einer Besprechung, an der außer mir noch die damaligen Oberschulräte Dr. Züge und Dr. Peyn, sowie der Leiter des Studienseminars Dr. Dr. Trog, teilnahmen, der Vorsitzende Senator Dr. Ofterdinger, eine Zwischenpause, in der Dr. Behne kurze Zeit hinausgegangen war, dazu benutzte, uns übrigen mitzuteilen, dass er entschlossen sei, Dr. Behne aus seiner Funktion als Oberschulrat abzuberufen, indem er uns fragte, ob wir Vorschläge machen könnten, wo er an untergeordneter Stelle beschäftigt werden könnte." Eine Legende, für die drei fanatische Nationalsozialisten als Mitzeugen benannt wurden über eine Sitzung und Aktivität des Senators Ofterdinger, der mittlerweile im Internierungslager Neumünster gestorben war. (50)

Das nächste Schreiben stammte von Prof. Dr. Karl Hahn, dem langjährigen Schulleiter der Oberrealschule auf der Uhlenhorst, selbst Nationalsozialist seit 1933 und durch ein langwieriges Entnazifizierungsverfahren gegangen. Er schrieb am 25.11.1947: „Herrn Dr. Walter Behne habe ich kennengelernt, als er 1933 Oberschulrat in Hamburg wurde. Dass er überzeugter Nationalsozialist war, wusste ich und habe auch in dieser Hinsicht immer in einem starken inneren Gegensatz zu ihm gestanden. Heute, wo er einem tragischen Geschick, schuldlos, soweit ich unterrichtet bin, zum Opfer gefallen ist, möchte ich im Interesse seiner Frau und seiner heranwachsenden Söhne, darauf hinweisen, dass er sich immer taktvoll in seinen Maßnahmen erwiesen und immer in dem Bestreben, die höhere Schule zu fördern, gehandelt hat. Ich habe ihn immer zu denen gerechnet, die vom Idealismus getrieben sind und nicht mit Politik materielle Ziele verfolgen, und muss auch anerkennen, dass er den unheilvollen Einfluss der Hitlerjugend, wo es anging, entgegengetreten ist. Wäre er heute noch am Leben, so würde ich auf dem Standpunkt stehen, dass er für seine Überzeugung und Handlung einzustehen hat. Nachdem er aber mit dem Tode seine Schuld mehr als gesühnt hat, scheint es mir eine Härte zu sein, seine Hinterbliebenen von der Versorgung auszuschließen, die er sich bis zu seinem Amtsantritt verdient hat."

Auch mehrere Hamburger Pastoren setzten sich für Walter Behne ein, so unter anderem Pastor A. Claussen, der in Hamburg-Hoheluft am 30.10.1945 bezeugte: „Dr. Behne ist nicht nur persönlich ein überzeugter Christ, sondern er war auch der Überzeugung, dass dem deutschen Volke die Verbindung mit dem Evangelium erhalten bleiben müsse, wenn es nicht schweren Schaden erleiden sollte.“

Außerdem veröffentlichte ein anderer nationalsozialistischer Oberstudiendirektor, Dr. Bernhard Studt noch einige biografische Details, die aus anderen Quellen nicht bekannt waren. Er erklärte am 20.10.1947: „Dr. Walter Behne hat mir in langjährigen freundschaftlichen und bundesbrüderlichen Beziehungen mal gestanden; ich glaube daher, einen guten Einblick in seine Denkungsart und seinen Charakter getan zu haben und berechtigt zu sein, ein Urteil über ihn abzugeben.

Walter Behne entstammte einem gebildeten Elternhause, das durch schlichte Rechtlichkeit, Biederkeit und wahrhaftig christliche Gesinnung gekennzeichnet war. Seine trefflichen Eltern ließen ihrem einzigen Sohn eine liebevolle, sorgfältige Erziehung zuteil werden. Anständige Gesinnung in jeder Beziehung, Pflichteifer, Gewissenhaftigkeit und Verantwortungsbewusstsein waren die Eigenschaften, die sie in ihm zu pflegen verstanden; er hat diese Tugenden denn auch im späteren Leben jederzeit und in allen Lagen bewährt. Als Student in Erlangen wurde er in der christlichen Studentenverbindung Uttenruthia (Schwarzburgbund) aktiv. In ihrem ernsten christlich-deutschen Geist fand er die Grundzüge seiner eigenen ideal gerichteten Denkungsart wieder. Die Zugehörigkeit zur Uttenruthia und zum Schwarzburgbund waren ihm Herzenssache; er hat sie Zeit seines Lebens gepflegt und ist für ihre Ideale - Gott, Freiheit, Vaterland, die Ideale der alten Burschenschaft - immer mit Wärme und Eifer eingetreten. Die angesehene Stellung, die er im Bunde genoss, führte dazu, dass er 1933 zum Bundesführer berufen wurde. Als solcher suchte er 1935 bei der allgemeinen Auflösung der akademischen Verbände engere Fühlung mit der Hitler-Jugend, in dem Glauben, dass hier die große Zukunftsaufgabe des Schwarzburgbundes liege, nämlich das Christentum in die deutsche Jugend und damit in das deutsche Volk hineinzutragen. Zum Beweise für seine damalige Einstellung führe ich einige von ihm getane Äußerungen an: ‚Manch einer mag Bedenken haben gegenüber der Einstellung der HJ zum Christentum. Ich kann dazu nur sagen, dass jeder, der in die Arbeit der HJ mehr hineinsieht, erkennt, wie lebendig in der deutschen Jugend um die letzten Entscheidungen gerungen wird.‘

‚Unser Bund glaubt, dass bei allem Für und Wider gegenüber dem Christentum in den Reihen der HJ dennoch gerade in ihren Reihen der größte Mut zum Bekenntnis eines Glaubens an Gott und seinen Willen über uns allen – auch über jeden einzelnen – lebendig werden wird.‘ Dieser Idealismus musste naturgemäß letzten Endes an der Entwicklung der Dinge scheitern; aber bezeichnend für Behne ist die mit seinen Worten sprechende Einstellung, in allen Dingen und Menschen nur das Gute und Ideale zu sehen. Er war ein ausgesprochener Optimist, der sich für alles, was er als gut und recht erkannt zu haben glaubte, mit allen Kräften und voller Begeisterung einsetzte, der kein Opfer an Zeit, Kraft und Gesundheit scheute, für das Gute zu wirken. Dass er dabei gelegentlich die Realitäten des Lebens nicht klar erkannte und über das Ziel hinausschoss, ist menschlich und verzeihlich. Die Beweggründe seines Handelns waren immer durchaus ehrlich, vornehm und uneigennützig. Der Ehrgeiz, der ihn beseelte, war nur der Ehrgeiz, etwas zu leisten, nicht der Ehrgeiz, eine Rolle zu spielen und etwas zu bedeuten

Zusammenfassend möchte ich sagen: Dr. Behne war ein Mann von absolut aufrechtem, ehrlichen Wollen, ehrenhafter, vornehmer Denkungsart, erfüllt von christlicher und sozialer Gesinnung und offenherzigem Verständnis für seine Mitmenschen."

Und zum Schluss soll ein weiteres Mal Herbert Vierth zitiert werden, der am 20.12.1947 folgendes Leumundszeugnis abgab: „Ich kenne Herrn Dr. Behne seit 1914. Er ist ein in jeder Beziehung gerecht denkender Mann gewesen, der niemandem bewusst irgendein Unrecht tat. Im Gegenteil, er trat immer und überall für Hilfsbedürftige ein. Er war tief religiös veranlagt. Später war ich mit ihm zusammen in der Freimaurerloge ‚Zur Hanseatentreue‘ in Hamburg. Hier betätigte er sich sehr eifrig und hielt sehr oft bei den Arbeiten Vorträge, die überall hellste Begeisterung fanden. Er war überaus empört, als die Partei die Freimaurerei überall in den Dreck zog und versuchte stets, ihr humanitäres Ideengut mit den Ideen des Nationalsozialismus in Einklang zu bringen. Bis zu seinem Tode war er in tiefster Seele Freimaurer und Christ.

Als wir uns nach dem Kriege wiedersahen (wir waren beide Soldaten), war er auf das tiefste enttäuscht über die unglaublichen Auswüchse in der Partei, die er nicht für möglich gehalten hatte. Ich erinnere mich wiederholter Gespräche, in denen er seiner Empörung Ausdruck gab und immer wieder und wieder erklärte, dass er, wenn er die Wahrheit gewusst hätte, zu den ernstesten Gegnern der Partei gehört haben würde. Er sprach immer davon, dass die Entwicklung der Partei für ihn die bitterste Enttäuschung seines ganzen Lebens gewesen ist. Er war empört über die Dinge, die aus den Konzentrationslagern nach dem Kriege verbreitet wurden und erklärte mir wiederholt, er schäme sich ganz gewaltig, dass derartige Dinge von Deutschen ausgeführt würden, und dass sie von deutschen politischen Führern angeordnet seien. Er äußerte auch die Absicht, sich wieder mit ganzer Energie der Freimaurerei widmen zu wollen, wenn die Logen wieder eröffnet werden würden.“

Alle übermittelten Leumundszeugnisse wurden nach dem gemeldeten Tod von Walter Behne verfasst. Sie waren vielleicht auch Zeugnis persönlicher Betroffenheit, insbesondere, weil kolportiert wurde, Walter Behne sei Opfer eines Fehlurteils bzw. falscher Anschuldigung geworden. Die Leumundszeugnisse ergänzen und vervollständigen das Bild von Walter Behne. Sie entlasten ihn aber nicht von dem, was er in der Zeit des Nationalsozialismus zu verantworten hatte.

Text: Hans-Peter de Lorent

Anmerkungen
1. Alle Angaben laut Behnes Personalakte, StA HH, 361-3_A 1381, Bd. 1
2. StA HH, 362-2/26 Bismarck Gymnasium_ 46 Bd.1 Personalakten
3. Dieser Brief ebd.
4. So schrieb der Beratende Ausschuss für das höhere Schulwesen im Entnazifizierungsverfahren Bruno Peyn: „Von vielen Seiten ist uns geschildert worden, wie er zusammen mit dem früheren Oberschulrat Behne 1933 das Kollegium der Bismarck-Oberschule terrorisierte und fast ganz in die Partei hineinzwang“. StA HH, 221-11_Ed 10964
5. Personalakte Behne Bd.1, a.a.O.
6. Entnazifizierungsakte Walter Behne, StA HH, 221-11_X 62
7. Laut Personalakte, Bd.1 und Bd.2
8. Personalakte StA HH, 361-3_A1381 Bd.2
9. Ebd.
10. Die Rede Behnes ist abgedruckt in: HLZ 20/1933, S. 281 ff.
11. Ebd., S.281. Alle weiteren Zitate aus dieser Rede, S. 281 f.
12. Uwe Schmidt: Hamburger Schulen im „Dritten Reich“, Hamburg 2010, S. 100.
13. Schmidt, a.a.O., S.102.
14. Schmidt, a.a.O., S. 101.
15. Alle Zitate aus: Walter Behne: Der 2. und der 19. August 1934, in: HLZ 27/1934, S. 421.
16. Alle Zitate aus: HLZ 28/1934, S. 455. Siehe auch die Biografie Einfeldts in diesem Buch.
17. Laut Behnes Personalakte, Bd.2, a.a.O.
18. Deutsches Lesebuch für Oberschulen und Gymnasien, 1.Band, 4.Auflage Hamburg 1944.
19. Deutsches Lesebuch für Oberschulen und Gymnasien, a.a.O., S.257.
20. Deutsches Lesebuch für Oberschulen und Gymnasien, a.a.O., S.292.
21. Siehe z.B.: Wolfgang Jünemann: Um der Freiheit Willen, Frankfurt/M. 1938.
22. Zitiert nach Schmidt, 2010, S. 372.
23. Ebd. Bei Herzogenrath handelte es sich um eine „verkrachte Existenz“. Am 8.8.1902 in Kreuznach geboren, hatte er 1916 bis 1919 in Münster einem Lehrerseminar angehört, später in allen möglichen Anlernberufen gearbeitet, war von 1930 bis 1933 erwerbslos, bekam als SA-Mann und NSDAP-Mitglied seit 1931 eine Hilfsarbeiter- und Hilfshausmeister-Anstellung 1933, aus der er im Zuge des genannten Konfliktes 1937 „wegen disziplinarwidrigen Verhaltens gegen die Behörde“ entlassen worden war. Angaben nach Entnazifizierungsakte Herzogenrath, StA HH 211-11_75465 KAT.
24. Siehe Biografie Puttfarken in diesem Buch
25. Schmidt 2010, S. 374.
26. Siehe Biografie Hans Rösch in diesem Buch und seine Personalakte, StA HH, 361-3_A 1399 Bd.1 und Bd.2. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit habe ich Zusatzbemerkungen Röschs hier weggelassen.
27. Siehe auch die Biografien Karl Witt, Wilhelm Oberdörffer, Theodor Mühe und Hans Rösch in diesem Buch.
28. Personalakte Behne Bd.1, a.a.O.
29. Personalakte Bd.2, a.a.O.
30. Ebd.
31. Personalakte Bd.1, a.a.O.
32. Personalakte Bd. 2, a.a.O.
33. Personalakte Bd. 1, a.a.O.
34. Personalakte Bd.2,a.a.O., Bl.134
35. Vermerk vom 21.3.1951, ebd, Bl.161
36. Ebd., Bl. 137.
37. Ebd., Bl.139.
38. Aus diversen Unterlagen zusammengestellt, in erster Linie aus Schreiben und Protokollen von Rechtsanwalt Vierth, insbesondere aus dem Schreiben von Vierth vom 6.6.1946, Personalakte Bd.2, a.a.O.
39. Alle Dokumente in Personalakte Bd. 2 im Kontext der notariellen Erklärung des ehemaligen Wehrmachtsangehörigen Dralle. Über den Zeugen Schacht, der Behne angezeigt hatte, ist wenig bekannt. Interessant ist aber, dass er in Hamburg nur etwa 500 Meter von der Oberrealschule Bogenstraße entfernt wohnte, eine KfZ-Werkstatt betrieb und nach eigenen Angaben in seiner Entnazifizierungsakte, seit 1925 Mitglied der KPD war. Schacht war von 1939 bis 1944 Werkmeister bei der Wehrmacht gewesen und als solcher in der Kompanie von Behne in Frankreich und Serbien. Siehe Entnazifizierungsakte Schacht, StA HH, 221-11_Misc. 19937
40. Antrag der Witwe Herta Behne vom 12.9.1947 auf Gewährung einer Witwenpension und Schreiben vom 20.12.1947, in Personalakte Bd.2, a.a.O.
41. Entnazifizierungsakte Bruno Peyn, StA HH, 221-11_Ed 10964
42. Personalakte Bd. 2, a.a.O.
43. Schreiben vom 10.3.1951, ebd.
44. Ebd.
45. Ebd.
46. Alle Dokumente ebd. So war Toepffer u.a. auch der Rechtsbeistand von Behnes OSR-Kollegen Albert Henze.
47. Ebd.
48. Ebd.
49. Alle Leumundszeugnisse in der Entnazifizierungsakte Walter Behne, StA HH, 221-11_X 62
50. Siehe auch die Biografien von Karl Züge, Bruno Peyn, Hermann Trog und Theodor Mühe in diesem Buch.
 

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Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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