Begriffserklärungen

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Hans Förster

(9. Februar 1885 Hamburg - 22. April 1966 Hamburg)
niederdeutscher Maler, Grafiker, Zeichner und Schriftsteller
Adresse: Dulsberg-Nord 39 (bis 1964) , danach im Altenheim/Lokstedt
Namensgeber für: Hans-Förster-Bogen (Hamburg- Bergedorf/Nettelnburg-Süd)

Hans Förster wurde am 9. Februar 1885 als Sohn des Hamburger Malers, Grafikers und Karikaturisten Johann Hinrich Christian Förster geboren.[1]

Christian Förster (1825-1902) war als „Reformförster“ bekannt, da er vor allem für die Titelseiten der Zeitung „Reform“ - 1848 gegründet, 1892 eingestellt - viele Zeichnungen und Karikaturen anfertigte. Dem Einfluss des Vaters wird Hans Försters späteres „Interesse für Volkstrachten“ zugeschrieben.[2] Von Christian Förster ist überliefert, er habe besonders „als Motive Volksfeste und Volkstypen“ geliebt. Seinen Zeichnungen waren „häufig (...) niederdeutsche und missingsche Texte“ beigegeben. „Die zahlreichen Darstellungen von jüdischen Typen, die in den Unterschriften Mauschel-Jargon sprechen, gerieten von anfänglich harmlosen Witzen später zu antisemitischen Diffamierungen. Ebenso ist auch eine zunehmende Tendenz zu nationalistischer Überheblichkeit, besonders im Militärischen, festzustellen.“[3] Auch für verschiedene niederdeutsche Erzählungen schuf er Illustrationen.

Hans Förster begann nach dem Besuch des Realgymnasiums Johanneum 1902 ein Kunststudium an der „Hamburger Kunstgewerbeschule“ am Lerchenfeld , wo er bis 1904 blieb. In dieser Zeit erhielt er von dem Direktor des „Museums für Kunst und Gewerbe“ Justus Brinckmann und dem Direktor der „Hamburger Kunsthalle“ Alfred Lichtwark „die Anregung (…), mit Pinsel und Feder in den Vierlanden die Zeugnisse der alten Bauernkultur festzuhalten“.[4] Durch Brinckmann lernte er auch Grafik und Kunstgewerbe aus Japan (im „Museum für Kunst und Gewerbe“) kennen, was ihn nachhaltig beeinflusste. 1905/06 setzte er sein Studium in Berlin fort, wo er durch Emil Orlik, seit 1906 Professor für Grafik am dortigen „Kunstgewerbemuseum“, mit Jugendstil und der Technik des japanischen Farb-Holzschnitts vertraut wurde.

Nach Abschluss des Studiums, wieder in Hamburg, fertigte er daher farbige Holzschnitte „mit Motiven aus dem Volksleben der Hamburger Umgebung, vor allem der Vierlande“[5] an. Später veröffentlichte er Zeitschriftenaufsätze und Bücher über Hamburg, meist mit „Federzeichnungen in schwarz-weißer Holzschnittmanier.“[6]  Damit war sein Stil festgelegt: „Den neueren Richtungen der Kunst hatte er nie Konzessionen gemacht; er war stets seinem Stil treu geblieben“, wurde rückblickend festgestellt.[7]

Hans Förster hat sich – die Prägung durch den Vater dürfte auch in dieser Hinsicht wichtig gewesen sein - früh in der Niederdeutschen Bewegung betätigt. Sein Arbeitsschwerpunkt und zentrales Interesse galt Volkstrachten, besonders niederdeutschen und speziell denen der Vierlande (in seiner Berliner Zeit auch ostdeutschen, wendischen aus dem Spreewald).  Seit April 1908 war er  Mitglied in der  wichtigsten niederdeutschen Vereinigung Hamburgs, dem „Quickborn“ [8], und am 6. Oktober 1908 hielt er dort „in niederdeutscher Sprache“ einen Vortrag über „Dat oole Tüüg op'n Lann'“, d.h. Trachten, besonders aus den Vierlanden.[9]  Er wurde dabei als jemand vorgestellt, „der auf dem Gebiete der Volkstrachten eingehende Studien gemacht und sich mit der Zeit zu einem wahren 'Trachtenmaler' entwickelt hat.“[10]  Im Jahr 1909 veröffentlichte er in „Achtern Diek. Wat van ohle Veerlanners, un Billers datoo“ eine für ihn typische Zusammenstellung eigener Texte und eigener schwarz-weißer Illustrationen. Er galt in der Hamburger Szene „bald als bester Kenner des niederdeutschen Volkstums“[11]

Seine durch und durch niederdeutsch bewegte und völkische Motivation zu solcher Beschäftigung mit Heimat und Vergangenheit wird aus dem „Eingangswort“, einem Vorwort zu seinem Buch „Marschländer Fahrten“ (1924), deutlich:

„Unserem Volke zu dienen, ihm verschüttete Schönheitsquellen auf ureigenem Grund und Boden zu erzeigen, sei auch des Marschländer Fahrtenbuches Zweck, Vertiefung der Selbstachtung des Niedersachsen-, des Deutschtums nicht zuletzt. Mögen wir den guten Geist des alten Volkstums nach Gebühr schätzen und hegen, seine Leistungen aber in Zukunft suchen zu erreichen und überbieten!“ [12]

Überhaupt „sah er seine Aufgabe darin, volkserzieherisch in die Breite zu wirken“ [13] und mit seinen Texten und Bildern insbesondere „die Augen für Reichtum und Schönheit einer werthaften Bauernkultur [zu] öffnen.“ [14]

Natürlich war Förster auch mit der Arbeit des anderen „Quickborn“-Mitglieds, das sich als Vierlande-Spezialist einen Namen machte, Dr. Ernst Finder, vertraut. [15] Beide, Förster und Finder, waren dem „Verein für Vierländer Kunst und Heimatkunde“ verbunden.[16]

1935 begann Finder, sich intensiver mit Finkenwerder zu beschäftigen, wobei ihn der Finkenwerder Lehrer Adolph Albershardt vielfach unterstützte. Als 1936 eine große 700-Jahrfeier der Insel/des Ortes Finkenwerder veranstaltet wurde, war Albershardt ein maßgeblicher Organisator des Ereignisses (u.a. erweckte er dafür die niederdeutsche Folklore-Gruppe „Finkwarder Speeldeel“ zu neuem Leben). Für dieses Fest gestaltete Hans Förster das Titelblatt des Programmheftes, wobei er zum Beispiel auf Motive aus seinem Buch „Marschländer Fahrten“ von 1924 zurückgriff. Insofern lässt sich hier zeigen, wie auch auf künstlerischer Ebene niederdeutsche „Volkstumsarbeit“ mit nationalsozialistischen Zielsetzungen in Einklang gebracht werden konnte.

Zuvor schon war das Motiv, ein (bzw. zwei) Reiter auf einem Pferd in einer niederdeutschen Landschaft (Vögel, Segelschiffe, Deich, Trachten sind angedeutet bzw. ausgeführt), auf dem Einband (Buchdeckel) seines 1921 erschienenen „Koornknicker. Ohl Veerlanner Vertellen“ erschienen, hier als dunkel gekleideter, Vierländer Reiter auf weißem Pferd (die „Schimmelreiter“-Sage klingt an).  In den „Marschländer Fahrten“ wird dies mit einer Finkenwerder Tradition verbunden: Zweimal werden „Kirchenreiter“ in dem typischen, von Förster entwickeltem Stil - Schwarz-Weiß-Kontrast, holzschnittartig gezeichnet, mit Detailgenauigkeit bei der Darstellung von Trachten – abgebildet. Zuerst (S. 143) mit der Bezeichnung „Flunkmütztracht und Kirchenreiter, Finkenwärder“: im Vordergrund zwei Frauen in Finkenwerder Tracht und ebenso, das Bild bestimmend,  der Reiter und die Reiterin – auf weißem Pferd. Zwei Seiten weiter wird „Alt-Finkenwärder, Kirchenritt“ gezeigt, Reiter und Reiterin auf schwarzem Pferd vor schwarz-weißem Himmel, mit Vögeln (Möwen) und im Hintergrund Fischer-Segelbooten. Immer reiten die Dargestellten, vom Betrachter aus, von rechts nach links.

So auch auf dem Programm der Finkenwerder 700-Jahrfeier 1936: Von rechts nach links reitend, die Mitte der Seite füllend, die Kirchreiter, auf schwarzem Pferd, vor weißem Wolkenhimmel bis zum Horizont, auf schwarzem Grund  - und in den vier Ecken des Motivs setzen sich davon am unteren Rand Segelschiffe (auf den Segeln ist das Finkenwerder Zeichen „H.F.“ zu erkennen)  und eine Windmühle ab, am oberen Rand das Hamburger Wappen – und, schwarz auf weißem Feld,  ein Hakenkreuz. Darüber, etwa ein Viertel des gesamten Blattes ausfüllend: „Finkwarder 700 Joahrfier 21. - 28. Juni 1936“. Unter dem Mittelteil mit dem Kirchreiter-Motiv, etwa auf dem letzten Viertel der Seite, Angaben zu Programmpunkten der Festwoche, ebenfalls auf Plattdeutsch.

Diese wohlkomponierte Verbindung der herkömmlich niederdeutschen Motivik mit dem Zeichen der „neuen Zeit“, dem Hakenkreuz, ist in späteren Wiedergaben zerstört worden: Auf einer wie ein Faksimile-Abdruck des Programmblattes scheinenden Abbildung in dem Buch, das zur 750-Jahrfeier Finkenwerders (1986) herausgebracht wurde, ist das Hakenkreuz wegretuschiert, und zum 775. Jahrestag im Jahr 2011 wurde diese „entnazifizierte“ Fassung erneut veröffentlicht.[17]

Das Buch des Volkskundlers Finder erschien 1939/40: „Die Elbinsel Finkenwärder“, und Förster verwies später (1959) mehrfach in seinem eigenen Buch zu Finkenwerder auf dieses Werk als maßgebliche Darstellung.

Während der NS-Zeit, ist insgesamt festzustellen, war Förster zunächst wohlgelitten. Seit 1933 erschienen mindestens fünf selbstständige Veröffentlichungen von ihm – immer Kombinationen von Texten und Bildern; hinzu kamen Zeitschriften-Aufsätze. So veröffentlichte er 1938 sein Buch „Alt-Hamburg heute in Wort und Bild“, das in den 1950er-Jahren als Band 1 seiner Reihe „Schönes altes Groß-Hamburg“ mit Veränderungen erneut herauskam.[18] Der Text-Bild-Kombination stellte Förster einen Vorspruch voran:

Hamburg!
Des Vaterlandes Tor zur Welt,
Ragst du aus niederdeutscher Erde,

(…).“

Auf diese Weise verband Förster die in der NS-Propaganda ubiquitär verwendete Charakterisierung Hamburgs („Tor zur Welt“) mit seiner grundständigen 

„Volkstums“-Orientierung („niederdeutsche Erde“), was bis zu einem gewissen Grad im nationalsozialistischen Hamburg durchaus auch Anklang fand. Zudem war Förster der NSDAP beigetreten.[19]

Dann gab es aber auch Probleme. Schon früh geriet Förster anscheinend „mehrfach in Gegensatz zu den – wie er später sagte – 'Hamburger Kunstignoranten'.“[20]  Auch mochte nicht jedem gefallen, dass er „sich auf seine Gabe der 'Spökenkiekerei' und den Glauben an Übersinnliches etwas zugute hielt“.[21] „Das schwierige Wesen Försters, der sich als Künstler stets unverstanden fühlte, führte 1938 infolge ketzerischer Bemerkungen, hinter denen jedoch keine politisch oppositionelle Haltung stand, zu mehrmonatiger Haft und zum Ausschluss aus der Reichskulturkammer, (…).“[22]

Allerdings wurde er später wieder aufgenommen, da man ihm „Verdienste um die 'deutsche Volkskunst' zusprach. So galt er „nach dem Krieg [d.h. nach Ende der NS-Zeit] in weiten Kreisen als unausstellbar“.[23]

Der Verlust vieler seiner Arbeiten durch Kriegszerstörung und die andauernd fehlende bzw. schwindende Anerkennung ließen ihn aber an seinen alten Zielen nicht irre werden: „Was niemand zerstören konnte, war sein Lebensziel, nun erst recht Sachwalter und Künder des Vätererbes zu sein.“[24]

Förster setzte also unverdrossen fort, was er vor 1945 begonnen hatte.  Seine Reihe mit Stadtwanderungen - „Schönes altes Groß-Hamburg“ - brachte er in überarbeiteter Form wieder heraus und ergänzte sie im gleichen Stil. Unterstützung erhielt er, wohl angeregt durch den Leiter der Baupflege in Hamburg, Laurentius Hinrichsen, vom Direktor des „ Altonaer Museums“, Prof. Dr. Günther Grundmann, der wohlwollende Vorworte beisteuerte und überhaupt finanzielle und ideelle Hilfestellung für den verarmten Künstler und Schriftsteller vermittelte. (So übernahm das Museum den Nachlass Försters und sicherte ihm damit eine kleine „Leibrente“.)[25]

Unverändert beeindruckt vom „alten“ Finkenwerder, schrieb und zeichnete Förster das Buch „Schönes Finkenwerder in Wort und Bild“ (als Band 3 der Reihe „Schönes altes Groß-Hamburg“), das 1959 erschien.[26]

Über Finkenwerder dichtete er nun:

Schönes Finkenwerder!
Finkenwerder, vielbesungen
Ist ein neues Lied erklungen:
Helgen, Kräne, Werften ragen
Fluren müssen Straßen tragen
Dennoch: „H.F.“ pflügt die See,
Volksart zeigt sich heut' wie je,
Blüten prangen, Früchte lachen,
Blanker Hans“ kann nichts mehr machen.[27]

Auch das Motiv – die Kirchenreiter -, das ihn schon in den 1920er-Jahren und dann 1936 in der NS-Zeit fasziniert hatte, hat er darin wieder einmal gestaltet (und die Bildunterschrift führte zurück in jene Tage: „Kirchreiter. Noch 1937 zur 500-Jahrfeier der Zugehörigkeit Finkenwerders zu Hamburg gezeigt“.[28])  Dieses Bild ähnelt am stärksten der erwähnten, ersten Zeichnung von 1924 – nur die Richtung des Ritts hat sich geändert, sie geht nun von links nach rechts, aus der Sicht der früheren Darstellungen also zurück. 

Der gleichfalls unverändert die Heimat poetisierende Finkenwerder Schriftsteller Rudolf Kinau steuerte ein Vorwort in Finkwarder Platt bei [29], und zum 80. Geburtstag wurde Förster „durch Tanzvorführungen der Trachtengruppen aus Finkenwerder und den Vierlanden geehrt“. [30] Zumindest die niederdeutsche Szene hatte ihn bis zuletzt nicht vergessen.

13 Jahre nach seinem Tod am 22. April 1966 wurde 1979 in Hamburg- Bergedorf eine Straße nach ihm benannt, der „ Hans-Förster-Bogen .“[31]

Text: Ralph Busch

ANMERKUNGEN
1 Siehe Ulrich Bauche, „Förster, Johann Hinrich Christian“, in: Hamburgische Biographie. Personallexikon, Band 2, Göttingen 2001, S. 126/127.
2 Harald Richter, „Hans Förster, der Bewahrer niederdeutschen Kulturgutes“, „Hamburgische Geschichts- und Heimatblätter“ 10/1981, S. 191
3 Bauche (wie Anm. 1), S. 127 – Siehe auch Hans-Dieter Loose, „Zur Funktion des Niederdeutschen in den Karikaturen der Hamburger Zeitung 'Reform'“, „Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte“ 60/1974, S. 163-190.
4 Richter (wie Anm. 2), S. 189
5 Torkild Hinrichsen, „Förster, Hans“, in: Hamburgische Biographie. Personallexikon, Band 2, Göttingen 2001, S. 127/128; das Zitat: S. 128 – Siehe auch: Gerd Hoffmann, „Künstler sahen Bergedorf. Hans Förster“, „ Bergedorfer Rundschau“, 18. Juli 1990
6 Hinrichsen (wie Anm. 5), S. 128
7 Richter (wie Anm. 2), S. 194
8 Siehe „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 1/1907-1908, S. 82.
9 „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 2/1908, S. 31/32
10 Ebd., S. 30 – Auch später blieb er dem „Quickborn“ treu: Siehe Hans Förster, „Althamburgische Kuriosa“, „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 30/1936-1937, S. 67.
11 Richter (wie Anm. 2), S. 192 – Försters „Achtern Diek“ erschien in Hamburg 1909.
12 Hans Förster, Marschländer Fahrten, Hamburg 1924, S. 9
13 Richter (wie Anm. 2), S. 191
14 Ebd.
15 Siehe u.a. Ernst Finder, Die Vierlande. Beiträge zur Geschichte, Landes- und Volkskunde Niedersachsens (= Veröffentlichung des Vereins für Hamburgische Geschichte 3), 2 Bände, Hamburg 1922.
16 Richter (wie Anm. 2), S. 191, erwähnt „(...) die farbigen 'Vierländer Künstlerkarten', die er für den (…) 'Verein für Vierländer Kunst und Heimatkunde' schuf“; zu Finders Mitgliedschaft siehe Gunnar B. Zimmermann, „Finder, Ernst“, in: Hamburgische Biographie. Personallexikon, Band 6, Göttingen 2012, S. 92.
17 Hans Förster, Koornknicker. Ohl Veerlanner Vertellen, Braunschweig/Hamburg, 1921, Buchdeckel; Förster, Marschländer Fahrten (wie Anm. 12), S. 143 und S. 145; zum Finkenwerder Programmblatt 1936: (Verkleinertes) Faksimile des Originals in „Norddeutsche Nachrichten“, 20. Juni 1936, retuschierte Wiedergabe in Kurt Wagner/Rudolf Meier/Hinrich Stroh, Finkenwerder. Auf den Spuren der Vergangenheit, Hamburg [2. Aufl.] 1986, S. 84/85, und in: Kulturkreis Finkenwerder e.V., „Finkenwerder gestern & heute. 775 Jahre Finkenwerder. Die großen Jubiläen auf Finkenwerder“ 2011, www.755jahre-finkenwerder.de/die_grossen_jubilaeen.html (05. 04. 2015) – Das Buch des Volkskundlers Finder (Ernst Finder, „Die Elbinsel Finkenwärder. Ein Beitrag zur Geschichte, Landes- und Volkskunde Niedersachsens (= Veröffentlichung des Vereins für Hamburgische Geschichte 13), Hamburg 1940), wurde nach 1945, in überarbeiteter Version („entnazifiziert“) erneut herausgegeben: Hamburg 1951. - Försters Bezeichnung der Kopfbedeckung als „Flunkmütztracht“ bezieht sich nicht auf die Reiterin: So wird der (anders aussehende) Kopfschmuck einer Braut bezeichnet, wohl wie im Bild im Vordergrund rechts; die weiße Kopfbedeckung der Reiterin entspricht den „Flöbben“ (wie auf einem Foto in Monika Mönkemeier, Frische Bris van de Ilv. 100 Jahre Finkwarder Speeldeel, hrsg. v. d. Finkwarder Speeldeel, Hamburg 2006, S. 61, gezeigt.) Erläuterung: „An hohen Fest- und Kirchtagen wurde über der gold- bzw. silberfarbenen Festhaube noch die 'Flöbb', ein mit Stärke gesteiftes ca. 40 cm hohes Batist- oder feines Leinendreiecktuch mit Spitzenbesatz getragen.“(Helmut Vick, Finkenwerder Trachten mit dem Finkenwerder Danzkring „Lünborger Siet“ e.V., Jork 1994, S. 50)
18 Hans Förster, Schabellen. Volkstümliche Leckerbissen aus der niederdeutschen Formenwelt in 500 Federzeichnungen, Scharbeutz1935; ders., Alt-Hamburg heute in Wort und Bild, [1. Aufl.] Hamburg 1937, [2. Aufl.] Hamburg 1938 (überarbeitet als: Alt-Hamburg in Wort und Bild. Ein Gang durch die Altstadt vor der Zerstörung, Hamburg- Bergedorf 1958); ders., Malerische Marschen in Wort und Bild. Von Bill- und Ochsenwerder über Bergedorf bis Vierlande, Hamburg 1938 (erneut: Hamburg- Bergedorf 1958); ders., Altländer Fahrten, Hamburg 1938
19 Hamburgs Stilisierung als niederdeutsch-nazistisches Zentrum wird u.a. in den Bemühungen der von Kultursenator Wilhelm v. Allwörden 1935 installierten „Vereinigung Niederdeutsches Hamburg“ (VNH) und besonders in den verschiedenen Hamburg-Büchern des Vorsitzenden des VNH „Fachausschusses Heimatliche Geschichte“, Dr. Rudolf Schmidt, z.B. in dem programmatischen Werk: Ludwig Lahaine/ Rudolf Schmidt, Hamburg, das deutsche Tor zur Welt. 1000 Jahre hamburgische Geschichte, Hamburg 1936, 2. Aufl. 1940. Lahaine, der mit Schmidt zusammen im VNH-Fachausschuss die Hansestadt im nationalsozialistischen Sinn darstellte, besprach Försters „Malerische Marschen“ (siehe Anm. 18) in uneingeschränkt positiver Bewertung: „Mit dem feinen Verständnis für die Kultur dieses zähen Menschenschlages, der seinen Boden immer aufs neue der Flut abringen mußte, verbindet er den Blick des Künstlers für das Malerische.“ (Besprechung in: „Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte“ 39/1940, S. 237/238; das Zitat: S. 238) Nach Torkild Hinrichsen (NS-belastete Straßennamen im Bezirk Bergedorf. Stellungnahme der historischen Fachkommission, Hamburg März 2017, S. 25, „Anlage Stellungnahme“ der Sitzung des Hauptausschusses vom 16.3.2017 https://sitzungsdienst-bergedorf.hamburg.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1002684) ist Förster im April oder Mai 1934 in die NSDAP eingetreten (als eigentlich ein Eintrittsverbot bestand!). Hinrichsens frühere Angabe, Förster sei „kurz vor Kriegsende“ in die Partei gegangen (so in der „Hamburgischen Biographie“, S. 128 – siehe Anm. 5 ) hat er inzwischen revidiert (siehe die Bergedorfer „Stellungnahme“, S. 27.
20 Richter (wie Anm. 2), S. 192
21 Ebd., S. 193 – Siehe auch Hinrichsen in der „Stellungnahme“ (wie Anm. 19), S. 26.
22 Hinrichsen (wie Anm. 5), S. 128 - Siehe auch Torkild Hinrichsen, „Hans Förster. Die Hamburger Marschlande in Bildern und Worten“, in: Kultur- und Geschichtskontor (Hg.), Marschlande. Kulturgeschichte zwischen Elbe und Bille, Band 1, Hamburg 2011, S. 152-163. Dort heißt es: „Das brachte ihn wegen kritischer Bemerkungen gegen den Nationalsozialismus 1938 in mehrmonatige Haft nebst Ausschluss aus der Reichskunstkammer.“ (S. 153) So wenig hier klar wird, welche Äußerungen Förster genau getan hat oder haben soll, so wenig ist Hinrichsens Darstellung zu Försters Konflikt mit dem NS-Staat bzw. der Partei klar. In seinem Artikel von 2011 deutet er an, dass Förster 1938, „begründet mit dem § 175“ aus der NSDAP ausgeschlossen worden sei (S. 153); in der Bergedorfer „Stellungnahme“ von 2017 (siehe Anm. 19) führt er aus: „1938/39 Verurteilung wegen Homosexualität nach § 175 des deutschen Strafgesetzbuches (…). 15 Monate Haft in Hamburg und Altona.“ (S. 26)
23 Ebd. - Wer genau Förster „Verdienste um die deutsche Volkskunst“ bescheinigt hat, wird nicht ausgeführt. Für Hinrichsen ist Förster der „völlig Unpolitische“ („frei von jeder politischen Tendenz“) (Hinrichsen, „Hans Förster. Die Hamburger Marschlande“ - wie Anm. 22 -, S. 153), der 1934 „in naivem Glauben“ in die NSDAP gegangen sei (ebd.). Nach 1945 sei „er als nicht-ausstellbarer Blut- und Boden-Künstler diffamiert“ worden (ebd.). Hinrichsens Begeisterung für Försters Kunst, vermittelt offenbar auch durch die Sichtweise seines Vaters Dr. Laurentius Hinrichsen, Leiter der Baupflege in Hamburg, sowie persönliche Bekanntschaft mit dem Künstler (ebd., S. 152 u. 155), verleitet ihn zu durchaus nicht immer nachvollziehbaren Äußerungen wie beispielsweise (zu Försters Zeichnungen): „Exakte, lebendige Wiedergabe von Gebäuden, Landschaften und Menschen, letztere allerdings nie als Porträts sondern als 'Typen', eine Art karikierter Rollenspieler und Trachtenträger.“ (Ebd., S. 156/157) Wenn Hinrichsen feststellt: „Ich habe bei den Untersuchungen des Originalnachlasses [im Altonaer Museum] ebenso wenig Spuren von nationalsozialistischem Gedankengut finden können, wie in den zahlreichen Buchtexten Försters“ („Stellungnahme“ - wie Anm. 19 -, S. 27), so scheint das den Zusammenhang von völkischer Gesinnung und nationalsozialistischer Herrschaft vollständig auszublenden (womit selbstverständlich nicht gesagt ist, dass „völkisch“ und NS gleichzusetzen sind). Hinrichsen zitiert beispielsweise folgende Passage aus Försters „Marschländer Fahrten“ von 1958 (!):
„Wer kennt Hamburg? Hand aufs Herz: Wer erwandert sich schon diese 746 Quadratkilometer Stadt und Land, dieses so köstliche und besuchenswerte, immer eindringlich lehrsame Stück niederdeutscher Wasserkante? Dieses Buch wendet sich an solche Freunde der Heimat, denen mit einigen Stichproben oder, wie man hierorts sagt, 'Stippvisiten' allein nicht gedient ist und die das ländliche alte Hamburg und seine Eigenkultur kennenlernen möchten. (…) In ganz kurzer Zeit und für wenig Geld bringt uns die Eisenbahn in Gegenden, in welchen sich Natur und Kultur harmonisch einen, wo Land und Leute einander begegnen (…) Es möge der Freund niedersächsisch-hansischen Wesens an Hand des Dargestellten das erwandern und deuten, das in seiner Wesenheit und in seinem Volkstumsgehalt eine der Grundlagen für die Neugestaltung unserer Gegenwart darstellt.“ (S. 162)
Förster beweist sich hier als unverändert nur am „ländlichen alten Hamburg“ Interessierter, dem eine „Eigenkultur“ zugesprochen wird, die als „harmonische“ Begegnung von „Natur und Kultur“ gesehen wird. Zugrunde gelegt wird ein „niedersächsisch-hansisches Wesen“, das „in seiner Wesenheit und in seinem Volkstumsgehalt“ („eine der Grundlagen für die Neugestaltung unserer Gegenwart“) nicht nur sprachlich seine Herkunft aus völkischer (und nazistischer) Vergangenheit nicht verleugnen kann. Hierin keine politische Haltung erkennen zu können, bleibt einem Volkskundler wie Hinrichsen vorbehalten, der für „den heute wieder salonfähigen Sinn für die eigene engere Heimat“ beifällige Worte findet. (Ebd., S. 163) Zu Verbindungen zwischen völkischer und nationalsozialistischer Ideologie sei an diverse Darstellungen von George L. Mosse und Uwe Puschner erinnert.
24 Richter (wie Anm. 2), S. 193
25 Zu Försters künstlerischer und finanzieller Situation nach 1945 und der Verbindung zum „ Altonaer Museum“ siehe Einzelheiten u.a. in ebd., S. 194/195, sowie bei Hinrichsen (wie Anm. 5), S. 128. - Zur Einschätzung Grundmanns, der ab 1950 auch Hamburgs Denkmalpfleger war, ist festgestellt worden: „Er war zwar nicht mehr der Nationalsozialist, als der er sich vor dem Krieg in seinem Amt als Provinzialkonservator in Niederschlesien gelegentlich öffentlich profiliert hat, aber längst vorher und noch lange in den fünfziger Jahren muss er wohl doch als der Exponent einer elitär konservativen kulturpolitischen Position angesehen werden (…).“(Hermann Hipp, „Rezension zu Manfred F. Fischer/Elke Först, Denkmalpflege in Hamburg, Hamburg 2000“, „Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte“ 87/2001, S. 243
26 Hans Förster, Schönes Finkenwerder in Wort und Bild. Von Marschenland und Waterkant, Hamburg- Bergedorf 1959
27 Ebd., Vorspann vor der Titelseite – Weder hat Förster recht behalten, was den „Blanken Hans“ betraf – 1962 traf die Sturmflut auch Finkenwerder -, noch bezüglich der „H.F.“-Fischerei (es gibt sie nicht mehr), doch es kam ihm wohl vor allem auf die vermeintlich unabänderliche „Volksart“ an, deren Beständigkeit freilich schon Finder in seinem Buch 1940 durch Zuzug „fremdbürtiger“ Einwohner bedroht und gefährdet sah (siehe Finder (wie Anm. 17 ), S. 192).
28 Ebd., S. 29
29 Ebd., S. 5/6
30 Richter (wie Anm. 2), S. 194
31 Siehe www.bergedorf-chronik.de/strassen/html/H0221.html (17. 07. 15); angegeben wird als Datum der Straßenbenennung: 20. Februar 1979. Siehe auch: Hoffmann, „ Bergedorfer Rundschau“ (wie Anm. 5).
 

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Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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