Begriffserklärungen

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Walter Behn

(15.9.1909 Hamburg - 1985 Verden)
Lehrer
Wirkungsstätte: Bogenstraße 36, Jahnschule (heutige Ida Ehre Schule)

„Bleich vor Angst deutet er auf seinen Hemdsärmel, unter dem sich die in die Haut eingebrannte SS-Markierung verbirgt.“

Walter Behn war Sturmbannführer bei der Waffen-SS am Ende des Krieges, vorher Lehrer an der Jahnschule. Wissend, in Hamburg nicht wieder in den Schuldienst zu bekommen sondern verhaftet zu werden, beschaffte er sich eine neue Identität und tauchte für einige Zeit in Niedersachsen unter. Wie er es schaffte wieder Lehrer zu werden und in kürzester Zeit Karriere zu machen, dabei als Lehrerverbandsvorsitzender zu Beratungen des Kultusministers eingeladen zu werden, zeigt eine bittere Realität in der Bundesrepublik in den 1950er und 1960er Jahren.

Von Walter Behn berichtet Uwe Storjohann in seinem autobiografischen Buch „Hauptsache überleben", in dem seine Schulzeit in der Jahnschule und der Bismarck-Oberrealschule eine zentrale Rolle spielen. Uwe Storjohann, in den letzten Tagen des Krieges aus der Wehrmacht desertiert, hielt sich in dem Wochenendhaus der Storjohanns in Quickborn versteckt:

„Auch der SS-Hauptsturmführer Behn hat angeblich keine Ahnung von Verschleppungen, Verfolgungen, Ermordungen, Massakern, von Gettosäuberungen, von Vernichtungstransporten und Verbrennungsöfen.  Zwar sind die Lieblingsworte seiner Totenkopfgötter: ausmerzen, ausradieren, erledigen, beseitigen, vernichten, liquidieren, aber er, so scheint es, ist von aller Schlechtigkeit der Welt vollkommen unberührt geblieben. Wie jemand, der seine Karriere bei der Heilsarmee gemacht hat, steht er am 8. Mai in alten, irgendwo ergatterten Zivilklamotten schwitzend und kreidebleich vor unserer Sommerlaube. Es ist ein warmer Frühlingstag, der Tag der deutschen Gesamtkapitulation.

SS-Hauptsturmführer Behn, der Kollege meines Vaters, auch er Lehrer der Jahnschule, einer von den Wehrsportenthusiasten, die auf der schuleigenen Hindernisbahn an der Gustav-Falke-Straße Mutproben veranstalteten, die ihren Schülern das Sterben für Führer und Vaterland als ‚heiligsten und schönsten aller Tode‘ priesen und die Vermittlung dieser Werte als höchstes pädagogisches Ziel ansahen.

Nun, da sich die Welt gedreht hat, steht er im Bettlergewand vor uns. Aus dem Zuchtmeister der Jugend ist ein gehetztes Schwein geworden. Bleich vor Angst deutet er auf seinen Hemdsärmel, unter dem sich die in die Haut eingebrannte SS-Markierung verbirgt. ‚Wenn die Engländer das entdecken‘, jammert er, ‚bin ich geliefert. Dann schicken sie mich zu den Russen nach Sibirien‘.

Und als müsse er sich vor uns verteidigen, als seien wir schon die Entnazifizierungsspruchkammer, beteuert er mit den üblichen Redensarten seine Unschuld. Er habe nie etwas anderes als seine Pflicht getan, nie einen Wehrlosen misshandelt oder gar getötet, auch keinen Juden. Polen oder Russen, nicht mal die! Ihm könne niemand eine Schweinerei nachweisen, seine Hände seien sauber.

Und am Ende dann die Bitte, ihn doch eine Zeitlang aufzunehmen, zu verbergen, ihm dabei zu helfen, sich eine andere, eine neue Identität zu verschaffen.

Mutter ist voll des Mitleids. Ihr fällt ein, dass ich tags zuvor auf der Quickborner Gemeindeverwaltung von einem Kumpel einen Packen Wehrmachts-Entlassungsscheine abgestaubt habe, mit dem Stempel irgendeiner Infanterie-Ersatzeinheit versehen. Mit einem dieser Scheine habe ich mich selbst vom Kommiß entlassen, und der Kumpel hat die Unterschrift eines ausgedachten Hauptmann Riefenstahl darunter gekritzelt. Nun, auf Drängen der Eltern und vom eigenen Gefühl getrieben, nicht mehr mitzuhassen. wird auch der ‚unwissende SS-Hauptsturmführer‘ mit so einem Entlassungspapier ausgestattet. Wir degradieren ihn zum ‚Obergefreiten Richard Neumann‘. Und den ‚Hauptmann Riefenstahl‘, der das beglaubigt, den setze diesmal ich darunter. Das ist mein Beitrag zum 8. Mai 1945.

Ich besorge einem SS-Offizier, um den ich eine Woche vorher noch selbst im Falle äußerster Lebensmüdigkeit einen weiten Bogen gemacht hätte, eine neue Identität, helfe ihm, unter falschem Namen unterzutauchen und übernehme, als es wieder möglich ist, nach Hamburg hineinzufahren, auch noch die Botenrolle. Ich informiere seine Frau, die mich nach alter Gewohnheit mit ‚Heil Hitler‘ begrüßt. Ich sage ‚Guten Tag, Frau Neumann‘, gebe einen Brief ab und verschwinde in der Hoffnung, endgültig zum allerletzten Mal mit diesem Gruß empfangen worden zu sein.

Den Hauptsturmführer Behn alias Richard Neumann sehe ich nicht wieder. Von meinem Vater erfahre ich drei oder vier Jahre später, daß er Dorfschullehrer im Landkreis Hadeln ist.“ (1)

Der Hinweis von Uwe Storjohann, dass der unter falschem Namen abgetauchte Walter Behn im niedersächsischen Landgebiet wieder in den Schuldienst gekommen ist, war ein Anreiz, diese Spur zu verfolgen. Ich habe dabei mit Oliver Thron (2) zusammen gearbeitet und ihm ist es zu verdanken, dass wir nicht nur die SS-Personalakte von Walter Behn aus dem Bundesarchiv vorliegen haben, sondern auch gemeinsam in die Schul-Personalakte Walter Behns Einsicht nehmen zu können, der zufolge er tatsächlich in Niedersachsen wieder in den Schuldienst gelangte und dort sogar eine erstaunliche Karriere gemacht hat. Dabei haben wir festgestellt, dass Behn im November 1944 sogar zum Sturmbannführer befördert worden war. Das wüssten auch die Storjohanns nicht.

Walter Behn wurde am 15.9.1909 in Schiffbek (heute Billstedt) geboren. Sein Vater war kaufmännischer Angestellter. Nach dem Tod seiner Mutter, 1917, wurde er mit seinen Geschwistern die nächsten Jahre von der Großmutter aufgezogen. Walter Behn besuchte von 1916 bis 1924 die Volksschule und kam anschließend auf die Aufbauschule, ein Hamburger Versuch, begabte Schüler nach Absolvieren der Volksschule zum Abitur zu führen. Schulleiter war damals Alfred Kleeberg. Walter Behn machte dort 1928 Abitur und studierte anschließend an der Universität Hamburg Erziehungswissenschaft, Psychologie, Philosophie und Chemie. Er bestand am 8.4.1931 die Erste Lehrerprüfung für das Lehramt an Volksschulen. Parallel zur Lehrertätigkeit an der Schule Binderstraße 34 setzte Behn sein Chemiestudium fort und machte am 1.7.1933 das Erste Verbandsexamen (heute Vordiplom) für Chemiker. Am 2.11.1934 absolvierte er auch die Zweite Lehrerprüfung und am 20.4.1937 wurde er fest angestellt.

Ostern 1935 wechselte Walter Behn dann an die Jahnschule, wo Ella Neumann, die Klassenlehrerin von Uwe Storjohann, arbeitete.

Am 2.11.1935 heirateten Walter Behn und Ella Neumann, am 16.9.1936 wurde ihr erstes Kind geboren. (3)

Walter Behn war auch politisch aktiv. Im Lebenslauf seiner SS-Akte schrieb er: „Im Frühjahr 1933 trat ich dem Wehrsport der hamburgischen Polizei bei, gleichzeitig erklärte ich meinen Eintritt in die NSDAP, wo ich als Politischer Leiter tätig war. Nach der Auflösung des Wehrsports trat ich in die SS der NSDAP ein." (4)

Die SS-Karriere Walter Behns ist anhand seiner SS-Personalakte rekonstruierbar und entwickelte sich parallel zu seinem Schuldienst. Schrittweise machte er in der SS Karriere. Vorerst absolvierte er als Wehrpflichtiger in den Jahren von 1935 bis1939 mehrere Wehrmachts-Lehrgänge beim Ersatz-Bataillon 57 in Heide und dem Infanterie-Regiment 69 in Hamburg und wurde in dieser Zeit zum Feldwebel befördert. (5)

Zu Kriegsbeginn wurde Walter Behn als Angehöriger der Allgemeinen SS zur Waffen-SS eingezogen: Seine Einheit gehörte zum Verband der SS-Division „Totenkopf", die ursprünglich aus den Wachmannschaften der Konzentrationslager gebildet worden war. Vom 13.5. bis zum 13.6.1940 nahm Behn am Überfall auf Frankreich teil. Im August 1940 wurde er zur SS-Polizei-Division versetzt. Er übernahm als Kommandeur die „1. Kompanie der ersten Nachrichten-Abteilung 300“ (ab 1943 „SS-Nachrichten-Abteilung 4“ der „SS-Polizei-Division“, mit der er ab Juni 1941 am Russlandfeldzug teilnahm. Seine SS-Division beteiligte sich an der fast drei Jahre dauernden Belagerung Leningrads, in deren Verlauf über eine Million Menschen verhungerten. Walter Behn wurde dort mit drei Kriegsorden dekoriert: „EK II 1941 (Tapferkeit); Ostmedaille 1942, Leningrad; KVK II mit Schwertern 1942, Leningrad Fronteinsatz." Darüber hinaus wurde Walter Behn rasch befördert, im November 1941 zum SS-Obersturmführer. Nach kurzer Erkrankung 1942 und Aufenthalt in einem Lazarett kam er 1942 zur „Führerreserve" nach Metz in Frankreich. Damit stand Walter Behn, der im September 1943 zum SS- Hauptsturmführer befördert wurde, kurz vor seinem Karrierehöhepunkt. Heinrich Himmler, der „Reichsführer SS" überreichte ihm den „Julleuchter", eine Auszeichnung für verdiente SS-Männer. Anfang 1944 wurde die „18. SS-Freiwilligen-Panzer-Grenadier-Division ‚Horst Wessel‘" gebildet. Ursprünglich sollte sie aus SA-Männern rekrutiert werden, in Ermangelung von Freiwilligen wurde sie aber mit SS- Freiwilligen aus Ungarn vervollständigt. Behn wurde 1944 Kommandeur der Nachrichtenabteilung, der für die von ihr begangenen Kriegsverbrechen berüchtigten „1. SS-Infanterie-Brigade" und im November 1944 zum Sturmbannführer befördert. (6)

Über mehrere Quellen, die zum Teil Rechtfertigungscharakter haben, weil sie von ehemaligen Angehörigen der „Horst Wessel"-Division stammten (7), erscheinen die Verbrechen dieser Division nachvollziehbar. Seitdem Walter Behn zu dieser SS-Division im März 1944 versetzt wurde, befand sie sich in Rückzugsgefechten, zuerst noch in Ungarn. Vermerkt wurde: „Als die Rote Armee am 9. November 1944 ihre Offensive startete, lösten sich Teile der Division bereits beim ersten Aufeinandertreffen mit den Russen auf und ergaben sich. Die Gründe für das Versagen der Division waren mangelnde Führung, Ausbildung und Bewaffnung der überwiegend zwangsmobilisierten Volksdeutschen." (8) Und: „Bei den Kämpfen um Budapest erwies sich die Division erneut als unzuverlässig, erneut lösten sich einzelne Einheiten komplett auf." Das Ende war nah: „Als die Rote Armee im März 1945 ihre Offensive startete, wurde die Division fast vollständig zerschlagen." (9) Die Reste der Division versammelten sich am 21.3.1945 im Raum Oberstdorf. Der Rückzug endete per Befehl an der Elbe, von dort hatte sich Walter Behn offenbar bis zum Wochenendhaus der Familie Storjohann in Quickborn durchgeschlagen.

Vor diesem Hintergrund ist sicherlich auch Walter Behns spätere Aussage entstanden, er sei 1944 versetzt worden und bei „militärischen Nichtskönnern gelandet“. (10)

In den 1960er Jahren, als Walter Behn längst wieder ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft war, wie noch zu beschreiben ist, wurden Ermittlungen wegen der begangenen Kriegsverbrechen der „1. SS-Infanterie Brigade“ geführt. In zwei Akten, die im Bundesarchiv vorliegen, wurde Walter Behn als einer der Brigadeführer genannt. (11)

Der Oberstaatsanwalt beim Landgericht Coburg nannte am 23.5.1967 neben Walter Behn, „SS Hauptsturmführer, derzeit Mittelschuldirektor", noch sieben andere ermittelte ehemalige Brigadeführer, unter anderem: „Heinz Dronke, derzeit Volkschulrektor und Josef Gabor, derzeit Oberstudienrat", die wieder im Schuldienst arbeiteten. Die Ermittlungsarbeit etwa 25 Jahre nach den begangenen Verbrechen vollzog sich unter wenig erfolgsversprechenden Bedingungen: „Es werden noch etwa 1200 ehemalige Angehörige der Brigade zu vernehmen sein. Das Landeskriminalamt kann für die weiteren Ermittlungen zwei Sachbearbeiter und einen Beamten stellen. Es ist beabsichtigt, nach Fertigung eines weiteren Tatort- und Täterverzeichnisses, eine zweite Vernehmungsgruppe einzusetzen." 

Die gleichzeitig vorgelegte Liste der Kriegsverbrechen liest sich erschütternd. Sie umfasst 158 Taten in der Zeit vom 23.6.1941 bis zum 23.10.1942. „Säuberungsaktionen, Partisanenaktionen, Judenaktionen, Abbrennen ganzer Orte, sämtliche Einwohner getötet, Banditenbekämpfung, Banditen erhängt und erschossen". Dabei wurden zusammengefasst mehrere 1.000 „Partisanen, Juden, Banditen, Bolschewisten" und die Einwohner mit Kindern ganzer Ortschaften ermordet. (12) Für seinen Kriegseinsatz in dieser Zeit erhielt Walter Behn noch das „EK I, 1944 Russland (Tapferkeit)“, wie er bemerkte und das Infanteristenabzeichen in Bronze 1945, auch wegen „Tapferkeit". (13)

Am 8.5.1945 hatte Walter Behn bei Storjohanns in Quickborn beschworen: „Er habe nie etwas anderes als seine Pflicht getan, nie einen Wehrlosen mißhandelt oder gar getötet, auch keinen Juden. Polen oder Russen, nicht mal die! Ihm könne niemand eine Schweinerei nachweisen, seine Hände seien sauber." (14)

Der Sturmbannführer einer Nachrichtenabteilung der Waffen- SS hatte möglicherweise niemanden mit eigenen Händen erschossen, erhängt oder ermordet, aber wofür wurden eigentlich Nachrichten übermittelt? Bei der einjährigen Belagerung von Leningrad? Und bei dem Aufspüren und der Bekämpfung von „Partisanen, Banditen, Juden“ und einer Zivilbevölkerung, die dem Rückzug der deutschen Truppen im Wege stand? Wer zeichnete verantwortlich bei den massenhaften Morden bei dieser Form der Arbeitsteilung in einer Armee?

Walter Behn war mit den Unterlagen, die auf Richard Neumann ausgestellt waren, aus Hamburg verschwunden. Dort wäre er zweifellos verhaftet worden und in das Internierungslager Neuengamme gekommen.

In Niedersachsen gehen die Eheleute Behn planmäßig vor. Walter Behn nahm im Oktober 1945 in der Gemeinde Bleckwedel auf dem „Hof Tadel" bei Johann Wilkens eine Arbeit als landwirtschaftlicher Gehilfe an. Später beschrieb er dies als Arbeit in der Land-und Forstwirtschaft, bei der Moorkultivierung. Noch später wurde er mit seinen chemischen Kenntnissen Experte für „Schädlingsbekämpfung“. Am 4.3.1946 ließen sich Walter und Ella Behn scheiden, eine „Scheinscheidung", um die angestrebte Wiedereinstellung von Ella Behn in den Schuldienst nicht zu gefährden. Die Kinder waren inzwischen zehn, sechs und vier Jahre alt. Am 1.9.1946 wurde Ella Behn dann tatsächlich als Lehrerin in Jeddingen eingestellt. (15) Walter Behn wartete noch ab und musste zunächst noch entnazifiziert werden. Das machte er nicht in Hamburg, das wäre zu gefährlich. Dort hatte er sich gar nicht zurückgemeldet und ist am 31.12.1946 aus dem Hamburger Schuldienst entlassen worden. 1949 fand die Entnazifizierung nicht mehr unter der Regie der Besatzungsmächte statt. Am 7.3.1949 füllte Walter Behn den Entnazifizierungsfragebogen aus, bei der Anführung seiner politischen Mitgliedschaften weitgehend wahrheitsgemäß. (16)

Seinen Lebenslauf schönte er. Er bezeichnete sich als Angehörigen der „christlichen Jugendbewegung" während seiner Schulzeit. „Als Student und Lehrer war ich demokratisch eingestellt ohne parteipolitische Bindung." Und: „Unter dem Einfluss meines damaligen Schulleiters, der deutschnational organisiert war, trat ich in jugendlicher Begeisterung am 1.5.1933 der NSDAP bei." (17)

Der Besitzer des Hofes Tadel, Wilkens, der Bürgermeister von Jeddingen und der Bürgermeister der Gemeinde Bleckwedel bezeugten Behns „einwandfreie, demokratische Haltung und Gesinnung“. (18)

Aus Hamburg, von der ehemaligen Jahnschule, äußerte sich Rudolf Hartnack, das einzige Nicht-NSDAP-Mitglied der Schule, der als Freimaurer der Partei nicht beitreten konnte. Hartnack hatte sich auch in „Persilscheinen" für die beiden anderen NS-Aktivisten der Schule verwendet, Rudolf Fehling und Hans Einfeldt. Hartnack schrieb, er halte Behns „ Zugehörigkeit zur NSDAP für irregeleiteten Patriotismus des bei seinem Eintritt erst 24-Jährigen“. Von „einer Propagandatätigkeit in Wort oder Schrift ist mir nichts bekannt geworden." Und: „Der Waffen-SS trat er nicht freiwillig bei, sondern wurde gezogen. Eine weltanschauliche Gefährdung der Jugend ist bei seiner Wiedereinstellung als Lehrer meines Erachtens nicht zu befürchten." Natürlich wies Rudolf Hartnack auch in diesem Fall darauf hin, er sei nie „Pg" gewesen. (19)

Am 13.6.1949 entschied der Entnazifizierungs-Hauptausschuss Rothenburg über Walter Behn. „Es wird festgestellt, dass Behn gemäß § 8 der Rechtsgrundsätze vom 3.7.1948 den Nationalsozialismus ohne besondere Förderung desselben unterstützt hat. Er wird in die Kategorie IV ohne Maßnahmen eingereiht." In der Begründung hieß es: „Nach den vorliegenden Leumundszeugnissen ist der Betroffene politisch im Sinne der NSDAP weder werbend noch propagandistisch hervorgetreten. Er scheint daher kein besonders eifriger Verfechter des Nationalsozialismus gewesen zu sein. Sein Dienst bei der Waffen-SS stellt keine politische Belastung dar, weil dieser Dienst Wehrdienst war. Anders muss die Mitgliedschaft bei der Allgemeinen SS bewertet werden. Der Betroffene war hier rund sechs Jahre Mitglied und wurde bis zum Untersturmführer befördert. Durch seine Mitgliedschaft, besonders nach dem 1.9.1939, seit welchem Tage die SS als verbrecherisch anzusehen ist, hat er den Nationalsozialismus erheblich unterstützt." (20)

Behns Anwalt Korshenrich forderte, Behn in Kategorie V (als Entlasteter) „umzustufen“, damit er „seine Tätigkeit wieder aufnehmen kann“. Zur Begründung schrieb er: „Es handelt sich um einen Fall, bei dem von vornherein eine Entlastung gerechtfertigt gewesen wäre, da der Betroffene im wesentlichen nur Sportler und Soldat war ohne politisches Interesse." (21)

Der öffentliche Kläger bei dem Entnazifizierungs- Hauptausschuss im Regierungsbezirk Stade antwortete, dass „seine Verwendung als Lehrer somit schon jetzt möglich ist“. (22)

Damit war der Weg frei. Walter Behn hatte schon am 27.6.1949 geschrieben: „In Kürze werden wir uns wieder verheirateten." (23)

Die Strategie des noch geschiedenen Paares Behn sah folgendermaßen aus: Walter Behn schrieb am 27.6.1949 an Schulrat Zahrt in Rotenburg, dass er nach der Entnazifizierung nicht nach Hamburg zurückkehren wolle, sondern um Einstellung in seiner „neuen Wahlheimat Jeddingen" bitte. Sein Ziel: „Anstellung als Lehrer anstelle meiner geschiedenen Frau." Begründung: „In Kürze werden wir uns wieder verheiraten, da möchte meine Frau ihren Beruf als Lehrerin wieder aufgeben und sich wieder ganz ihren drei Kindern und ihrem Haushalt widmen." (24)

Das Verfahren gestaltete sich komplizierter als von dem Ende 1949 wieder verheirateten Paar gedacht. Es gab Vorbehalte aus dem Regierungsbezirk Lüneburg mit Hinweis auf Behns SS-Tätigkeit. Walter Behn machte deswegen zwischenzeitlich eine Prüfung als staatlicher Schädlingsbekämpfer und war vorübergehend als solcher tätig. (25)

Am 14.2.1951 fand er dann als Vertretungslehrer in der Volksschule Stellichte, Kreis Fallingbostel, Anstellung. (26)

Am 19.11.1951 kam der Schulrat zum Unterrichtsbesuch zu Walter Behn, Klasse 3/4, 30 Kinder, Heimatkunde. Sein Resümee bekundete keine überragenden Leistungen: Die Schüler sind „lebhaft und ungeniert, vielfach recht undiszipliniert. Ständiges Durcheinanderreden verhinderte die zum Arbeiten erforderliche Ruhe und Aufmerksamkeit." Über den Lehrer wurde geurteilt: „Sichere Haltung vor den Kindern und ruhiger, freundlicher Unterrichtton. Der Lehrer lehrt. Er nimmt den Kindern zu viel Nachdenken ab und überhörte in der allgemeinen Unruhe manche Ungenauigkeit. Häufigere Aufforderungen zur Ruhe und zum Aufpassen dringen nicht durch." Das ist der Unterschied zwischen Schule und Militär. Über die Besprechung mit dem Lehrer wurde notiert: „1. Hinarbeiten auf die notwendige Disziplin. 2. Notwendigkeit, die Kinder zum eigenen Nachdenken anzuregen und zum selbständigen Arbeiten anzuhalten. 3. Notwendigkeit, das Unterrichtsverfahren auf den Stand der heutigen pädagogischen Erkenntnisse zu bringen." Gesamtbeurteilung: „Ein Lehrer, der zweifellos Befähigung für seinen Beruf hat, aber nach den langen Jahren, die er nicht als Lehrer tätig war, seine Arbeit erst wieder auf die Höhe bringen muss", resümierte Schulrat Rexhausen. (27)

Walter Behn arbeitete weiterhin in Stellichte. Am 26.2.1953 hospitierte Schulrat Rexhausen erneut in Behns Unterricht und befand nunmehr: „Ein geschickter und gut geeigneter Lehrer. Bei einer bewussten Hinwendung zu den heutigen, erziehlichen Problemen würde er sicherlich nicht erfolglos sein." (28)

Walter Behn blieb ambitioniert. Am 15.10.1953 meldete er, am Tag zuvor die Mittelschullehrerprüfung in den Fächern Mathematik, Chemie und Physik mit „gut" bestanden zu haben. Er beantragte die Freigabe in das Mittelschulamt. (29)

Am 1.12.1953 wurde Walter Behn in Visselhövede zum Mittelschullehrer ernannt. (30) Für diese Bewerbung schrieb er erneut einen Lebenslauf, in dem natürlich keine nazistische Verstrickung Erwähnung fand. „Bei Ausbruch des 2. Weltkrieges war ich Zugführer in einer Fernsprechkompanie und in den letzten Kriegsjahren war ich Major und Kommandeur einer Nachrichtenabteilung in einer Panzergrenadierdivision." Und seine Schwierigkeiten nach 1945 in Hamburg, seiner Heimatstadt, aus der er klammheimlich unter falsche Namen geflohen war, notiert er so: „Nach dem Zusammenbruch konnte ich, als Militarist gebrandmarkt, in Hamburg in meinem Beruf keine Verwendung finden." (31)

Vier Jahre später wurde an der Mittelschule in Visselhövede die Stelle des Konrektors frei. Walter Behn bewarb sich. Er wurde am 21.5.1957 vom Schulrat Stellmann hospitiert. Dessen Ergebnis: „Der Lehrer hat einen frischen Unterrichtston. Er ist klar in der Veranschaulichung. Die Unterrichtsarbeit schreitet flott voran. Die bewältigte Stoffmenge ist angemessen. Der Lehrer versteht es, die Kinder zu mathematischen Denken anzuhalten." (32)

Inzwischen war auch die Schulleiterstelle der Mittelschule in Visselhövede vakant, auf die sich Walter Behn gleichfalls beworben hatte. Schulrat Dr. Koch hospitierte Behn mit Schulrat Stellmann am 30.8.1957 in Mathematik und Physik. Zusammengefasst urteilten beide Schulräte: „Nach Vorbildung und Persönlichkeitswert bringt B. einige Voraussetzungen für die Übernahme der angestrebten Schulleiterstelle mit. Auch hat er sich in mehreren Vertretungssituationen durchaus bewährt. Weniger entwickelt ist seine methodische Fertigkeit, insbesondere sein Eingehen auf die Gestaltungsmöglichkeiten des Unterrichts aus den Anlagen und Kräften der Kinder heraus. Allgemeine Leistung und bisherige Erfahrungen geben B. auf jeden Fall die Eignung für das – ebenfalls vakante Korrektorrat –. Gegen eine Übernahme der Schulleitung (Direktorenstelle) mit ihren beispielgebenden Aufgaben für Unterricht und Menschenführung bestehen jedoch im Sinne der o. a. Ausführungen Bedenken." (33)

Walter Behn bekam die Stelle des Konrektors. (34) Er wollte aber mehr. Ein paar Monate später, am 2.10.1958 bewarb er sich auf die Direktorenstelle der Mittelschule in Verden/Aller. Schwerpunktmäßig wollte Behn sich dort auf den naturwissenschaftlichen Unterricht konzentrieren und bei dem Neubau der Schule dafür die notwendigen Räume einrichten, schrieb er. (35) Parallel dazu hatte er sich auch für die Schulleiterstelle in Hannover beworben. Er gab außerdem an, in Visselhövede Geschäftsführer der Sportvereins und vom Kreis Rotenburg Kreissportwart des Kreissportbundes zu sein. „Seitdem bin ich Leiter des Kulturrings in Visselhövede." Sein Lebenslauf wurde von ihm erneut begradigt: „Seit 2.11.1935 bin ich mit Ella Behn, geborene Neumann verheiratet. Meine Frau hat das Lehrerinnenexamen abgelegt. Zur Zeit hat sie einen befristeten Lehrauftrag an der Volksschule in Visselhövede." Die Phase der Scheinscheidung passte nicht in den Eindruck, den Walter Behn machen wollte.  (36)

Am 14.4.1959 meldete die „Verdener Aller Zeitung“,Walter Behn habe sich gegen sechs Mitbewerber durchgesetzt und sei einstimmig als Rektor der Mittelschule in Verden gewählt worden. (37) Der Stadtdirektor schrieb dazu an den Regierungspräsidenten in Stade: „Der Kultur-und Schulausschuss war der Meinung, dass der Bewerbung des Herrn Behn von der Mittelschule in Visselhövede deswegen der Vorzug gegeben werden sollte, weil er mit Abstand die besten Zeugnisse besitze und sonst auch nach den eingeholten übereinstimmenden guten Beurteilungen bestens für die Leitung der Mittelschule – auch im Hinblick auf den beabsichtigten Schulneubau – geeignet sei." (38)

Die „Rotenburger Kreiszeitung“ lobte Walter Behn, der diesen Schritt „durch Fleiß, Tüchtigkeit und unermüdliche Arbeit geschafft " habe. Wie gelang es dem Redakteur der Zeitung über die Klippe von Beins Waffen-SS-Zeit im Krieg und seine Abstinenz von der Schularbeit nach 1945 zu kommen? Mit Leichtigkeit: „Da kam der Krieg und rief auch den dreißigjährigen Lehrer Behn zu den Waffen. Die volle Kriegsdauer tat er seine Pflicht, zuletzt als Major und Abteilungskommandeur in einer Nachrichtenabteilung, wo sein naturwissenschaftlich-technisches Wissen eine Härtung in der rauhen Praxis erfuhr. Nach dem Zusammenbruch, als alle Kräfte gebraucht wurden, machte sich Walter Behn zunächst in der Landwirtschaft nützlich und arbeitete längere Zeit auf Hof Tadel bei Johann Wilkens. Daß er auch diese berufsfremde Zeit nutzte, bestätigte er durch die Ablegung der Prüfung als landwirtschaftlicher Gehilfe und Schädlingsbekämpfer. Für einen echten Lehrer konnte diese Zeit nur Überbrückung sein und deshalb zog es Walter Behn mit allen Fasern zu der schönen Schulmannsarbeit zurück." Überschrift: „Eine verdienstvolle Lehrerpersönlichkeit“. (39)

Der neue Rektor Walter Behn bezog im Januar 1960 eine „Staatsbediensteten- Wohnung“ in Verden (40)

In der Folgezeit war Behn ehrenamtlich unterwegs. Er wurde gleichzeitig zum Leiter der Volkshochschule in Verden ernannt und beantragte dienstfrei für eine Studienreise nach Israel vom 26.10. bis 9.11.1964, vom Landesverband der Volkshochschulen organisiert. (41) Ein halbes Jahr später beantragte Behn die Teilnahme an einer Studienreise der Gemeinnützigen Gesellschaft Tagesheimschulen für Pädagogen und Erzieher in die UdSSR vom 1.4. bis 13.4.1965. Da dürfte ihm manches bekannt vorgekommen sein. (42)

Am 15.12.1964 meldete Walter Behn, wieder als Jugendschöffe am Amtsgericht Buxtehude ausgewählt worden zu sein. (43)

Und auch verbandspolitisch war Walter Behn tätig. Dienstbefreiung erhielt er als Landesvorsitzender des Deutschen Realschullehrerverbandes für den niedersächsischen Philologentag 1966. (44) Am 12.4.1967 wurde Behn dienstbefreit, als Landesvorsitzender des Verbandes Deutscher Realschullehrer für eine Besprechung in Hannover, „zu der sie der niedersächsische Kultusminister eingeladen hat“."(45) Kultusminister war Richard Langeheine (CDU). So ging es weiter. Zu einer Besprechung als Mitglied des Hauptvorstandes des Deutschen Beamtenbundes mit dem niedersächsischen Finanzminister in Hannover wurde Behn am 18.2.1968 eingeladen. (46)

Während die 68er-Generation sich auf den Weg machte, vertrat Rektor Walter Behn das Establishment. Eine letzte Beurteilung fand sich in Behns Personalakte. Resümee: „Herr Behn unterrichtet geschickt und sicher. Seine Einstellung zu den Schülern ist vornehmlich durch Autorität bestimmt, jedoch nicht durch Strenge . Ein wenig verstehende Verbindlichkeit wäre auch im Umgang mit dem Lehrerkollegium zu wünschen. Auftreten, Haltung und Sprache sind einwandfrei. Außerhalb der Schule ist Herr Behn als Landesvorsitzender des Realschullehrerverbandes und der Volkshochschule Verden recht stark in Anspruch genommen, so daß er mancherlei Problemen seiner Schule nicht den vollen Einsatz seiner Person widmen kann." (48) Die verhaltene Kritik an einem Angekommenen.

Am 8.5.1972 trat Walter Behn in den Ruhestand.

Er starb 1985 in Verden. (49)

Die Nachkriegskarriere Walter Behns, vom Vertretungslehrer 1951 in acht Jahren zum Schulleiter einer Mittelschule erscheint bei der Vorgeschichte schon erstaunlich. Oder bezeichnend. Wehrmachtoffiziere stiegen in zahlreichen Fällen in Leitungsfunktionen im Schulbereich auf. Wäre es eine erfolgreiche Resozialisierungsmaßnahme gewesen - bei Walter Behn war es keine. Laut Auskunft seiner Enkel hat er später seine Waffen-SS-Karriere niemals verschwiegen. Im Gegenteil. Er gehörte der 1949 gegründeten „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit"  (HIAG) der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS an. Man kann sich die zynischen Kommentare auf Kameradschaftsabenden und entsprechenden Gelagen vorstellen, wenn Walter Behn von seiner Prüfung und Arbeit als „Schädlingsbekämpfer" erzählt hat, was in den Augen der HIAG nur die Fortsetzung der vor 1945 erprobten Praxis gewesen ist. Die Enkel von Walter Behn berichten gegenüber Oliver Thron und mir, dass nach dem Tod von Walter Behn Kränze von der HIAG auf seinem Grab von Behns Witwe entfernt wurden. (50)

Text: Hans-Peter de Lorent

Anmerkungen
1. Uwe Storjohann: „Hauptsache überleben“, Hamburg 1993, S. 218 f.
2. Oliver Thron, Lehrer und Autor, hat in beispielhafter Weise mit KollegInnen der Hamburger Ida Ehre Schule die Geschichte der Jahnschule (später in Ida Ehre Schule umbenannt) aufgearbeitet. Daraus sind zwei Schriften entstanden: Ida Ehre Kulturverein/Ida Ehre Schule (Hrsg.): „Steine des Anstoßes- An- und Innehalten“, Hamburg 2012; Arbeitskreis Erinnerung an der Ida Ehre Schule (Hrsg.): Die Jahn-Schule 1933 – 1945. Eine Schule auf dem Weg in den Krieg. (Bd. 2), Hamburg 2014. Im 2. Band ist auch veröffentlicht: Oliver Thron: Der SS-Mann: Walter Karl August Behn, S. 29 ff.
3. Alle Angaben nach Personalakte Walter Behn, LA Niedersachsen (Stade), Rep. 280 B acc 2014/024 Nr. 1
4. Behns SS-Personalakte in: BArch, R 9361/ 9910
5. Personalakte Behn, a.a.O. und SS- Personalakte Behn, a.a.O.
6. Ebd. Siehe auch Oliver Thron, 2014, insbesondere S. 31.
7. Wilhelm Tieke/Friedrich Rebstock: Im letzten Aufgebot. Die 18. SS- Freiwilligen- Panzergrenadier-Division Horst Wessel, Truppenkameradschaft 18/33, 1995
8. www.lexikon-der-wehrmacht.de/Gliederungen/PanzergrenadierdivisionenSS
9. Ebd.
10. Im Lebenslauf von Walter Behn vom 1.9.1949 bei seinem Entnazifizierungsverfahren, Personalakte, a.a.O.
11. Siehe BArch, B 162/ 5547 und B 162/ 5557
12. Alles in BArch, B 162/5557
13. Entnazifizierungsfragebogen, Personalakte Behn, a.a.O.
14. Storjohann, a.a.O., S. 218
15. Laut Personalakte Behn, a.a.O.
16. Personalakte Behn, a.a.O.
17. Lebenslauf vom 9.3.1949, ebd.
18. Personalakte Behn, a.a.O.
19. Schreiben vom 3.3.1949, ebd. Siehe die Biografien von Rudolf Fehling und Hans Einfeldt sowie die biografischen Notizen von Rudolf Hartnack in diesem Buch.
20. Personalakte Behn, a.a.O.
21. Schreiben vom 4.3.1950, ebd.
22. Schreiben vom 14.3.1950, ebd.
23. Personalakte Behn, a.a.O.
24. Schreiben vom 27.6.1949, ebd.
25. Siehe Lebenslauf vom 23.12.1950, Personalakte Behn, a.a.O.
26. Personalakte Behn, a.a.O.
27. Ebd.
28. Ebd.
29. Ebd.
30. Ebd.
31. Lebenslauf vom 2.7.1953, Personalakte Behn, a.a.O.
32. Bericht der Besichtigung vom 21.6.1957, Personalakte Behn, a.a.O.
33. Besichtigungsbericht vom 5.9.1957, Personalakte Behn, a.a.O.
34. Schreiben der Stadt Visselhövede vom 6.2.1958, Personalakte Behn, a.a.O.
35. Bewerbungsschreiben, Personalakte Behn, a.a.O.
36. Lebenslauf Behns für die Bewerbung in Verden, Personalakte Behn, a.a.O.
37. „Verdener Aller Zeitung“ vom 14.4.1959, Kopie in Personalakte Behn, a.a.O.
38. Schreiben vom 14.4.1959, Personalakte Behn, a.a.O.
39. „Rotenburger Kreiszeitung“ vom 30.6.1959, Kopie in Personalakte Behn, a.a.O.
40. Schreiben des Regierungspräsidenten vom 5.1.1960, Personalakte Behn, a.a.O.
41. Antrag vom 6.10.1964, Personalakte Behn, a.a.O.
42. Antrag vom 2.2.1965, Personalakte Behn, a.a.O.
43. Personalakte Behn, a.a.O.
44. Schreiben des Schulrates Verden-Ost an Walter Behn vom 21.10.1966, Personalakte Behn, a.a.O.
45. Schreiben vom 10.4.1967, Personalakte Behn, a.a.O.
46. Schreiben vom 26.1.1968, Personalakte Behn, a.a.O.
47. Schreiben vom 22.2.1968, Personalakte Behn, a.a.O.
48. Bericht vom 22.5.1968, Personalakte Behn, a.a.O.
49. Laut Personalakte Behn, a.a.O.
50. In einem Gespräch am Rande einer Veranstaltung in der Ida Ehre Schule am 1.9.2014.
 

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Von Hamburger NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Zuschauer/innen ... Eine Hamburg Topografie.

NS-Dabeigewesene

Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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