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Hasso von Wedel

(13.12.1909 Kiel - 27.4.1982 Hamburg)
Justiziar der Hamburger Schulverwaltung
Ostmarkstraße 22: heute Hallerstraße (Wohnadresse 1939)

Dr. Hans-Peter de Lorent verfasste dieses Profil. Es ist veröffentlicht in seinem Buch: Täterprofile Band 2.

Hasso von Wedel spielte im Hamburger Schulwesen erst ab September 1943 eine Rolle. Nachdem er seit 1939 im Kriegsdienst war und als Oberleutnant und Batteriechef im Mai 1942 an der Ostfront schwer minenverwundet ein Bein verloren hatte, hielt er nach langer Rekonvaleszenz und seiner Entlassung aus der Wehrmacht im Frühjahr 1943 juristische Vorlesungen an der Universität Hamburg. Dort lernte er Prof. Ernst Schrewe kennen, der ihn durch Verfügung von Reichsstatthalter Karl Kaufmann als Justiziar in die Schulverwaltung nahm, als er von Kaufmann zum Leiter der Schulverwaltung im Juli/August 1943 berufen worden war. Mit von Wedel kam ein schneidiger Offizierston in die Hamburger Schulverwaltung. Das Besondere an der Geschichte von Hasso von Wedel ist, dass er als einer der wenigen Nationalsozialisten im Schulbereich nach 1945 wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vor ein Gericht kam und in zweiter Instanz verurteilt wurde.

Hasso von Wedel hatte in der Schulverwaltung ab September 1943 mit Ernst Schrewe zusammengearbeitet.1

Insbesondere die Fälle Yvonne Mewes und Gustav Holler, die von der Schulverwaltung an die Gestapo weitergegeben worden waren und die für die beiden Betroffenen zur Einweisung ins KZ und zum Tod führten, wurden nach dem Krieg besonders Hasso von Wedel angelastet und 1950 vor dem Hamburger Landgericht verhandelt.

Dies ist in der Biografie Ernst Schrewe anhand des Prozesses in diesem Band ausführlich behandelt worden. Hier soll die Arbeit und Persönlichkeit von Hasso von Wedel genauer beleuchtet und etwas ausführlicher auf die staatsanwaltlichen Ermittlungen eingegangen werden. Dabei wurden auch die Mitarbeiter von Wedels und Schrewes in der Schulverwaltung vernommen, mit bemerkenswerten internen Ansichten und Aussagen.

Hasso von Wedel wurde am 13.12.1909 in Kiel geboren. Er entstammte einer preußischen Adels- und Beamtenfamilie. Sein Vater, Hans Feodor von Wedel, war damals Kapitänsleutnant, später Oberst der Luftwaffe. Seine Mutter, Anna von Wedel, war eine geborene von Wittgenstein, wie Hasso von Wedel in seinem handgeschriebenen Lebenslauf darstellte.2

Die weitverzweigte Familie von Wedel hat eine Adelsgeschichte, die in das 13. Jahrhundert zurückreicht. Seit dem 18. Jahrhundert waren die männlichen von Wedel vornehmlich Berufsoffiziere. Der Großvater Hasso von Wedels, ebenfalls mit Namen Hasso von Wedel, war Rittmeister im Ulanenregiment 6.3 Ein weiterer Hasso von Wedel, geboren am 20.11.1898 in Stargard in Pommern, war ebenfalls Offizier, zuletzt Generalmajor und Leiter der Wehrmachtpropaganda in der NS-Zeit.4

Ein Blick in Wikipedia offenbart, es gab noch sechs andere Hasso von Wedel, allesamt Offiziere in der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.5 „78 Familienmitglieder traten im Dritten Reich der NSDAP bei, davon 35 vor der Machtergreifung“.6

Zwei Brüder des hier beschriebenen Hasso von Wedel waren ebenfalls als Wehrmachtsoffiziere im Zweiten Weltkrieg, den sie nicht überlebten.7

Das Standesbewusstsein der von Wedel dokumentierte auch Hasso von Wedels Heirat mit Rosemarie von dem Hagen, deren Vater laut von Wedels Personalakte den militärischen Rang eines„Oberst“ bekleidete.8

 Hasso von Wedel besuchte in Kiel und Berlin die Vorschule und das Realgymnasium. Als die Eltern nach Hamburg umzogen, ging Hasso von Wedel für ein halbes Jahr auf die Privatschule von Dr. Bieber, Ostern 1920 dann auf die Oberrealschule auf der Uhlenhorst, um im nächsten Jahr auf die Gelehrtenschule des Johanneums zu wechseln, „die meiner Neigung und Begabung zu entsprechen schien“. Dort bestand von Wedel am 23.2.1928 die Reifeprüfung.9

„Da ich größte wissenschaftliche Neigungen hatte, mich später im sozialen Leben praktisch zu betätigen“, entschied sich von Wedel für ein juristisches Studium. Wie damals üblich, fand das Studium an den jeweiligen Universitäten in verschiedenen Städten statt. München, Kiel, Heidelberg, Hamburg, wo von Wedel am 4.6.1930 auch die erste Staatsprüfung ablegte. Die große Staatsprüfung bestand er am 19.10.1934 in Hamburg mit „gut“.

Am 1.7.1933 war Hasso von Wedel Mitglied der SA geworden und wurde im „Reitersturm“ aktiv.11

Auf den verschiedenen Stationen seiner praktischen Ausbildung wurde von Wedel sehr positiv beurteilt. Nach stringentem Studium war von Wedel schon mit 22 Jahren ins Referendariat gekommen. Nach einem halben Jahr bei der Hamburger Staatsanwaltschaft schrieb Staatsanwalt Stein: „Auch war Referendar von Wedel immer mit großem Eifer bei der Sache und erledigte die ihm übertragenen Arbeiten durchweg mit Geschick, praktisch und auch juristisch zutreffend. Was seine Persönlichkeit angeht, so bringt er eine auffallend gute Allgemeinbildung, eine reges Interesse für alle Vorgänge des Lebens, sowie auch für die neuen wissenschaftlichen Arbeiten – insbesondere auch auf den einschlägigen Gebieten – mit. Er besitzt eine für sein Alter recht reife, überlegte und selbständige Art des Denkens und des Urteilens. Auch ist ihm eine sehr angenehme ruhige und ansprechende Art des Vortrags und des Auftretens überhaupt eigen.“12

Die Familie von Wedel verfügte über die nötigen Beziehungen. Die Anwaltsstation absolvierte Hasso von Wedel in Berlin in einer größeren Sozietät. Rechtsanwalt Dr. Walter Schmidt schrieb ihm ins Zeugnis: „Er ist ein ausgezeichneter Jurist. Er verfügt über die besten Rechtskenntnisse, über ein ausgeprägtes Rechtsgefühl und sehr gutes juristisches Urteil. Er gehört zu den besten Referendaren, die ich ausgebildet habe.“13

Und Landgerichtsdirektor Dr. Uhde bescheinigte nach drei Monaten Tätigkeit am Hamburger Landgericht: „Er hat Ausgezeichnetes geleistet. Er hat vorzügliche Rechtskenntnisse und besitzt eine hervorragende Intelligenz.“ Der Landgerichtsdirektor bestätigte von Wedel „soziales Einfühlungsvermögen (er gehört der SA an)“ und: „dass er jederzeit für den heutigen Staat eintreten wird ist nicht zweifelhaft.“14

Interessant ist, wie Hasso von Wedel im Weiteren gefördert wurde. Am 11.12.1935 schrieb Justizsenator Dr. Curt Rothenberger an das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung: „Über die Persönlichkeit des Hamburgischen Assessors Dr. Hasso von Wedel, der zu den Anwärtern für den Deutschen Akademischen Austauschdienst in London gehört, teile ich Ihnen folgendes mit: Dr. von Wedel ist der Sohn eines aktiven Oberstleutnants der Flugwaffe beim hiesigen Generalskommando. Er entstammt dem baltischen Adel. Beide Examina hat er mit ‚gut‘ bestanden, wobei das zweite Examen nach den heute geltenden Noten mit ‚lobenswert‘ bezeichnet worden wäre. Er ist ein weit über dem Durchschnitt begabter Jurist und zur Zeit Assistent am strafrechtlichen Seminar der Universität. Persönlich ist von Wedel ein Mann von tadellosen Umgangsformen, der auch in dem englischen Milieu Eindruck machen würde. Dr. von Wedel ist nicht Parteigenosse, hat sich auch vor dem Umbruch nicht politisch betätigt. Seit Juni 1933 ist er Mitglied der SA. Er hat zweimal eine achtwöchige militärische Übung mitgemacht. Ich halte ihn aufgrund meines persönlichen Eindrucks für politisch absolut zuverlässig. Im ganzen gesehen scheint mir Dr. von Wedel, den ich an sich für längere Zeit nur ungern hier missen möchte, für die Stellung in England außerordentlich geeignet.“15

Und der Leiter des Deutschen Akademischen Austauschdienstes antwortete: „Für die Übersendung des Gutachtens über den Hamburger Assessor Dr. Hasso von Wedel erlaube ich mir, Ihnen meinen ergebenen Dank auszusprechen. Ich bin leider zur Zeit noch nicht in der Lage, über die Besetzung der Londoner Stelle zu entscheiden. Ich habe mir erlaubt, Herrn Prof. Rein über die Situation im einzelnen zu unterrichten und wäre sehr dankbar, wenn sich Herr von Wedel einstweilen weiter zur Verfügung halten würde.“16

So wurden Verbindungen geknüpft. Prof. Adolf Rein war zu diesem Zeitpunkt nationalsozialistischer Rektor der Universität Hamburg.

Zwischenzeitlich meldeten sich die Notare Dr. Sieveking u. a. beim Präsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts: „Der Assessor Herr Dr. Hasso von Wedel hat sich um eine der freigewordenen Notarstellen beworben. Für den Fall, dass seinem Antrage stattgegeben wird, haben wir mit ihm vereinbart, dass wir unsere Praxis gemeinschaftlich mit ihm ausüben wollen. Wir legen deshalb auf seine baldige Ernennung großen Wert und bitten ergebenst, den Antrag bei dem Herrn Reichsminister der Justiz befürworten zu wollen.“17

Auffällig ist, wie bei Ernst Schrewe auch, der gute Kontakt von Wedels zu Mitgliedern der einflussreichen Hamburger Familie Sieveking. Mit dem Rechtsanwalt Dr. Friedrich Sieveking weilte von Wedel 1938 im Juni für eine Woche in England
„zwecks Studiums englischer Rechtseinrichtungen“.18 Und der Notar Dr. Sieveking war 1951 Mitglied des Dienststrafhofes im Disziplinarverfahren gegen Ernst Schrewe.

Beste Aussichten also für einen 26-jährigen Juristen. Der Präsident des Oberlandesgerichtes wies darauf hin, dass von Wedel der SA angehörte und dem 41. Sturm der 45. Standarte zugeteilt war.19 Und die Gauleitung der NSDAP hatte gegen die Beförderung von Wedels „in politischer Beziehung keine Bedenken“.20

 Hasso von Wedel entschied sich gegen die Notarskarriere und für einen zweigleisigen Weg. So war er, wie es zur Tradition seiner Familie gehörte, seit 1935 jährlich zu mehrwöchigen Übungen bei der Wehrmacht aktiv gewesen und dabei Unteroffizier und Reserveoffiziersanwärter geworden.21

 Am 1.5.1937, als die NSDAP wieder für Beamte offen stand, trat er in die NSDAP ein.22

 Zum selben Zeitpunkt wurde von Wedel zum Landgerichtsrat befördert. In den Gutachten hieß es über ihn: „von Wedel steht nach Begabung und Fähigkeit weit über Durchschnitt . Er war Assistent bei dem Kriminalisten Prof. Dr. Schmidt und verfügt über hervorragende strafrechtliche Spezialkenntnisse. Seine großen Fähigkeiten und seine ausgezeichnete Persönlichkeit haben ihn zum Vertreter des Leiters einer Referendararbeitsgemeinschaft besonders geeignet erscheinen lassen. Er wird später zum Gemeinschaftsleiter vorgeschlagen werden. Soldatische Persönlichkeit mit allen guten Merkmalen eines alten Offiziersgeschlechts. Ich habe von Wedel zur Beförderung vorgeschlagen“, hieß es aus der Reichsjustizbehörde.23

 Der Landgerichtspräsident urteilte: „Führung, Charakter und politische Haltung sind einwandfrei.“24

 Und der Präsident des Oberlandesgerichts hatte am 25.8.1936 geschrieben: „Ich habe persönlich ein Bild von dem Assessor Dr. von Wedel. Er ist juristisch hervorragend begabt, in der Praxis ausgezeichnet bewährt. Die äußeren Formen sind wie die Haltung gestrafft und sicher und zeigen die Herkunft aus einem Offiziersgeschlecht sowie die militärische Ausbildung. Er ist seit Juli 1933 Angehöriger der SA. Im ganzen genommen handelt es sich bei von Wedel um einen jungen Juristen, der trotz seiner Jugend schon jetzt für die Planstelle eines Richters, insbesondere auch des Einzelrichters, bestens qualifiziert erscheint. Seine endgültige Einstellung würde einen Gewinn für die Justiz bedeuten.“25

 Und am 9.9.1936 begründete er seine Entscheidung gegenüber dem Reichsjustizministerium: „Ich habe von Wedel verschiedene Male für Referate im NSRB und in den Arbeitsgemeinschaften, die zur Einarbeitung der Richter und Staatsanwälte in das neue Strafrecht eingerichtet sind, herangezogen. Er hat nach meiner persönlichen Kenntnis dort den allerbesten Eindruck hinterlassen und sich rege an den Diskussionen beteiligt. Bemerkenswert ist, dass dieser wissenschaftlich hochbegabte Jurist auch praktisch allen Anforderungen – sowohl als Einzelrichter in Zivil- und Strafabteilungen des Amtsgerichts als auch als Beisitzer im Landgericht – vollauf genügt hat. Ich habe dem Assessor von Wedel gewisse Aussichten gemacht, dass er in den nächsten Monaten Richter würde, da er, der bereits mehrere Übungen bei der neuen Wehrmacht abgeleistet hat, als Offizierssohn Neigung zeigte, die Offizierslaufbahn einzuschlagen. Assessor von Wedel ist aktiv tätiger SA-Mann seit 1933 und politisch in jeder Beziehung einwandfrei.“26

Von Wedel arbeitete zwei Jahre beim Landgericht Hamburg. Dann, als der Krieg begann, wurde von Wedel als Leutnant eingezogen.

Er machte bei der Wehrmacht die Feldzüge in Polen und Frankreich mit und kam kurz vor Beginn „der Russlandoffensive des Jahres 1941 an die Ostfront“.27

Hier wurde er, inzwischen zum Oberleutnant befördert, als Batteriechef im April 1942 schwer minenverwundet. Durch eine Oberschenkelamputation verlor er ein Bein und kam, „ausgezeichnet mit dem EK I, dem Silbernen Verwundetenabzeichen und anderen Ehrenzeichen Ende 1942 in die Heimat zurück“.28

Hasso von Wedel befand sich noch in der Rekonvaleszenz, inzwischen zum Hauptmann befördert, als er am 1.12.1942 zum Landgerichtsdirektor in Hamburg befördert wurde. Zur Begründung hieß es: „Landgerichtsdirektor Dr. von Wedel vereinigt in seltener Weise beste menschliche Qualitäten mit hervorragender Begabung. Seine Leistungen waren an allen Stellen, an denen er tätig war, vorzüglich. Praktisches Können wird durch wissenschaftliches Interesse und pädagogisches Talent ergänzt. In seiner Gesinnung ist von Wedel ein unbedingter Ehrenmann. Er verfügt über große Entschlußkraft und Schneid. Durch seine Willenskraft überwindet er auch die Folgen seiner schweren Verletzung. Er gehört nach allem zu den Besten.“29

Im Frühjahr 1943 wurde von Wedel als Hauptmann der Reserve aus dem Heeresdienst entlassen, später noch zum Oberst befördert.30

Der Vorsitzende Richter beim Landgericht Hamburg, Fritz Valentin, der 1950 den Prozess gegen Ernst Schrewe und Hasso von Wedel führte, auf den später noch eingegangen wird, hatte in diesem Prozess auch ehemalige Angehörige der Wehrmacht zu von Wedel befragt. „Er war nach Bekundungen der Zeugen, die als seine Regimentskameraden lange Zeit enge Berührung mit ihm hatten, ein wegen seiner rechtlichen Haltung besonders geachteter, gewissenhafter und mutiger Offizier, ein Vorgesetzter, der sich bemühte, gerecht zu sein, der an seine Untergebenen strenge Anforderungen stellte, besonders auf Manneszucht achtete und der aber an sich selbst in diesen Beziehungen den strengsten Maßstab anlegte und von Pflichttreue im altpreußischen Sinne erfüllt war.“31

Nach seiner Entlassung aus der Wehrmacht hielt Hasso von Wedel – noch als Rekonvaleszent – im Auftrag der Universität Vorlesungen für vom Heeresdienst beurlaubte Studenten zur Einführung in die praktischen Aufgaben des juristischen Berufes. An der Universität war Hasso von Wedel auch in Kontakt mit Ernst Schrewe gekommen. Als Schrewe den Auftrag der Reorganisation des Hamburger Schulwesens übernahm, „gewann er von Wedel zum Mitarbeiter, nachdem beide in längeren Gesprächen festgestellt hatten, dass sie in Grundfragen des politischen Denkens und auch in den Grundlinien einer gemeinsam zu verfolgenden Schulpolitik übereinstimmten“.32

Hasso von Wedel wurde Justiziar in der Schulverwaltung, nachdem ihn die Justizverwaltung unter Beibehaltung seiner Dienstbezeichnung abgeordnet hatte. Er wurde durch Reichsstatthalter Kaufmann zum Stellvertreter von Ernst Schrewe bestellt, Anfang 1944, als Ernst Schrewe die Leitung der Schulverwaltung übertragen wurde, auch zum Vertreter in dieser Funktion.33

Landgerichtsrichter Valentin fasste die Handlungsweise von Hasso von Wedel und Ernst Schrewe in ihren von Reichsstatthalter Karl Kaufmann übertragenen Funktionen aus meiner Sicht unzulässig beschönigend und zwischen beiden Personen nicht differenzierend so zusammen: „Während seiner Tätigkeit bei der Schulverwaltung wirkte der Angeklagte von Wedel in ganz dem gleichen Sinne wie der Angeklagte Schrewe. Er unterstützte ihn tatkräftig in seinen Bemühungen, den Bereich der Schulverwaltung von NS-Einflüssen frei zu machen und freizuhalten. Er vertrat die Belange der Lehrer gegenüber anderen Behörden. In der Handhabung der Dienststrafsachen fiel es auf, dass der Angeklagte von Wedel im Gegensatz zu seinem Vorgänger nur wenige Fälle vor das Disziplinargericht brachte und dort für milde Bestrafungen eintrat: die Mehrzahl der Fälle erledigte er ‚im Hause‘, indem er sich die Beschuldigten kommen ließ und sie nach Aufhellung der Sachverhaltes, wo es geboten war ganz energisch und hart anfuhr und zurecht wies oder sie in sonstiger im jeweiligen Fall angemessener Weise verwarnte. Dies Verfahren, das an sich für die Betroffenen einen glimpflichen Ausgang bedeutete, brachte dem Angeklagten freilich bei der Lehrerschaft den Ruf ein, ein sehr strenger Herr zu sein.“34

Über die Fälle Yvonne Mewes und Gustav Holler ist ausführlich in der Biografie von Ernst Schrewe in diesem Buch berichtet worden, ebenso über das Landgerichtsurteil aus dem Jahre 1950. Ich werde hier im Weiteren erst einmal das Entnazifizierungsverfahren von Hasso von Wedel beschreiben und danach auf die genannten Fälle eingehen, dabei insbesondere darstellen, wie die Strafanzeige gegen von Wedel entstanden war und welche Ergebnisse die staatsanwaltlichen Ermittlungen erbrachten.

Mit Wirkung vom 9.9.1945 wurde Hasso von Wedel aus seiner Stellung als leitender Jurist in der Schulverwaltung aufgrund des §6 des Gesetzes der Britischen Militärregierung vom 11. Mai 1945 entlassen.35

Dies hatte ihm Senator Heinrich Landahl mit Schreiben vom 27.9.1945 mitgeteilt.

Ungewöhnlich und erstaunlich ist in diesem Zusammenhang ein Aktenvermerk, den Heinrich Landahl einen Tag später, am 28.9.1945 anlegte. Darin hieß es: „Von meinem Amtsantritt am 6. Juni 1945 bis heute hat mir Herr Dr. von Wedel als leitender Jurist der Schulverwaltung zur Seite gestanden. Er scheidet jetzt aufgrund der Entlassungsverfügung der Militärregierung vom 12. September 1945 aus dieser Stellung aus. In den Monaten der Zusammenarbeit habe ich die hervorragenden juristischen Kenntnisse, die loyale Mitarbeit und ebenso schnelle wie umsichtige Erledigung aller Arbeiten bei Herrn von Wedel in hohem Maße schätzen gelernt. Er hat sich in fachlicher Hinsicht als ein weit über dem Durchschnitt stehender Beamter erwiesen.“36

Hasso von Wedel hatte am 17.5.1945 seinen ausgefüllten Entnazifizierungsfragebogen abgegeben. Darin waren neben seiner SA-Mitgliedschaft und dem NSDAP-Eintritt noch Schulungsvorträge in der Ortsgruppe der Partei seit 1944 angegeben, sowie die Zugehörigkeiten zur NSV ab 1934, zum Reichsbund deutscher Beamter ab Mai 1933 und zum NS-Rechtswahrerbund seit Mai 1933.37

Die Entnazifizierung von Juristen verlief ähnlich wie im Schulbereich. Der gut vernetzte von Wedel konnte zahlreiche Leumundszeugnisse von ehemaligen Richtern und Juristen beibringen, die „die Lauterkeit seines Charakters“ priesen und mit Beispielen belegten, in denen er sich z.B. für die Belange von „Halbjuden“ eingesetzt hätte. Formal war seine Belastung ohnehin vergleichsweise gering, weil er keine herausgehobenen Funktionen in NS-Organisationen innegehabt hatte.

Der Entnazifizierungs-Fachausschuss für den Schulbereich lehnte eine Stellungnahme zu von Wedel ab: „Nach seiner Auffassung muss die Angelegenheit beim Fachausschuss der Justiz bearbeitet werden. Wenn Dr. von Wedel auch während der Zeit seiner Abordnung zur Schulbehörde entlassen worden ist, so war er hier doch nur eine verhältnismäßig kurze Zeit tätig, und außerdem fühlt der Ausschuss sich nicht berufen, über die Möglichkeit einer Wiederverwendung des Herrn Dr. von Wedel im Justizdienst zu urteilen, über welche Frage bei der Kategorisierung ja mit zu entscheiden ist.“38

Von den Leumundszeugnissen sollen drei zitiert werden, von Personen, die auch im Bildungswesen eine Rolle gespielt haben. So der Altphilologe, Prof. Bruno Snell, der zu den besonders eifrigen „Persilschein“-Verfassern gehörte. Er wandte sich am 19.9.1946 an von Wedel: „Wir sind uns ja während der langen Jahre unserer Bekanntschaft nie darüber im Unklaren gewesen, wie verschieden unsere politischen Anschauungen waren. Trotzdem habe ich die gesellschaftlichen Beziehungen zu Ihnen nicht abgebrochen, weil ich genau wusste, dass Sie nicht nur mit Ihren Worten die Ungerechtigkeiten verurteilten, sondern auch mit der Tat für das Recht einzutreten suchten, soweit das in Ihren Kräften stand. Auch weiß ich, dass Sie mit Ihren ausgesprochenen humanistischen Interessen immer dafür eingetreten sind, dass die Wissenschaft nicht in die enge Jacke der Parteidoktrin gepresst werden dürfte, und dass Sie auch in der Rechtswissenschaft nicht die Forderung preisgegeben haben, durch klares, objektives Denken ein unbedingt gültiges Recht zu finden und anzuwenden.“39

Und natürlich hatte sich auch Fritz Köhne für von Wedel verwendet, wie für nahezu jeden Vorgesetzten der NS-Schulverwaltung, mit Ausnahme von Albert Henze. Interessant ist, dass sich Köhne in dem späteren Prozess gegen von Wedel deutlich kritischer äußerte: „Schulrat Köhne erklärte, dass Wedel sich in der Schulverwaltung wie ein Frontoffizier benommen und Arbeitsverweigerung als Fahnenflucht angesehen habe.“40

Das Gutachten Köhnes vom 11.10.1946 war offensichtlich geprägt durch sein Mitgefühl für die schwere Kriegsverletzung von Wedels:

„Dr. von Wedel war 34 Jahre alt, als er das Amt übernahm. Er trug als Vermächtnis des Krieges eine Beinprothese, überwand aber mit der ihm eigenen geistigen Energie die noch ungewohnte Behinderung und widmete sich mit ganzer Hingabe und der ihm eigenen vielseitigen Begabung und seinem jungen Ehrgeiz der ihm übertragenen Aufgabe. In vielen Sitzungen und Besprechungen, in denen ich ihm als Schulrat begegnet bin, hat er sein Amt stets einsichtig und verantwortlich versehen. Er hat es nicht in selbstsüchtiger Weise oder zum Schaden seiner Mitarbeiter ausgenutzt, er war ein Freund einer freien sachlichen Aussprache und ließ auch eine Andersmeinung gelten. In seinem Urteil war er klar und bestimmt und hielt im engeren Kreise mit seiner Kritik an Mißständen in der Partei und Bürokratie, an den Übergriffen der HJ und der nationalsozialistischen Rechtsauffassung nicht zurück. Er war im Einverständnis mit Prof. Schrewe bemüht, die bleibenden Werte der früheren Zeit im hamburgischen Schulwesen zu erkennen und zu erhalten, das pädagogische Leben in der Lehrerschaft zu fördern und durch wissenschaftliche und künstlerische Darbietungen zu vertiefen. Er war Mitglied der Griffelkunstvereinigung und nahm an ihrer sozialen und künstlerischen Arbeit lebendigen Anteil.

Sicher hat Dr. von Wedel aus ehrlicher Überzeugung den nationalsozialistischen Ideen gedient und sich mit ihnen auseinandergesetzt. Bei seiner Art, die politischen Verhältnisse und Zusammenhänge geistig zu durchdringen, erscheint es mir allerdings ausgeschlossen, daß er bis zu seinem schlimmen Ende dem Nationalsozialismus innerlich angehört hat; er wird schon vorher sein Damaskus erlebt haben und mit wachsender Erkenntnis zu einer anderen Einsicht gekommen sein. Es gab aber für ihn keinen anderen Weg, er mußte sein Amt bis zu Ende durchstehen. Ich darf aber mit gutem Gewissen wünschen, daß Dr. von Wedel in einer juristischen Praxis, in der er nach meiner Kenntnis seiner Person und seiner Verwaltungsarbeit eine vorzügliche sachliche Arbeit leisten wird, einen neuen Berufs- und Lebensinhalt erhält, den er bei seiner schweren Kriegsbeschädigung in einer körperlichen Betätigung kaum finden wird.“41

Der ehemalige Oberschulrat Karl Züge, Beteiligter am Fall Yvonne Mewes, schrieb von Wedel handschriftlich am 11.12.1946 und gratulierte ihm zum Geburtstag. Züge, der selbst gerade die Internierung in Neuengamme überstanden hatte, wählte diese Form eines „Persilscheins“, den von Wedel in Abschrift in sein Verfahren einbrachte:

„Gerade unter den besonderen Umständen dieses Jahres fühle ich mich veranlasst, Ihnen meine von Herzen kommenden Glückwünsche zu Ihrem Geburtstage zu senden. Hoffentlich sind Sie und Ihre Familie gesundheitlich wohlauf, was heute von besonderer Wichtigkeit ist. Dazu wünsche ich für Ihr neu beginnendes Lebensjahr, dass Sie wieder in Ihrem Beruf eingesetzt werden, für den Sie Ihren ganzen Anlagen nach prädestiniert sind. Die verhältnismäßig kurze Zeit unserer Zusammenarbeit ist mir deshalb in so angenehmer Erinnerung, weil ich in Ihnen einen Mann kennenlernte, der sein reiches juristisches Wissen mit tiefem menschlichem Verständnis verband. Sie haben das Beste gewollt und erstrebt, auch Ihre politische Einstellung war durch Ihren Idealismus gelenkt, wobei Sie in manchen nichtdienstlichen Unterhaltungen mit mir scharfe Kritik anlegten an Dingen, die Sie als nicht-deutsch ablehnten. Auch Sie ahnten nichts von Geschehnissen, die sich hinter den Kulissen abspielten, waren aber zu wiederholten Malen stark besorgt um Maßnahmen, die Sie für falsch hielten. Dass in den letzten Kriegsjahren das Hamburgische Schulwesen ziemlich unberührt blieb von den radikalen Forderungen, die Berlin aufstellte, ist mit Ihr Verdienst. Ihnen wird es eine innere Stütze sein zu wissen, dass Sie das Beste gewollt und ihre Kraft eingesetzt haben, alles herauszuholen, was oft entgegen den Anordnungen des Gauleiters im Rahmen des Möglichen getan werden konnte.“42

Und letztlich hatte sich auch der alte Studienfreund, Prof. Rudolf Sieverts für von Wedel verwendet. Sieverts, aus meiner Sicht selbst schwer belastet, und später trotzdem Rektor der Universität Hamburg, trug mit seinem Zeugnis natürlich dazu bei, dass von Wedel am 17.9.1949 als „Mitläufer“ in Kategorie IV eingruppiert wurde, somit für eine weitere Karriere kaum belastet. Sieverts schrieb: „Ich kenne Herrn Dr. Hasso von Wedel seit dem ersten Semester seines Studiums in Hamburg, d.h. nunmehr bald 20 Jahre. Herr von Wedel arbeitete damals besonders intensiv bei dem von Herrn Prof. Eberhard Schmidt und Herrn Prof. Delaquis geleiteten strafrechtlichen Seminar, dessen Assistent ich war. Bereits nach wenigen Semestern leistete er juristisch hervorragendes; er hielt einige Seminarvorträge, die von Herrn Prof. Delaquis in der schweizerischen Zeitschrift für Strafrecht veröffentlicht wurden und allgemeines Aufsehen erregten in der wissenschaftlichen Fachwelt. Auch auf anderen Rechtsgebieten leistete er gleich vorzügliches. Von Wedel gehört zu den begabtesten Studenten, die ich je erlebt habe. Auch in seiner Referendar- und Assessortätigkeit hielt er sich auf der gleichen Höhe, sodaß ihm bereits vor 1933 eine hervorragende Karriere vorausgesagt wurde. Dabei war von Wedel keineswegs einseitig juristisch, sondern er verfügte über eine umfassende geisteswissenschaftliche Bildung und hatte künstlerische und religiöse Interessen. Von allen seinen Mitstudenten wurde er außerdem wegen seiner menschlichen Qualitäten mit Recht sehr geschätzt; er war immer ein hilfsbereiter guter Kamerad. Nach 1933 war mehrfach von den Professoren der Hamburger rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät versucht worden, Herrn von Wedel für die Laufbahn eines Universitätsdozenten zu gewinnen. Er wäre auch bereit dazu gewesen, falls nicht die Zulassung dieser Laufbahn von der weltanschaulichen Überprüfung durch universitätsfremde Instanzen abhängig gewesen wäre. Er lehnte es aber ab, sich in einer NS-Dozentenakademie auf seine weltanschauliche Zuverlässigkeit überprüfen zu lassen. Wenn Herr Dr. von Wedel auch nach 1933 die vorausgesagte rasche Karriere bis zum Landgerichtsdirektor durchlaufen hat und namentlich während des Krieges nach seiner schweren Verwundung zu hohen Verwaltungsposten herangezogen wurde, so hat er das ausschließlich seiner hohen fachlichen Qualifikation zu verdenken, die namentlich in Hamburg bei Beförderungen auch unter der nationalsozialistischen Regierung nicht unberücksichtigt blieben. Gerade Dr. Rothenberger, als Chef der Justizverwaltung hat bei der Förderung des juristischen Nachwuchses durchaus Wert auf Qualität gelegt, so unverständlich oft seine Personalpolitik hinsichtlich älterer Richter und Staatsanwälte auch war. Ich selbst bin mehrfach von ihm vor Beförderungen über meine Ansicht über die fachliche Qualifikation von den in Aussicht genommenen jungen Juristen gefragt worden. Ich habe insbesondere empfohlen, von Wedel, dessen ungewöhnliche pädagogische Fähigkeiten ich immer wieder beobachtet hatte, bei der Ausbildung der Referendare mit einzusetzen.

Herr von Wedel und ich sind immer in enger Verbindung miteinander geblieben und ich kann aus zahlreichen Gesprächen bezeugen, daß er eine große geistige Unabhängigkeit gegenüber Parteidoktrinen, auch gegenüber der NSDAP sich in den ganzen Jahren bewahrt hat. Er scheute sich auch nicht, einer abweichenden Meinung unmißverständlich Ausdruck zu geben. In den letzten Kriegsjahren, als wir beide in der Hamburger Verwaltung eingesetzt waren, habe ich eine Reihe von Sitzungen mit Herrn von Wedel erlebt und mich immer darüber gefreut, daß er stets zu der kleinen Gruppe von Beamten gehörte, die ohne Rücksicht auf die eigene Person ihren Standpunkt auch dann vertraten, wenn er nicht der der Vertreter der NSDAP war. Auch dem Gauleiter Kaufmann widersprach er in diesen Sitzungen nicht selten, was dieser allerdings schätzte.

Jeder, der Herrn von Wedel näher kennt, wird mit mir den Wunsch teilen, daß durch eine günstige Einkategorisierung in der Entnazifizierung diesem hochverdienten und nach jeder Richtung qualifizierten Mann möglichst bald die Gelegenheit gegeben werde, wieder an einer seiner Eignung entsprechenden Stelle am deutschen Wiederaufbau zu arbeiten.“43

Der Hinweis auf Curt Rothenberger ist befremdlich und bezeichnend zugleich. Sieverts rühmte sich seiner Nähe und seines Einflusses auf Rothenberger und auch Hasso von Wedel hatte offenbar einen persönlichen Kontakt zu Rothenberger gehabt. Als von Wedel im Dezember 1940 „aus dem Felde seine Verlobung mit Fräulein Rosemarie von dem Hagen, Tochter des im jetzigen Kriege gefallenen Obersten und Regimentskommandeurs Oskar von dem Hagen und seiner Frau Gemahlin Marga, geb. Freiin von der Recke“ anzeigte, erhielt er am 20.12.1940 ein Glückwunschschreiben von Curt Rothenberger: „Ihre mich ja nicht mehr sehr überraschende Verlobungsanzeige hat mich außerordentlich erfreut. Ihrem Fräulein Braut und Ihnen spreche ich meine allerherzlichsten Glückwünsche aus. Ich hoffe Sie bald einmal in derselben Frische wie vor einigen Wochen bei mir zu sehen. Mit den besten Wünschen zum Weihnachtsfeste und zum neuen Jahre bin ich mit Heil Hitler Ihr Rothenberger.“44

Und auch zur Hochzeit hatte Rothenberger Leutnant von Wedel unter der Feldpostnummer 01213 A. am 25.3.1941 persönlich gratuliert.45

Curt Rothenberger, am 30.6.1896 in Cuxhaven geboren, hatte in Hamburg am Wilhelm-Gymnasium 1914 das Abitur gemacht, 1920 an der Hamburger Universität das erste juristische Examen abgelegt, promoviert und 1925 eine Stelle als Richter am Landgericht angetreten. Am 8.3.1933 wurde Rothenberger von der Hamburger Bürgerschaft als Justizsenator gewählt, ab dem 1.4.1935 war er Präsident des hanseatischen Oberlandesgerichts und ab dem 16.5.1935 zusätzlich Präsident des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts.

Rothenberger „führte in allen Gerichten ein eigenes Überwachungssystem ein. Es wurden wöchentliche Vorbesprechungen abgehalten in denen einzelne Richter ihre wichtigsten Fälle der nächsten Woche vorstellten. Rothenberger ließ deutlich werden, wie die Verfahren entschieden werden sollten.“46 Anklagen gegen Männer der SA und der SS wurden von ihm immer verhindert. Am 20.8.1942 wurde Rothenberger von Hitler zum Staatssekretär im Reichsjustizministerium, 1944 von Gauleiter Karl Kaufmann in Hamburg zum „Beauftragten für den totalen Kriegseinsatz in Hamburg“ ernannt. Im Nürnberger Juristenprozess verurteilte das Gericht Rothenberger am 4.12.1947 zu sieben Jahren Zuchthaus.47

Dass sich Rudolf Sieverts ein halbes Jahr danach nicht scheute, Curt Rothenberger in seine Leumundsschreiben zugunsten Hasso von Wedels einzubeziehen, ist mehr als bezeichnend und wohl ein Dokument seiner Eitelkeit.

Im Entnazifizierungsverfahren Hasso von Wedels war der ehemalige Präsident des Oberlandesgerichts von 1929 bis 1933, Wilhelm Kiesselbach, für milde Urteile bekannt, als Vorsitzender des Berufungsausschusses mit dem Fall betraut. Laut einem Vermerk in von Wedels Personalakte vom 10.9.1945 hatte Kiesselbach selbst Recherchen über von Wedel angestellt, sicherlich, weil es sich bei von Wedel um einen Juristen und ehemaligen Landgerichtsdirektor handelte, der Kiesselbach möglicherweise auch nicht unbekannt war. Dabei stellte sich heraus, dass Heinrich Landahl seine positive Haltung gegenüber Hasso von Wedel ergänzt hatte:

„Präsident Kiesselbach hat im Falle von Wedel selbst Ermittlungen angestellt und mit Senator Landahl gesprochen. Dieser hat erklärt, von Wedel sei ein Mann, dessen Fähigkeiten weit über Durchschnitt lägen und der für die Schulverwaltung kaum ersetzbar sein wird. Dennoch könne er wohl kaum gehalten werden. Er habe sich betont nationalsozialistisch verhalten, sei bei den Lehrern deshalb und wegen seiner Schroffheit und seines oftmals überheblichen Tones außerordentlich unbeliebt. Auch in Disziplinaruntersuchungen habe er nationalsozialistische Anschauungen besonders hervorgekehrt.

Senator Landahl hat Präsident Kiesselbach die Akte der Schulverwaltung über das Verfahren der Lehrerin Mewes gegeben. Diese hatte sich geweigert, die ihr anvertrauten kinderlandverschickten Schüler in einem bayerischen Lager weiterhin zu betreuen, war ohne Erlaubnis in bayerische Dienste getreten und hatte ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis in Hamburg gefordert. Die wiederholten Aufforderungen der Schulverwaltung, ihren Dienst sofort wieder anzutreten, hatte Fräulein Mewes ablehnend beantwortet. Mochte sie persönlich auch beachtliche Gründe für ihr Verhalten haben, so glaubte die Schulverwaltung im Interesse der Disziplin doch, ihr Verhalten nicht hinnehmen zu können. Angestellte und Arbeiter können jederzeit wegen Vertragsbruchs bestraft werden, der Beamte dagegen nicht. Er kann nur im Wege des Disziplinarverfahrens dienstentlassen werden. Das aber gerade war es, was Fräulein Mewes anstrebte. Von Wedel hielt dies Ergebnis für so ungerechtfertigt, daß er an den Reichsstatthalter berichtete und empfahl, Fräulein Mewes von der Gestapo festnehmen zu lassen. Dies geschah. Sie wurde zunächst vier Wochen in Fuhlsbüttel festgehalten, dann dem Richter zwecks Erlaß eines Haftbefehls vorgeführt. Die Staatsanwaltschaft forderte analoge Anwendung der Vorschriften über den Vertragsbruch. Der Haftrichter lehnte ab. Mewes wurde nun von der Gestapo in ein Konzentrationslager in Mecklenburg verbracht, wo sie nach einigen Monaten verstarb. Präsident Kiesselbach hat angeordnet, daß zur Zeit eine Befürwortung von Wedels unterbleiben muss.“48

Erstaunlich ist, dass dieser Vermerk bereits am 10.9.1945 geschrieben wurde, somit 18 Tage vor dem Vermerk Heinrich Landahls, in dem Hasso von Wedel sehr positiv dargestellt wurde.

Da ich in der Biografie Ernst Schrewes den Fall Yvonne Mewes und das Landgerichtsverfahren ausführlich dargestellt habe, möchte ich jetzt genauer schildern, auf welchem Wege es überhaupt zum Prozess gegen Schrewe und von Wedel gekommen war, was die Staatsanwaltschaft ermittelt hatte und welche Details über den Prozess hinaus Erkenntniswerte haben.

Eine Strafanzeige wurde am 13.8.1947 vom „Komitee ehemaliger Gefangener, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) bei der Oberstaatsanwaltschaft des Landgerichts Hamburg eingereicht. „Betrifft: Denunziation aus politischen Gründen mit erfolgter Inhaftierung und tödlichem Ausgang.“49

Als Geschädigte wurde Yvonne Mewes genannt, als „Denunziant: Behne, ehemaliger Oberschulrat“. Als „Mithelfer“ unter anderem der Gestapo-Beamte Adolf Flenkner, Hasso von Wedel, Ernst Schrewe und Karl Kaufmann. OSR Walter Behne wurde bezeichnet als „die treibende Kraft, der Fräulein Mewes, da ihm ihre antinazi-Einstellung bekannt war, nun mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln verfolgte. Auf der anderen Seite versuchte Fräulein Mewes auf jedem erdenklichen Wege dieser Verfolgung zu entgehen.“50

Und weiter: „Weil sie der Aufforderung, sofort nach Hamburg zurückzufahren, nicht sogleich Folge leistete, machte die Schulverwaltung, wobei Behne die treibende Kraft war, über den ehemaligen Gauleiter Kaufmann eine Anzeige, worauf Fräulein Mewes am 25.5.1944 zu einer Geldstrafe von RM 200.- verurteilt wurde. Am 15.7.1944 gab Yvonne Mewes ein Kündigungsschreiben an die Schulverwaltung ab. Auf erneute Anzeige des Behne an Kaufmann mit der Unterstützung des Landgerichtsdirektors Wedel von der Schulverwaltung Hamburg, wurde Fräulein Mewes am 7.9.1944 von der Gestapo ins Konzentrationslager Fuhlsbüttel eingeliefert, obgleich zuständigkeitshalber ein Disziplinarverfahren hätte eingeleitet werden müssen. Nach acht Wochen Haft, wurde Fräulein Mewes von dem Untersuchungsrichter freigesprochen, jedoch hielt die Gestapo die Haft weiter aufrecht und nach nochmaliger Vernehmung durch den Gestapo-Beamten Flenkner, der der Bearbeiter der Sache Mewes war, wurde sie am 28.12.1944 ins KZ Ravensbrück überführt, wo sie am 6.1.1945 verstorben ist. Die Aussagen der Zeugen sprechen dafür, das Yvonne Mewes in dieses Lager Ravensbrück geschickt worden ist, um es nie wieder lebend zu verlassen.“51

Walter Behne war zu diesem Zeitpunkt nach Serbien ausgeliefert worden, um sich einem Kriegsverbrecher-Prozess zu stellen, bei dem er schuldig gesprochen und anschließend hingerichtet worden war.52

Insofern richteten sich die Klage und die Ermittlungen im Weiteren gegen die Vorgesetzten Behnes, Schrewe und von Wedel.

Inspiratoren für die Klage der VVN waren Yvonne Mewes Schwester Dorothea und deren Sohn Harry Mewes, der Neffe des Opfers. Ein ausführlicher Bericht von Harry Mewes wurde auszugsweise zitiert und bildete die Grundlage für die Strafanzeige.53

Es hätte gegen die antinazistische Yvonne Mewes, die in Hamburg ausgebombt worden war und bei ihrer Schwester in Passau Unterkunft und dort auch an dem Knaben-Gymnasium eine Beschäftigung gefunden hatte, ein Exempel statuiert werden sollen. Sie wäre zur Rückkehr gezwungen worden, obwohl „es in Hamburg für Yvonne Mewes keine Wohnmöglichkeit und keine wirkliche Arbeitsaufgabe gegeben hätte. Als sie sich weigerte, geriet sie auf Initiative der Schulverwaltung in die Fänge der Gestapo und in das KZ Ravensbrück“, wo sie am 6.1.1945 „zu Tode kam“.

Die VVN hatte der Strafanzeige Erklärungen von Mitgefangenen bei der Gestapo und im Konzentrationslager Fuhlsbüttel (Kolafu) und im KZ Ravensbrück beigelegt. So schilderte ihre Mitgefangene Minna Lieberam am 6.5.1947 die letzten Wochen von Yvonne Mewes:

„Nachdem sie acht Wochen im Kolafu war, wurde sie dem Untersuchungsrichter vorgeführt, der ihr mitteilte, dass sie aufgrund einer Anzeige wegen Arbeitsverweigerung in Haft genommen worden sei. Er selbst sehe die acht Wochen als eine hinreichende Bestrafung an, im übrigen hätte sie ja nicht eine direkte Arbeitsverweigerung begangen, sondern, da sie sofort in einem anderen Arbeitsverhältnis stand, müsse man dieses berücksichtigen. Er persönlich müsste sie freisprechen und entlassen, müsste ihr aber sagen, dass sie dann von der Gestapo wieder geholt werden würde, da diesbezüglich ein neuer Haftbefehl vorläge. Nach dieser Angelegenheit konnte man annehmen, dass sie bald entlassen werden würde. Ich machte sie darauf aufmerksam, dass sie vor ihrer Entlassung sicher noch einmal eine Vernehmung bei der Gestapo haben wird, und sie müsse sich darauf vorbereiten, dass sie den vernehmenden Beamten durch ihre verkehrten Aussagen nicht reizen dürfe, da diese das Recht hatten, die Entlassung durchzuführen oder die Haft zu verlängern. Yvonne gehörte keiner politischen Organisation an, doch hatte sie einen sehr geraden, aufrichtigen Charakter, der den Nationalsozialismus ablehnte, und es wäre ihr sehr schwer gefallen, die Ablehnung gegen das Naziregime zu verbergen.

Mitte Dezember wurde Yvonne dann zur Vernehmung vorgeführt. Ich hatte sie nochmals gehörig verwarnt, dass sie sich auf jeden Fall irgend welcher Äußerungen enthalte, und alles versuchen solle, was der Entlassung dienen könnte. Als sie zurückkehrte, erzählte sie, dass ihre Vernehmung ungünstig verlaufen sei und man ihr gesagt habe, sie käme nach Ravensbrück. Nach ungefähr 14 Tagen wurde sie zur ärztlichen Untersuchung vorgeführt und der Arzt erklärte sie als transportfähig. Am anderen Tag nach der Untersuchung wurde morgens die Zellentür geöffnet und einer der SS-Wachmannschaften brachte den Transportbefehl. Die Zellentür schloss die Wachtmeisterin Borgemehm auf, und indem sie auf Yvonne wies, sagte sie, ‚das ist die Mewes‘. Es fiel mir auf, dass selbst dieser Wachmann die Yvonne mit einem mitleidsvollen Blick ansah. Die Wachtmeisterin trieb Yvonne zur Eile an und auf ihre Bitte, nur noch die Toilettensachen einpacken zu dürfen, herrschte sie Yvonne an: ‚Wo Sie hinkommen, brauchen Sie nichts mehr.‘ Trotz der Dunkelheit wurde auch kein Licht gemacht und Yvonne war so überrumpelt durch den barschen Ton, dass sie nicht in der Lage war, ihre Sachen mit einem Griff mitzunehmen und verschiedenes in der Zelle zurückliess. Sie wurde nach unten in den Flur gebracht und musste dort auf den Abtransport warten. Die Kalfaktorin, – eine gewisse Anni – bat die Borgemehm nochmals, die zurückgebliebenen Sachen der Yvonne herunterholen zu dürfen (es handelte sich um das Weihnachtspäckchen von ihrem Neffen und ihr Nähzeug). Die Borgemehm sagte zum zweiten Mal: ‚Wo sie hinkommt braucht sie gar nichts mehr, kein Kuchen und kein Nähzeug.‘

Nach ihrem Abtransport fragte ich die Wachtmeisterin Frau Rathmann, die mir als angenehme Frau aufgefallen war, und die auch die Yvonne Mewes gut behandelt hatte, ob sie nicht in der Lage wäre, festzustellen, wo Yvonne geblieben sei. Nach ungefähr einer Woche kam Frau Rathmann mit der Nachricht, dass die Angehörigen der Yvonne Bescheid bekommen hätten, Yvonne wäre einem Herzschlag erlegen.“54

Inzwischen hatten die Oberstaatsanwaltschaft und die Polizeidienststelle des Spec. Departments 1 Ermittlungen aufgenommen. Die Schwester von Yvonne Mewes, Gertrud Marquardt, geborene Mewes, schilderte die Begegnung, die Yvonne Mewes am 20.1.1944 hatte, als sie am letzten Tag des von Wedel gesetzten Ultimatums für eine Rückkehr von Passau nach Hamburg gekommen war: „Von Wedel stellte ihr eine Frist, ihr Entlassungsgesuch zu korrigieren und schrie sie an, daß sie stark sabotageverdächtig sei und sich die weiteren Entwicklung selbst zuzuschreiben habe. Meine Schwester nahm von dem Angebot der Frist keinen Gebrauch, sondern sagte ihm, daß sie nach wie vor auf ihre Entlassung bestehe. Das Strafverfahren wurde jetzt gegen meine Schwester eingeleitet und sie wurde von Seiten der Behörde dazu verpflichtet, während der Dauer des Verfahrens sich den Anordnungen der NSV zu unterwerfen, die dann ihren Einsatz in einer Nähstube verfügte. Am 7.9.1944 wurde dann meine Schwester auf Anordnung des damaligen Reichsstatthalters verhaftet und dem Kolafu zugeführt.“55

 

Auch der gesamte Briefwechsel von Yvonne Mewes mit der Schulverwaltung ist erhalten geblieben und von ihrem Neffen Harry Mewes für das Ermittlungsverfahren zur Verfügung gestellt worden. Er belegt noch einmal, wie leicht es gewesen wäre, die ausgebombte Yvonne Mewes in Passau leben und arbeiten zu lassen. So hatte OSR Karl Züge ihr am 20.12.1943 nach Passau geschrieben: „Sehr geehrte Frau Mewes! Ihren Brief betrachte ich als ein Privatschreiben, da, wenn ich ihn aktenmäßig behandeln würde, Sie zweifellos in eine schwierige Lage geraten würden. Ihre in Ihrem Schreiben zum Ausdruck gebrachten Vorwürfe sind schief gesehen und entsprechen durchaus nicht den Tatsachen. Ob Sie nach Passau abgeordnet werden können, ist eine noch durchaus offene Frage und liegt im Bereich der Möglichkeit. So, wie Sie sich den Weg denken, geht es allerdings nicht, denn Sie sind Hamburger Beamtin und bleiben es auch in Zukunft. Da Sie von Herrn Oberschulrat Dr. Behne schriftlich aufgefordert wurden, nach Hamburg zu kommen, kann ich Ihnen diesen Weg nicht ersparen. In Ihrem eigenen Interesse halte ich es für das Beste, wenn Sie während der Ferien (die Schule beginnt wieder am 10.1.1944) in Hamburg vorsprechen, um Ihre Angelegenheit zu regeln und Klarheit zu schaffen. Heil Hitler! gez. Züge“56

Hasso von Wedel schrieb über Walter Behne: „Für Dr. Behne war Fräulein Mewes eine Art rotes Tuch. Ob dabei die politische Einstellung von Fräulein Mewes und ihre fehlende Parteimitgliedschaft eine entscheidende Rolle spielte, kann ich nicht sagen. Prof. Schrewe oder mir gegenüber hat Dr. Behne politische Gründe im Falle Mewes jedenfalls nicht hervorgehoben. Dr. Behne war sehr empfindlich und reizbar. Obwohl er alter Kämpfer war, hatte er in der Schulverwaltung die führende Rolle nie erlangen können, die sein Ehrgeiz erstrebte. Im Stillen empfand er wohl selbst, dass er seiner Stellung nicht gewachsen war, weil er auch ihr gegenüber, wie so oft, sich nicht durchsetzen konnte.“57

Auch Karl Kaufmann wurde während seiner Internierungszeit in Vorbereitung des Verfahrens gegen ihn vor dem Spruchgericht Bielefeld am 6.5.1948 vernommen und erklärte:

„Ich nehme an, dass von Wedel alle Disziplinar- und Rechtsfragen in der Schulverwaltung bearbeitet hat. Meine Dienststrafgewalt beschränkte sich ausschließlich auf Disziplinarmaßnahmen wie sie in den entsprechenden Vorschriften vorgesehen waren. Es ist vollkommen ausgeschlossen, dass ich in dem vorliegenden Falle weitergehende Maßnahmen gegen die Studienrätin Mewes verfügt habe. Falls solche veranlasst worden sein sollten, nehme ich an, dass dies in direkter Zusammenarbeit zwischen Schulverwaltung und der Justiz oder Staatspolizei geschehen ist. Im übrigen habe ich in den zwölf Jahren meiner Tätigkeit als Reichsstatthalter weder Deutsche noch Juden noch Ausländer zur Einweisung in ein KZ zur Meldung gebracht. In zahlreichen Fällen habe ich Personen vor dieser Einweisung in ein Konzentrationslager bewahrt und in zahlreichen anderen Fällen durch meine Intervention die Freilassung erwirkt, in anderen Fällen ist mir dies trotz meiner Bemühungen nicht gelungen. Es ist durchaus möglich, dass ich auch im Falle der Studienrätin Mewes mich nach Vortrag von Prof. Schrewe für die Freilassung der Studienrätin eingesetzt habe wie dies, wie gesagt, in vielen anderen Fällen geschehen ist.“58

Der ehemalige Reichsstatthalter und NSDAP-Gauleiter Kaufmann, der sich im Internierungslager Staumühle befand, sich auf eigene Prozesse vorbereitend, die dann nie stattfanden, versuchte sich bei der geschilderten Vernehmung in der Pose des Unschuldigen. Frank Bajohr war in seiner Biografie von Karl Kaufmann zu ganz anderen Ergebnissen gekommen:

„Auch die Einrichtung des berüchtigten Konzentrationslagers Fuhlsbüttel, ‚Kolafu‘ genannt, betrieb Kaufmann Ende 1933 am Polizeisenator vorbei, da ihm die Behandlung der politischen Häftlinge im Hamburger KZ Wittmoor als ,zu lasch‘ erschien. Kaufmann vertuschte die unmenschliche Behandlung der Inhaftierten in Kolafu, indem er darauf drängte, die Leichen zu Tode geprügelter Häftlinge unter Umgehung der rechtlich vorgesehenen Obduktion sofort einzuäschern. Seine Haltung zu den Gefangenenmißhandlungen offenbarte sich exemplarisch in einer Szene, die sich anlässlich eines Besuchs in Kolafu ereignete. Ein zuvor brutal mißhandelter jüdischer Häftling hatte sich ihm blutüberströmt zu Füßen geworfen und flehte um Gnade vor weiteren Mißhandlungen. Kein Wort der Mäßigung an die Adresse der Wachmannschaften kam über Kaufmanns Lippen, stattdessen nur ein: ‚Schafft mir den Kerl aus den Augen!‘“59

Die einfachste Erklärung für die Hartnäckigkeit, mit der Yvonne Mewes behandelt wurde, sicherlich nicht mit der Absicht und dem Ziel, sie sterben zu lassen, trifft wohl die Aussage von Fritz Köhne vor Gericht: „Schulrat Köhne erklärte, daß von Wedel sich in der Schulverwaltung wie ein Frontoffizier benommen und Arbeitsverweigerung als Fahnenflucht angesehen habe“.60

Während der Beweisaufnahme der Staatsanwaltschaft war davon schon vieles zu Tage getreten. So hatte der Regierungsinspektor in der Schulbehörde, Wilhelm Kunstmann, der seit 1936 in der Personalabteilung gearbeitet hatte, am 26.4.1949 erklärt: „Über die Persönlichkeit des Beschuldigten von Wedel kann ich folgendes sagen: Er machte den Eindruck, als sei er ein eifriger Anhänger des Nazi-Regimes. Ich dachte sogar, dass er SS-Mitglied sei. Im übrigen war er mir gegenüber durchaus höflich und freundlich, wenn auch nicht gerade sehr zugänglich.“ Und zum Fall Mewes hatte er mitbekommen: „Eine unserer Schreibkräfte, Frau Martha Huckenbeck, hatte bei von Wedel irgendetwas zu schreiben gehabt. Als sie aus seinem Zimmer herauskam, war sie sichtlich erregt und weinte. Sie erzählte mir, dass sie gerade in der Angelegenheit Mewes mit angehört habe, wie der Beschuldigte von Wedel hierüber mit der Gestapo telefoniert habe. Soweit ich mich heute erinnere, erzählte mir Frau Huckenbeck damals, dass von Wedel in diesem Telefongespräch die Herbeiführung einer KZ-Haft gegen Yvonne Mewes mit der Gestapo besprochen habe.“61

Die erwähnte Schreibkraft, Martha Huckenbeck, wurde einige Tage später ver-
nommen und erklärte am 6.5.1949, dass sie im Jahre 1944 „Stenotypistin in der Abteilung war, welche Disziplinarverfahren bearbeitete“. Zum Fall Yvonne Mewes erinnerte sie:

„Als die Studienassessorin Yvonne Mewes seinerzeit nach ihrer Ausbombung nach Passau übergesiedelt und in den dortigen Schuldienst getreten war, wurde sie auf Veranlassung des von Wedel mehrfach zur Rückkehr nach Hamburg aufgefordert. Sie weigerte sich damals, zurückzukehren, weil sie dort unten bei Verwandten Aufnahme gefunden und hier in Hamburg keine Wohnung mehr hatte und außerdem bereits im Passauer Schuldienst wieder beschäftigt war. Oberregierungsrat Edens redete dem Beschuldigten von Wedel noch zu, von einer Zurückberufung der Mewes Abstand zu nehmen. Er sagte hierbei etwa: ‚Lassen Sie sie doch da unten. Was soll sie denn hier, wo sie niemanden hat.‘ Aber von Wedel ließ sich nicht erweichen; er bestand darauf, dass sie zurückzukehren habe. Damals war sowieso eine Anzahl von Hamburger Lehrkräften nach anderen Teilen Deutschlands umgesiedelt und hatte dort auch anderweitige Arbeit angenommen. Diese wurden meines Wissens im Gegensatz zur Mewes nicht zur Rückkehr nach Hamburg aufgefordert. Jedenfalls ist mir der Fall Mewes als der einzige bekannt, in welchem man so hartnäckig auf der Rückkehr bestanden hat. Als die Mewes nach Hamburg zurückgekehrt war und nach ihrem Einsatz in der Kinderlandverschickung ihren Dienst aufgekündigt hatte, war ich Ohrenzeugin, wie von Wedel in dieser Angelegenheit ein Telefongespräch führte, meines Wissens mit dem Arbeitsamt. Er sagte, man solle die Mewes mit Aufräumung beschäftigen. Sollte sie wider Erwarten diese Beschäftigung auf sich nehmen, so solle man sie trotzdem noch in ein Arbeitserziehungslager verbringen. Mir ging damals diese harte Behandlung der Mewes sehr nahe. Dieser scharfe Ton in der Behandlung von Angehörigen unserer Behörde war vorher niemals üblich gewesen. Mit von Wedel – wie es bei der Behörde hieß, war er der Schulverwaltung auf Veranlassung des Reichsstatthalters Kaufmann zugeteilt worden – zog bei uns ein ,scharfer Wind‘ ein. Ich hatte den Eindruck, dass es dem Beschuldigten von Wedel in der Angelegenheit Mewes nur darum zu tun war, ihren Willen zu brechen, weil sie sich ihm widersetzt hatte. Es mag hinzugekommen sein, dass die Mewes keineswegs Nationalsozialistin war und deswegen, wie man so zu sagen pflegt, ‚keine gute Nummer‘ bei den infrage kommenden Vorgesetzten hatte. Insbesondere der damalige Oberschulrat Dr. Behne war ja ein fanatischer Nationalsozialist.“62

Und auch im Fall des Gewerbeoberlehrers Gustav Holler, der im Lehrerzimmer der Gewerbeschule 9 defätistische Aussagen gemacht hatte und deswegen von seinem Lehrerkollegen Martin Heuer denunziert worden war, führte von Wedel eine scharfe Vernehmung durch. Die Stenotypistin Huckenbeck beschrieb diese so: „von Wedel vernahm erst Heuer und dann Holler. Der Letztere bestritt. Von Wedel schrie ihn im Schnauzton an: ‚Seien Sie nicht so feige und bekennen Sie, was Sie gesagt haben!‘ (sinngemäß). Nachdem Holler wieder draußen war sagte von Wedel: ‚Den Burschen werden wir schon kriegen.‘ Holler war damals 57 Jahre, von Wedel ca. 35 Jahre alt. Nachdem offenbar die Staatsanwaltschaft zum Einschreiten gegen Holler keinen genügenden Grund gesehen hatte, telefonierte von Wedel mit der Gestapo und bat darum, dass gegen Holler die Schutzhaft verhängt werde. Das habe ich selbst mit angehört. Daran kann ich mich noch mit Sicherheit entsinnen, wenn mir auch die sonstigen einzelnen Begleitumstände nicht mehr genau gegenwärtig sind. Ein Gerichtsverfahren und eine Verurteilung des Holler hat nicht stattgefunden. Er wurde vielmehr ins KZ Neuengamme verbracht. Dort habe ich ihn später mit dem Regierungsrat Carlsson aufsuchen wollen, da er von Letzterem in dem gleichzeitig laufenden Disziplinarverfahren vernommen werden sollte. Es wurde uns jedoch in Neuengamme erklärt, Holler sei an Magen- und Darmkatarrh erkrankt und liege im Revier, in das wir nicht hineingelassen werden dürften. Ich sagte damals schon zu Herrn Carlsson: ‚Den haben sie hier totgeschlagen.‘ Tatsächlich wurde ungefähr zwei Tage später bekannt, dass Holler in Neuengamme verstorben sei.“63

Regierungsrat Arthur Carlsson, der in der Abteilung von Wedels arbeitete und somit mit Disziplinarverfahren befasst war, beschrieb die Art, wie Hasso von Wedel Ermittlungen führte, „dass von Wedel eine etwas schärfere Umgangsart an sich hatte, als die übrigen Kollegen. Man kann vielleicht sagen, dass er eine etwas inquisitorische Art der Befragung in solchen Fällen hatte.“64

Und Henry Edens, langjähriger Vorgänger von Wedels in der Schulverwaltung, ehemaliger Oberregierungsrat, zuständig für beamtenrechtliche Fragen, erklärte den Einsatz von Ernst Schrewe und Hasso von Wedel in der Schulverwaltung durch den Reichsstatthalter 1943: „Kaufmann soll diese beiden der Schulverwaltung zugeteilt haben, damit dort ‚Ordnung geschaffen werde‘. Der Dienstbetrieb bei der Schulverwaltung verlief nämlich in sehr loyaler, wohlwollender und menschlicher Form. Kaufmann wollte wahrscheinlich einen etwas strammeren Betrieb herbeiführen, insbesondere im Sinne der nationalsozialistischen Zielsetzung auf dem Gebiete der Schulpolitik. Diesem Zwecke entsprachen die Persönlichkeiten der Beiden. Schrewe war durchaus ein Repräsentant des Nationalsozialismus, wenn auch in seinem persönlichen Auftreten ein durchaus umgänglicher und wohlwollender Mensch. Von Wedel war sehr ehrgeizig, und man muss ihn wohl als unbedingt zuverlässig im Sinne der nationalsozialistischen Bestrebungen ansehen. Er war zumindest nach seinem Auftreten 100%iger Vertreter dieser Richtung. Im Gegensatz zu den bisher üblichen Gepflogenheiten in der Schulverwaltung zeigte er eine betonte Schärfe in der Behandlung von Personal- und Dienststrafangelegenheiten und bei der Verfolgung von irgendwelchen Ordnungswidrigkeiten, die nicht mit den Wünschen der Partei in Einklang zu bringen waren.“65

Zum Fall Mewes erklärte Henry Edens: „Mir ist bekannt, dass Fräulein Mewes seinerzeit die Rückkehr von Passau nach Hamburg verweigerte und dass sie wiederholt zur Rückkehr aufgefordert worden war. Ich sprach in dieser Angelegenheit einmal mit dem damaligen Oberschulrat Behne: ‚Lassen Sie doch Fräulein Mewes da unten. Wir brauchen sie ja auch nicht, weil wir ja ohnehin überzählige Lehrkräfte jetzt haben.‘ Damals waren nämlich infolge der Kriegsverhältnisse, insbesondere der Bombenangriffe, viele Hamburger Schulen stillgelegt, sodass das Lehrpersonal an andere Verwaltungszweige, zum Beispiel an die Wirtschaftsämter, abgegeben werden musste zum andersweitigen Einsatz. Es ist durchaus möglich dass ich in demselben Sinne auch mit von Wedel über die Sache gesprochen habe.“66

Dass an Yvonne Mewes ein Exempel statuiert werden sollte, wurde auch durch die Vernehmung des Gaubeauftragten für die Kinderlandverschickung, Heinrich Sahrhage, deutlich, der explizit erklärte: „Wenn ich rechtzeitig von dem Wunsch der Mewes, in Bayern zu bleiben, gehört hätte, so würde ich es sicher erwirkt haben, dass sie in Bayern hätte bleiben können, und zwar in folgender Weise: Hamburg hatte sehr viele Schulkinder in Bayern infolge der Evakuierungen. Es handelte sich hierbei nicht nur um Schulkinder der KLV, sondern auch um solche, die mit ihren Eltern nach Bayern umgesiedelt waren oder bei dortigen Verwandten auf privatem Wege Aufnahme gefunden hatten. Da alle diese Hamburger Kinder, wie auch die aus anderen Teilen Deutschlands dorthin evakuierten, die bayerischen Schulen besuchten, verlangte die bayerische Schulverwaltung die Abordnung von Lehrpersonal aus den betreffenden Gebieten, um die einheimischen Lehrer zu entlasten. Hamburg hatte deshalb Hamburger Lehrer in den bayerischen Schuldienst abgeordnet. Diese Lehrkräfte unterrichteten also nicht etwa in geschlossenen Hamburger KLV-Lagern, sondern in den verschiedenen bayerischen Schulen, in denen sich Hamburger Kinder befanden. Ich hätte in Zusammenhang hiermit sicherlich dem Fräulein Mewes dazu verhelfen können, ebenfalls in dieser Weise in eine bayerische Schule abgeordnet zu werden. Übrigens bekamen diese Hamburger Lehrkräfte an den bayerischen Schulen nach wie vor ihr Gehalt von Hamburg zuzüglich einer Zulage.“67

Dass die Übergabe von Disziplinarverfahren an die Gestapo ein unabsehbares Risiko bedeutete, wurde auch durch Aussagen des ebenfalls vernommenen Ernst Schrewe deutlich:

„Insbesondere lehnte ich die Institution der Gestapo ab. Wenn man auch genauere Einzelheiten über ihre Tätigkeit als Außenstehender kaum erfuhr, so war mir doch immerhin klar, dass sie keineswegs mit einer normalen Polizei gleichgestellt werden konnte. Während die Maßnahmen einer normalen Polizei anhand der Gesetze bis zu einem erheblichen Grad voraussehbar und vorausberechenbar sind, war dies bei den Maßnahmen der Gestapo nicht der Fall. Man konnte nie voraussehen, wie es jemandem erging, der in ihre Hände geriet. Das hing weitgehend von Zufall und Willkür ab. Es konnte gut gehen, es konnte aber auch ein schlimmes Ende für den Betroffenen nehmen.“68

Umso verwunderlicher, dass Schrewe die von Hasso von Wedel vorgelegten Schreiben unterzeichnete, ohne sie vorher zu lesen, ebenso nicht die Antwort des Reichsstatthalters, der gerade die Einbeziehung der Gestapo vorsah.69

Im mehrwöchigen Prozess vor dem Landgericht Hamburg gegen Hasso von Wedel und Ernst Schrewe kam es zu weiteren Zeugenaussagen über von Wedel, die von den anwesenden Journalisten notiert und weitergegeben wurden. So hatte Henry Edens vor Gericht erklärt: „Nach meinem Empfinden war Wedel autokratisch, diktatorisch oder wie man es sonst nennen will.“70

Heinrich Sahrhage hatte ausgesagt, „daß viele Schulbeamte Wedel wegen seines schroffen Tones fürchteten und es Heulen und Zähneklappern gegeben habe, wenn sie zu ihm mußten.“71

In der „Welt“ wurde am 9.8.1950 von einem anderen, für von Wedel kompromittierenden Details, berichtet. Von Wedel hatte bekanntlich in einem Schreiben an den Reichsstatthalter vom 4.8.1944 vorgeschlagen, Yvonne Mewes wegen Dienstverweigerung gerichtlich zu bestrafen, und falls dies nicht möglich sei, sie der Gestapo zuzuführen. Dieses hatte Ernst Schrewe unterzeichnet. Die „Welt“ beschrieb den weiteren Ablauf:

„Fräulein Mewes war inzwischen von der Gestapo vernommen und ins KZ Fuhlsbüttel gebracht worden. Von dort wurde sie ins Untersuchungsgefängnis eingeliefert und dem Haftrichter vorgeführt. Auf dessen Ersuchen sandte die Staatsanwaltschaft die Akte dem Reichstreuhänder der Arbeit. Dieser entschied, daß kein Arbeitsvertragsbruch vorliege, da Fräulein Mewes in einem Treueverhältnis gestanden habe. Ein öffentliches Interesse an der Verfolgung des Falles liege nicht vor. Das Gericht verfügte die sofortige Haftentlassung Fräulein Mewes. Der Akte lag aber der damals gefürchtete rote Zettel bei, auf dem stand: ‚Rückführung gesichert‘. Das hieß, daß der Häftling nach der gerichtlichen Entlassung der Gestapo zugeführt werden mußte. Dr. von Wedel erklärte, er habe die Bedeutung des roten Zettels nicht gekannt. Der Vorsitzende, erstaunt über diese Antwort: ‚Aber sie waren doch Justizjurist.‘“72

Von Wedel hatte vor Gericht erklärt: „Es wäre unerträglich gewesen, diesen Fall ungeahndet zu lassen. Das wäre ein Signal für andere Lehrer gewesen, die den Schulunterricht nicht mehr gern verrichteten.“73

Auch andere Zeugenaussagen hatten Hasso von Wedel in seiner Art des Auftretens in einem ungünstigen Licht erscheinen lassen. Erna Stahl, nach 1945 Schulleiterin der Mädchenoberschule Alstertal, war 1943 bis Kriegsende als „an Vorbereitung zum Hochverrat“ Verdächtige Untersuchungsgefangene im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel und in mehreren Zuchthäusern gewesen. Nur das Ende der NS-Herrschaft bewahrte sie vor einem Todesurteil. Sie sagte in dem Prozess über ihre Erfahrungen mit Hasso von Wedel aus: „Bei einer Vernehmung durch Gestapobeamte in der Schulbehörde war Dr. von Wedel zugegen und habe sie mit ‚unsagbarer Verachtung‘ angesehen. Als der Gestapobeamte mit seiner sehr scharfen Vernehmung fertig war, habe er zu Dr. von Wedel gesagt: ‚Haben Sie nun genug von diesem Frauenzimmer?‘ Dr. von Wedel habe darauf erwidert: ‚Übergenug, raus!‘ Bei ihrer ersten Vernehmung sei Gauleiter Kaufmann zugegen gewesen, der ihr am Schluss androhte, er werde sie ‚ausrotten‘.“74

Wie schwierig der Prozess für Mitarbeiter der Schulbehörde war, zu im Ermittlungsverfahren gemachten Aussagen auch vor Gericht mit großer Öffentlichkeit zu stehen, zeigte das Beispiel der Stenotypistin Martha Huckenbeck, die ihren ehemaligen Vorgesetzten von Wedel mit ihren Aussagen schwer belastet hatte. Sie hätte vor Gericht „einen recht unsicheren Eindruck“ gemacht und „sich an vieles nicht mehr erinnern“ können. „Im Ermittlungsverfahren hatte die Zeugin behauptet, von Wedel habe in diesem Gespräch die Gestapo ersucht, Holler in Haft zu nehmen. Mit Tränen in den Augen blieb die Zeugin schließlich aber doch bei ihrer früheren Aussage, nach der von Wedel ihr nach der Vernehmung Hollers geäußert haben soll ‚den Burschen (Holler) werden wir schon kriegen‘.“75

Die „Welt“ schrieb am 11.8.1950: „Von mehreren Zeugen, die mit Dr. von Wedel dienstlich zu tun hatten, wurde dieser als ein forscher junger Beamter geschildert, der im schroffen Offizierston mit seinen Untergebenen verkehrte, manche Lehrer hätten Angst vor ihm gehabt. Dr. von Wedel habe die Meinung vertreten, daß jeder in der Heimat wie ein Soldat auf seinem Posten zu bleiben habe. Wer anders handelte, wurde von ihm als Fahnenflüchtiger angesehen.“76

Das „Hamburger Echo“, das immer etwas pointierter berichtete, gab auch eine Aussage von Hasso von Wedel im Fall Holler wieder:

„Im Falle Holler trifft von Wedel allein die Verantwortung. Als der Gewerbeoberlehrer Holler kritische Bemerkungen zur militärischen Lage – im Lehrerzimmer arglos hineingeworfen – zur Kenntnis der Behörde gekommen waren, führte von Wedel schneidige Vernehmungen durch und empfahl Holler der Gestapo, damit er im KZ ein bisschen ‚aufgemöbelt würde‘“.77

In der Biografie Schrewe ist über den Prozess aus Sicht des Gerichtes schon ausführlich berichtet worden. Beide Angeklagten waren freigesprochen worden. Bei Schrewe hatte auch die Staatsanwaltschaft für Freispruch plädiert, bei von Wedel zwei Jahre Gefängnis gefordert. Dieser hätte sich mit dem von Schrewe unterzeichneten Schreiben an Reichsstatthalter Kaufmann schuldig gemacht. „Dr. von Wedel könne nicht damit gehört werden, fuhr der Staatsanwalt fort, daß er den Unterschied zwischen einer normalen Polizei und der Gestapo nicht gekannt habe. In zahllosen Reden und Veröffentlichungen seien alle Staatsfeinde ständig mit Ausrottung und Ausmerzung bedroht worden. Diese Dinge hätten Dr. von Wedel unmöglich verborgen bleiben können. In seinem Brief an die Gestapo habe er Fräulein Mewes als eine Frau geschildert, die durch den Treueeid an den Führer gebunden sei, sich aber nicht in die Gemeinschaft einordnen wolle. Diese Sätze hätten auf alle Repräsentanten des NS-Regimes wie ein rotes Tuch wirken müssen. Die Behauptung, er habe Fräulein Mewes auf begrenzte Zeit in ein Arbeitslager bringen wollen, habe Dr. von Wedel auch erst sehr spät vorgebracht. In seinem Brief habe klar KZ gestanden. Der Fall des Gewerbeoberlehrers Holler, sagte der Staatsanwalt, liege ähnlich wie der der Studienassessorin. Auch hier habe Dr. von Wedel für die Verhaftung des Lehrers gesorgt, der nur einige defätistische Äußerung getan habe und dafür im KZ Neuengamme ums Leben gekommen sei.“78

Die Freisprüche waren zusammenfassend vom Gericht so begründet worden: „Nach allem waren beide Angeklagten im Falle Mewes in vollem Umfang freizusprechen, und zwar, wie bereits dargelegt, mangels Beweises, weil nicht festgestellt werden konnte, dass die Angeklagten Fräulein Mewes aus politischen Gründen verfolgt haben. Dies erscheint nach den Erwägungen der Beweiswürdigung zwar in hohem Maße unwahrscheinlich. Nach Sachlage – Wortlaut des Schreibens vom 4. August 1944, Unterschrift des Angeklagten Schrewe unter diesem Schreiben und dem vom 29. August 1944 – bleiben jedoch gewisse Zweifel bestehen, so dass ein Freispruch mangels Tatverdachts nicht erfolgen konnte.“79

Die Persönlichkeiten der Angeklagten wären ausführlich gewürdigt worden: „Wie bei allen Prozessen wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit, fuhr der Vorsitzende fort, habe auch hier die Beurteilung der Persönlichkeiten der Angeklagten einen breiten Raum in der Verhandlung eingenommen. Bei Prof. Schrewe und Dr. von Wedel handle es sich um hochqualifizierte wissenschaftliche Beamte, die sich bemüht hätten, den Einfluss der NS-Partei und der HJ aus dem Schulwesen fernzuhalten. Beide seien nach zahlreichen Zeugenaussagen loyal in der Führung ihres Amtes gewesen und hätten politisch Verfolgten geholfen. Prof. Schrewe habe damals eine Zivilcourage gezeigt, wie man sie heute nur selten antreffe“, hatte der Vorsitzende Richter, Fritz Valentin, ausgeführt.80

Und über von Wedel hatte Richter Valentin festgestellt: „Das Bild des Angeklagten Dr. von Wedel sei, so führte Landesgerichtsdirektor Valentin weiter aus, durch die Prozessberichterstattung in einem Teil der Hamburger Presse verzerrt wiedergegeben worden. Das Schwurgericht sei es dem Angeklagten schuldig, dieses Bild in aller Öffentlichkeit richtig zu stellen. ‚Wir haben‘, so sagte der Vorsitzende wörtlich, ‚in der Beweisaufnahme mit aller Deutlichkeit gehört, daß das Wirken des Angeklagten von Wedel in der Hamburger Schulverwaltung sich im gleichen Sinne abgespielt hat wie das des Angeklagten Prof. Dr. Schrewe.‘ Es sei festgestellt worden, daß von Wedel in Disziplinarverfahren gegen Lehrkräfte oft milde aufgetreten sei und daß er auch rassisch und politisch verfolgten Lehrern geholfen habe.“81

Dies war sicherlich die Interpretation einiger Zeugenaussagen, wobei es für von Wedel eine positive Ausstrahlung hatte, dass insbesondere Ernst Schrewe so geschildert worden war und es auch Beispiele gab, in denen Hasso von Wedel bei „ungerechtem Verhalten“ von NS-Verwaltungsbeamten korrigierend eingegriffen hatte. Die Schroffheiten, das Kurzangebundene, Schneidige in von Wedels Kommunikation wurde mit seiner persönlichen Situation erklärt, er hätte noch darunter zu leiden gehabt, mit allen Folgen der Beinamputation zurechtzukommen. Und letztlich: „Daß er nur an eine zeitliche Haft gedacht habe, gehe daraus hervor, daß er und Prof. Dr. Schrewe sich beim damaligen Reichsstatthalter energisch um die Freilassung aus der Gewalt der Gestapo bemüht hätten. Das Gericht habe daher den übergesetzlichen Notstand bei Dr. von Wedel bejaht.“82

Gegen das Urteil im Fall Hasso von Wedel hatte die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Der Bundesgerichtshof hob den Freispruch Ende 1952 auf. Im Juni 1953 befasste sich erneut das Hamburger Schwurgericht mit dem Fall. Staatsanwalt Dr. Gerhard Koch, der schon die Ermittlungen in der ersten Instanz geführt hatte, fungierte erneut als Staatsanwalt. Das Gericht war dieses Mal mehrheitlich mit Frauen besetzt, darunter drei Schöffinnen, den Vorsitz führte Landgerichtsdirektor Hallbauer.83

Hasso von Wedel wurde in der zweiten Instanz zu acht Monaten Gefängnis wegen Freiheitsberaubung im Amte mit Todesfolge verurteilt.

„Durch sein Schreiben an den Reichsstatthalter habe von Wedel den Tod der Studienassessorin Yvonne Mewes im KZ-Lager Ravensbrück veranlasst, erklärte der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Hallbauer, in seiner klaren, eindrucksvollen Urteilsbegründung. ‚Es liegt hier ein Fall echter Tragik im ursprünglichen antiken Sinne vor. Zwei Weltanschauungen stießen zusammen, auf der einen Seite individualistischer Freiheitsdrang, auf der anderen die Forderung nach bedingungsloser Pflichterfüllung. Diese Gegensätze wurden vertreten von zwei hochbegabten starren Persönlichkeiten, deren Zusammenprall zur Katastrophe führen musste. Der Angeklagte sollte erleichtert sein, daß dieses Urteil seinen Willen zur inneren Sühne, an dem das Gericht nicht zweifelt, seine Prägung gibt.‘

Von Wedel könne im Fall Mewes auch nicht den Schutz des übergesetzlichen Notstandes für sich in Anspruch nehmen. Er habe genau gewusst, daß man auch ande-
re, weniger harte Mittel hätte anwenden können, etwa die Überweisung des Falles an ein ordentliches Gericht wegen Arbeitsvertragsbruchs oder den Einsatz von Fräulein Mewes bei der Trümmerbeseitigung. Aber er habe ein Exempel statuieren wollen.“84

Im Fall Holler kam das Gericht zu einem anderen Urteil: „Anders ist es nach Ansicht des Schwurgerichts im Falle des Gewerbeoberlehrers Holler gewesen, der ebenfalls im KZ starb. Man müsse dem Angeklagten glauben, daß er Gefahren für sein eigenes Leben sah, wenn er die Anzeige gegen den Lehrer bei der Gestapo unterließ. Kurz nach dem Hitlerattentat sei gerade der Beamtenadel, dem von Wedel angehörte, der Gestapo verdächtig gewesen. So wurde der Angeklagte in diesem Falle freigesprochen.“85

Staatsanwalt Koch hatte für beide Fälle eine Strafe von 22 Monaten Gefängnis gefordert. Koch hatte festgestellt: „Wenn von Wedel im August 1944 kurz nach dem Hitlerattentat die Studienassessorin der übereifrigen Gestapo übergab, dann mußte er wissen: das Leben dieser Nichtparteigenossin und Individualistin war keinen Pfifferling mehr wert.“86

Schulverwaltungsintern war der Fall von Wedel natürlich seit 1945 beobachtet und kommentiert worden. Der neue Jurist in der Personalabteilung, von Zerssen, hatte die verwaltungsinternen Akten durchgesehen und aufgearbeitet. In einer persönlichen Stellungnahme hatte von Zerssen durchaus ein Wort für Hasso von Wedel eingelegt. Er schrieb: „Daß die Gestapo die Wünsche der Schulverwaltung und sogar des Reichsstatthalters in dieser an sich unpolitischen Angelegenheit einfach unbeachtet lassen würde, hatte er ebenso wenig voraussehen können, wie den Tod der Lehrerin im KZ. Zusammenfassend glaube ich daher, daß von Wedel, so bedenklich sein Verhalten auf den ersten Blick erscheint, bei ruhiger und unvoreingenommener Prüfung aller Umstände des Falles seines Amtes nicht unwürdig ist. Es ist wohl richtig, daß von Wedel, der ein sehr begabter und auf vielen Wissensgebieten weit über Durchschnitt kenntnisreicher Jurist ist, in der Menschenbehandlung nicht immer den richtigen Ton gefunden und daß er von jeher an seine Untergebenen sehr hohe Anforderungen gestellt hat. Er selbst ist aber auch stets ein rastloser Arbeiter und insoweit Vorbild gewesen. Er hat sich im Frieden und im Kriege niemals geschont. Bei seinem Einsatz in vorderster Linie hat er in Russland das rechte Bein eingebüßt. Verliert er jetzt sein Brot, so wird er, der mit Frau und zwei kleinen Kindern allein auf sich gestellt ist – seine Eltern haben den Russeneinbruch nicht überlebt – dem Untergange preisgegeben. Ein Mann, der für Volk und Heimat bedingungslos Leben und Gesundheit eingesetzt hat, darf erwarten, daß diese Heimat nicht nur seine menschlichen Schwächen – wer hätte diese nicht – wertet und seine und seiner Familie Existenz nicht wegen einer einzigen Fehlmaßnahme vernichtet.“87

Hasso von Wedel war nach seiner Entlassung aus dem Dienst im Mai 1945, noch lange vor dem Strafverfahren, in materiellen Schwierigkeiten gewesen. Als er ein Angebot bekam, bei der Firma Wilhelm Edeler in Poppenbüttel als kaufmännischer Angestellter zu arbeiten, hatte er beim Arbeitsamt Hamburg um Genehmigung angefragt: „Mir ist erklärt worden, das Arbeitsamt werde, weil ich zu den aus politischen Gründen Entlassenen gehöre, die Stelle keinesfalls genehmigen. Auch meine Kriegsbeschädigung (Oberschenkelamputation), die körperliche Arbeit für mich unmöglich macht, ändere daran nichts. Diese Maßnahme ist für mich eine ganz außerordentliche Härte, da ich infolge meiner Suspendierung seit acht Monaten ohne Gehalt bin, meine Frau und zwei Kinder zu versorgen habe und weder durch meine Eltern noch durch meine Schwiegereltern irgend welche Unterstützung erhalten kann. Die Stelle, für die ich vorgesehen bin, ist eine untergeordnete kaufmännische Betätigung ohne irgendwelche personellen Führungsaufgaben. Da ich ja auch als Beamter bisher nicht endgültig entlassen bin, verstehe ich umso weniger, dass mir, solange ich sonst kein Einkommen habe, jegliche auch nur untergeordnete Betätigung unmöglich gemacht werden soll. Ich selbst habe mich in der Schulverwaltung nachweislich mit Erfolg dafür eingesetzt, dass Nichtparteigenossen und solche, die aus religiösen Gründen der NSDAP nicht beigetreten waren, als Lehrer verwandt und auch befördert werden durften. Ich kann mir nicht denken, dass ohne jede Prüfung des Einzelfalles nicht einmal in einem Privatbetrieb eine bescheidene Stellung von mir eingenommen werden darf.“88

Der OLG-Vizepräsident und spätere Präsident der Hamburgischen Bürgerschaft, Ruscheweyh, hatte sich für von Wedel verwendet, wie aus weiteren Korrespondenzen hervorgeht.89

In der Personalakte von Wedel ist auch ein Schreiben von Oberschulrat Johannes Schult zu finden, das er an Ruscheweyh am 20.1.1948 richtete, der sich offenbar auch an die Schulbehörde gewandt hatte. Schult schrieb: „In der Schulbehörde war bis 1945 der ehemalige Landgerichtsdirektor Dr. von Wedel als Verwaltungsjurist tätig. Er ist dann als politisch stark belastet aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden und betätigt sich seitdem kaufmännisch. Hier ist er wegen einer Straf- und Disziplinarsache gegen einen Gewerbeoberlehrer Holler vernommen worden, der auf seine Veranlassung Ende 1944 wegen Verdachts des Hochverrats in Untersuchungshaft genommen und später ins Konzentrationslager Neuengamme überführt worden war und hier Anfang 1945 gestorben ist. Herr Dr. von Wedel wurde vom Beratenden Ausschuss als Zeuge vernommen. Außer diesem Fall liegt noch eine Vermutung über Drohungen vor, die er gegen einen Mitbewohner seines Hauses geäußert haben soll; der Bedrohte soll Selbstmord verübt haben. Ich teile dieses mit, damit der Fall nachgeprüft werden kann, wenn Dr. von Wedel sich um eine Wiedereinstellung in den Staatsdienst bemühen sollte. Eine Beschuldigung des Dr. von Wedel soll von mir nicht ausgesprochen werden, da keineswegs genau feststeht, welche Rolle er in den beiden genannten Fällen gespielt hat. Meine Mitteilung soll nur verhindern, daß er ohne Prüfung wieder eingestellt wird.“90

Am 1.8.1953 trat das Gesetz zum Abschluss der Entnazifizierung in Kraft. Am 23.10.1950 war Hasso von Wedel schon in Kategorie V eingestuft worden, als „Entlasteter“. Die im Urteil des Revisionsverfahrens verfügte Strafe von acht Monaten Gefängnis war rechtskräftig geworden. Die Strafe war allerdings „gemäß §2 des Straffreiheitsgesetzes vom 31. Dezember 1949 unter der Bedingung der Bewährung erlassen“ worden.91

Hasso von Wedel hatte inzwischen schon seit einiger Zeit eine Anstellung als Syndikus bei der Deutschen Erdöl-Aktiengesellschaft (DEA). Der Senat verfügte am 10.12.1953 ein disziplinarrechtliches Verfahren gegen von Wedel und behielt ein Drittel des ihm zustehenden Übergangsgehaltes ein“.92

Hasso von Wedel kehrte nicht wieder in den öffentlichen Dienst zurück. Am 16.4.1975 wurden ihm seine monatlichen Versorgungsbezüge mitgeteilt.93

Hasso von Wedel starb am 27.4.1982.

Das Profil ist abgedruckt in dem Buch von Hans-Peter de Lorent: Täterprofile, Band 2. Hamburg 2017. Das Buch ist erhältlich in der Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg.

Anmerkungen
1 Siehe die Biografie Schrewe in diesem Buch.
2 Lebenslauf, in: StA HH 241-2, Justizverwaltung-Personalakten_A 3346
3 Personalakte a.a.O.
4 www.wikipedia.org/wiki.Harro_von_Wedel
5 http://de.wikipedia./org/wiki/Wedel_Adelsgeschlecht
6 Stephan Malinowski: Vom König zum Führer. Sozialer Niedergang und politische Radikalisierung im deutschen Adel zwischen Kaiserreich und NS-Staat, Berlin 2003, S. 573.
7 Lebenslauf, Personalakte a.a.O.
8 Personalakte a.a.O.
9 Lebenslauf, Personalakte a.a.O.
10 Alle Angaben laut Personalakte, a.a.O.
11 Ebd.
12 Zeugnis vom 4.1.1933 bei der Staatsanwaltschaft Hamburg, Personalakte a.a.O.
13 Zeugnis vom 13.3.1934, Personalakte a.a.O.
14 Zeugnis vom 6.6.1934, Personalakte a.a.O.
15 Schreiben vom 11.12.1935, Personalakte a.a.O.
16 Schreiben vom 23.12.1935, Personalakte a.a.O. Von Wedel trat die Stelle dann nicht an.
17 Schreiben vom 30.12.1935, Personalakte a.a.O.
18 Siehe Biografie Schrewe.
19 Schreiben vom 18.1.1936, Personalakte a.a.O.
20 Schreiben vom 11.2.1936, Personalakte a.a.O.
21 Personalakte a.a.O.
22 Entnazifizierungsakte von Wedel, StA HH, 221 – 11_Ed 1888
23 Personalakte a.a.O.
24 Personalakte a.a.O.
25 Personalakte a.a.O.
26 Personalakte a.a.O.
27 Zitiert nach den personalbezogenen Ausführungen von dem Vorsitzenden Richter, Fritz Valentin, im Landgerichtsprozess gegen Ernst Schrewe und Hasso von Wedel, im: Urteil des Landgerichtes Hamburg vom 28.8.1950, (50) 22/50, abgedruckt unter der Lfd. Nr. 234 in einer Urteilssammlung unter dem Stichwort: Denunziation, Hamburg, August 1944. Im Weiteren zitiert: Urteil 1950.
28 Urteil 1950, S. 5.
29 StA HH, 131-8, Senatskommission für den Verwaltungsdienst_G 8 c HV 1943 VII/5
30 Personalakte a.a.O.
31 Urteil 1950, S. 5.
32 Urteil 1950, S. 6.
33 Siehe unter anderem das Schreiben des Reichsstatthalters vom 13.12.1944, in: StA HH, 131-8, Senatskommission für den Verwaltungsdienst_G 8 c HV 1943 VII/5
34 Urteil 1950, S. 6.
35 Personalakte a.a.O.
36 Personalakte a.a.O.
37 Entnazifizierungsakte, StA HH, 221 – 11_Ed 1888
38 Schreiben des Vorsitzenden des Fachausschusses, Friedrich Wilhelm Licht vom 26.7.1949, Entnazifizierungsakte a.a.O.
39 Entnazifizierungsakte a.a.O.
40 Laut „Hamburger Abendblatt“ vom 11.8.1950.
41 Entnazifizierungsakte a.a.O. Zu Fritz Köhne siehe: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile, Bd. 1, Hamburg 2016, Die unvollendete Entnazifizierung, S. 38ff. und insbesondere S. 61ff.
42 Entnazifizierungsakte a.a.O. Siehe auch die Biografie Züge, in: de Lorent 2016, S. 385ff.
43 Entnazifizierungsakte a.a.O.
44 Schreiben in Personalakte a.a.O.
45 Personalakte a.a.O.
46 Siehe: Helga Grabitz/Werner Johe: Die Freie und Hansestadt Hamburg 1933–1945, Hamburg 1995, S. 167f.
47 Siehe: Susanne Schott: Curt Rothenberger – eine politische Biografie, Dissertation an der Martin Luther Universität Halle-Wittenberg 2001, auch als online-Version.
48 Personalakte a.a.O.
49 Strafanzeige der VVN, siehe: StA HH, 213 – 11, Staatsanwaltschaft LG – NSG_ 21309/54 Bd.1, im weiteren: Ermittlungsakte.
50 Ebd.
51 Ebd.
52 Siehe Biografie Behne, in: de Lorent 2016, S. 457ff.
53 Ermittlungsakte a.a.O.
54 Ermittlungsakte a.a.O.
55 Aussage von Gertrud Marquardt, geb. Mewes beim Spec. Department 1 am 2.9.1947, Ermittlungsakte a.a.O.
56 Ermittlungsakte a.a.O.
57 Ermittlungsakte a.a.O.
58 Vernehmung in Staumühle am 6.5.1948, Ermittlungsakte a.a.O.
59 Frank Bajohr: Hamburgs „Führer“. Zur Person und Tätigkeit des Hamburger NSDAP-Gauleiters Karl Kaufmann (1900–1969), in: Hamburg im Dritten Reich. Sieben Beiträge, herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg 1998, S. 126.
60 „Hamburger Abendblatt“ vom 11.8.1950.
61 Protokoll der Vernehmung bei der Oberstaatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg vom 26.4.1949, Ermittlungsakte a.a.O.
62 Protokoll der Vernehmung vom 6.5.1949, Ermittlungsakte a.a.O.
63 Ebd.
64 Protokoll der Vernehmung vom 9.5.1949, Ermittlungsakte a.a.O.
65 Protokoll der Vernehmung vom 9.5.1949, Henry Edens, Ermittlungsakte a.a.O.
66 Ebd.
67 Protokoll der Vernehmung vom 16.5.1949, Heinrich Sahrhage, Ermittlungsakte a.a.O. Siehe auch die Biografie Sahrhage in diesem Band.
68 Protokoll der Vernehmung vom 26.8.1949, Ernst Schrewe, Ermittlungsakte a.a.O.
69 Siehe Biografie Schrewe in diesem Band.
70 „Hamburger Abendblatt“ vom 11.8.1950.
71 Ebd.
72 Die „Welt“ vom 9.8.1950.
73 Ebd.
74 „Freie Presse“ vom 14.8.1950. Zu Erna Stahl siehe auch: Evelyn Moews: Erna Stahl: „Sie war immer auch der Regisseur.“, In: Ursel Hochmuth/Hans-Peter de Lorent: Hamburg: Schule unterm Hakenkreuz, Hamburg 1985, S. 291ff.; siehe auch die Biografie Erwin Zindler, in: de Lorent 2016, S. 538ff.
75 „Freie Presse“ vom 15.8.1950.
76 Die „Welt“ vom 11.8.1950.
77 „Hamburger Echo“ vom 7.8.1950.
78 Die „Welt“ vom 23.8.1950.
79 Urteil 1950 a.a.O., S. 65.
80 Die „Welt“ vom 29.8.1950.
81 „Freie Presse“ vom 29.8.1950.
82 Ebd.
83 „Hamburger Abendblatt“ vom 9.6.1953.
84 Ebd.
85 Ebd.
86 „Hamburger Abendblatt“ vom 6.6.1953.
87 Undatierte Stellungnahme, Personalakte a.a.O.
88 Schreiben von Wedel an den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts, Ruscheweyh, vom 8.5.1946, Personalakte a.a.O.
89 Schreiben Ruscheweyhs an von Wedel vom 4.6.1946, Personalakte a.a.O.
90 Personalakte a.a.O.
91 Schreiben des OLG-Präsidenten an den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg über die Justizverwaltung vom 8.9.1953, Personalakte a.a.O.
92 Schreiben des Senats vom 10.12.1953, Personalakte a.a.O.
93 Personalakte a.a.O.
 

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Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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