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Alfred Aust

(25.7.1892 Hamburg – 2.1.1982)
Schulleiter der Schule am Amalie-Dietrichs-Weg in Hamburg Barmbek-Nord, Schriftsteller
Hammer Landstraße 62 (Wohnadresse 1939)
Fuhlsbüttler Straße 756, bestattet auf dem Ohlsdorfer Friedhof, Grab: 0 8, 51-54, aufgenommen in der Prominentenliste des Ohlsdorfer Friedhofes

Dr. Hans-Peter de Lorent hat das Portrait über Alfred Aust verfasst und in seinem Buch „Täterprofile Band 2“ veröffentlicht.

Eine besondere Person im Hamburger Schulwesen war Alfred Aust. Ich [Hans-Peter de Lorent] hatte noch nicht mit meinen Forschungen über das Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz begonnen, als mir Alfred Aust 1981 einen launigen Text zuschickte, „Wie ich 1913 als Schulmeister nach Moorburg kam.“1 Als verantwortlicher Redaktionsleiter der Hamburger Lehrerzeitung nahm ich diesen Text gerne an und druckte ihn in der HLZ ab. Es war nicht der erste Aufsatz von Alfred Aust in der HLZ. Das merkte ich etwas später, als ich seinen grässlichen Beitrag „Soldatentum und Schule“2 aus dem Jahre 1937 las. Aust war ein ambitionierter Mann gewesen, der in der NS-Zeit Karriere als Schulleiter machte, in der Wehrmacht als ehemaliger Volksschullehrer bis zum Major befördert worden war und der mehrere Anträge stellte, in anderen Teilen Deutschlands, insbesondere im Osten zum Schulrat befördert zu werden. Nach dem Krieg gehörte er zu denen, die ihr Engagement für den Nationalsozialismus kleinredeten und auch wieder in den Schuldienst gelangten.

Alfred Aust wurde am 25.7.1892 in Hamburg als Sohn eines Polizeiwachtmeisters geboren. Er besuchte die Präparanden-Anstalt in Oldesloe bis 1910, um danach auf das Königliche Seminar in Tondern zu wechseln. Dort absolvierte er die erste Seminarprüfung am 3.1.1913.3 Seinen weiteren Weg beschrieb er in dem genannten HLZ-Beitrag: „Wie ich 1913 als Schulmeister nach Moorburg kam“.

„Meine Eltern wohnten in Hamburg. Die Bezahlung der Lehrer war dort auch besser als in Schleswig- Holstein. Als ich dann auch noch von Schleswig den Bescheid bekam, eine eingleisige Schule in einem Dorf bei Wilster zu betreuen, stand mein Entschluß fest: Du bleibst in Hamburg! Der Weg, einmal in die Stadt zu kommen, führte über die Landschule. Ich machte mich also auf den Weg zum Landschulinspektor Hollburg, der seinen Sitz im Gebäude der Oberschulbehörde in der Dammtorstraße hatte. Lebenslauf und Zeugnis hatte ich mitgenommen. Nach einigen Minuten Wartezeit wurde ich hineingerufen. Natürlich klopfte mir das Herz bis zum Halse. Sollte doch jetzt die Entscheidung für mein zukünftiges Leben fallen. Am Schreibtisch saß ein älterer Herr mit ergrautem Haar und Vollbart und einer Brille auf der Nase. Seine Augen blickten freundlich und sein Gesicht flößte Vertrauen ein. Er bot mir einen Stuhl an. Ich nannte meinen Namen, setzte mich und erzählte auf seine Fragen nach meinem Begehr, meinen Wunsch in den Hamburger Schuldienst zu treten.

‚Sind Sie Tonderaner? Mm, gutes Seminar, tüchtige Lehrer!‘ Das machte mir ein wenig Mut! ‚Haben sie Ihr Zeugnis mitgebracht? Wir stellen nur Leute ein, die mindestens mit ‚gut‘ abgeschnitten haben!‘ Jetzt atmete ich erleichtert auf. Damit konnte ich dienen. Der Landschulinspektor Hollburg entfaltete die Papiere, überflog das Zeugnis, den Lebenslauf, nickte mit dem Kopf, räusperte sich und sagte: ‚Sie haben Glück. In Moorburg wird der Schulleiter Grothkopp pensioniert. Da brauche ich einen tüchtigen Nachfolger. Ne, ne nicht, daß Sie seine Stelle einnehmen sollen. Die Sporen müssen Sie sich erst verdienen. Wenn der Gemeinderat also mit Ihnen einverstanden ist – der muss Sie nämlich einstellen – habe ich nichts dagegen. Versuchen Sie Ihr Glück!‘ Er schüttelte mir die Hand, und ich war entlassen.“4

Alfred Aust fuhr nach Moorburg, fand den Gemeinderat und Schulleiter Grotkopp beim Skatspielen, im „Gasthaus Peter Flügge“. Die Botschaft seines Wunsches, in Moorburg als Lehrer zu arbeiten, war dort schon angekommen. Der Gemeinderat schien an den Zeugnissen nicht interessiert. Der Einstellungstest bestand aus drei Fragen auf Plattdeutsch: „Könt Se Skat spelen?“; „Könt Se denn ok’n Grog verdrägen?“; und: „Könt Se denn ok plattdütsch snacken?“ Da Alfred Aust alle drei Fragen mit ja beantworten konnte, war er eingestellt und gleich zu einem ersten Grog eingeladen.5

Am 22.5.1916 absolvierte Aust in Moorburg die zweite Lehrerprüfung und wurde zum 1.4.1917 fest angestellt.6

Zwischenzeitlich war Alfred Aust als Soldat im Ersten Weltkrieg einberufen, kam in Abständen nach Moorburg zurück, um immer wieder in den Krieg zu ziehen. Am 30.11.1918 wurde Aust aus dem Heeresdienst entlassen und kehrte an die Schule zurück.7

Am 31.3.1930 schied Alfred Aust aus dem Moorburger Schuldienst aus und wechselte an die Schule Wittenkamp nach Hamburg, ein Jahr später an die Schule Schaudinnsweg.8

Über die Beweggründe Alfred Austs, aus dem Landschuldienst in die Stadt zu wechseln, ist nichts verbrieft. Es ist aber zu vermuten, dass Aust als ambitionierter Mann in diesen Zeiten an zentraler Stelle sein wollte.

Am 24.4.1933 trat Aust dem NSLB bei, Mitgliedsnummer 71989.9

Im Juli 1933 wurde er Mitglied der SA, in der er seit dem 5.11.1933 als Schulungsreferent fungierte. Beide Daten sind bedeutsam, weil Alfred Aust und seine Rechtsanwälte später die NS-Zugehörigkeiten durchgehend falsch terminierten, um den Eindruck zu erwecken, dass seine Ernennung zum Schulleiter auf der Liste von Schulsenator Karl Witt vom 11.7.1933 nichts mit einem bewussten oder opportunistischen Beitritt in eine wichtige NS-Organisation zu tun hatten. Dabei war die SA-Zugehörigkeit seit Juli 1933 von Alfred Aust in dem Entnazifizierungsfragebogen am 15.10.1945 selbst notiert worden.10 Und der Beginn seiner Schulungsreferenten-Funktion war auf seiner NSLB-Mitgliedskarte vermerkt.11

Alfred Aust war seit dem 11.7.1933 Schulleiter der großen Volksschule Amalie-Dietrichs-Weg 2. Der Weg nach Hamburg hatte sich also schnell gelohnt.

Parallel dazu arbeitete Aust zielstrebig an seiner weiteren Karriere bei der Wehrmacht. Am 23.9.1935 hatte das Wehrbezirkskommando Hamburg II bei der Hamburger Schulverwaltung nach vertraulichen Auskünften über Alfred Aust angefragt. Der für Austs Schule zuständige Schulrat, Gustav Schmidt, antwortete:
„Herr Aust ist mir seit fünf Jahren als Lehrer und Schulleiter bekannt. Er ist ein ruhiger Mann von stetiger Bestimmtheit in seinem Tun; seine Anordnungen sind wohl überlegt und werden knapp gegeben. Er hat die Gabe, einen größeren Betrieb zu übersehen und zu ordnen. In dem Verkehr mit seinen Untergebenen ist er freundlich und entgegenkommend; doch wahrt er die Stellung des Vorgesetzten jederzeit. In seinem Wesen ist er aufrichtig, hat den Mut, gegenteilige Meinung zu äußern auch anzuhören. Er ist sich seiner Leistungen und Gaben bewusst und ehrgeizig. Seine Umgangsformen sind gemessen und höflich. In den Kreisen seiner Kollegen und der Elternschaft seiner Schule genießt er Ansehen, wenn nach einer anfänglichen Kühle seine Befähigung und sein Charakter durchgedrungen sind; er gewinnt nicht beim ersten Zusammentreffen. Aust bejaht den heutigen Staat durchaus; er setzt sich innerhalb seines Berufes stark für ihn ein. Er gehört der SA an.“12

Alfred Aust nahm regelmäßig an militärischen Übungen für Reserveoffiziere teil, mit erheblichen Dienstbefreiungen von der Schulleitungstätigkeit. So fehlte er allein im Schuljahr 1936/37 deswegen an 99 Schultagen.13 Als er dann am 28.8.1939 zur Wehrmacht einberufen wurde, startete er als Oberleutnant und wurde im Laufe des Krieges zum Hauptmann und zum Major befördert, für einen Volksschullehrer eine bemerkenswerte militärische Karriere. Drei Jahre gehörte er zur Besatzungsmacht in Norwegen.14

Alfred Aust blieb aber auch beruflich ambitioniert. Am 23.12.1935 schrieb er an das Reichserziehungsministerium und bewarb sich auf eine mögliche Schulratsstelle in Preußen. OSR Albert Mansfeld teilte ihm darauf am 17.1.1936 mit, „daß in Preußen zur Zeit keine geeigneten Stellen im Schulaufsichtsdienst frei sind“ und wies Aust darauf hin, „daß derartige Gesuche stets auf dem vorgeschriebenen Dienstweg über die Landesunterrichtsbehörde einzureichen sind“.15

Später bewarb Alfred Aust sich noch zweimal auf Schulratsstellen außerhalb Hamburgs. 1941 wollte er Schulrat in Stettin werden16, am 19.8.1943 bemühte er sich um eine Schulratsstelle „im Warthegau oder in Ostpreußen“. Als Referenzen gab er an: „Meine Stellung zu Zeitfragen ist aus meiner Mitarbeit an der Lehrerzeitung hinreichend bekannt. Genauere Auskunft über meine Mitarbeit in der SA kann der Sturmführer des Sturmes 3/463, Lüdecke, erteilen.“17

Aust war zu diesem Zeitpunkt Hauptmann bei der Wehrmacht, seine Familie in Hamburg gerade ausgebombt, sicherlich auch eine Motivation, den Lebensmittelpunkt zu verlagern. Der Alfred Aust gewogene neue Schulrat in Wandsbek, Hugo Millahn, schrieb an Hauptmann Aust über dessen Feldpostnummer 16577:
„Die Schulverwaltung hat von Ihrer Bitte um eine Versetzung in den Wathegau bzw. Ostpreussen mit einer gleichzeitigen Beförderung zum Schulrat Kenntnis genommen. Sie bedauert Ihrem Wunsche nicht Rechnung tragen zu können, da nach dem Kriege unsere tüchtigsten Kräfte grade recht sind, um unseren Aufbau hier gewährleisten zu können. Ich verbinde mit dieser Mitteilung die besten Wünsche für Ihr weiteres Wohlergehen.“18 Vor der Weiterleitung an das Reichserziehungsministerium hatte Schulrat Fritz Köhne handschriftlich vermerkt, „daß Rektor Aust die Eignung für ein Schulratsamt besitzt“.19

Die „Stellung zu Zeitfragen“, die laut Aust durch seine „Mitarbeit an der Lehrerzeitung hinreichend bekannt“ sei, wie Aust es formulierte, bezog sich hauptsächlich auf einen HLZ-Artikel, der als Aufmacher für die Ausgabe 27/28-1937, am 3.7.1937 unter der Überschrift „Soldatentum und Schule“ erschienen war. Darin hatte Alfred Aust in der Tat belegt, welch glühender Nationalsozialist und Militarist er gewesen oder geworden war. Kurz zuvor, am 1.5.1937, war er auch Mitglied der NSDAP geworden.20

Ich habe alle HLZ-Ausgaben der NS-Zeit gelesen und empfinde den Aust-Artikel als einen der schlimmsten, der wohl geeignet war, sich für höhere Aufgaben im NS-Staat zu empfehlen. Um dieses zu belegen, seien einige Auszüge aus diesem Artikel wiedergeben:

„Die Zeiten des bürgerlichen Philistertums, des engherzigen Klassenbewußtseins und des marxistischen Menschheitsbeglückungstraumes sind vorüber. Wir stehen mitten im Kampf um das Lebensrecht und den Lebensraum des deutschen Volkes. Gewaltige Aufgaben sind uns gestellt, deren Lösung nicht ohne den deutschen Lehrer und Erzieher möglich ist. Wir leben in einer Zeit, die, wie der Krieg, die restlose Erfassung der deutschen Volkskraft, den vollen Einsatz eines jeden Volksgenossen und seine Ausrichtung auf ein Ziel erfordert. Was auch unter der nationalsozialistischen Regierung an gewaltigen Dingen geschaffen wurde, ob es galt, die Arbeitslosigkeit zu bannen, die Autostraßen zu bauen, dem Meere Land abzuringen, Moore zu kultivieren, den Vierjahresplan zu erfüllen, die Ernährung des Volkes sicherzustellen, die deutschen Grenzen zu schützen, die Ketten von Versailles abzuschütteln, immer war es Kampf und wieder Kampf; überall waren Widerstände zu überwinden, offene und versteckte, und vor jeder Tat stand groß das Wort: ‚Trotzdem!‘“21

Alfred Aust verfasste nicht nur einen Artikel, sondern eine Agitationsschrift, das Dokument einer echten Überzeugung:
„So fordert die heutige Zeit einen Menschen, den man den ‚soldatischen‘ Typ nennen könnte, einen nie ermüdenden Kämpfer und Streiter, einen Menschen voll Mut und Entschlossenheit, voll Härte und Widerstandskraft, voll Hingabe, Begeisterung und Zähigkeit, voll Kameradschaftsgeist und Opfersinn. Zu diesen Eigenschaften des ‚deutschen Menschen’ muß noch ein gewaltiges Maß von Wissen und Können treten, wenn das Werk des Führers gelingen soll.“22

Sicherlich gab Alfred Aust auch wieder, was er bei seinen militärischen Übungen, seinen Offiziersschulungen aufgenommen hatte, für die er im Schuljahr 1936/37 vom Dienst befreit worden war:
„Nicht umsonst wird es immer wieder in die Hirne gehämmert: Kampf! – Kampf der Hoffnungslosigkeit! – Kampf der Arbeitslosigkeit! – Kampf dem Hunger und der Kälte! – Kampf den Meckerern und Miesmachern! – Kampf gegen Versailles! – Kampf dem Judentum! – Kampf dem Verderb! usw. Man fordert damit die Haltung, die Hans Carossa mit den Worten zum Ausdruck bringt: ‚Man müßte Soldat bleiben, dürfte nie völlig abrüsten!’ – Das ist der Mensch, der im Dritten Reich die Aufgaben lösen wird, der von uns Lehrern und Erziehern gebildet werden soll als die Generation, der wir Frontkämpfer und Kämpfer des Dritten Reiches das Erbe einmal weiterreichen.“23 Und weiter:
„Soldatentum ist in der Armee entstanden. Von der Armee ging diese Kraft in das Beamtentum. Als das ganze Volk durch die Schule der Armee gehen mußte, wurde es zum Herren der Welt. Es gab ihm die Energien, vier Jahre gegen eine Welt von Feinden standzuhalten, vier Jahre Opfer zu bringen, wie sie bisher von keinem Volke verlangt worden sind. Es gab ihm den Mut, mit den finsteren Mächten der Zersetzung zu ringen und dem Nationalsozialismus zum Siege zu verhelfen. Die zwei Millionen Deutsche, die in aller Welt für die Idee ‚Deutschland’ starben, der Opfertod aller derer, die für die nationalsozialistische Bewegung ihr Leben ließen, offenbarte mit eindringlicher Klarheit, daß in den Herzen des schlichtesten Arbeiters und des einfachsten Bauern noch die alte Kraft der nordischen Rasse lebendig war. Sie ist es auch heute, die den Gang des deutschen Seins und Werdens befruchtet. Es ist ‚der Mythus des Blutes und der Mythus der Seele, Rasse und Ich, Volk und Persönlichkeit, Blut und Ehre, allein, ganz allein und kompromißlos’. (Rosenberg, Der Mythus, S. 699.) Nur auf diesem Urgrund konnte das reine und stolze Soldatentum des deutschen Menschen wachsen.“24

Alfred Aust hatte ein klares Feindbild:
„Die harte Schule, die zum Soldatentum in erster Linie erzog, war nach 1918 nicht mehr vorhanden. Judentum und Freimaurertum, Marxismus und Bolschewismus taten ein übriges, um die letzten Reste zu beseitigen. Auch die Schule stellte sich in ihren Dienst. Aber der Urgrund der menschlichen Seele ist nicht zu ändern. Die Rettung des deutschen Blutes und der deutschen Seele durch den Führer mußte auch die Erziehung wieder den Weg zum Quell deutscher Kraft weisen.

Der Soldat des Weltkrieges und der ‚alte Kämpfer‘ der nationalsozialistischen Bewegung haben es entschieden leichter, ‚Soldat zu sein‘; denn sie sind durch die harte Schule der Tatsachen und Wirklichkeiten hindurchgegangen. Aber nur ein Teil der Erzieherschaft hat dieses Plus für sich zu verbuchen; ein großer Prozentsatz hat sich erst aus der Hypnose ‚der Weltbekehrung, Humanität und Menschheitskultur‘ befreien müssen, um mit ehrlicher Überzeugung an die Aufgaben im neuen Deutschland herantreten zu können. Dieser Prozeß der Lösung ist heute nahezu vollendet. Damit ist aber noch nicht überall die soldatische Haltung gewonnen, die für jeden Erzieher vorausgesetzt werden muß.“25

Was genau verstand nun Alfred Aust unter Soldatentum in der Schule, wie sollte es sich äußern?

„Daß soldatische Haltung auch eine gewisse Straffreiheit rein äußerlich voraussetzt, ist selbstverständlich. Damit soll von keinem Lehrer verlangt werden, daß er vor seinem Leiter oder Schulrat die Knochen zusammenreißt oder die Absätze zusammenschlägt. Immerhin soll es selbstverständlich sein, daß er im Gespräch mit ihnen die Hände aus den Taschen nimmt, nicht sitzen bleibt, wenn sie stehen, ihnen nicht ins Wort fällt und an ihren Entscheidungen nicht herummeckert. Das alles aber sind Dinge, die sich für einen höflichen Menschen von selbst verstehen. Das eigentliche Gepräge aber geben dem soldatischen Typ die sittlichen und seelischen Kräfte. ‚Wissenskraft, Wagemut und Härte, Pflichtbewußtsein, Ehrgefühl und Bescheidenheit‘ sind charakteristische Eigenschaften des Menschen, den wir brauchen. Dazu kommen ‚Pünktlichkeit, Genauigkeit, Straffheit und gegenseitiges Vertrauen‘, auch zwischen Lehrern und Schülern. Es ist die sicherste Grundlage aller Zusammenarbeit und Schulzucht. Der Lehrer muss lernen, ‚sie als selbstverständliche Notwendigkeit zu empfinden‘. Kameradschaft ist das Band, das den Lehrkörper in allen Lagen fest zusammenhält. ‚Weichheit in der Führung schadet immer. Verantwortungsfreudigkeit ist die vornehmste Führereigenschaft. Sie darf nicht zu eigenmächtigen Entscheidungen ohne Rücksicht auf das Ganze führen.‘“26

Alfred Aust bezog sich hierbei fast wörtlich auf die „Leitsätze über die militärische Erziehung“, „die der Oberbefehlshaber des Heeres, Freiherr von Fritsch, der neuen Ausbildungsvorschrift für die Infanterie vorangestellt hat.“27 Und Aust zitierte auch immer wieder Adolf Hitlers „Mein Kampf“, der geschrieben hatte: „‚Die letzte und höchste Schule vaterländische Erziehung – das Heer.‘ (‚Mein Kampf‘, S. 459.)“28

Trotz dieser so unmissverständlichen Ausführungen behaupteten Alfred Aust und seine Rechtsanwälte später, Aust sei weder Nationalsozialist noch Militarist gewesen.

Alle seine Bewerbungen um Schulratsfunktionen blieben erfolgreich. Er zog am 28.8.1939 in den Krieg, wurde zum Hauptmann und Kompanieführer und am 1.4.1944 zum Major befördert.29

Am 10.9.1945 wurde Alfred Aust aus der Wehrmacht entlassen und verblieb noch bis Oktober in britischer Gefangenschaft.30

Der wieder eingestellte Schulrat Gustav Schmidt hatte am 25.6.1945 eine Aktennotiz zum Rektor Alfred Aust erstellt: „Es bestehen Bedenken gegen die Wiederaufnahme der Schulleitung bei seiner Rückkehr.“31

Das konnte Aust nicht wissen, als er am 12.9.1945 aus Heide, wo er bei Bekannten wohnte, da er in Hamburg ausgebombt war, an die Hamburger Schulverwaltung schrieb: „Ich war bis zum Kriegsausbruch Rektor der Schule Amalie-Dietrichs-Weg in Barmbek-Nord und möchte in den Hamburger Schuldienst zurückkehren. Da ich aber im Sperrgebiet wohne, ist es notwendig, mir eine Bescheinigung auszustellen, daß meine Anwesenheit in Hamburg dringend erwünscht und notwendig sei, damit ich von der englischen Dienststelle einen Passierschein erhalte.“32

Gustav Schmidt stellte ihm diese Bescheinigung aus und schrieb im Begleitbrief: „Ich freue mich, von Ihnen endlich ein Lebenszeichen bekommen zu haben. Hoffentlich können Sie bald bei mir vorsprechen und wieder in der Schule weiterarbeiten.“33

Nach dem Gespräch lagen offenbar für Gustav Schmidt neue Erkenntnisse vor. In einer Aktennotiz vom 12.10.1945 hielt er fest: „Der Rektor Alfred Aust von der Schule Amalie-Dietrichs-Weg meldete sich von der Wehrmacht zurück. Auf Befragen erklärt er, dass er am 1. Mai 1937 der NSDAP beigetreten sei, Mitglied der SA gewesen sei und dort den Rang eines Scharführers gehabt habe. Ich eröffnete ihm, dass er deswegen nicht wieder als Rektor eingesetzt werden könne und versetzte ihn als Lehrer an die Schule Alsterdorferstraße 39.“34

Senator Landahl vermerkte auf der Aktennotiz: „Fragebogen anfordern und an Militärregierung einreichen.“35

Alfred Aust reichte den Entnazifizierungsfragebogen ausgefüllt am 15.10.1945 ein und wurde daraufhin auf Anordnung der Britischen Militärregierung vom 29.10. 1945 mit sofortiger Wirkung aus dem Beamtenverhältnis entlassen.36

Aust legte Widerspruch gegen die Entlassung ein und bat am 2.7.1946 „um Wiedereinstellung oder Pensionierung“. Offenbar noch ohne anwaltliche Unterstützung gab er eine Erklärung ab, die in wichtigen Punkten nicht den Tatsachen entsprach. So schrieb er: „Mein Amt als Rektor erhielt ich, bevor ich Angehöriger der SA und Mitglied der Partei wurde. Irgendwelche Vorteile habe ich durch meine Zugehörigkeit zu den genannten Organisationen nie gehabt noch erstrebt.“37 Er behauptete jetzt, „im Winter 1933/34 trat ich in die SA ein“ und gab als Begründung drei Argumente an: „Weil die militärische Kameradschaft, der ich damals angehörte, zum geschlossenen Eintritt aufforderte; um Schwierigkeiten beim Nachweis meiner arischen Abstammung zu überbrücken (Großmutter hieß – Salomon –); um meine Rechte als Hausherr in den Räumen meiner Schule gegen SA und HJ besser vertreten zu können“.38

Das war nun wirklich unverfroren, hatte Alfred Aust in seinem Fragebogen vom 15.10.1945 noch selbst angegeben, im Juli 1933 der SA beigetreten zu sein, eindeutig im Zusammenhang mit seiner Schulleiterbestellung.

Seinen Beitritt zur NSDAP am 1.5.1937 erklärte er damit, „weil ich den Nationalsozialismus als Theorie mit Ausnahme des Rassegedankens in seiner Zielsetzung anerkannte. Für mich war Nationalsozialismus soziale Tat und nationale Sammlung. In einer starken Wehrmacht sah ich den Garanten des Friedens, wie es heute auch von den alliierten Staatsmännern in Bezug auf ihre Armeen betont wird. Gab doch auch Hitler in all seinen Reden seinem Willen zum Frieden Ausdruck.“39

Zu seiner Militärkarriere schrieb Aust:

„Ich war Soldat während zweier Weltkriege (1914–18 und 1939–45) weil es von mir gefordert wurde. Schon im ersten Weltkrieg erkannte ich, daß gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den Völkern über Sieger und Besiegte gleiches Leid und Unglück häufen und Kulturnationen eigentlich andere Wege beschreiten müßten, um zu einem Ausgleich zu kommen. Ich war daher stets ein Freund Stresemannscher Friedenspolitik und hielt ihm bei seinem Tode eine offizielle Gedächtnisrede in der Hamburger Gemeinde Moorburg.“40

Man lese in diesem Zusammenhang noch einmal den HLZ-Artikel „Soldatentum und Schule“. Dieser dürfte den Mitgliedern des Entnazifizierungsausschusses noch präsent gewesen sein. Am 29.8.1946 erhielt Alfred Aust die Mitteilung, dass die Militärregierung die gegen seine Entlassung eingereichte Berufung verworfen habe. In der Empfehlung für diese Ablehnung hieß es am 7.8.1946: „Laut Erklärung der Schulverwaltung soll er ziemlich aktiver Nazi gewesen sein. Er selbst erklärt, noch 1937 aus Überzeugung der Partei beigetreten zu sein. In der Wehrmacht hat er es bis zum Major gebracht, außerdem fällt auf, daß er sehr schnell nach der Machtübernahme zum Rektor befördert wurde. Bei dieser erheblichen Belastung können die beigebrachten Atteste nicht zur Entlastung ausreichen. Auch für die Bewilligung einer Pension liegen nicht genügend positive Umstände vor.“41

Um die materielle Existenz von sich, seiner Frau und zwei Töchtern zu sichern, musste Alfred Aust seit dem 12.12.1945 als Bauhilfsarbeiter „Steine klopfen“ wie er schrieb. Später wies ihm das Arbeitsamt eine Stelle als Nachtwächter zu.42

Es war Alfred Aust und seinen Rechtsanwälten gelungen, Leumundszeugnisse einzureichen von Personen, die im Hamburger Schulwesen einen guten Ruf hatten. So etwa von Dr. Julius Gebhardt, einem der reformpädagogischen Hamburger Erziehungswissenschaftler, der am 17.7.1947 geschrieben hatte:
„Nach meiner Entlassung von der Universität und Zurückversetzung in den Volksschuldienst wurde Herr Aust mein Schulleiter. Er hat alles getan, um mir die schwierige Lage zu erleichtern, und mich niemals gedrängt, meine Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus aufzugeben. Er hat auch nie in seinen Reden oder Gesprächen nationalsozialistische Forderungen aufdringlich hervorgehoben oder Schüler und Lehrer in diesem Sinne zu beeinflussen versucht. Vielmehr weiß ich, daß er sich für politisch gefährdete Kollegen mit Erfolg eingesetzt hat. Somit gewinne ich den Eindruck, daß er auch in Zukunft in demokratischer Duldsamkeit und Gesinnung sein Amt führen wird, und wünsche ihm von Herzen, daß seine Berufung Erfolg haben möge.“43

Julius Gebhard besaß ein gewisses Renommee in der Hamburger Lehrerschaft, gut möglich, dass Alfred Aust solchen Personen mit Respekt begegnete und sich in gewisser Weise geehrt fühlte, ihn als Lehrer an seiner Schule zu haben.

Als extrem unangenehm empfinde ich einen Persilschein, den ein anderes ehemaliges SA-Mitglied, Prof. Dr. Walther Niekerken, am 12.12.1948 schrieb, als er selbst, für mich völlig unverständlicher Weise, schon wieder Professor am Germanischen Seminar der Universität Hamburg war. In deutlicher Kumpanei wurden Tatsachen verfälscht und zurechtgebogen. Auch Niekerken war NSLB-Mitglied gewesen und hatte sicherlich auch den erwähnten HLZ-Artikel von Alfred Aust gelesen. Er war selbst entnazifiziert worden, weil er seine SA-Zugehörigkeit als Zwangsmitgliedschaft bezeichnet hatte. Und so argumentierte er auch für seinen Freund, den Kameraden Alfred Aust, mit dem Renommee eines wieder zugelassenen Universitätsprofessors:

„Herr Alfred Aust ist mir aus den letzten Jahren vor dem Kriege durch gemeinsame, aufgedrängte Mitgliedschaft in der SA-Reserve und in seiner Eigenschaft als Schulleiter bekannt geworden. Ich habe ihn als Kameraden, Kollegen und Menschen hoch schätzen gelernt. Er war als Reserve-Offizier des 1. Weltkrieges zum Scharführer ernannt worden und kassierte die Mitgliedsbeiträge und Umlagen in unserer Schar. Eine selbständige Tätigkeit im Rahmen des Dienstes kam ihm nicht zu. Am Außendienst nahm er, da ihm genauso wie mir die Zeit dazu fehlte, nur selten teil. Auch er sah im SA-Dienst ein notwendiges Übel, um von Ämtern in der NSDAP verschont zu bleiben.

Ich habe während der ganzen Zeit aus dem Munde von Herrn Aust nie ein Wort der Propaganda für den Nationalsozialismus gehört, dagegen im engeren Kreise oft seine harte Kritik an Personen und Handlungen der Partei und SA. Bei all seiner Freude an zuchtvollem soldatischen Wesen hätte nicht einmal ein politischer Gegner in Herrn Aust einen Militaristen vermuten können. Dagegen sprach sein zurückhaltendes, feinsinniges, freundliches, stets hilfsbereites Wesen. Seine ideale Einstellung und die Lauterkeit seiner Gesinnung stehen für mich außer allem Zweifel.“44

Der Beratende Ausschuss des Kreises 4, dem auch der von den Nationalsozialisten abgesetzte ehemalige Wandsbeker Schulleiter Friedrich Gosau angehörte, kam nach einer Vernehmung von Alfred Aust zu einem ganz anderen Ergebnis:
„Die beigebrachten zum Teil guten Leumundszeugnisse werden entkräftet durch Zeugenberichte und -aussagen. Sein persönlicher Eindruck war der denkbar schlechteste. Nur sehr widerstrebend und wenn es nicht mehr anders ging, gab er zu, sich zweimal um Schulratsposten beworben zu haben. Auf eine dritte Bewerbung vom 12.9.1943 um ein Schulratsamt im Warthegau (siehe Personalakte) wußte er sich überhaupt nicht mehr zu besinnen. Wie hoch er im Ansehen bei der NSDAP stand, geht aus der Begründung zur Ablehnung dieses letzten Gesuchs durch den ehemaligen Schulrat Millahn hervor. Während Aust dem ‚Beratenden Ausschuss‘ gegenüber seine Zugehörigkeit zur SA zu bagatellisieren sucht, weist er in einem Bewerbungsschreiben auf seine Mitarbeit in der SA hin. In seiner Schule sah er sich nicht als Schulleiter, sondern (nach seinen eigenen Worten) als Schulführer. Nach Zeugenaussagen hat er wiederholt seine Kollegen im nationalsozialistischen und militaristischen Sinn unter Druck gesetzt. Der Beratende Ausschuss lehnt es ab, die Wiedereinstellung von Herrn Aust zu befürworten.“45

Da hatte mal ein Beratender Ausschuss sehr gründlich die Personalakte studiert und von sich aus Recherchen durchgeführt. Im Gegensatz dazu agierte der Berufungsausschuss unter Vorsitz von Rechtsanwalt Soll, der in etlichen Berufungsausschüssen den Vorsitz führte und offensichtlich mit den Beisitzern Rabe und Birr ganz wesentliche Daten nicht geprüft hatte, vielleicht auch durch die Vielzahl der Verfahren überfordert war. Dieser Ausschuss kam zu dem Ergebnis, der Berufung gegen die Entlassung zuzustimmen und Alfred Aust wieder als Lehrer im Schuldienst zu bestätigen. In der Begründung schrieb der Berufungsausschuss, dass Aust im Juli 1933 als Schulleiter eingesetzt und zum Rektor ernannt wurde und „erst im Jahre 1934 der SA beigetreten“ war. Genau das hatten die Rechtsanwälte von Alfred Aust wahrheitswidrig behauptet.46 Der Berufungsausschuss fokussierte sich auf die positiven Leumundszeugnisse und neutralisierte damit die Aussagen eines ehemaligen Lehrers der von Aust geleiteten Schule Amalie-Dietrichs-Weg, der seinen ehemaligen Schulleiter negativ geschildert hatte. Richard Jürgens gehörte zu den wenigen Lehrern, die überhaupt Bereitschaft zeigten, sich in Entnazifizierungsverfahren nach 1945 kritisch gegenüber ihren ehemaligen nationalsozialistischen Vorgesetzten zu äußern. Seine Beschreibung der Schulleitertätigkeit von Alfred Aust beruhte auf Beobachtungen von 1938 bis zu Austs Einberufung zur Wehrmacht und „gelegentlichen Urlaubsbesuchen während des Krieges“. Jürgens schrieb:
„Ob er Nationalsozialist war aus Überzeugung oder um etwas zu werden, kann ich nicht beurteilen, doch entsprach seine Amtsführung den Anforderungen des Dritten Reiches. So hielt er sämtliche Reden bei politischen Schulfeierlichkeiten selbst, während er für andere Feierlichkeiten (Muttertag) Mitglieder des Kollegiums als Redner bestellte. Er leitete die Schule im autokratischen Sinne, so dass in vielen Fällen Anregungen der Konferenz nicht beachtet wurden. Während des Krieges schrieb er oder äußerte sich anlässlich eines Urlaubsaufenthaltes: „Es ist so leicht, Soldaten zu führen und so schwer, mit Kollegen fertig zu werden.“ Als er dem Kollegen Weise Anordnungen erteilte und dieser Bedenken äußerte, erwiderte er ihm: „Dann kann ich sie nicht gebrauchen.“47

Alfred Aust wurde in Kategorie V (Entlasteter) eingeordnet und startete seinen Dienst am 29.1.1949 an der Volksschule Ratsmühlendamm . Im Jahr 1954 wurde er an die Schule Eschenweg umgesetzt.

Der Leitende Ausschuss zum Abschluss der Entnazifizierung hatte Aust mitgeteilt, dass er die Bezeichnung Rektor wieder verwenden dürfe.

Die weiteren Berufsjahre stritt Alfred Aust darüber, auch die entsprechenden Dienstbezüge eines Rektors gewährt zu bekommen. Es gelang ihm aber bis zu seiner Pensionierung am 11.9.1957 nicht.48

Nach seiner Pensionierung arbeitete Alfred Aust mit einem Lehrauftrag weiter an der Schule Eschenweg , war dann ab dem 1.3.1959 stundenweise bei der Heeresstandortverwaltung beschäftigt und noch von 1959 bis 1966 an der Bundeswehrfachschule.49

 Zu seinem 70. Geburtstag gratulierte ihm Landesschulrat Ernst Matthewes: „Über ihre dienstlichen Verpflichtungen hinaus haben Sie mit Ihren reichen Kenntnissen und Erfahrungen Männern und Frauen in Kursen der Volkshochschule und des Arbeitslosen-Bildungswerks helfen können. Wie ich höre, sind Sie auch heute noch – wieder bei bester Gesundheit – an der Heeresfachschule tätig.“50 Alfred Aust antwortete am 29.8.1962 und es wurde deutlich, dass bei ihm nach wie vor eine Verbitterung bestand, weil er weder wieder in eine leitende Funktion berufen worden war noch seine alte Besoldung zugesprochen bekommen hatte. Er schrieb als Rektor a.D. und blickte auf seine Vergangenheit in mildem Licht: „Leider kommt bei jeder offiziellen Anerkennung meiner Arbeit als Lehrer und Erzieher unserer Hamburger Jugend das bittere Gefühl in mir hoch, daß der Hamburger Staat als ‚Arbeitgeber’ nicht sehr fair an mir gehandelt hat. Nicht nur, daß ich nach Rückkehr aus der Gefangenschaft vier Jahre aus dem Amt entfernt wurde, weil ich Stabsoffizier und PG von 1937 gewesen war, sondern auch meine Rektorzulage wurde mir wenige Monate vor meiner Pensionierung genommen.“51

In einem späteren Schreiben an die Personalverwaltung der Schulbehörde ersuchte nochmals um die Gewährung einer „mir auf Lebenszeit zugesprochenen, funktionsfähigen Zulage als Rektor“.52 Hier brachte er die Probleme seiner Wiedereinstellung nach 1945 auf einen noch verkürzteren Nenner: „Ich wurde nach Rückkehr aus der Gefangenschaft nicht wieder in mein Amt als Rektor eingesetzt. (Hauptgrund: Ich war Stabsoffizier gewesen und damit für ein leitendes Amt im Schuldienst nicht tragbar.)“53

Eine solche Argumentation musste natürlich Unverständnis und Solidarität mit einem ungerecht behandelten ehemaligen Wehrmachtsoffizier, der auch noch in Gefangenschaft geraten war, hervorrufen. Dass die Stabsoffizierstätigkeit überhaupt nicht der Grund für die Entlassung von Alfred Aust gewesen war und „Gefangenschaft“ nicht Sibirien, sondern etwa einen Monat englische Überprüfung von gerade entlassenen Wehrmachtsoffizieren in Norwegen bedeutete, wussten die Adressaten des Geschichtenerzählers Alfred Aust nicht. In diesem konkreten Fall war es übrigens so, dass Alfred Aust ab dem 1.2.1963 wieder eine ruhegehaltsfähige Zulage von 135 DM auf seine Pension gewährt wurde. Aust hatte angefragt: „Darf ich um eine Mitteilung bitten, ob auch wir ‚abgesägten’ Rektoren aufgrund der ‚Harmonisierung‘ nun endlich wieder zu unserem Recht kommen werden, oder gilt diese Neuordnung nur für die Flüchtlings-Schulleiter, die nach dem Kriege in Hamburg eingestellt worden sind?“54

Nachdem Landesschulrat Ernst Matthewes ihm zum 75. Geburtstag gratuliert hatte, dankte ihm Aust und wies auf seine schriftstellerischen Aktivitäten hin. So hatte er von der Landesbildstelle den Auftrag erhalten, ein Begleitheft zur Lichtbildserie „Hamburger Bürgerbewaffnung“ zu erstellen. Und er bat den Landesschulrat um Unterstützung für ein anderes Projekt: „Sorge macht mir ein druckreifes Manuskript einer jahrelangen Arbeit ‚Frauen um den Freiherrn Caspar von Voght‘, das vom Christians-Verlag als recht gut bezeichnet worden ist und gedruckt werden soll, wenn irgend eine Institution oder ein Mäzen das Risiko der Drucklegung mittragen würde. Voght war befreundet mit Madame de Stael und Madame Recarnier. Der Briefwechsel ist noch nie ausgewertet worden. Ob die Schulbehörde einen Fonds für derartige Zwecke besitzt?“55

Alfred Aust erhielt eine Antwort von dem ihm bekannten Schulrat Jürgen Schmidt: „Zwar haben wir einen Fonds für Veröffentlichungen, doch leider reicht er kaum aus, um die notwendigsten Informationen in die Öffentlichkeit zu tragen. Obgleich dem so ist, sinne ich, wie Ihnen zu helfen wäre. Vielleicht versuchen Sie einmal, sich mit Herrn Senator a. D. Heinrich Landahl brieflich in Verbindung zu setzen. Ich weiß, daß er in der Stiftung F.V.S. Hamburg 1, Ballindamm 6, bei Herrn Toepfer fast täglich ehrenamtlich tätig ist. Zu vermuten ist, daß Herr Toepfer, der alljährlich viel Geld für gemeinnützige Zwecke opfert, unter Umständen hier helfen könnte. Da unser alter, immer noch jugendlicher Senator von jeher kulturelle Ambitionen hat, wäre er wohl der gegebene Verbindungsmann zu Herrn Toepfer.“56 Und so war es dann auch, das durchaus lesenswerte Büchlein konnte 1971 unter dem Titel „Mir ward ein schönes Los“ im Christians-Verlag gedruckt werden. Alfred Aust war bekanntlich ein guter Geschichtenerzähler.

Zu Beginn habe ich schon darauf hingewiesen, dass ich selbst als Redaktions-
leiter der Hamburger Lehrerzeitung 1981 von ihm einen Beitrag zugeschickt bekam, in dem er den Beginn seiner Lehrertätigkeit in Moorburg anschaulich und launig beschrieb. Es ist durchaus denkbar und nachvollziehbar, dass Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen unterschiedlich auftreten und sich profilieren. Das nimmt ihnen aber nicht die Bürde ab, die sie für Taten, Schriften und Handlungen zu verantworten haben.

Nach dem Krieg, nach Ende der Naziherrschaft, oder, wie es häufig ausgedrückt wurde, „nach der Katastrophe“, schienen manche Personen wie ausgewechselt. Der Pressechef und Werbeleiter eines Filmverleihs in Hamburg mit Sitz in der Rothenbaumchaussee , Hermann M. Mertens, der Alfred Aust nach dem Krieg als Mitarbeiter in kulturellen Projekten kennengelernt hatte, schrieb am 2.1.1949:
„Ich habe Herrn Aust als einen Menschen von ernster und idealer Lebensauffassung, von großer Herzensgüte und starkem Wollen kennengelernt. Trotzdem ihn seine wirtschaftliche Lage und die Not der Zeit schwer bedrückten, war er niemals von jenem Pessimismus erfüllt, der den meisten Menschen, die Hausstand, Vermögen, Wohnung und Beruf verloren haben, anhaftet. Die Zeit der schweren körperlichen Arbeit und des geringen Verdienstes als Steineklopfer, Nachtwächter und Lagerarbeiter haben sein soziales Empfinden nur vertieft und die Einsicht in die schweren Fehler des Nationalsozialismus seine demokratische Überzeugung verstärkt und gefestigt. Ich kann mir nicht denken, daß ein Mensch von so tiefem Gefühl für Anständigkeit, Menschlichkeit und Gerechtigkeit, der 1933 für bedrohte Kollegen(innen) vorbehaltlos eintrat und sie in jeder Weise unterstützte, Aktivist der NSDAP oder gar im militaristischen Denken gefangen gewesen sein soll. Das müßte der ganzen Charakteranlage des Herrn Aust widersprechen.“57

Vielleicht können „Charakteranlagen“ in verschiedenen Zeiten auch divergente Ausprägungen zeigen. Den Aufsatz „Soldatentum und Schule“ hatte Alfred Aust acht Jahre vor Ende des Krieges veröffentlich.

Alfred Aust starb am 2.1.1982.58

Das Buch von Hans-Peter der Lorent: „Täterprofile, Band 2, Hamburg 2017“ ist in der Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg erhältlich.

Anmerkungen
1 StA HH, 362-2/30 Wilhelm-Gymnasium_413 Akte Machleidt
2 Personalakte Machleidt, StA HH, 361-3_66974. Alle weiteren Angaben laut Personalakte.
3 Laut Prüfungszeugnis, Personalakte Machleidt, a.a.O.
4 Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum des Wilhelm-Gymnasiums in Hamburg, Hamburg 1931, S. 106f.
5 StA HH, 362-2/30 Wilhelm-Gymnasium_413 Akte Machleidt
6 Personalakte Machleidt, a.a.O.
7 Ebd.
8 in: 100 Jahre Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer , Hamburg 1992, S. 58ff.
9 100 Jahre Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer , Hamburg 1992, S. 59f.
10 100 Jahre Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer , Hamburg 1992, S. 61f.
11 Siehe die Liste der neu ernannten Schulleiter und Stellvertreter an höheren Staatsschulen vom 10.7.1933, abgedruckt in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile, Bd. 1, Hamburg 2016, S. 32.
12 Personalakte Machleidt, a.a.O.
13 100 Jahre Luisen-Gymnasium Bergedorf (1888–1988). Festschrift, Hamburg 1988, S. 133.
14 Festschrift 1988, S. 132.
15 Festschrift 1988, S. 132f.
16 Festschrift 1988, S. 133.
17 Ebd.
18 Ebd.
19 Ebd.
20 Personalakte Machleidt, a.a.O.
21 „ Bergedorfer Zeitung“ vom 5.4.1934.
22 Festschrift 1988, S. 134.
23 Personalakte Machleidt, a.a.O.
24 Ebd.
25 Ebd.
26 Vermerk vom 5.6.1935, ebd.
27 Personalakte Machleidt, a.a.O.
28 Siehe Biografie Roloff in diesem Buch.
29 Gerhard Nöthlich in einem Schreiben an mich vom 24.6.2016.
30 Schreiben vom 12.9.1942, Personalakte Machleidt, a.a.O.
31 Vermerk vom 10.9.1942, Personalakte Machleidt, a.a.O.
32 Vermerk vom 2.10.1942, Personalakte Machleidt, a.a.O.
33 Ebd.
34 Personalakte Machleidt, a.a.O.
35 Aktenvermerk des Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsamtes Hamburg-Nord vom 16.3.1943, Personalakte Machleidt, a.a.O.
36 Personalakte Machleidt, a.a.O.
37 Alle Angaben laut Personalakte Machleidt, a.a.O.
 

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NS-Dabeigewesene

Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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