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Ernst Dätz

(15.9.1894 Hamburg – 29.7.1964)
Schulleiter der Oberrealschule in Hamburg- Eimsbüttel, Kaiser-Friedrich-Ufer
Heimfelder Straße 11 (Wohnadresse, 1939)

Dr. Hans-Peter de Lorent hat das Portrait über Ernst Dätz verfasst und in seinem Buch „Täterprofile, Band 2“ veröffentlich.

Ernst Dätz, 1894 geboren, gehörte zu der Generation von Lehrern an höheren Schulen in Hamburg, die sich nach ihrer Schulzeit freiwillig für den Ersten Weltkrieg meldeten oder eingezogen wurden und diesen Krieg als Offiziere beendeten, mit der Depression der Erfahrungen und der Niederlage in ein Lehrerstudium eintraten. Diese Erfahrungen, diese Sozialisation führte viele 1933 in die NSDAP und in schulische Führungsfunktionen, häufig auch erneut als Offiziere in den Zweiten Weltkrieg. So auch Ernst Dätz, der Schulleiter der Oberrealschule in Eimsbüttel war, am Kaiser-Friedrich-Ufer .

Ernst Dätz stammte aus einfachen sozialen Verhältnissen, die er zum ersten Mal in einem kurzen Lebenslauf im Entnazifizierungsverfahren 1945 so benannte und thematisierte: „In meiner harten Jugend (wir waren sechs Kinder, wohnten in Rothenburgsort, mein Vater war Lokführer).“[1]

Ernst Dätz wurde am 15.9.1894 in Hamburg geboren. Er besuchte die Volksschule bis 1904, anschließend die Realschule in St. Pauli und wechselte 1910 auf die Oberrealschule in St. Georg, wo er 1913 die Reifeprüfung bestand. Vom 1.10.1913 bis August 1914 diente er als Einjährigen-Freiwilliger beim Infanterie-Regiment 75 in Stade, mit dem er „auch im folgenden Jahre bei Kriegsausbruch ins Feld rückte“.[2]

Während des Krieges ließ er sich an der Universität Kiel immatrikulierten. Allerdings blieb er im Krieg an der Front, zum Leutnant befördert und mit nahezu allen Kriegsauszeichnungen dekoriert.

Nach dem Krieg begann er dann tatsächlich das Studium, erst in Hamburg, dann in Jena, wo er 1921 mit einer zoologischen Arbeit promovierte. „Leider zwang mich die inzwischen eingetretene Inflation, mein Studium zu unterbrechen, denn meine Ersparnisse aus dem Kriege zerrannen in ein Nichts. Um überhaupt mein Leben zu fristen, und um die Möglichkeit zu haben, mein Studium später einmal zu Ende zu bringen, ging ich ins Bankfach, das ich zunächst natürlich auch erst erlernen mußte.“[3]

Als er sich 1933 einmal an die Landesunterrichtsbehörde wandte, um seine Kriegszeit auf das Besoldungsdienstalter anrechnen zu lassen, formulierte er diese Phase so: „Die Inflation warf auch mich aus der Bahn, ich ging an die Bank.“[4]

1925 nahm Dätz das Studium (Biologie, Chemie, Mathematik und Philosophie) in Hamburg wieder auf. Am 21.7.1926 bestand er das 1. Staatsexamen, unter anderem bei dem jüdischen Psychologen Prof. William Stern.

„Schon als Student war ich an der Wichernschule des Rauhen Hauses beschäftigt, wo ich auch während meiner Kandidatenzeit und ein Jahr danach noch blieb.“[5] Den Vorbereitungsdienst absolvierte Dätz am Realgymnasium des Johanneums. Am 1.4.1928 wechselte er von der Wichernschule (Paulinum) an die Oberrealschule in Eimsbüttel. Am 30.5.1930 wurde er zum Studienrat ernannt. Zwischenzeitlich hatte Ernst Dätz am 30.6.1928 geheiratet.[6]

Am 1.5.1933 trat Dätz in die NSDAP ein. Im Jahr zuvor war er Mitglied der DNVP geworden. In der NSDAP fungierte er als Blockleiter (1933 bis 1935) und danach als Ortsgruppenschulungsleiter. Er war seit 1933 auch Mitglied des NSLB, ab 1938 im Reichskolonialbund und im NS-Altherrenbund. Er besuchte vom 9.4 bis zum 28.4.1934 die Gauführerschule[7] und war, laut Personalakte, Delegierter beim Reichsparteitag vom 5. bis zum 10.9.1934 in Nürnberg.[8]

Die Belohnung für seine NS-Aktivitäten blieb nicht aus. Auf der Schulleiterliste der Landesunterrichtsbehörde für die höheren Schulen vom 10.7.1933 wurde Ernst Dätz als stellvertretender Schulleiter an der Oberrealschule in Eimsbüttel benannt. Ein Jahr später, nachdem Schulleiter Alfred Kärner gestorben war, wurde Dätz an derselben Schule zum Schulleiter berufen.[9]

Parallel zur Schulleitertätigkeit verfolgte Dätz auch weiter seine militärische Karriere. So absolvierte er ab 1935 jedes Jahr mehrwöchige Übungen bei der Wehrmacht, wurde Oberleutnant, 1937 zum Hauptmann befördert.

Wie der Schulalltag an der Oberrealschule für Jungen in Eimsbüttel am Kaiser-Friedrich-Ufer aussah in der Zeit, als Ernst Dätz dort als Schulleiter fungierte, wird deutlich in den Erinnerungen (von 1936 bis 1943) des ehemaligen Schülers Gerhard Nöthlich, Jahrgang 1925, der in der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen der Schule schrieb: „Am Kaifu im Dritten Reich“.[10]

Gerhard Nöthlich, der später selbst Pädagogik studierte, Lehrer, Schulleiter und Oberschulrat für die höheren Schulen wurde, skizzierte den von ihm erlebten Schulalltag: „‚Vorrrdermann! Heil Hitler!! Setzen!!!‘ So pflegte einer unserer Lehrer seinen Unterricht zu eröffnen, den wir allerdings nur einmal pro Woche erlebten, denn er betraf das Fach ‚Werken‘. Wir stellten Linolschnitte her oder fertigten allerlei aus heutiger Sicht unnützes Gerät an, zum Beispiel einen kleinen Ständer aus dünnem Sperrholz, auf dessen schräg geneigter, am oberen Ende halbrund gesägter Fläche Vaters Taschenuhr zu hängen kam – zur besseren nächtlichen Beobachtung, wenn die Sirenen heulten, was in Hamburg ab 1940/41 regelmäßig der Fall war, mit der Folge, daß Vormittagsstunden ‚wegen Fliegeralarm‘ ausfielen, je nach Zeitpunkt und Dauer des nächtlichen Luftangriffs.“[11] Bei dem Werklehrer handelte es sich um Heinrich Hehn, der in diesem Buch noch gesondert porträtiert wird, ein extrem fanatischer, unangenehmer, intriganter NS-Aktivist.

Schule hieß nicht immer Schule und sah im Krieg so aus: „Ausfall des Unterrichts hielt seinem Stattfinden während der Kriegsjahre in etwa die Waage. Unterricht fiel nämlich nicht nur wegen Bombenalarms aus. Er fiel auch aus, wenn im Winter die Heizung außer Betrieb war; ‚Kohlenferien‘ gab es dann. Er fiel ebenfalls aus, wenn die gesamte Schülerschaft in die Aula gerufen wurde, um die Rundfunkübertragung einer Rede ‚des Führers‘ im Gemeinschaftserlebnis anzuhören. Hitler sprach häufig und lange, auch schon, und besonders häufig, vor Kriegsbeginn. Unterricht fiel aus, weil ein vierwöchiger ‚Ernteeinsatz‘ zu absolvieren war, im Falle meiner Klasse: Kartoffelernte in der Feldmark eines Dorfes Hollenstedt. (…) Unterricht fiel ferner aus, weil wir als Sechzehnjährige in ein sogenanntes ‚Wehrertüchtigungslager‘ einberufen wurden, um im praktischen und theoretischen Dienst mit der Waffe, im günstigeren Fall am Funkgerät unterwiesen zu werden. Gelegentlich wurde der Schulunterricht auch nur stundenweise unterbrochen, so zum Beispiel, wenn eine kleine Kommission durch die Klassen ging, um unseren Haarschnitt auf Länge und Stil zu kontrollieren. Militärisch kurz, auf Streichholzlänge gestutzt – das war die Forderung jener Jahre, was die männliche Haartracht betraf. Für Mädchen (‚Maiden‘) galt Entsprechendes; sehr erwünscht war schlicht-straff zurückfrisiertes Haar, das im Nacken zu einem festen Knoten geschlungen war. Wer jener Forderung nicht nachkam, seinem Äußeren einen allzu zivilen Anstrich gab, zum Beispiel auch durch Mitführen eines Regenschirms oder durch das Tragen einer flachen, in gewisser Weise englisch wirkenden Sportmütze, galt als latent oder offen oppositionell, gerade in Hamburg, und dagegen schritt man ein.“[12]

Interessant auch die Beschreibung von Begeisterung, Anpassung und Widerspruch bei der Schülerschaft: „Wer war ‚man‘? Das waren überzeugte Anhänger der NS-Ideologie, Funktionäre der NS-Jugendorganisation (HJ), häufig der ‚Streifen-HJ‘, die es innerhalb der Schülerschaft gab und von denen einige es fertig brachten, Oppositionelle, jugendliche Regime-Gegner, Angehörige der in Hamburg stark vertretenen ‚Swing-Jugend‘, bei einschlägigen Stellen zu denunzieren, so daß wir auch den Fall erlebten, daß einer unserer besonders offenen und kritischen Mitschüler für mehrere Monate im KZ-Flügel der Haftanstalt Fuhlsbüttel festgehalten wurde. Andere wurden ‚nur‘ von der Gestapo verhört. Ja, den oppositionellen Geist, der sich an etlichen der Hamburger ‚Oberschulen‘ verbreitete, beargwöhnte das NS-Regime mit Wachsamkeit. Was wuchs da heran? Doch es wuchs – außer den bereits erwähnten regimetreuen – auch anderes heran: Repräsentanten, die geradezu glühend vor Eifer hinter der NS-Ideologie standen, sie offensiv vertraten, von ‚Karl dem Sachsenschlächter‘ und ‚Friedrich dem Einzigen‘ sprachen und mit klirrenden Hufeisen unter den stramm geschnürten Nagelstiefeln die Aula verließen, wenn anlässlich einer Weihnachtsfeier – auch die gab es noch zwischen 1936 und 1943 – helle Sextaner-Stimmen ein Lied sangen, in dem der Nikolaus vorkam, der als christlicher Heiliger einem Nachfolger der Germanen unerträglich war.“[13]

Gerhard Nöthlich schilderte eindringlich, wie schüleroppositionelles Verhalten aussehen konnte: „Die älteren Jahrgänge etlicher Schulen waren nach Sagebiel, einem der großen Hamburger Konzert-und Veranstaltungssäle, in Marsch gesetzt worden, wo sie einen hochdekorierten Frontoffizier live erleben sollten: Ritterkreuzträger als Multiplikator, das war der Sinn der Veranstaltung (natürlich: Unterrichtsausfall). Ein großer Teil derer, die diesem Mann nach dem Willen der damaligen Machthaber bald nacheifern sollten, zog offensichtlich nur widerwillig los. Noch vor Beginn der Veranstaltung breitete sich im Saal eine gewisse Unruhe aus; die Bemühungen der Lehrer, Ruhe zu schaffen, waren nur von Teilerfolgen gekrönt. Nicht lange nach Beginn der Rede, die von Einsatz, Kampf und Mut handelte, begann an völlig unpassender Stelle, bei einer Zeit- oder Ortsangabe etwa, ein rhythmischer Applaus, der sich über Parkett und Ränge ausbreitete. Weder Stimmen, die Ruhe forderten, noch Beschwichtigungsgebärden der Lehrer fruchteten etwas. Irgendwo begannen Gruppen, bald darauf Massen von Schülern, sich von ihren Sitzen zu erheben und, noch immer rhythmisch applaudierend, verließ ein Teil von Hamburgs Jugend den Ort des Geschehens. Die Sache hatte in der Schule lediglich ein verbales Nachspiel, doch vermute ich, daß sich die oben erwähnte Spitzeltätigkeit verstärkte, denn die ‚Rädelsführer‘ wollte man ‚unschädlich machen‘ und das gelang durch Weitergabe von Informationen.“[14]

Über die von ihm erlebten Lehrer schrieb Gerhard Nöthlich: „Um nun auf jenen zackigen Werklehrer zurückzukommen: Er war einer der wenigen auf den ersten Blick erkennbaren ‚Nazis‘, die ich in jener Zeit am Kaifu erlebte. Zumindest durch seine Reden wies er sich als solcher aus, indem er, während wir sägten, raspelten und hämmerten, aus der ‚Kampfzeit‘ berichtete. Damit meinte er die Zeit vor 1933, in der um den Sieg noch gekämpft wurde. Er sprach davon vorgeschobenen Kinns und mit fast bebender Stimme: ‚Junge! Da haben wir so manchmal gekämpft, mit dem Revolver in der Faust und mit der Faust in der Tasche‘, und was dergleichen Unsinn mehr war. Er beeindruckte die meisten von uns nicht. Etliche Gleichgesinnte unserer Klasse fanden ihn, und was er sagte, lustig, und wir nahmen ihn auf unsere Eimsbütteler Schippe, so gut wir konnten. Am anderen Ende der Skala gab es Lehrer, deren oppositionelle Einstellung wir aus Geste, Haltung, Miene, nicht selten sogar aus ihrer Art, sich zu kleiden, herausspürten, gelegentlich auch aus dem unverschlüsselten oder verschlüsselten Wort. Vielen meiner ehemaligen Mitschüler wird jener Lehrer in Erinnerung sein, der Stunde für Stunde den Klassenraum mit pflichtgemäß zum ‚deutschen Gruß‘ erhobener Hand betrat, doch in der Hand hielt er sein Schlüsselbund, das er, nach hinten über die Schulter ausholend, aufs Lehrerpult knallte, wobei er statt ‚Heil Hitler‘ murmelte: ‚Alsso, wir hadd’n …‘“, womit er regelmäßig seine Mathematikstunde begann, auch wenn die Sommerferien zwischen der letzten und der neuen lagen. Mir fallen mehr Lehrer ein, welche diesem Typ zuzuordnen sind, als solche vom Schlage des Werklehrers. So war es auch schon eindrucksvoll, als unser damaliger Klassenlehrer auf die mit Sicherheit dienstlich angeordnete Frage: ‚9. November: welchen Tag feiern wir heute?‘ und die Antwort eines Mitschülers: ,Meine Mutter hat Geburtstag.‘ lediglich mit der flachen Hand auf die Pultfläche schlug und meinte: ‚Wir sind hier unter uns, aber … Ihr eckt noch mal an!!‘ Und grimmig besorgt guckte.“[15]

Über den Schulleiter, Ernst Dätz, gibt es in der Festschrift nur eine kurze Bemerkung. Er wurde als „Schulleiter im Major-Uniform mit großer Ordensschnalle, der soldatisch-patriotisch tönte“ bezeichnet.[16]

Am 5.10.1939 zog Ernst Dätz in den Krieg, am 29.11.1941 wurde er zum Major befördert. Am 1.9.1942, nach seiner Entlassung aus dem Heer, kam er zurück an die Oberrealschule Eimsbüttel. Zum 21.10.1943 versetzte ihn die Behörde als Oberstudiendirektor an die Oberschule für Jungen in Blankenese.[17]

Zum 50. Geburtstag gratulierte ihm am 15.9.1944 OSR Walter Behne: „Nachdem ich Ihnen schon fernmündlich die herzlichsten Glückwünsche zu ihrem 50. Geburtstage ausgesprochen habe, möchte ich diese im Namen der Schulverwaltung auf diesem Wege wiederholen. Ich verbinde damit gleichzeitig den Dank der Schulverwaltung und auch meinen persönlichen Dank für die von Ihnen bisher erfolgreich geleistete Arbeit. Möge Ihnen auch für die fernere Zukunft Ihre Schaffenskraft und Einsatzbereitschaft zum Wohle des hamburgischen höheren Schulwesens erhalten bleiben.“[18]

Bedeutsam auch für den weiteren Ablauf nach 1945 erscheinen zwei vertrauliche Stellungnahmen der Oberschulräte Wilhelm Oberdörffer und Theodor Mühe, die diese 1935 über Dätz abgaben. Sie waren vom Wehrbezirkskommando Hamburg II „vertraulich“ gefragt worden. Ziel war es, zu überprüfen, ob Dätz für eine weitere militärische Karriere geeignet wäre: „Das Wehrbezirks-Kommando bittet um eine vertrauliche Beurteilung des Bewerbers hinsichtlich Persönlichkeit, Charakter, Lebensführung, Umgangsformen, politische Einstellung, Zugehörigkeit zu Wehrverbänden, wirtschaftliche Lage, Ansehen in der Bevölkerung und dergleichen. Auch betreffs der Ehefrau des Bewerbers wird um Mitteilung über Herkunft, Lebensführung usw. gebeten. Es ist dem Wehrbezirks-Kommando daran gelegen, dass keine Gründe verschwiegen werden, die eine etwaige Verwendung des Bewerbers im Reichsheere unerwünscht oder untunlich machen.“

Theodor Mühe, der selbst an der Oberrealschule in Eimsbüttel tätig gewesen war, bevor er 1933 Oberschulrat wurde und der zusammen mit Ernst Dätz auch vor 1933 der DNVP angehört hatte, schrieb am 28.8.1935:
„Auf das vertrauliche Schreiben vom 19. d. M. betr. den Studienrat und Schulleiter Dr. phil Ernst Dätz habe ich mitzuteilen, daß nach meiner Kenntnis im persönlichen und amtlichen Verkehr Herr Dr. Dätz nach Charakter und Lebensführung ebenso wie hinsichtlich seiner Umgangsformen durchaus einwandfrei ist. In seiner politischen Einstellung hat er sich als völkisch national bewährt. Er erfreut sich allgemeiner Wertschätzung. Ohne eine genauere Kenntnis im einzelnen bin ich überzeugt, daß seine wirtschaftliche Lage gesichert ist, und daß auch gegen seine Ehefrau nach Herkunft, Lebensführung usw. kein Einwand besteht.“[19]

OSR Wilhelm Oberdörffer wurde, vertraulich, noch deutlicher:

„Er ist mir seit einer Reihe von Jahren aus seiner unterrichtlichen Tätigkeit im Privatschuldienst und an öffentlichen hamburgischen Schulen bekannt und wird nach seiner Persönlichkeit und seinem Charakter, der Art seines Auftretens und des Verkehrs mit anderen Menschen besonders geschätzt. Er ist bestimmt, aber bescheiden. Man merkt ihm immer wieder an, daß er im Kriege als Offizier gelernt hat, was von einem wirklichen Führer verlangt werden muß. Keine Arbeit wird ihm zu viel, stets ist er einsatzbereit; nie drängt er sich vor, führt aber ihm gegebene Aufträge mit großer Gewissenhaftigkeit und Energie durch. Seine politische Einstellung ist durchaus positiv zum nationalsozialistischen Staat; er gehört der Bewegung an und bekleidet dort auch bereits einige Ämter. Soweit mir bekannt ist, liegen wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht vor. Seit 30.6.1928 ist er verheiratet und lebt in glücklicher Ehe, aus der zwei Kinder hervorgegangen sind.

Alles in allem halte ich Herrn Dr. Dätz durchaus für würdig und geeignet, im Reichsheer verwandt zu werden. Jedenfalls ist mir in der langen Zeit, während der ich Herrn Dr. Dätz kenne, nie etwas Nachteiliges über ihn bekannt geworden.“[20]

Nach dem Krieg war dann alles anders. Durch Schreiben von Senator Landahl wurde Ernst Dätz am 13.8.1945 im Namen der britischen Militärregierung beurlaubt. OSR Heinrich Schröder beauftragte Dätz am 13.8.1945 mit der Arbeit als Studienrat an der Schule in Blankenese. Einen Monat später, am 12.9.1945, wurde er entlassen.[21]

Ich verlasse hier die Chronologie der Ereignisse, um ein wichtiges Leumundszeugnis einzuführen, den „Persilschein“ vom ehemaligen Oberschulrat Wilhelm Oberdörffer, der 1935 noch gerühmt hatte, Ernst Dätz sei „sehr einsatzbereit, führt ihm gegebene Aufträge mit großer Gewissenhaftigkeit und Energie durch. Seine politische Einstellung ist durchaus positiv zum nationalsozialistischen Staat; er gehört der Bewegung an und bekleidet dort einige Ämter.“[22]

Am 26.8.1947, hingegen zu einem anderen Zweck, nämlich der Entnazifizierung des Ernst Dätz, akzentuierte Oberdörffer ganz anders:
„Herr Dr. Dätz ist ein tüchtiger Lehrer und Erzieher, der über umfassende, wissenschaftlich gut fundierte Kenntnisse verfügt und sich auch als Leiter einer höheren Schule durchaus bewährt hat. Er ist ein in jeder Hinsicht einwandfreier, aufrechter Charakter und hat alle Erfolge und Beförderungen in seiner Berufslaufbahn nur seinem unermüdlichen Fleiß, seiner Zuverlässigkeit und Pflichttreue zu verdanken; politische oder andere Einflüsse haben hierbei nicht mitgewirkt. Im Grunde genommen ist Herr Dr. Dätz ein völlig unpolitischer Mensch; er hat sich auch nicht zu einer Betätigung in der Partei gedrängt, sondern Aufgaben, die ihm als Mitglied der NSDAP, in die er seinerzeit aus ehrlicher Überzeugung eingetreten ist, zugewiesen worden sind, ohne starke innere Anteilnahme übernommen und durchgeführt. Wenn Herr Dr. Dätz auch nach seinen Angaben vorübergehend das Amt eines Block- und Schulungsleiters versehen hat, so wäre es unter Berücksichtigung seiner geringen inneren Bereitschaft und seiner Wesensart doch falsch, ihn als Aktivisten oder Propagandisten zu bezeichnen; Bescheidenheit und Zurückhaltung sind vielmehr Grundzüge seines Charakters und Merkmale seines Verhaltens.“[23]

Wilhelm Oberdörffer hatte unrühmlich viele „Persilscheine“ für einige sehr belastete Nationalsozialisten geschrieben.[24]

Auf die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis reagierte Ernst Dätz 12.9.1945 zunächst vorsichtig und überrascht: „Ich glaubte erwarten zu dürfen, daß ich entsprechend der Mitteilung vom 13.8.1945 weiterhin für die Tätigkeit eines Studienrats zugelassen bleiben würde. So bitte ich die Schulverwaltung, bei der Militärregierung wegen einer nochmaligen Prüfung meiner Angelegenheit vorstellig zu werden und darauf hinzuwirken, daß es bei der Beauftragung mit der Wahrnehmung der Dienstgeschäfte eines Studienrats verbleibt. Im übrigen glaube ich, bei der deutschen Schulverwaltung Verständnis dafür zu finden, daß es mir sehr schwer wird, mich damit abzufinden, daß überhaupt in wohlerworbene Beamtenrechte auf diese Weise eingegriffen wird.“[25]

Dann begannen die Erklärungen und Rechtfertigungen im Zusammenhang mit dem Ausfüllen des Entnazifizierungsfragebogens. So schrieb Dätz über seine NSDAP-Mitgliedschaft:

„Mein Eintritt in die Partei erfolgte am 1. Mai 33. Mich leiteten damals soziale Gesichtspunkte. In meiner harten Jugend (wir waren 6 Kinder, wohnten in Rothenburgsort, mein Vater war Lok.-führer) lernte ich die soziale Frage in der Praxis kennen. Schon im Jugendalter arbeitete ich in dem von der Inneren Mission unterhaltenen Rothenburgsorter Knabenhort mit, lernte das Rauhe Haus kennen, das mich nach dem Krieg noch 2½ Jahre in seinen Mauern sah. Das Parteiprogramm war nach der sozialen Frage hin so verheißungsvoll, daß ich darin die Lösung der durch das vorherige Jahrhundert aufgeworfenen sozialen Frage sah.“[26]

Und: „Da von allen Seiten die Verbindung von Schule und Elternhaus gewünscht wurde, nahm ich das Angebot eines Vaters von zwei Jungen, die unsere Schule besuchten und der zugleich Ortsgruppenleiter der Ortsgruppe war, in deren Bereich unsere Schule lag, an, bei ihm in der Ortsgruppe Schulungsleiter zu werden. Diese Tätigkeit selbst war im wesentlichen unterrichtender Art.“[27]

Die soziale Herkunft von Ernst Dätz, das daraus resultierende Bemühen um Anerkennung, mag ein Schlüssel dafür gewesen sein, alle von NS-Seite an ihn herangetragenen Aufgaben bereitwillig zu übernehmen, wobei ihm ein sozialer Impetus gar nicht abgesprochen werden soll. Absurd allerdings die Argumentation, dass seine Einsetzung als stellvertretender Schulleiter und, 1934, als Schulleiter nicht mit seiner NSDAP-Mitgliedschaft am 1.5.1933 zu tun hätten:
„Meine Heraushebung als Leiter einer höheren Schule 1934 ist nicht zurückzuführen auf Bestreben von Parteistellen, sondern beruht auf einer Wertung meiner Person als Lehrer und Erzieher und hat die besondere Förderung von Herrn Oberschulrat a. D. Dr. Oberdörffer erfahren.“[28] Das mag sein, aber ohne seinen NSDAP-Beitritt und seine Blockleiter-Funktion hätte sich Oberdörffer nicht durchsetzen können, der opportunistisch ebenfalls am 1.5.1933 in die NSDAP eingetreten war.

Und typisch auch das immer wiederkehrende Muster: „Ich war auch Christ, es gab Schlimmere, ich hatte einen guten Kontakt zu einem Juden und die Anmaßungen der HJ wurden von mir stets zurückgewiesen.“ Bei Dätz las es sich so: „Als Leiter der Schule suchte ich meiner Anstalt zu dienen, den Schülern, Eltern, Kollegen, ohne mich engherzig an Parteidoktrinen und -anweisungen, die meiner Gesinnung entgegenstanden, gebunden zu fühlen. Trotz wiederholt an mich herangetragenen Ansinnens, aus der Kirche auszutreten, blieb ich meinem Gottesglauben treu. Kritisch war ich vor allem den Vorschriften und Einrichtungen der HJ gegenüber eingestellt. Achtung habe ich vor der wirklichen Leistung immer gehabt, auch wenn sie von jüdischer oder jüdisch-versippter Seite kam. Mit Herrn Dr. Goldenring verband mich immer echte Kameradschaft, auch als er unsere Anstalt verlassen hat.“[29]

Verharmlost wurden die Tätigkeiten innerhalb der NSDAP, wobei Dätz in seinem ersten Fragebogen sogar die Blockleiterfunktion verschwiegen hatte. Seine Aktivitäten als Ortsgruppenschulungsleiter in der Ortsgruppe Schäferkamp bagatellisierte er zur Behandlung von „Ostlandfragen und meist geschichtlichen Fragen“. Und später, in der Ortsgruppe Blankenese, von 1944-45 hätte er „Kriegsfragen (Lageberichte)“ thematisiert.[30]

In seiner Entlastungsargumentation behauptete Dätz:
„Meine Tätigkeit bei der Wehrmacht ist nicht militärischem Ehrgeiz oder starker Begeisterung für den Militarismus entsprungen, sondern beruht auf den gleichen erzieherischen Grundgedanken, wie sie mir als Jugenderzieher nahe lagen. Für mich bedeutet Disziplin ein Vertrauensverhältnis vom Vorgesetzten zum Untergebenen und umgekehrt. Stets war ich mir der Verantwortung bewußt für jeden, der mir anvertraut war, besonders auch beim Militär. Nach oben hin hat mir diese Haltung mehr Enttäuschungen und Nackenschläge als Vorteile eingebracht. Meine Beförderung zum Major der Reichswehr kam dadurch erst verspätet mit einem späten Patent heraus. Mit knapper Not entging ich 1942 auf dem russischen Kriegsschauplatz im Kessel von Demjansk dem Kriegsgericht, als ich gegen einen undurchführbaren Angriff protestierte. In Verfolgung dieser Angelegenheit wurde ich als Bataillonskommandeur abgelöst und noch im gleichen Jahre entlassen. Nebenbei sei auf die schwere Kriegsschädigung hingewiesen, die mir durch die Entfernung des Meniskus am rechten Knie zugefügt wurde.“[31]

Nüchtern könnte man auch sagen: Dass Dätz, was immer auch dem Major Dätz vorgehalten worden sein mochte, seinem Ausscheiden aus der Wehrmacht 1942 und der Rückkehr auf seine Oberstudiendirektoren-Stelle möglicherweise sein Überleben verdankte.

Gewiss gab es Schlimmere und Fanatischere als Ernst Dätz. So schrieb Kurt Minners ihm ein Leumundszeugnis: „Als ich Ostern 1935 wegen nichtnationalsozialistischen Verhaltens von der Lichtwarkschule an die Oberschule in Eimsbüttel strafversetzt wurde, fand ich dort Direktor Dätz als Schulleiter vor. Direktor Dätz ließ mir in meiner Unterrichtstätigkeit trotz meiner Vorbestraftheit völlig freie Hand. Er drängte nie darauf, dass im Unterricht die nationalsozialistische Ideologie betont werden müsse, so dass ich mich ebenso wie die anderen aus ähnlichen Gründen nach Eimsbüttel versetzten Kollegen unter der Leitung von Direktor Dätz verhältnismäßig unbehelligt fühlen konnte. Dir. Dätz fasste seine Stellung als Schulleiter nicht autoritär auf; er setzte die Lehrer von allen Vorfällen in Kenntnis und besprach sich mit ihnen über zu treffende Maßnahmen. Seine anständige Gesinnung mag folgende Begebenheit erläutern: Am Tage nach der Zerstörung der Hamburger Synagogen äußerten sich zwei Kollegen im Lehrerzimmer, diese Zerstörung sei zu verurteilen, die Synagogen seien Gotteshäuser. Diese Äußerungen zeigte der damalige Zeichenlehrer Hehn bei Dir. Dätz an, in der Absicht, die beiden Kollegen wegen ihrer Äußerungen zu belangen. Es verdient betont zu werden, dass Dir. Dätz sich schützend vor die beiden Kollegen stellte und es mit großer Mühe schließlich erreichte, dass Hehn seine Anzeige zurückzog.“[32]

Dies ist sicherlich anerkennenswert. Der technische Lehrer Heinrich Hehn, der in diesem Buch auch porträtiert wird, war ein fanatischer und intriganter NS-Aktivist und die Verhältnisse an der Lichtwarkschule mit Schulleiter Erwin Zindler und seinem Stellvertreter, Berthold Ohm, sind ausführlich im Band 1 der „Täterprofile“ dargestellt worden.[33]

OSR Heinrich Schröder, der Ernst Dätz noch am 13.8.1945 als Studienrat in Blankenese belassen hatte, zeigte sich nach den schriftlichen Erläuterungen von Dätz im Entnazifizierungsfragebogen ernüchtert: „Als Blockleiter und Ortsgruppen-Schulungsleiter ist Dr. Dätz als aktiver Nationalsozialist anzusehen. Seine Wiedereinstellung in sein Amt kann daher nicht in Frage kommen.“[34]

Der Beratende Ausschuss unter Vorsitz von Johann Helbig sah das am 19.10. 1946 anders: „Entgegen der von Herrn OSR Schröder niedergelegten Ansicht glauben wir, dass er nicht die Rolle eines Aktivisten gespielt hat. Wir würden nach Prüfung der angelegten Gutachten und einer Reihe von Zeugenäußerungen eine Milderung der Urteile begrüßen.“[35]

Das Verfahren zog sich noch einige Zeit hin. Ernst Dätz musste seine Familie, mit zwei Kindern in der Ausbildung, ernähren. Oberdörffer schrieb in seinen Leumundsbrief: „Als er nach dem Zusammenbruch vor zwei Jahren aus dem Amt entfernt wurde, hat er, im Bewußtsein, nichts Unrechtes oder gar Unehrenhaftes begangen zu haben, die ihm durch das Arbeitsamt zugewiesene untergeordnete Tätigkeit treu und unverdrossen bis heute ausgeübt in der festen Zuversicht, zu gegebener Zeit seine Lehrtätigkeit in der Schule wieder aufnehmen zu dürfen.“[36]

Am Ende hatte der Biologe und Chemiker Dätz eine Beschäftigung in der Pharmaindustrie gefunden.[37]

Im November 1947 wendete sich das Blatt für Ernst Dätz. Der Berufungsausschuss für die Ausschaltung von Nationalsozialisten tagte am 17.11.1947 unter dem Vorsitz des für seine Milde bekannten ehemaligen Präsidenten des Oberlandesgerichtes, Wilhelm Kiesselbach[38], der im Bereich der höheren Schulen vielen erheblich Belasteten zur Wiedereinstellung verholfen hatte. Ausschlaggebend für die Beurteilung von Ernst Dätz war erneut Wilhelm Oberdörffer, der als Zeuge gehört worden war und erklärt hatte, „dass Dr. Dätz bei politischen Gesprächen durchaus nicht nazistisch eingestellt gewesen sei. Dr. Dätz sei politisch uninteressiert und ein ausgesprochener Pflichtenmensch. Daraus erkläre sich die Übernahme von Aufträgen.“[39]

Der Berufungsausschuss resümierte, „daß Dätz die genannten Ämter aus einer gewissen Pflichttreue übernommen und durchgeführt und daß er sich stets anständig und korrekt verhalten hat, insbesondere auch da, wo es sich um die Abwehr nationalsozialistischer Ein- und Übergriffe handelte.“[40]

Die Entscheidung lautete: „Der Berufung wird stattgegeben mit der Maßgabe, dass Dr. Dätz als Studienrat im Angestelltenverhältnis wieder eingestellt und nicht vor dem 1. Oktober 1949 wieder in das Beamtenverhältnis überführt werden kann.“[41]

Ernst Dätz wurde zum 1.4.1948 an das Johanneum überwiesen. Zum 1.10.1949 war er wieder Beamter. Er bemühte sich in den nächsten Jahren um „völlige Rehabilitierung“: „Bei dieser Gelegenheit sei es mir erlaubt, darauf hinzuweisen, daß ich alle Rechte und Ansprüche, die mir aus meiner früheren Stellung als Oberstudiendirektor zustehen, dem Staat gegenüber voll aufrecht erhalte, nachdem ich ohne jede Einschränkung rehabilitiert bin.“[42]

Die „Rehabilitation“ erfolgte 1959, ein Jahr bevor Ernst Dätz pensioniert wurde. Dätz wurde auf eine A 14-Stelle zum Oberstudienrat befördert. In der Begründung hieß es: „Herr Dr. Dätz ist von 1934 bis 1945 Schulleiter und Oberstudiendirektor gewesen und hat als solcher unter den schwierigen Verhältnissen bei den Kollegen volles menschliches Vertrauen genossen. Als Fachlehrer leistet er saubere Arbeit, ist anregend und auf der Höhe der wissenschaftlichen Entwicklung seiner Fächer. In seinem Einsatz für die Schule und für die Schüler ist er unermüdlich. Mit Sachkenntnis und Umsicht leitet er die Chemiesammlung der Schule. Am altsprachlichen Gymnasium werden Referendare der naturwissenschaftlichen Fachrichtung selten ausgebildet. So ist Dr. Dätz darum als Anleiter nicht regelmäßig tätig; aber die dort ausgebildeten Referendare seiner Fächer sind auch bei ihm ausgebildet und gut gefördert worden.“[43]

OSR Hans Wegner, ehemals Schulleiter des Johanneums, hatte kurz vermerkt: „Herr Dr. Dätz verwaltet die Chemiesammlung mit großer Sorgfalt. Die durch Kriegsschäden eingetretenen Lücken der Sammlung hat er so weitgehend geschlossen, daß jetzt wieder den Normalansprüchen dieses Faches genügt werden kann. Über seine Pflichtstundenzahl hinaus erteilt er fakultativen Französischunterricht, so daß kein Schüler wegen Mangel an Lehrkräften davon ausgeschlossen bleiben muß. Auch in der Ausbildung von Studienreferendaren seiner Fächer ist er mit tätig und ist dabei ein anregender Förderer.“[44]

Es gab auch eine andere Sicht auf den Pädagogen Ernst Dätz. In dem Buch „Das Johanneum in der Nachkriegszeit“ hat Uwe Reimer viele Gespräche mit ehemaligen Schülern geführt, „Innenansichten einer Hamburger Traditionsschule“. Über Ernst Dätz heißt es: „Manchmal fühlt man sich an Lehrerfiguren aus Heinrich Spoerls Roman ‚Feuerzangenbowle‘ erinnert, so bei Ernst Dätz. Der Biologie- und Chemielehrer, der offenbar ohne jede Autorität war, pflegte zu Stundenbeginn die Namen der einzelnen Schüler aufzurufen, um deren Anwesenheit festzustellen. Die Schüler machten sich einen Spaß daraus, auch bei Fehlenden ‚hier‘ zu rufen – ‚das funktionierte‘. Sogar Namen von Schülern, die bereits abgegangen waren, wurden genannt, ohne dass er es bemerkte. Die Zensurenvergabe hing von der Dreistigkeit der Schüler ab: Wer eine ‚Vier‘ erhalten sollte, brauchte nur zu sagen, dass er auf ‚Zwei‘ geprüft werden wollte, und schon hatte er eine ‚Drei‘ sicher. Auch Dätz war, wie Krause, der Doktortitel wichtig. Torsten Bazoche berichtet: ‚In der neunten Klasse hatten wir Dr. Dätz in Biologie. In einer seiner ersten Stunden erzählte er uns, dass er zwei Doktortitel hätte, also Dr. Dr. Dätz hieße.‘ Ein Mitschüler habe daraus umgehend das Gackern eines Huhnes gemacht: ,Doc-doc-doc-Dätz, Doc-doc-doc-Dätz‘. Dieser Ruf sei dann später oft benutzt worden, um das Eintreffen von Dätz zu melden, wenn er sich dem Klassenraum genähert habe. Oberstufenschülern gab er Tipps: Als Biologielehrer ermunterte er seine Schüler: ‚Jungs, heiratet ne gesunde Deern‘.“[45]

Ernst Dätz wurde am 30.9.1959 pensioniert und arbeitete danach mit einem Lehrauftrag am Johanneum bis zum 30.7.1961.

Nach der Besoldungsgesetz-Änderung von 1964 wurde er noch nach A15 eingruppiert.

Er starb am 29.7.1964.[46]

Das Buch von Hans-Peter de Lorent: Täterprofile, Band 2, Hamburg 2017 ist in der Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg erhältlich.

Anmerkungen
1 Schreiben vom 27.10.1945, Entnazifizierungsakte Dätz, StA HH, 221-11_Ed 1053
2 Handgeschriebener Lebenslauf in seiner Personalakte, StA HH, 361-3_A 1295. Alle weiteren Angaben ebenfalls laut Personalakte.
3 Gesuch von Ernst Dätz um Anrechnung der Kriegszeit auf sein Besoldungsdienstalter, Personalakte a.a.O.
4 Schreiben vom 26.9.1933, Personalakte a.a.O.
5 Ebd.
6 Personalakte a.a.O.
7 Alle Angaben laut Entnazifizierungsfragebogen, Entnazifizierungsakte a.a.O.
8 Personalakte a.a.O.
9 Ebd.
10 100 Jahre Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer , Festschrift, Hamburg 1992, S. 63ff.
11 100 Jahre Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer , Festschrift, Hamburg 1992, S. 63.
12 100 Jahre Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer , Festschrift, Hamburg 1992, S. 64.
13 Ebd.
14 100 Jahre Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer , Festschrift, Hamburg 1992, S. 65.
15 Ebd.
16 100 Jahre Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer , Festschrift, Hamburg 1992, S. 65f.
17 Personalakte a.a.O.
18 Personalakte a.a.O.
19 Personalakte a.a.O.
20 Ebd. Sehe auch die Biografien über Theodor Mühe und Wilhelm Oberdörffer, in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile, Bd. 1, Hamburg 2016, S. 371ff. und S. 528ff.
21 Personalakte a.a.O.
22 Ebd. Schreiben vom 2.9.1935.
23 Entnazifizierungsakte, a.a.O.
24 So etwa für Sophie Barrelet und Walter Brockmöller, in: de Lorent 2016, S. 352ff. und S. 336ff.
25 Schreiben vom 22.9.1945, Entnazifizierungsakte a.a.O.
26 Schreiben von Ernst Dätz an die Schulverwaltung vom 27.10.1945, Entnazifizierungsakte a.a.O.
27 Ebd.
28 Ebd.
29 Ebd.
30 Ebd. Anlage zum Fragebogen.
31 Ebd.
32 Schreiben vom 11.7.1946, Entnazifizierungsakte a.a.O.
33 Siehe de Lorent 2016, S. 538ff. und S. 575ff.
34 Schreiben vom 3.7.1946, Entnazifizierungsakte a.a.O.
35 Schreiben vom 19.10.1946, Entnazifizierungsakte a.a.O.
36 Erklärung vom 26.8.1947, Entnazifizierungsakte a.a.O.
37 Personalakte, a.a.O.
38 Siehe zu Wilhelm Kiesselbach: de Lorent 2016, S. 49ff.
39 Protokoll vom 17.11.1947, Entnazifizierungsakte a.a.O.
40 Ebd.
41 Ebd.
42 Schreiben von Ernst Dätz an die Schulbehörde am 4.12.1953, Personalakte a.a.O.
43 Ernennungsvorschlag vom 25.7.1958, Personalakte a.a.O.
44 Ebd.
45 Uwe Reimer: Das Johanneum in der Nachkriegszeit, Hamburg 2014, S. 131.
46 Personalakte a.a.O.
 

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NS-Dabeigewesene

Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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