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Wilhelm Bernhardt

(20.5.1883 Eckernförde - ??)
Schulleiter der Schule Fuhlentwiete 34, Geschäftsführer des Curio-Hauses, der Lehrervereinshaus GmbH
Lupinenkamp 16 (Wohnadresse 1950)

Dr. Hans-Peter de Lorent hat über Wilhelm Bernhardt ein Portrait verfasst, das in Hans-Peter de Lorents Buch: Täterprofile. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz. Band. 3. Hamburg 2019 erschienen und im Infoladen der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg erhältlich ist. Hier der Text:

„Die Reichswaltung des NSLB setzt in Pg. Bernhard großes Vertrauen.“
Eine Karriere ganz besonderer Art machte Wilhelm Bernhardt, der sowohl im Bereich der Schule als auch im NSLB reüssierte. Am 1.5.1933 in die NSDAP eingetreten sowie in den NSLB, setzte ihn Schulsenator Karl Witt als Schulleiter einer Hamburger Gewerbeschule ein. Im NSLB bekam er 1934 die wichtige Funktion des Geschäftsführers des Curio-Hauses, der Lehrervereinshaus GmbH. 1945 waren dann die Kenntnisse von Wilhelm Bernhardt wichtig, um nach der NS-Zeit das Curio-Haus wieder zurück in den Besitz der „Gesellschaft der Freunde“, später der GEW-Hamburg zu bringen.
Wilhelm Bernhardt wurde am 20.5.1883 als Sohn eines Gerbereibesitzers in Eckernförde geboren. Er besuchte dort von 1890 bis 1897 die Volksschule und wechselte danach auf die Mittelschule in Eckernförde. 1909 bereitete er sich auf der Präparandenanstalt in Apenrade, das damals noch zu Deutschland gehörte, auf das Lehrerseminar vor, das er dann von 1901 bis 1904 in Eckernförde-Borby besuchte. Er bestand dort am 4.2.1904 die erste Lehrerprüfung als Volksschullehrer und am 30.5.1907 die zweite Lehrerprüfung, diese aber schon in Hamburg an der Volksschule Bachstraße . Zwischenzeitlich hatte er nach dem Lehrerseminar an den Volksschulen in Schenefeld und Wentorf gearbeitet.[1]
Wilhelm Bernhardt war ein ambitionierter Mann. Das zeigte sich auch darin, dass er schon am 3.12.1913 die Mittelschullehrerprüfung ablegte, die ihn dazu befähigte, eine Leitungsfunktion an Schulen zu übernehmen. Bernhardt blieb Volksschullehrer bis 1920. Zwischenzeitlich allerdings wurde er Soldat im Ersten Weltkrieg, den er seit dem 2.8.1914, am Ende zum Hauptmann befördert, absolvierte.[2]
Die Personalakte von Wilhelm Bernhardt ist trotz seiner über 40-jährigen Tätigkeit im Lehrerberuf erstaunlich schmal und gibt nicht über alle Schritte wirklich Auskunft. 1920, nach Beendigung einer Kriegsgefangenschaft, wechselte Bernhardt erst an die Seminarschule Angerstraße , danach bekam er eine ordentliche Lehrerstelle als Gewerbeschullehrer.[3]
Bernhardt, der später angab, von 1920 bis 1925 der DVP angehört zu haben, trat am 1.5.1933, mit fast 50 Jahren, in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer 3.002.450).[4] Dies war sicherlich die Voraussetzung dafür, auf der Liste der Schulleiter der beruflichen Schulen vom 10.7.1933 als Leiter der Schule Fuhlentwiete 34, nach behördlicher Abkürzung M 1, aufzutauchen und ernannt zu werden. Kurz darauf, als die beruflichen Schulen neu organisiert wurden und die Schulen Fuhlentwiete und Paulinenstraße (vorher M 2) zur Gewerbeschule VII zusammengelegt wurden, erhielt Wilhelm Bernhardt die Stelle als stellvertretender Schulleiter. Schulleiter wurde Richard Schlorf, der vorher schon zum Schulleiter der Paulinenstraße bestimmt worden war.[5] Dies bedeutete keine Degradierung für Wilhelm Bernhardt, beide, Schlorf und Bernhardt, waren ein eingespieltes Duo, das sich auch im NSLB bestens verstand. Richard Schlorf fungierte dort als Kassenverwalter und Wilhelm Bernhardt übertrug man die Geschäftsführung des Curio-Hauses, das am Ende eines mehrjährigen Gleichschaltungsprozesses der „Gesellschaft der Freunde“ in den Besitz des NSLB übergegangen war.[6] Hier arbeitete Wilhelm Bernhardt eng mit Richard Schlorf und Kurt Holm[7] zusammen, Holm, der für den Bereich Wirtschaft und Recht im NSLB zuständig war, sozusagen für die ‚geraubten Erbschaften‘ der „Gesellschaft der Freunde“, das Curio-Haus, die sozialen Kassen und den Verlag. Zu den Aktivitäten von Wilhelm Bernhardt gehörte der Ankauf der neben dem Curio-Haus in der Rothenbaumchaussee 19 gelegenen Villa. Dazu gibt es verschiedene Darstellungen und Lesarten.
Nach meinen Recherchen stellt sich der Sachverhalt so dar: 1935 hatte die Lehrervereinshaus-GmbH, deren Geschäftsführer Wilhelm Bernhardt zu diesem Zeitpunkt war, mit den Mitteln der „Gesellschaft der Freunde“ das Nebengebäude des Curio-Hauses, in der Rothenbaumchaussee 19 (Ro 19) erworben. Es war ihr im Februar 1935 zum Kauf angeboten worden und gehörte einer jüdischen Erbengemeinschaft. Das stark renovierungsbedürftige, leerstehende Gebäude war nach vergeblichen Verkaufsversuchen von dem Hausmakler John Elias der Lehrervereinshaus-GmbH für 50.000 Reichsmark angeboten worden. Wilhelm Bernhardt, der auch in den 1950er Jahren noch Geschäftsführer des Curio-Hauses war, wies in Vermerken 1950 und 1951 darauf hin, dass das Gebäude stark verwahrlost war, zuletzt im Parterregeschoss als Auktionshaus gedient hatte, danach bis auf einen Mieter für kurze Zeit leer stand und die Lehrervereinshaus GmbH zunächst wenig Neigung hatte, das Gebäude zu erwerben. Andererseits bot das Grundstück zur Rückseite Platz für einen Erweiterungsbau mit Garagen und im Gebäude selbst die Möglichkeit, zusätzliche Sitzungsräume herzurichten. Am Ende erwarb die Lehrervereinshaus GmbH Gebäude und Grundstück in der Rothenbaumchaussee 19 für 40.000 Reichsmark zuzüglich 5200 Reichsmark für Steuern und Gebühren.[8]
Der bezahlte Preis kam dem Finanzamt für Grundsteuern ungewöhnlich niedrig vor und so schrieb das Finanzamt am 11.4.1935 an den Geschäftsführer der Lehrervereinshaus GmbH, Wilhelm Bernhardt, und stellte die Frage:
„Ist der Kaufpreis, der für das Grundstück in seinem Zustand zur Zeit des Verkaufs unter gewöhnlichen Umständen gezahlt worden wäre, infolge besonderer Umstände, z. B.
a.) infolge wirtschaftlicher Not des Verkäufers,
b.) infolge eines besonderen geschäftlichen Interesses des Käufers,
c.) infolge verwandtschaftlicher oder sonstiger Beziehungen zwischen Käufer und Verkäufer über- oder unterschritten worden?“[9]
Geschäftsführer Bernhardt antwortete darauf, „daß der Grund für den im Vergleich zur Vorkriegszeit niedrigen Kaufpreis wohl zu suchen ist in der allgemeinen schlechten Vermietungslage für Wohnungen überhaupt und ferner in der Tatsache, daß das Haus unmodern, und was die unteren beiden Stockwerke angeht, wohl unvermietbar ist.“ [10] Über die wirtschaftliche Notlage der Verkäufer sei ihm nichts bekannt, „im Gegenteil ist vom Makler (John Elias) stets betont worden, daß deren Verhältnisse mehr als wohlhabend seien“. Ein besonderes geschäftliches Interesse bei dem Käufer bestehe ebenso wenig wie verwandtschaftliche oder sonstige Beziehungen.
Auf Wilhelm Bernhardt und Kurt Holm bezogen muss man wissen, dass diese von den sogenannten „alten Kämpfern“ im NSLB stark angefeindet und mit Parteiordnungsverfahren überzogen worden waren, weil sie, ebenso wie NSLB-Gauamtsleiter Willi Schulz, bis 1937 die Wohnungen im Curio-Haus an jüdische Familien und jüdische Ärzte vermietet, bzw. dieses geduldet hatten. [11]
Der Streit ab dem Jahre 2000 ging dahin, ob die GEW nach 1945 zum Curio-Haus dazu ein „Arisierungserbe“ erworben hatte. Die Auseinandersetzung wurde insbesondere von den Hamburger GEW-Kollegen Bernhard Nette und Stefan Romey geführt, die ihre Erkenntnisse und die Auseinandersetzung in dem Buch „Die Lehrergewerkschaft und ihr ‚Arisierungserbe‘“ niedergeschrieben haben. Die Gegenposition war, dass das Haus zu den damals infolge der Weltwirtschaftskrise günstigen Bedingungen einer als schwer verkäuflich angesehenen Immobilie erworben worden war. Das Thema beschäftigte über einige Jahre die gewerkschaftliche Diskussion und die Landesvertreterversammlungen der GEW-Hamburg.
Die GEW zog spät Konsequenzen aus dieser Geschichte und verkaufte 2013 das Haus zu einem vergleichsweise wiederum günstigen Preis und spendete 400.000 € an die Jüdische Gemeinde. [12]
Bemerkenswert war und ist, dass Wilhelm Bernhardt nach 1945 Geschäftsführer des Curio-Hauses blieb. Für Max Traeger, den ersten Vorsitzenden der „Gesellschaft der Freunde“ nach der NS-Zeit, vor 1933 langjähriger Bürgerschaftsabgeordneter der Deutschen Demokratischen Partei/Deutsche Staatspartei und der erste Vorsitzende der neu gegründeten Bundes-GEW, den die Nationalsozialisten als erklärten NS-Gegner 1933 aus allen Funktionen herausgedrängt hatten, war Bernhardt mit seiner internen Kenntnis offensichtlich bei der Wieder-Inbesitznahme des Curio-Hauses durch die „Gesellschaft der Freunde“ ein unverzichtbarer Ansprechpartner mit interner Expertise. Ebenso für die Treuhänder, die die Verantwortung für das Nebengebäude Rothenbaumchaussee 19 hatten, das wegen der jüdischen Vorbesitzer unter Kuratel stand. Schon am 9.6.1945 hatte Wilhelm Bernhardt für die Britische Militärregierung eine präzise Aufstellung des Grundvermögens des Curio-Hauses mit all seinen Einrichtungen vorgelegt. [13] Das Curio-Haus war von der Britischen Militärregierung beschlagnahmt worden und diente im Weiteren unter anderem als Ort für die großen Prozesse gegen Kriegsverbrecher, bekannt geworden unter dem Begriff „ Curio-Haus-Prozesse“, die bis 1949 durchgeführt wurden. [14]
In einem Vermerk für die Vorstandssitzung der „Gesellschaft der Freunde“ vom 28.5.1946 erstellte Wilhelm Bernhardt eine Aufstellung, aus der hervorging, dass der Hamburger Oberfinanzpräsident den Wert des gesamten Curio-Hauses zu diesem Zeitpunkt auf 1 450 159 RM schätzte. [15] Es war gelungen, durch die „Zwangsmitgliedschaft“ der Hamburger Lehrerschaft im NSLB während der NS-Zeit das Curio-Haus völlig zu entschulden.
In einem Kurzbericht für den Vorstand der „Gesellschaft der Freunde“, für die Max Traeger Verhandlungen mit der Britischen Militärregierung führte, stellte Wilhelm Bernhardt fest, wie der Zustand des Hauses am 28.8.1947 war:
„Während der Beschlagnahmezeit sind bedauerliche Schäden entstanden, die zum Teil behoben werden konnten, zum Teil erst erfaßbar sein werden, wenn die Beschlagnahme aufgehoben ist. Im vergangenen harten Winter entstanden durch Fahrlässigkeit der von den Engländern eingesetzten Heizer große Schäden durch Einfrieren der Wasserheizung. Sie sind in den der deutschen Verwaltung unterstehenden Teilen beseitigt (Unkosten 11.920 RM). Die Schäden, die durch Umbauten für Zwecke des Gerichts in den beiden großen Sälen entstanden sind, werden erheblich sein. Betrüblich wird auch die Einbuße an Mobiliar, an Wirtschaftsgeschirr usw. sein, zumal ein Teil der kostbaren Service außerhalb des Hauses in Benutzung genommen sein soll. Wichtigste Aufgaben harren der Lösung nach Aufhebung der Beschlagnahme. Es bleibt die große Hoffnung, daß das Curio-Haus bald seinem Erbauer zurückgegeben wird. Daß das Haus wirtschaftlich gesehen von hervorragender Bedeutung für die hamburgische Lehrerschaft und ihre weit gespannten sozialen Belange sein wird, dürfte jedem einsichtig klar sein.“ [16]
Klar war aber auch, dass sich Wilhelm Bernhardt unverzichtbar gemacht hatte. Sein Detailwissen war notwendig bei allen Verhandlungen der „Gesellschaft der Freunde“. Und Wilhelm Bernhardt, der natürlich auch über beste Kontakte zu den ehemaligen Verantwortlichen im NSLB verfügte, die mit den ehemaligen Vermögenswerten der „Gesellschaft der Freunde“ vor der NS-Zeit befasst waren, regelte manches. So schrieb er am 27.9.1949 an Kurt Holm:
„In Angelegenheit der Rückübertragung unseres Grundstücks Rothenbaumchaussee 19 an unsere neue Firma ‚Vermögens- und Treuhandgesellschaft der Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens GmbH‘ bitten wir Sie höflichst um Abgabe einer ausführlichen Erklärung darüber, daß die Geldmittel zu dem im März 1935 erfolgten Kauf des oben bezeichneten Grundstücks aus dem früheren Vermögen der ,Gesellschaft der Freunde‘ etc. stammen, keinesfalls aus Geldern des ehemaligen NSLB.“ [17]
Und das konnte Kurt Holm Wilhelm Bernhardt natürlich am 10.10.1949 bestätigen:
„Die Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesen R.V. fügte im Jahre 1934 durch eine Satzungsänderung ihrem Namen den Zusatz ‚(Abteilung Wirtschaft und Recht im Nationalsozialistischen Lehrerbund Gau Hamburg)‘ hinzu. Sie war aber bis zu ihrer Liquidation am 25.6.1937 ein völlig selbständiger, rechtsfähiger Verein und hatte sämtliche Geschäftsanteile der Lehrervereinshaus GmbH allein im Besitz. Als damaliger geschäftsführender Leiter des Vereins und Vorsitzender des Aufsichtsrats der Lehrervereinshaus GmbH bekunde ich hiermit, daß zum Kauf des Hauses Rothenbaumchaussee 19 im März 1935 ausschließlich Mittel der ,Gesellschaft der Freunde‘ verwandt wurden.“ [18] Diese Bestätigung von Kurt Holm war wichtig, um auch dieses Nebengebäude des Curio-Hauses wieder in den Besitz der „Gesellschaft der Freunde“ zu bringen. Für Kurt Holm war damit sicher auch die Hoffnung verbunden, in seinem Entnazifizierungsverfahren bei den Vertretern der alten „Gesellschaft der Freunde“ auf Unterstützung zu treffen. Das gelang ihm allerdings nicht, er gehörte zu denjenigen, denen man die Tätigkeit im NSLB am stärksten verübelte. [19] Ganz im Gegensatz zu Wilhelm Bernhardt, der am 21.9.1945 als 62-Jähriger von Senator Landahl mit sofortiger Wirkung in den Ruhestand versetzt worden war. [20] Mit Wilhelm Bernhardt ging man vergleichsweise rücksichtsvoll und großzügig um. Die Ruhestandsurkunde war am 15.10.1945 von Bürgermeister Rudolf Petersen unterzeichnet worden. Senator Landahl verband die Pensionierung Bernhardts mit dem Dank für die geleisteten Dienste, nach Rücksprache mit Oberschulrat Johannes Schult. [21]
Und Wilhelm Bernhardt erhielt tatsächlich auch die Pension eines Berufsschuldirektors. [22] Dabei war der Zusammenhang zwischen NSDAP-Mitgliedschaft, den NSLB-Aktivitäten und einer Karriere im Schuldienst im Fall Wilhelm Bernhardt evident. Ein Blick in seine Personalakte hätte ausgereicht. Man muss nur das Gutachten von Landesschulrat Willi Schulz, gleichzeitig Gauamtswalter des NSLB, vom 14.10.1938 ansehen, mit dem Bernhardts Beförderung zum Schulleiter begründet wurde:
„Der Gewerbeoberlehrer Wilhelm Bernhardt ist seit dem 1.10.1934 Geschäftsführer der Lehrervereinshaus GmbH. Er mußte seinerzeit die nicht ganz leichte Aufgabe übernehmen, die wirtschaftlichen Verhältnisse der GmbH auf neue gesunde Grundlagen zu stellen und für die Zukunft zu sichern. Durch umsichtige Maßnahmen beim Vermietungsgeschäft, den Bau einer Garage und den Kauf eines weiteren Hauses ist die Sanierung der GmbH bis heute erfolgreich durchgeführt. Pg. Bernhardt hat im Laufe seiner Tätigkeit mit den verschiedensten Behörden und Parteistellen verhandeln und dabei der wirtschaftlichen und politischen Bedeutung der Lehrervereinshaus GmbH Rechnung tragen müssen. Pg. Bernhardt hat nicht nur mit außerordentlichem Fleiß und Geschick das ihm vom Reichswalter des NSLB, Gauleiter Fritz Wächtler, übertragene Aufgabengebiet betreut, sondern auch verstanden, insbesondere durch Abschluss des neuen Pachtvertrages, die politischen Belange genauso gut wie die wirtschaftlichen zu wahren. Die Reichswaltung des NSLB setzt in Pg. Bernhardt großes Vertrauen.“[22]
Dieses große Vertrauen wurde mit einer Schulleitungstätigkeit belohnt; das große Vertrauen bzw. die Abhängigkeit von Bernhardts erworbenem Wissen wurde mit seiner Pensionierung und dem Ruhegehalt eines Berufsschuldirektors vergolten.
Ein Nachspiel hatte die Sache allerdings. Am 12.11.1945 bestellte OSR Johannes Schult Wilhelm Bernhardt in die Behörde. Grund: „Äußerungen über seine Pensionierung gegenüber anderen Personen“. In einem Vermerk vom 13.11.1945 stellte Schult dann fest: „Herr Bernhardt bestreitet, in Fuhlsbüttel, wo er wohnt, Veranlassung zu Klagen gegeben zu haben. Er habe sich niemals gerühmt, daß er mit voller Pension in den Ruhestand versetzt worden sei. Ich beabsichtige, die Dame, die mir derartige Mitteilung über Herrn B. gemacht hat, gelegentlich näher zu befragen und komme auf die Sache zurück.“[23]
Ob und wie OSR Schult auf „die Sache“ zurückkam ist nicht dokumentiert und auch nicht wahrscheinlich. Vielleicht hatte sich Wilhelm Bernhardt danach auch etwas weniger prahlerisch verhalten.
Wilhelm Bernhardt starb am 1.3.1959.[24]
Sein Sohn Klaus Bernhardt wirkte danach im Curio-Haus als Betreiber des Restaurants und Vermarkter der Festsäle.
Text: Hans-Peter de Lorent
 

Anmerkungen
1 Alle Angaben laut Personalakte Bernhardt, StA HH, 361-3_A 665
2 Ebd.
3 Ebd.
4 Ebd.
5 Ebd.
6 Siehe hierzu: Hans-Peter de Lorent: Max Traeger. Biografie des ersten Vorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (1887–1960), Weinheim 2017, insbesondere S. 39 ff. Siehe auch: Bernhard Nette/Stefan Romey: Die Lehrergewerkschaft und ihr „Arisierungserbe“, Hamburg 2010. Jörg Berlin: Ro 19 – Arisierung in Hamburg? Zum Streit um das Haus in der Rothenbaumchausse 19, Hamburg 2011.
7 Siehe auch die Biografie Richard Schlorf, in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd. 1, Hamburg 2016, S. 731 ff.
8 Siehe auch die Biografie Kurt Holm, in: de Lorent 2016, S. 701 ff.
9 De Lorent: Max Traeger, a. a. O. S. 73 ff.
10 Schreiben vom 11.4.1935, ebd.
11 Siehe dazu die Biografien Heinrich Hehn und Guido Höller, in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd. 2, Hamburg 2017, S. 359 ff. und S. 378 ff.
12 Die gegensätzlichen Positionen sind erkennbar in: de Lorent: Max Traeger, a. a. O. Jörg Berlin: Ro 19 – Arisierung in Hamburg? Zum Streit um das Haus in der Rothenbaumchausse 19, Hamburg 2011, sowie Nette/Romey a. a. O . Siehe auch: Pressemitteilung der GEW vom 27.2.2013, sowie HLZ 4–5/ 2013, S. 50 ff.
13 Handakten Lehrervereinshaus, Archiv der GEW Hamburg.
14 Siehe unter anderem: Kurt Buck: Die frühen Nachkriegsprozesse (Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland 3). Herausgegeben von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Bremen 1997; Bernhard Nette: Curio-Haus Prozesse, HLZ 10­–11/2005, Jubiläumsausgabe 200 Jahre Gesellschaft der Freunde, S. 92 ff.
15 Handakten Lehrervereinshaus, Archiv der GEW Hamburg.
16 Handakten Lehrervereinshaus, Archiv der GEW Hamburg.
17 Handakten Lehrervereinshaus, Archiv der GEW Hamburg.
18 Handakten Lehrervereinshaus, Archiv der GEW Hamburg.
19 Siehe die Biografie Kurt Holm, in: de Lorent 2016, S. 701 ff.
20 Entnazifizierungsakte Wilhelm Bernhardt, StA HH, 221-11_Ed 3361
21 Personalakte a. a. O.
22 Personalakte a. a. O.
23 Personalakte a. a. O.
24 Personalakte a. a. O.
 

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Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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