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Hans Oppermann

(13.10.1895 Braunschweig - ?)
Universitätsprofessor für Altertumswissenschaften, ab 1941 ordentlicher Professor für klassische Philologie (Latein) Universität Straßburg, Schulleiter des Johanneums ab den 1960er-Jahren
Halbmondsweg 34 (Wohnadresse 1955)

Hans-Peter de Lorent hat über Hans Oppermann ein Portrait verfasst, das in Hans-Peter de Lorents Buch: Täterprofile. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz. Band. 3. Hamburg 2019 erschienen und im Infoladen der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg erhältlich ist. Hier der Text:  
„Ich befürchte, wenn ich mit meiner Meldung warte, zu spät zu kommen und eine Möglichkeit zu versäumen, mich mit allen Kräften an einer besonderen Aufgabe für den Führer und das nationalsozialistische Deutschland einzusetzen.“

Unter dem Aspekt der Kontinuität und Fragwürdigkeit von Berufungen in Hamburg nach 1945, ist Hans Oppermann ein herausragendes Beispiel. Als Altphilologe, 1895 geboren, führte der Weg zu einer Professur in der NS-Zeit häufig nur über eine opportunistische Anbiederung an den Nationalsozialismus. Oppermann tat aber mehr. In Kreisen um die Universität Freiburg galt er als „Ober-Nazi“. Er hinterließ viele Dokumente, die dies eindeutig untermauern. Nach 1945 war er schlau genug, zu versuchen, seine Aktivitäten vergessen zu machen. Erst am 13.3.1949 meldete er sich in Hamburg und bewarb sich um eine Studienrats-Stelle für die Fächer Latein und Griechisch. Mit der Aura eines Wissenschaftlers, kultureller Bildung und dem Habitus eines Majors der Reserve wurde er 1954, nachdem in Hamburg der „Hamburg-Block“ regierte, durch den ebenfalls nationalsozialistisch belasteten Schulsenator Hans Wenke zum Schulleiter des Johanneums berufen. In den 1960er Jahren wurde Oppermann öffentlich gefeiert und behauptet, er habe dem Johanneum „durch sein Vorbild echt humanistisches Gepräge“ gegeben. Das ist eine Untersuchung wert.

Hans Oppermann wurde am 13.10.1895 in Braunschweig geboren als Sohn des damaligen Lehrers und späteren Stadtschuldirektors August Oppermann und dessen Ehefrau Margarete. Er besuchte das dortige Gymnasium Martino-Katharineum, wo er 1913 die Reifeprüfung bestand. Anschließend studierte er an den Universitäten Bonn und Berlin von 1913 bis 1916 sowie 1919 und 1920 klassische Philologie und Geschichte.[1]
Unterbrochen wurde das Studium durch die Teilnahme am Ersten Weltkrieg vom 17.2.1917 bis zum 20.12.1918, den er als Unteroffizier beendete. Danach wurde Oppermann am 20.3.1920 in Bonn promoviert und bestand im November 1920 dort die wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen in den Fächern Latein, Griechisch und Geschichte. Anschließend bekam Oppermann am 1.5.1920 eine Anstellung als Assistent am Akademischen Kunstmuseum in Bonn. Von 1922 bis 1925 war er als Lehrer am deutschen Kolleg in Godesberg tätig, einem Gymnasium und Realgymnasium mit Internat. Oppermanns Ziel war allerdings eine Karriere als Hochschullehrer, 1925 wurde er Assistent am Institut für Altertumskunde der Universität Greifswald und leitete laut seines selbst geschriebenen Lebenslaufs dort die griechischen und lateinischen Sprachkurse.[2]
1926 habilitierte sich Oppermann in Greifswald für klassische Altertumswissenschaft (Philologie, Alte Geschichte, Archäologie). In seinem Lebenslauf schrieb er: „1928 habilitierte ich mich nach Heidelberg um, wo ich Oberassistent am philologischen Seminar wurde. 1931 wurde ich zum nicht planmäßigen außerordentlichen Professor ernannt“.[3] Oppermann verlegte die a. o. Professur um ein Jahr vor, tatsächlich wurde er das erst im Jahr 1932.
Prof. Jürgen Malitz, der sich sehr kritisch mit Hans Oppermanns Wirken und Veröffentlichungen in der NS-Zeit beschäftigt hat, schrieb dazu, dass Oppermann „den Titel eines außerordentlichen Professors im September 1932 erhielt, der freilich ein bloßer Ehrentitel war. Erst in den frühen dreißiger Jahren hat Oppermann sich ganz der lateinischen Literatur zugewandt; will man aus seinen Schriften dieser Zeit eine Erklärung dafür finden, dann war es vielleicht die von ihm so verstandene Parallele zwischen den Zeitaltern der späten Republik und Weimar, die ihn eine ähnliche Lösung wie für Rom erhoffen ließ: Sein Augustus hieß Hitler.“[4]
Oppermann legte in seinen nach 1945 geschriebenen Lebensläufen allerdings Wert darauf, schon vor 1933 zum Professor ernannt worden zu sein, um die Verbindung zur nationalsozialistischen Protektion zu verwischen.
Die Beurteilung Hans Oppermanns und dessen Verstrickung in die nationalsozialistische Ideologie durch den Altphilologen Prof. Jürgen Malitz ist sehr scharf und ausreichend belegt:
„Nicht jede zeitgerechte Formulierung macht einen Autor schon zum willigen Befürworter der nationalsozialistischen Herrschaft. Andererseits gab es aber auch die – keineswegs sehr zahlreiche – Gruppe von Altertumswissenschaftlern, deren Kompromittierung so erheblich ist, dass eine bewertende Einordnung ihrer Wirksamkeit leichter fällt. Innerhalb dieser Gruppe von Universitätslehrern, deren nationalsozialistische Verkürzung der Altertumswissenschaft außer Frage steht, spielt Hans Oppermann aber noch eine besondere, nicht immer genügend wahrgenommene Rolle. In den Jahren 1933–1945 war er, wenn man das gesamte wissenschaftliche Schrifttum dieser Jahre zu überschauen versucht, der lauteste und fleißigste Propagandist einer ‚neuen‘ Art der Wissenschaft. Oppermann hat sich nicht auf ‚völkisches‘ Geraune beschränkt. Er ist wohl der einzige Universitätsprofessor im Bereich der Altertumswissenschaften, dessen Antisemitismus nicht nur in Nebensätzen durchscheint, sondern der auch bereit gewesen ist, seine Fachkenntnisse im Stil des ‚Stürmer‘ für ein ‚Schulungsheft‘ der Partei umzusetzen. Diese 32 Druckseiten aus dem Jahre 1943 gehören zweifellos zur Gruppe jener antisemitischen Propagandamaterialien, die der geistigen Vorbereitung und Unterstützung des Holocaust dienen sollten.“[5]
Hans Oppermann arbeitete in Heidelberg am philologischen Seminar als Privatdozent. Was ihm fehlte war eine feste, ordentliche Professur. Insofern sah Oppermann möglicherweise im Nationalsozialismus eine Chance für sich, diese Situation zu verändern. „Bis zur Machtergreifung Hitlers hat Oppermann nichts publiziert, was seine Begeisterung für den Nationalsozialismus klargestellt hätte, über die verbreiteten ‚völkischen‘ und ‚konservativen‘ Sympathien hinaus. Dies änderte sich sturzbachartig seit 1933. Seit diesem Jahr ist Oppermann, soweit sich dies an publizierten Äußerungen nachweisen lässt, einer der eifrigsten politisierenden Publizisten unter den Altertumswissenschaftlern, bis zum kriegsbedingten Stillstand der Druckerpressen.“[6]
Als an der Universität Freiburg 1934 der Lehrstuhl für Latinistik durch die Entlassung des jüdischen Professors Eduard Fraenkel frei wurde, gab es keine neue Ausschreibung dafür. „Das Karlsruher Ministerium (unter der Federführung des nationalsozialistischen Aktivisten Eugen Fehrle) setzte Hans Oppermann als Vertreter des zur Ruhe gesetzten Prof. Fraenkel ein.“[7]
Malitz schrieb dazu, dass Oppermanns Berufung „sich mit einiger Sicherheit nicht durch seine Publikationen zur römischen Literatur“ erklären ließ. „Dafür war Oppermann schon in Heidelberg einer der ganz wenigen habilitierten Altertumswissenschaftler, der eindeutig Position bezog. Auch die Mitgliedschaft in der SA war im Kreise habilitierter Altertumswissenschaftler die Ausnahme von der Regel.“[8]
Über die Fakultätsgeschichte der Universität Freiburg hieß es in einem Bericht vom 1.8.1945 zur Kenntnisnahme der französischen Militär-Behörden:
„Vor 1933 war in ihren Reihen von einem Eindringen nationalsozialistischer Ideen und von politischen Meinungsverschiedenheiten so gut wie nichts zu bemerken. Einen starken Aufschwung brachte das Jahr 1933, in dem der Philosoph Heidegger Rektor wurde und unter seinen Anhängern in der Fakultät insbesondere bei dem von ihm ernannten Dekan Schadewaldt kräftigste Unterstützung fand. Schadewaldt sorgte bei seinem Weggang nach Leipzig 1934 und beim Abgang des jüdischen Philologen (sic!) Fraenkel unter starker Ausnutzung des Führerprinzips für die Neubesetzung beider Lehrstühle durch radikale Nationalsozialisten (Oppermann und Bogner).“[9]
In Oppermanns Hochschullehrerakte im Bundesarchiv wird deutlich, dass im Wesentlichen die politische Einschätzung Oppermanns eine zentrale Rolle spielte. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass Oppermann „Mitarbeiter in der Kulturwissenschaftlichen Fachschaft der Studentenschaft, Freiburg ist. Sein Einsatz für die wissenschaftlichen und politischen Aufgaben der Fachschaft war in jeder Hinsicht vorbildlich. Kamerad Oppermann hat keine Zeit und keine Mühe gescheut, wenn es galt, seinen Kameraden zu helfen.“[10]
Im Gutachten der NS-Dozentenschaft der Universität Freiburg hieß es:
„Oppermann ist keine kämpferische Natur, aber ein offener und treuer Mensch. Zur Bewegung steht er positiv. Er bemüht sich ernsthaft, der Probleme Herr zu werden, die unsere Weltanschauung der traditionell zu stark gebundenen klassischen Philologie stellt, sodass er hier als ein wertvoller Helfer im Kampf für die geistige Klärung geschätzt wird.“[11]
Über Oppermann wurde auch ein Gutachten von dem führenden nationalsozialistischen Philosophen und Pädagogen Prof. Alfred Bäumler eingeholt, der vom Institut für politische Pädagogik an der Universität Berlin am 25.7.1935 handschriftlich antwortete:
„Prof. Oppermann, Freiburg, ist ein begabter Kopf, der Einfälle hat und sie gewandt darzustellen versteht. Er muss in wissenschaftlicher Hinsicht zu den ‚Anregern‘ gerechnet werden. Seine pädagogische Wirkung ist gut. Seinem Charakter wird man eine gewisse Wendigkeit nachsagen müssen. Ob die Anpassungsfähigkeit und Geschicklichkeit dieses Mannes hinreichen, ihn zu einem Lehrer der klassischen Sprachen-Literatur im neuen Staat zu machen, kann aus der Ferne nicht beantwortet werden.“[12]
1935 wurde Hans Oppermann zum ordentlichen Professor auf den vertretungsweise von ihm besetzten Lehrstuhl berufen.[13]
Sein Ehrgeiz war damit noch nicht befriedigt. Am 10.4.1940 schrieb er, zu diesem Zeitpunkt als Offizier im Zweiten Weltkrieg, an den Reichsminister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, Bernhard Rust, Nationalsozialist der ersten Stunde und ehemaliger Studienrat für Deutsch und Latein[14]:
„Im Januar 1938 hatte ich die Ehre, Ihnen anlässlich der Abfassung der neuen Lehrpläne für die höheren Schulen einige Gedanken über den Unterricht in Latein vortragen zu dürfen. Das gütige Interesse, dass Sie damals meinen Ausführungen schenkten, ermutigt mich zu einer persönlichen Bitte. Ich bin, wie Sie wissen, Professor für klassische Philologie in der Hauptsache Lateinisch, an der Universität Freiburg/Br. Immer wieder höre ich nun, dass die Absicht besteht, im Generalgouvernement eine deutsche Universität zu errichten. Ich kann mir keine schönere Aufgabe denken, als an einer solchen zu wirken. Aber auch eine andere, meiner Ausbildung oder meinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit, etwa in der Unterrichtsverwaltung des Generalgouvernements o. ä., würde meinen Wünschen entsprechen, die nur das Ziel haben, an einen Posten gestellt zu werden, der größere Leistungen verlangt und verantwortungsvollere Aufgaben stellt, als es bei einem normalen Lehrstuhl der Fall ist. Einige mir bekannt gewordene Fälle veranlassen mich auch, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass ich nicht daran denke, durch eine solche Meldung eine u. k. Stellung zu erreichen. Ich möchte bis zum Siege bei der Truppe und an der Front sein. Aber ich befürchte, wenn ich mit meiner Meldung warte, zu spät zu kommen und eine Möglichkeit zu versäumen, mich mit allen Kräften an einer besonderen Aufgabe für den Führer und das nationalsozialistische Deutschland einzusetzen. Ich habe deshalb ein entsprechendes Gesuch an das Generalgouvernement Krakau, Abteilung Erziehung und Unterricht, gerichtet. Wenn Sie, sehr verehrter Herr Reichsminister, dieses Gesuch unterstützen oder mir einen anderen Weg zur Erreichung meines Zieles weisen könnten, wäre ich Ihnen zu tiefem Danke verpflichtet.“[15]
Oppermann, der bis Juni 1941 im Krieg war, zuletzt zum Major befördert, fand die Wertschätzung im Reichsministerium. Rust wies darauf hin, dass Oppermann „bei der Fertigstellung der Richtlinien für den altsprachlichen Unterricht an den höheren Schulen außerordentlich wertvolle Dienste geleistet hat“. Und: „Herr Minister würde es darum allgemein begrüßen, wenn Herr Oppermann in irgendeiner Richtung gefördert werden könnte.“[16]
Dann gab es intern auch noch einen Hinweis der Reichsdozentenführung, die sich dafür aussprach, Hans Oppermann, „der als einer der besten Latinisten einem Ruf an die Universität Posen sehr gern Folge leisten würde“, dafür vorzusehen: „Nach seiner eigenen Angabe erscheint ihm die Aufgabe, gerade hier wirken zu können, besonders lohnend.“[17]
Dies kreuzte sich nun mit der Berufung auf einen Lehrstuhl an der Reichsuniversität Straßburg, wo Oppermann zum 1.8.1941 als ordentlicher Professor berufen worden war.[18]
Rechtzeitig vorher war Hans Oppermann, der bis dahin SA-Mitglied und dort Sturmführer war, mit Antrag vom 30.5.1937 in die NSDAP eingetreten.[19]
In seinen Schriften hatte sich Hans Oppermann durchweg nationalsozialistisch profiliert. „Der völkische Gedanke, seit den zwanziger Jahren für Oppermann vertraut, findet sich gleich im Jahre 1933 verschärft zum rassistischen Leitbild. Den Wert des Lateinischen will er vor allem durch die vielfach beschworene Parallele der augusteischen Zeit zur ‚deutschen Gegenwart‘ retten.“[20]
Und das las sich bei Oppermann so:
„Das Rom um die Wende unserer Zeitrechnung ist bewusste Neuschöpfung, durch die der Römer noch einmal dem Chaos Einhalt gebietet und seinen Staat sichert. Daraus folgt, dass die Ähnlichkeit des geschichtlichen Momentes zwischen dem Rom des Augustus und unserer Lage am größten ist. Denn auch für uns handelt es sich um den bewussten Neubau des Staates, der den endgültigen Verfall des deutschen Volkes abwehren soll. (…) Wie die Straßen der Römer, die den Lastwagen des Kaufmanns trugen und den Marschtritt der Legionen spürten, Nord und Süd, Ost und West des Reiches zur Einheit verbanden, so durchziehen die Straßen Adolf Hitlers unser Vaterland von Flensburg bis Innsbruck, von Köln bis Königsberg und Wien.“[21]
Hans Oppermann wurde im Laufe der Zeit immer stärker zum NS-Propagandisten, so etwa in einem Beitrag des Jahres 1939 über die gymnasiale Bildung:
„Ob wir schließlich auf den großen Abwehrkampf schauen, in dem wir selber stehen, und bei dem es darum geht, von den Fluren Europas die Vernichtung durch den asiatischen Bolschewismus, die Zersetzung durch das asiatische Judentum abzuwehren – immer handelt es sich in diesem Ringen darum, Werte, die unsere Werte sind, zu verteidigen gegen die Bedrohung durch Mächte, die den Tod und den Untergang dieser Werte wollen.“[22]
Oppermann ließ Zitate aus Hitlers „Mein Kampf“ in seine Texte einfließen und wurde zum Hitler-Apologeten:
„Denn was sich im November 1918 im Lazarett zu Pasewalk abspielte und in ‚Mein Kampf‘ mit den schlichten Worten ausgesagt wird: ‚Ich aber entschloss mich, Politiker zu werden‘, – es ist nichts anderes als das Aufbrechen solchen Auftrages in der Brust des großen Menschen. Woher nähme auch ein Mensch die Kraft, solche Aufgaben zu erkennen, zu tragen und durchzuführen, wenn nicht von oben?“[23]
Hans Oppermann verdiente sich die Unterstützung des Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbundes durch propagandistische Aussagen in der Zeitschrift „Deutschlands Erneuerung“, in der er 1942 schrieb:
„Als besonders lebendiger und zukunftsweisender Versuch müssen hier ferner die Wissenschaftslager genannt werden, die der NS-Dozentenbund seit etwa zwei Jahren auf den verschiedensten Fachgebieten veranstaltet. In ihnen sind alle Voraussetzungen gegeben, die solche Gemeinschaftsarbeit erfordert. Das gemeinsame Bekenntnis zur nationalsozialistischen Weltanschauung schafft von vornherein das Gefühl der Zusammengehörigkeit und Kameradschaft, ohne die solche Arbeit unmöglich ist. Es ist das beglückende Bewusstsein, wie es etwa der Soldat an der Front kennt, der sich in der Schlacht in die Reihe derer eingegliedert hat, die sich vorkämpfen.“[24]
Hans Oppermann ging weit über das hinaus, was ein Wissenschaftler in der NS-Zeit möglicherweise glaubte, an sprachlichen und nationalsozialistischen Wendungen und Zitaten in seinen Schriften unterbringen zu müssen, die er veröffentlicht haben wollte.
Jürgen Malitz schrieb dazu:
„Was Oppermanns Publikationen der Kriegsjahre von den Veröffentlichungen anderer Gelehrter im Bereich der Altertumswissenschaft, die durchaus dem Zeitgeist huldigten, immer noch unterscheidet, ist die Bereitschaft, als ‚Fachwissenschaftler‘ das Vokabular der offiziellen Judenhetze unverkürzt zu übernehmen.“[25]
Malitz stellte fest, dass Oppermann Mitglied der ‚Reichslehrgemeinschaft Rosenberg‘ gewesen war und von Parteistellen als einer der wenigen nationalsozialistischen Altertumswissenschaftler bezeichnet wurde. „So war es kein Zufall, dass man sich bei der Suche nach einem Autor für ein Pamphlet über das antike Judentum an ihn gewandt hat. Im Herbst 1943 erschien, ‚Nur für den Dienstgebrauch!‘, das Heft 22 der ‚Schriftenreihe zur weltanschaulichen Schulungsarbeit der NSDAP‘ mit dem von einer Rune hinterlegten Titel ‚Der Jude im griechisch-römischen Altertum‘.“[26]
Und so hieß es in dem Heft:
„Der Hass der Juden gegen den Römer ist der angeborene Hass des Parasiten gegen die staatliche Ordnungsmacht, der Hass einer sozialen Rasse gegen die mächtige Ordnung, die der römische Staat verkörpert, erwachsen aus dem sicheren Gefühl, dass der Jude nur da, wo der Staat schwach ist, sein Leben voll entfalten kann.“[27]
Malitz resümierte über die wissenschaftliche Produktion Oppermanns von 1933 bis 1945:
„Manch anderer versuchte, die Wissenschaft vom Altertum dem nationalsozialistischen ‚Geist‘ verfügbar zu machen; Oppermann ist aber der einzige, der auch als ‚Wissenschaftler‘ die Sprache der Täter benutzt hat.“[28]
Hans Oppermann war also seit 1941 ordentlicher Professor für klassische Philologie (Latein) an der neu eröffneten Universität Straßburg.
Das Stadtmuseum Straßburg schrieb über die Zeit der deutschen Besatzung:
„Nachdem die Wehrmacht am 1. September 1939 Polen angegriffen hatte, erklärten die französische und britische Regierung Deutschland am 3. September 1939 den Krieg. In Straßburg ereignete sich dann etwas Spezielles, weil Straßburg Grenzstadt war: Straßburg wurde vom September 1939 bis Juli 1940 evakuiert. 100.000 verließen die Stadt in die Dordogne und in die Stadt Limoges. Der Rat wurde nach Périgueux verlegt. Die Straßburger Universität wurde in die Stadt Clermont-Ferrand evakuiert. Auch die gesamte Universitätsbibliothek wurde ausgelagert, aber nach der Nazi-Besetzung von Straßburg dann ab Juli 1940 requiriert. Dies provozierte bei ehemaligen Studenten und Professoren einen großen Widerstand, und einige von ihnen wurden erschossen.
Im Juni 1940 besetzten deutsche Truppen dann die Stadt. Und während der Nazi-Besetzung wurden alle Elsässer als Deutsche betrachtet und in die Wehrmacht eingezogen. Viele verweigerten den Militärdienst und verschwanden in Frankreich im Untergrund.
Nun unter dem Nazi-Regime war
es nur deutsch gesinnten Elsässern erlaubt, nach Straßburg zurückzukehren.
Den französisch gesinnten Straßburgern wurde die Rückkehr verboten und ihr Besitz in Straßburg wurde von der Nazi-Verwaltung konfisziert. Die französischen Denkmäler (Marseillaise, Kléber, Jeanne d’Arc und Kellerman) wurden abgerissen und durch Nazi-Denkmäler ersetzt. Auch einige Straßennamen wurden geändert. Deutsch gesinnte Straßburger konnten ihren Namen in eine deutsche Version umändern lassen. Das Ziel des Nazi-Regimes war die Ausrottung der französischen Sprache, was auch mit der Einführung des deutschen Schulsystems so betrieben wurde. Die Synagoge wurde 1940 in Brand gesteckt und 1941 abgerissen. Alle Bewohner mussten ihre Abstammung beweisen, dass sie keine Juden waren. Das Nazi-Regime führte dabei immer die normale Propaganda für die Hitler-Jugend, für den Bund Deutscher Mädels und für die Wehrmacht durch. Am Ende wurde die Bevölkerung dann moralisch verpflichtete, bei ‚Sammlungen‘ all ihre Wertsachen abzugeben. Gleichzeitig waren elsässische Soldaten an der Ostfront in deutsche Truppenteile integriert (bei einem Anteil von maximal 15 Prozent). Ab 1942 wurden die Familien, von denen jemand den Wehrdienst bei der Wehrmacht verweigert hatte, mit Sippenhaft bestraft und nach Polen deportiert. Dies betraf 2,7 Prozent der Straßburger Bevölkerung.“[29]
Auch über die Universität Straßburg und ihre Professorinnen und Professoren informierte das Stadtmuseum Straßburg:
„An der Straßburger Universität durfte ab 1940 kein französischer Professor mehr arbeiten, sondern es wurden alles neue deutsche Professoren angestellt. Die französischen Professoren wurden in Konzentrationslager deportiert und dort zur Arbeit an Hochtechnologie gezwungen. Gleichzeitig arbeiteten die Nazi-Professoren in Straßburg mit einem Teilchenbeschleuniger – der später dann von den Franzosen ‚übernommen‘ wurde. Im Konzentrationslager Natzweiler-Struthof führten die Nazi-Professoren von Straßburg Menschenexperimente an Juden und Zigeunern durch. Viele französisch gesinnte Straßburger landeten von Limoges aus in der Widerstandsbewegung (Résistance).“[30]
Hans Oppermann hatte beim Reichsministerium ersucht, im Generalgouvernement Krakau eingesetzt zu werden – nun wurde es nicht der Osten, sondern der Westen. Es blieb dann allerdings keine lange Zeit des Wirkens. „Alliierte Bombardements zerstörten Teile des Stadtzentrums am 11. August und 25. September 1944. Und nach der alliierten Besetzung Straßburgs kamen deutsche Gegenangriffe mit neuen Bombardements – bis 1945.“[31]
Inzwischen hatten die meisten Professoren der „Reichsuniversität Straßburg“ die Stadt verlassen. Der eingesetzte deutsche Rektor, der Augenheilkundler Prof. Karl Schmidt, „amtierte bereits im Januar 1945 von Tübingen aus. Oppermann war offenbar der einzige Straßburger Ordinarius, der die Stadt nicht ‚rechtzeitig‘ verlassen hat.“[32]
Nach eigenen Angaben war Hans Oppermann von französischem Militär 1944 verhaftet worden und bis Ende 1945 in Frankreich „zivilinterniert“.[33]
Anschließend kehrte er nach Deutschland zurück und lebte seitdem in Wolfenbüttel.[34]
Oppermann war sicherlich bewusst, dass er mit seiner Belastung keine unmittelbare Chance hatte, wieder an einer deutschen Universität berufen zu werden. Nach eigenen Angaben beschäftigte sich Oppermann in der Folgezeit mit dem Dichter Wilhelm Raabe, der mehrere Jahre in Wolfenbüttel und in Oppermanns Geburtsstadt Braunschweig gelebt hatte. „Ich bearbeitete im Auftrage der wissenschaftlichen Gesellschaft Braunschweig mehrere Werke Wilhelm Raabes textkritisch und schrieb die dazugehörigen Kommentare und Einleitungen, ich besorgte die Neuauflage der Raabe-Biografie von Fehse, die jetzt in Druck geht, und bin mit der Bearbeitung verschiedener lateinischer Autoren für Schulzwecke beschäftigt, von denen der Vergil soeben abgeschlossen ist und in diesem Sommer erscheinen soll.“[35] Oppermann lebte davon und gab zudem Privatunterricht. Er war verheiratet mit Ella Oppermann, geb. Borchers, und hatte einen Sohn, Thomas Oppermann, geboren 1931 in Heidelberg.
Am 13.3.1949 war dann der Zeitpunkt gekommen, mit der Hamburger Schulbehörde Kontakt aufzunehmen. Oppermann schrieb handschriftlich:
„Wie ich durch Zufall höre, ist in Hamburg Bedarf für Studienräte. Ich erlaube mir die Anfrage, ob diese Information richtig ist, und ob eine Bewerbung meinerseits Aussicht auf Erfolg haben würde. Ich war zuletzt 1941–1944 als ordentlicher Professor für klassische Philologie (Latein) an der Universität Straßburg tätig. Bei der Besetzung Straßburgs 1944 wurde ich gefangen und war bis Ende 1945 als Zivilinternierter in Frankreich.“[36]
So formulierte er den Einstieg. Oppermann war Flüchtling und es gab keinen Hinweis auf einen nationalsozialistischen Hintergrund für diese Internierung. Weiter schrieb er: „Nach Deutschland zurückgekehrt, erhielt ich einen Forschungs-Auftrag der Braunschweiger Wissenschaftlichen Gesellschaft für die von ihr veranstaltete Raabe-Ausgabe. Da deren Mittel seit der Währungs-Reform beschränkt sind, suche ich eine andere geeignete Tätigkeit. Mein 1947 eingeleitetes Entnazifizierungsverfahren hat die Einstufung als Entlasteter (Kategorie V) ergeben.“[37]
Auch das war strategisch klug gewesen. Oppermann hatte sich erst 1947 um seine Entnazifizierung bemüht, fern von vorherigen Wirkungsstätten, dort, wo er nach 1945 heimisch geworden war, wahrscheinlich mit Rückmeldungen aus dem Umfeld der Braunschweiger Wissenschaftlichen Gesellschaft. Was sollte einem Engagement in Hamburg entgegenstehen?
Hans Oppermann hatte seine Berufsbiografie umrissen, dabei auch seine Unterrichtspraxis in der Zeit von 1922 bis 1925 dargestellt und seine Veröffentlichungen reduziert auf Bücher über Caesar 1933 und Vergil 1938. Er schrieb: „Bei meinen wissenschaftlichen Arbeiten habe ich besonders auch den Anforderungen der höheren Schule zu dienen versucht. Viele meiner Veröffentlichungen dienen diesem Zwecke und haben, wie ich aus Schulkreisen oft gehört habe, diese Aufgabe erfüllt.“[38]
Und Oppermann konnte noch unter PS ergänzen: „Die, wie ich höre, für Hamburg besonders schwierige Zuzugsfrage lässt sich für mich leicht lösen, da ich die Möglichkeit habe, bei Verwandten zusätzlich zu wohnen.“[39]
Ihm antwortete Oberschulrat Heinrich Schröder, der für Personalversorgung der höheren Schulen zuständig war und der ihm am 25.3.1949 mitteilte, dass ein Bedarf an Lehrkräften mit der Lehrbefähigung in den alten Sprachen bestehe. „Ich bin deshalb nicht abgeneigt, Ihrer Bewerbung näher zu treten.“[40] Oppermann solle seine Bewerbungsunterlagen einreichen, Schröder sei an einer persönlichen Unterredung interessiert und stellte in Aussicht, „dass der Eintritt in den Schuldienst gegebenenfalls sofort nach den Osterferien erfolgen könne“.[41]
So geschah es dann auch, Oppermann wurde eingestellt und OSR Schröder schickte ihn an das Christianeum, die Schule, an der Schröder selbst gearbeitet und auch Latein unterrichtet hatte.
Nach zwei Jahren schrieb der dortige Schulleiter Gustav Lange ein Kurzgutachten über Oppermann, das ihm bescheinigte, sich „als ein hervorragend tüchtiger Lehrer und Jugenderzieher bewährt“ zu haben. „In unzähligen Gesprächen habe ich den Eindruck gewonnen, dass er die Abkehr von einer Ideenwelt, der er verhaftet war, aus innerer Überzeugung vollzogen hat und den neuen Staat auch mit dem Herzen bejaht.“[42]
Daraufhin erfolgte ein Ernennungsvorschlag zum Studienrat, den Senator Landahl am 10.7.1952 vorlegte, in dem, zu diesem Zeitpunkt noch obligatorisch, unter Punkt 4 auch „frühere Zugehörigkeiten zur NSDAP, ihren Gliederungen und angeschlossenen Verbänden“ vermerkt wurden: „NSDAP 1937, SA 1933, NSDoB 1937, NSV 1933“ und, unter 4 b, Ämter und Funktionen: „SA: Sturmführer“.[43]
Zur Begründung wurde festgestellt:
„Prof. Dr. Oppermann ist ein Wissenschaftler von Rang, der auch als Lehrer am Christianeum zu ausgezeichneten Ergebnissen kommt. Er spricht Kraft seiner Persönlichkeit die Schüler an. Aber das pädagogische Streben und Arbeiten ist auch ein bewusstes, echtes Anliegen Prof. Oppermanns. So hat er große Freude an seiner Arbeit in der Schule. Aus dieser Grundhaltung erklärt sich sein erzieherischer Erfolg, der unterrichtliche Erfolg aus beidem: seinen wissenschaftlichen Qualitäten und seiner Grundhaltung.“[44]
Diese Begründung war in der Vorlage unterzeichnet worden von Hans Wegner, Altphilologe, der seit 1946 Oberstudiendirektor am Johanneum gewesen war und, nachdem Oberschulrat Heinrich Schröder überraschend 1951 starb, in die Schulbehörde wechselte.[45]
Schon drei Jahre später, im April 1954, wurde Hans Oppermann zum neuen Oberstudiendirektor des Johanneums bestellt. Wahrscheinlich war auch hier Hans Wegner die treibende Kraft gewesen, genauso wie er dafür sorgte, dass der Altphilologe und Hochschullehrer der NS-Zeit, Prof. Franz Bömer, als Schulleiter des Wilhelm-Gymnasiums bestellt wurde.[46]
Ich vermute, dass Wegner nicht über alle Details der Veröffentlichungen Oppermanns in der NS-Zeit informiert war. Ähnlich wie bei Bömer am Wilhelm- Gymnasium, ging es Wegner darum, nach den unruhigen Leitungszeiten am Johanneum nach seinem Übertritt in die Behörde, eine überzeugende Führungspersönlichkeit an die Spitze des Johanneums zu stellen. Unterstützt wurde er dabei sicherlich von dem leitenden Oberschulrat für die höheren Schulen, Dr. Hans Reimers[47] und dem neuen Schulsenator des „Hamburg-Blocks“, der die SPD in Hamburg im Senat abgelöst hatte. Senator Prof. Hans Wenke, selbst in der NS-Zeit im Wissenschaftsbereich tätig, langjähriger Schriftleiter der renommierten pädagogischen Zeitung „Die Erziehung“ in der NS-Zeit, dürfte Oppermann aus dieser Zeit möglicherweise gekannt haben, zumindest war die NS-Belastung für Wenke kein Hinderungsgrund, der Berufung von Oppermann zuzustimmen.[48]
Hans Oppermann fand offenbar schnell die Akzeptanz des Kollegiums des Johanneums. Bereits ein Jahr nach seiner Bestellung stimmte die Lehrerkonferenz darüber ab, „ob Oppermann mit der endgültigen Leitung der Schule betraut werden soll“. Uwe Reimer nannte das Abstimmungsergebnis: „34 Stimmen dafür, drei Stimmen dagegen, vier Stimmenthaltungen, eine Stimme ungültig. Mit diesem Ergebnis im Rücken ließ sich arbeiten.“[49]
Über die Haltung und den Amtsantritt von Hans Oppermann, zu diesem Zeitpunkt bereits 58-jährig, schrieb Uwe Reimer:
„Welchen Gesinnungswandel Oppermann in den neun Jahre nach Kriegsende offenbar vollzogen hatte, wird in seinen öffentlichen Äußerungen augenfällig. Das war kein bekennender Nationalsozialist mehr, der Gefolgschaft einforderte, sondern ein freundlich, verbindlicher älterer Herr, Humanist natürlich, der Tradition verpflichtet, passgenau für das Johanneum qualifiziert. Gleich in seiner Antrittsrede hebt er hervor, wie nahe er, der von weit her kam, dem Johanneum, dieser ‚altehrwürdigen Schule‘ im Grunde sei. Er sei selber Schüler einer ‚Bugenhagenschule‘ gewesen, außerdem habe sein Sohn ‚vor wenigen Jahren‘ am Johanneum das Abitur gemacht. Seine ‚stärkste Beziehung zum Johanneum‘ gründe sich aber auf die Freundschaft mit Wilhelm Sieveking, also mit jenem Manne, der nach dem Krieg der erste Schulleiter des Johanneums gewesen war; die Freundschaft habe ‚seit unseren gemeinsamen Studienjahren‘ bestanden. Bei den Kollegen, die 1945 bereits am Johanneum tätig waren und die Sieveking kannten, wird dies gut angekommen sein. Kontinuität schien garantiert. Er wolle, sagte Oppermann, die Schule im Sinne seiner Vorgänger leiten – ,im Sinne Wilhelm Sievekings, im Sinne Hans Wegners‘“.[50]
Auch Reimer verweist darauf, dass Oppermann „keine Versprechungen, in welche Richtung sich die Schule weiter entwickeln sollte“, machte. Er gab ein Bekenntnis zum „überragenden Wert der humanistischen Erziehung“ ab:
„Indem sie zu den griechischen und römischen Ursprüngen unserer abendländischen Kultur zurückführt, weiß sie aus diesen Ursprüngen immer wieder Antworten auf die Probleme und Fragen zu entbinden, die mit jeder Generation neu und in immer wechselnden Formen gestellt werden.“[51] Eine Formel, die Oppermann in den Folgejahren noch vielfältig variierte, wie Reimer, in Kenntnis der Schulgeschichte, feststellte. Und kritisch merkte Uwe Reimer, der sich auch intensiv mit den Schriften Oppermanns in der NS-Zeit beschäftigt hatte, an:
„Der antihumanistische Polemiker der NS-Zeit (‚verhängnisvolles Erbe‘) war zum Humanismus-Freund mutiert. Dass er sich damit für seine nationalsozialistischen Ausfälle einen Freibrief ausstellte, ist schon ein bemerkenswerter Kunstgriff. Wenn jede Generation andere Antworten in der Antike finden darf, dann war seine Generation eben mit der Entdeckung des ‚nordischen Menschen‘ und des ‚jüdischen Parasiten‘ an der Reihe gewesen. Ein Relativismus, der der Zuhörerschaft in der Aula des Johanneums nicht klar gewesen sein dürfte.“[52]
Uwe Reimer konnte aber auch nach zahlreichen Gesprächen mit ehemaligen Schülern des Johanneums über persönliche Stärken von Schulleiter Hans Oppermann Auskunft geben:
„Oppermann ‚regierte‘ die Schule mit leichter Hand. Neben dem hohen Ton, den er bei Reden anzuschlagen pflegte, hatte er noch eine andere Seite: den Humor. Das gab ihm eine Souveränität, die anderen fehlte. Die Anekdoten sind zahlreich und gut verbürgt. Zu Oberstufenschülern mit Funktion sprach er gewissermaßen von ‚Mann zu Mann‘. Zu Schulsprechern sagte er: ‚Meine Tür ist immer offen für Sie.‘ Einer berichtete: ‚Er sei häufiger zum Gespräch bei Oppermann, und sie hätten dann gemeinsam Tee getrunken und über die Ostzonenhilfe gesprochen und über die Dankesbriefe, die sie erhalten hatten, auch über die mangelhafte Heizung und die ‚desaströsen sanitären Anlagen‘. Sorgen und Nöte der Schülerschaft seien kaum angesprochen worden.“[53]
Autorität und ein pädagogisches Gespür: „Wenn Oppermann durchs Gelände ging, war das immer ein Ereignis: in Schräglage, mit den Armen rudernd, eilte er über die Flure. Dieser etwas komische Auftritt änderte nichts daran, dass er eine höchst respektierte Person war. Auch den jüngeren Schülern, die ja einen ausgeprägten Blick für Schwächen haben, imponierte er. ‚Wenn er dann in eine fremde Klasse ging, aus der Lärm drang, dann stellte er sich vorne hin, guckte böse, da dachten die, nun passiert irgendwas Schlimmes, da sagte er, ganz leise: ‚Ihr müsst auch still sein, wenn Oppermann nicht kommt.‘ Das funktionierte.“[54]
Uwe Reimer stellte fest, dass „Oppermann selbst vor derbem Humor nicht zurückschreckte und auch Selbstironie zu seinem Repertoire gehörte. „Sein eigener Unterricht war improvisiert, war eher ‚Türschwellenpädagogik‘ als durchgeplant. Ein ehemaliger Schüler erinnert sich: ‚Er hatte kein festes Programm für die Stunde, nahm möglichst jede Anregung aus der Klasse auf und führte falsche Antworten mit halsbrecherischer Gewandtheit ins Ziel. Er verstand manchesmal einen ungeschickten Schüler besser als dieser sich selbst. Aus Schülersicht brachte Oppermann noch eine weitere dankenswerte Eigenschaft mit, die ihn beliebt machte: Er schloss die Stunde pünktlich auf die Minute und nahm auch kurz vor dem Klingeln keinen größeren Abschnitt mehr in Angriff.“[55]
Uwe Reimer berichtete auch von einer großen Feier am 24.5.1954, dem 425ten Gründungsdatum des Johanneums, die in der Aula mit großer Beteiligung der Hamburger Prominenz stattfand. Unter ihnen der Erste Bürgermeister, Kurt Sieveking, der dem Johanneum als Abiturient des Jahrgangs 1914 eng verbunden war und ein Grußwort hielt. Außerdem waren Schulsenator Hans Wenke, der Altphilologe Bruno Snell als Prorektor der Universität und der ehemalige Schüler Hjalmar Schacht, der in der NS-Zeit Reichsbankpräsident und Reichswirtschaftsminister gewesen war, anwesend. Oppermann, erst sechs Wochen im Amt, hielt die Festrede, und lief gleich zu großer Form auf. „Es schien, als hätte er niemals etwas anderes gemacht, als Festreden zu Schuljubiläen zu halten“:
„Es liegt im Wesen der Schule, dass ihre Wirkung über sie hinaus weist. Ihre eigentlichen Erfolge und Misserfolge treten erst zu Tage, wenn die Schulzeit längst vergangen ist. Die wichtigsten Wirkungen der Schule und ihres Unterrichts vollziehen sich in Tiefen, die auf so direktem Wege überhaupt nicht sichtbar gemacht werden können. Sie verlangt zur Entfaltung Ruhe, Stetigkeit und Zeit. Der echte Lehrer weiß, wie sehr seine Tätigkeit der des Sämanns gleicht. Er kann den Samen ausstreuen, kann die zarten Pflanzen hegen und pflegen – wie und was sie tragen, steht in Gottes Hand, und die Früchte pflückt nicht er, sondern andere.“[56]
Der Kern der Rede war aber etwas anderes, Oppermanns Anliegen waren die Opfer des Weltkrieges. Reimer schreibt dazu:
„Wer sich nicht sicher gewesen war, ob Oppermann seine braune Vergangenheit hinter sich gelassen hatte, konnte beruhigt sein: hier stand kein unverbesserlicher Nazi am Rednerpult, hier war jemand, der den Opfer-Begriff weit fasste, also nicht auf die Toten des Schlachtfeldes beschränkte, und die ‚Katastrophe des letzten Krieges‘ in einen überzeitlich-philosophischen Kontext zu setzen vermochte: ‚Wenn wir heute der Toten gedenken, die dem politischen und militärischen Geschehen des letzten Vierteljahrhunderts zum Opfer fielen, so können wir uns nicht auf die beschränken, die den Schlachtentod gestorben sind. Zu ihnen treten die Opfer, die die Zivilbevölkerung im Bombenkrieg gebracht hat, zu ihnen gehören die, die politische Verfolgung in den Lagern dahinraffte, zu ihnen werden viele gehören, die in den weiten Ebenen des Ostens verschollen sind und von deren Schicksal bisher keine Kunde zu uns drang, ja auch den, der sich der ungeheuren Belastung seelisch nicht mehr gewachsen fühlte und der freiwillig den Weg in das Dunkel wählte, werden wir zu den Opfern rechnen müssen, die unsere chaotisch erschütterte und erschütternde Zeit gefordert hat.‘“[57]
Zu Recht stellte Uwe Reimer dazu fest:
„Dennoch: wie Oppermann redet, ist entlarvend. Dichterisch-ungenau wird, statt von NS-Diktatur, von ‚politischem und militärischem Geschehen‘ gesprochen, von ‚chaotisch erschütterter Zeit‘, die Rede ist vom ‚Schlachtentod‘, von den ‚weiten Ebenen des Ostens‘, nicht vom Überfall auf die Sowjetunion; vom ‚Schicksal‘ wird geraunt, von dem keine ‚Kunde zu uns dringt‘; in den Lagern ‚rafft‘ die ‚politische Verfolgung‘ die Opfer ‚dahin‘, von den SS-Schergen in den KZs wird geschwiegen; und aus dem Freitod Verzweifelter wird der ‚Weg ins Dunkel‘. Das Skandalon ist die Anonymisierung: Ross und Reiter werden nicht genannt, die eigentlichen Täter umgangen. Ist das Verdunklungsabsicht oder Unfähigkeit? Dieser Abschied von der Wirklichkeit zeigt jedenfalls, wie bruchlos der Übergang von der NS- in die Nachkriegszeit möglich war.“[58]
Hans Oppermann hielt noch viele Reden am Johanneum. Dafür gab es mannigfache Anlässe. „Oppermanns Reden waren ungewöhnlich. Es war nicht der Typus der launig zurückblickenden Festrede, den er bediente, sondern das akademische Kolleg: Er dozierte. Keine Rede dauerte weniger als 60 Minuten, im Gegenteil, die Aufmerksamkeit des Publikums war meist länger als eine Stunde gefordert.“[59]
Uwe Reimer resümierte:
„Dass sich Oppermanns Denken im Laufe seiner Jahre am Johanneum entwickelt hätte, lässt sich, trotz der Vielfalt der behandelten Themen, nicht sagen, und es wäre eine Überraschung, wenn es anders gewesen wäre. Nachdrücklich inszenierte er sich in der Rolle, in der er ja auch tatsächlich gesehen wurde: als Repräsentant der Schule. Seine Reden, bedeutungsschwer und zugleich spielerisch leicht, waren eine Demonstration: Er, so die Botschaft, verkörperte, wozu die Bildung, die an dieser Schule vermittelt wird, befähige. Oppermanns Exkurse in die abendländische Kultur- und Geistesgeschichte, so erinnern sich Ehemalige, vermittelten das Gefühl, dass hier jemand sprach, der besser als alle anderen wusste, wozu man eigentlich sieben bzw. neun Jahre auf dem humanistischen Gymnasium verbracht hatte.“[60]
Hans Oppermann hatte also eine gute und praktikable Alternative zum akademischen Betrieb gefunden, der für ihn nach 1945 nicht ohne Weiteres wieder erreichbar gewesen war. Zudem war es ihm möglich, weiter wissenschaftlich zu arbeiten und zu publizieren. Er reiste zu Vorträgen, zum Beispiel im September 1955, zu einem Vortrag in die evangelische Akademie Loccum, wo er über den „sozialen Charakter des Gewissens“ sprach.[61]
Die Behörde gewährte Dienstbefreiung, wie vielfach in seiner Personalakte dokumentiert. Hans Oppermann war durch die Arbeit an der Schule nicht so sehr belastet, als dass er nicht noch über das Pensionsalter hinaus tätig sein konnte. Am 31.3.1961 wurde er dann in den Ruhestand geschickt.[62]
Am Ende seiner Dienstzeit bemühte sich Oppermann darum, als entpflichteter Hochschullehrer anerkannt zu werden, was ihm ermöglichte, weiter als solcher zu arbeiten und zu publizieren. „Ich weiß nicht einmal, ob er eine Entlassungsurkunde bekommt“, sagte Oberschulrat Wegner. Wissenschaftliche Arbeit für die alten Sprachen, auch an der Hamburger Universität, werde den Ruhestand „des beliebten Professors“ ausfüllen. „Professor Oppermann wechselt ja praktisch nur sein Wirkungsfeld“, schrieb das „Hamburger Abendblatt“[63].
„Die Welt“ würdigte Oppermann ebenfalls, als er in den Ruhestand trat. „,Wir als seine Schüler wollen ihm bescheinigen, dass er mit ganzem Herzen bei der Sache war, und wir wollen ihm dafür danken.‘ Ohne Frage lassen die Schüler diesen Mann der sieben Jahre das Geschick des berühmten Hamburger Gymnasiums leitete und dessen Ziel es stets war, Wissenschaft und lebendige Pädagogik zu verbinden, sehr ungern gehen. Große Gestalten aus dem Reich der Geschichte und des Geistes haben Professor Oppermann immer begleitet: die Antike in ihren Dichtungen und archäologischen Zeugnissen und – Wilhelm Raabe. Sicher darf man sich noch auf weitere Bücher und Artikel aus der Hand des Gelehrten freuen. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge sieht Professor Oppermann dem Ende seiner ‚Schulzeit‘ entgegen. Er wird befreit sein von allen organisatorischen Zutaten, viel mehr Zeit für seine wissenschaftliche Arbeit haben. Vielleicht wird er Zeit finden für Reisen ins Land der Antike. Aber seine kleinen und großen Johanniter werden ihm sehr fehlen.“[64]
Und als Hans Oppermann 70 Jahre alt wurde, feierte ihn das „Hamburger Abendblatt“ mit der Überschrift: „Großer Humanist. Professor Oppermann wird 70“.
Im Text hieß es: „Sich für die humanistische Bildung aktiv einzusetzen, ist dem Professor Herzenssache. Gerade die Massengesellschaft kommt seiner Überzeugung nach nicht ohne das griechische und römische Geistesgut, den Kern aller europäischen Kultur, aus.“[65] Und dann werden seine beruflichen Stationen aufgezählt, die mit der Leitung des Johanneums enden und in der ein paar Jahre vor 1949 ausgespart wurden.
Der Altphilologe Prof. Jürgen Malitz kam in seinem Beitrag über Prof. Hans Oppermann zu einem anderen Resümee:
„Die gewiss unstrittigen Verdienste Oppermanns als Leiter des Johanneums gehen aus den Würdigungen zum Ende seiner Dienstzeit hervor und können hier nicht thematisiert werden. Wenn er, bis 1945 im Kreis der ‚Reichslehrgemeinschaft Rosenberg‘ der selbsternannte Ideologe einer nationalsozialistischen Altertumswissenschaft, in der Nachkriegszeit dann ein ausgezeichneter Gymnasialdirektor geworden ist, so berührt dies die Fragestellung dieses Beitrags nur mittelbar; aber beunruhigend ist es schon.“[66]
Hans Oppermann starb am 28.8.1982.[67]

Nachtrag
Auch nach Fertigstellung der Biografie Oppermann ließ es mir keine Ruhe und es blieb unbefriedigend, keine Hinweise über das Entnazifizierungsverfahren in seinem Falle vorliegen zu haben. Ich probierte es noch einmal beim Niedersächsischen Landesarchiv am Standort Wolfenbüttel, wohin Hans Oppermann nach 1945 gezogen war. Und in der Tat gibt es dort eine Entnazifizierungsakte, in die ich Einsicht nahm. Dabei stellte sich heraus, wie trick- und erfolgreich Oppermann vorgegangen war.
Der Impuls für die Entnazifizierung kam vom Rektor der Technischen Hochschule Braunschweig am 25.11.1947. Er schrieb an die Militärregierung Niedersachsen, Braunschweig-Land:
„Es wird bei mir beantragt, Herrn Prof. Dr. Oppermann einen Lehrauftrag für ‚Antike Geschichte‘ zu erteilen. Anliegend überreiche ich vier Fragebögen der Militärregierung mit der Bitte, die politische Überprüfung des Herrn Prof. Dr. Oppermann durch den Landesentnazifizierungsausschuss für Lehrer in Braunschweig zu veranlassen und mir das Ergebnis der Überprüfung bekanntzugeben.“[68]
Anlass war also ein bloßer Lehrauftrag, es ging nicht um eine Einstellung und um keine Stellen-Besetzung. Also ein sehr „niederschwelliges“ Verfahren.
Oppermann hatte den Fragebogen ausgefüllt und dabei seine SA-Mitgliedschaft angegeben. Seine Strategie war, diese SA-Aktivität wie eine Art Tarnung zu begründen. Oppermann erklärte am 21.11.1947:
„Bis 1933 stand ich in Gegnerschaft zum Nationalsozialismus. Bei der Reichstagswahl im März 1933 habe ich Deutsche Staatspartei gewählt. Diese meine politische Einstellung, die ich auch als Vorsitzender der Heidelberger Nichtordinarien-Vereinigung vertreten hatte, war in Heidelberg bekannt und meine Stellung infolgedessen nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus war gefährdet. Unter diesen Umständen konnte ich mich einer Aufforderung, in die SA einzutreten, die im Sommer 1939 an mich erging, nicht entziehen. In die NSDAP wurde ich 1937 ohne Zutun von meiner Seite aufgenommen.“[69]
Oppermann behauptete dann weiter, dass seine Aktivitäten in der SA lediglich in der „Teilnahme an Kameradschaftsabenden bestanden“ hätten.[70]
Wie sollte man das in Wolfenbüttel nachprüfen, zumal die Universität Straßburg mittlerweile in Frankreich lag.
Die Seriosität von Prof. Oppermann wurde von Professoren seiner Wirkungsorte bestätigt. Der ehemalige Kollege an der Universität Straßburg, Prof. Adalbert Erler bezeugte am 4.10.1946, „dass Prof. Oppermann ein politisch völlig uninteressierter Gelehrter gewesen ist, der lediglich seiner Wissenschaft lebte. Ich hatte von ihm den Eindruck eines Menschen, der sich aus dem Elend und der Trostlosigkeit der damaligen Gegenwart in eine reine und höhere Welt der Vergangenheit zurücksehnte und darin Trost fand. Demgemäß waren nicht nur seine Kollegs, sondern auch seine engsten Arbeitskreise getragen vom Geiste sachlicher Wissenschaft. Ich habe nicht einmal erlebt, dass Herr Prof. Oppermann in Kollegs, Seminaren oder privaten Unterhaltungen politische Themen angerührt hätte. Dass er Parteigenosse gewesen ist, habe ich erst heute zu meiner Überraschung von ihm erfahren.“[71]
Was Erler nicht schrieb, war, dass er selbst 1940 in die NSDAP eintrat, Autor des Werkes „Friedlichkeit und Werwolfsglaube“ war und ab 1941 außerordentlicher Professor und Direktor des Instituts für Rechtsgeschichte sowie des Instituts für Gemeinschaftsrecht der NS-Kampfuniversität Straßburg war.[72]
Dann hatte auch Prof. Hans Bogner sich für Hans Oppermann verwendet. Bogner, enger Vertrauter von Oppermann aus Freiburger Universitäts-Tagen, der in der Zeit des Nationalsozialismus dem „Beirat der Forschungsabteilung Judenfrage im Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands“ angehörte und das Buch publizierte: „Die Judenfrage in der griechisch-römischen Welt“, NSDAP-Mitglied seit 1937. Auch Bogner bekam 1941 ein Ordinariat an der NS-Kampfuniversität Straßburg73 und war erneut Kollege von Oppermann.
Jürgen Malitz hatte über Oppermann und Bogner geschrieben: „Schadewaldt sorgte bei seinem Weggang nach Leipzig 1934 und beim Abgang des jüdischen Philologen (sic!) Fränkel unter starker Ausnutzung des Führerprinzips für die Neubesetzung beider Lehrstühle durch radikale Nationalsozialisten (Oppermann und Bogner).“[74]
Es ist schon infam, wie sich die alten Kameraden zur Hilfe kamen. Bogner begründete die Professur für seinen Kollegen Oppermann in Freiburg:
„Wenn die Wahl auf Prof. Oppermann fiel, so geschah dies deshalb, weil er aus rein sachlichen, wissenschaftlichen Gründen den Vorrang vor dem anderen Herrn zu verdienen schien. Seine scharfsinnigen, streng methodisch durchgeführten Untersuchungen, die er in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlichte, der hohe Rang seiner Vorlesungen, seine Seminarübungen, in denen er von sich und anderen das Letzte an wissenschaftlicher Verantwortung verlangte, bestimmten das Urteil. Ich fasse dahin zusammen, dass Prof. Oppermann nicht aus politischen Gründen, sondern aus wissenschaftlichen Gründen berufen wurde.“[75]
Dann meldete sich noch Prof. Franz Altheim, Althistoriker und klassischer Philologe, „ein Mann von absolut klarer NS-Weltanschauung“, „Mitarbeiter am SS-Ahnenserbe-Projekt Wald und Baum in der arisch-germanischen Geistes- und Kulturgeschichte“.[76] Das wusste man in Wolfenbüttel sicherlich nicht. Auch Altheim konnte natürlich bezeugen, dass Oppermann „ausschließlich wegen seiner wissenschaftlichen Arbeiten und seines selbständigen, auf eigener Arbeit beruhenden Urteils“ an der Universität Straßburg berufen worden war.[77]
Und dann äußerte sich noch Prof. Dr. med. Kurt Goette, der die Arbeit von Oppermann 1931 als Vorsitzender des Heidelberger Assistentenverbandes beobachtet hatte und berichten konnte, dass Oppermann damals Vorsitzender der Nicht-Ordinarien-Vereinigung war, „dieser sehr demokratischen Vereinigung“. Und Goette bezeugte:
„Oppermann trat als Vorsitzender der Nicht-Ordinarien-Vereinigung für die Interessen aller Nicht-Ordinarien ohne Rücksicht auf Rasse, Partei oder Religion in ausgleichender, gerechter Weise ein. Die Heidelberger Studentenschaft war damals unter der Führung des späteren Gauleiters Scheel zum Teil extrem nationalsozialistisch eingestellt und erzwang Oppermanns Rücktritt vom Vorsitz der Nicht-Ordinarien-Vereinigung und die Stellung Oppermanns als nichtbeamteter Hochschullehrer war ernstlich bedroht.“[78]
Prof. Kurt Goette steckte von 1947 bis 1951 wegen seiner nationalsozialistischen Aktivitäten selbst in einem langwierigen Entnazifizierungsverfahren.[79]
Angesichts dieser Zusammenstellung von Leumundszeugnissen, die in Braunschweig unbekannte ehemalige nationalsozialistische Kollegen von Oppermann geschrieben hatten, wundert es nicht, dass der Entnazifizierung-Hauptausschuss der Stadt Braunschweig am 14.10.1948 zu dem Ergebnis kam, Prof. Oppermann als Entlasteten in Kategorie V einzustufen. Zur Begründung wurde angegeben:
„Oppermann ist im Jahre 1933 aufgrund einer an ihn ergangenen Aufforderung in die SA eingetreten, um seine Stellung nicht zu gefährden. Infolge Überführung der SA-Mitglieder in die NSDAP wurde er mit Wirkung vom 1.5.1937 Mitglied der NSDAP. Außerdem war er Mitglied einiger unpolitischer Organisationen. Die von ihm eingereichten Zeugnisse beweisen, dass er lediglich dem Namen nach ohne Einfluss Mitglied der NSDAP und der SA gewesen ist und den Nationalsozialismus, abgesehen von den pflichtgemäßen Mitgliedsbeiträgen, nicht unterstützt hat. Er ist danach entlastet.“[80]
Man wird dem Entnazifizierungsausschuss schwer vorwerfen können, dass er nicht weiter recherchiert hatte bei einem so eindeutig erscheinenden Fall. Es wurden keine Texte von Oppermann herangezogen oder weitere Erkundigungen eingeholt. Der Aufwand wegen eines einfachen Lehrauftrages an der Technischen Hochschule wäre zu groß gewesen.
Mit diesem Freispruch 1. Klasse fand Oppermann dann Eintritt in eine alternative Karriere in Hamburg. Und es bestand nicht mehr die Notwendigkeit, den Kandidaten Oppermann noch einmal auf etwaige nationalsozialistische Verstrickungen zu überprüfen. Geschickt eingefädelt.
Text: Hans-Peter de Lorent

Anmerkungen
1 Personalakte Oppermann, StA HH, 361-3_A 1648
2 Lebenslauf in der Personalakte, a. a. O.
3 Ebd.
4 Jürgen Malitz: Römertum im „Dritten Reich“: Hans Oppermann. Erschienen in: Imperium Romanum. Studien zu Geschichte und Rezeption. Festschrift für Karl Christ zum 75. Geburtstag, herausgegeben von Peter Kneissl und Volker Losemann, Stuttgart 1998, S. 524. Auch im Internet erschienen: www.gnomon.ku-eichstaett.de/LAG/oppermann.html
5 Malitz 1998, S. 519.
6 Malitz 1998, S. 524.
7 Malitz 1998, S. 525.
8 Ebd.
9 Malitz 1998, S. 526.
10 Bundesarchiv, Hochschullehrerakte Oppermann, R 4.9.2001/23666, Schreiben des nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes, Freiburg vom 14.6.1935.
11 Schreiben vom 14.6.1935, Bundesarchiv, Hochschullehrerakte Oppermann, R 4.9.2001/23666
12 Alfred Bäumler am 25.7.1935, ebd.
13 Lebenslauf in der Personalakte, a. a. O.
14 Siehe Bernhard Rust in: Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945? Koblenz 2013, S. 516.
15 Schreiben vom 10.4.1940, Bundesarchiv, Hochschullehrerakte Oppermann, R 4.9.2001/23666
16 Vermerk im Reichsministerium vom 20.5.1940, Bundesarchiv, Hochschullehrerakte Oppermann, R 4.9.2001/23666
17 Schreiben vom 15.2.1941, Bundesarchiv, Hochschullehrerakte Oppermann, R 4.9.2001/23666
18 Schreiben vom 5.5.1942, Bundesarchiv, Hochschullehrerakte Oppermann, R 4.9.2001/23666
19 Bundesarchiv, Hochschullehrerakte Oppermann, R 4.9.2001/23666
20 Malitz 1998, S. 530.
21 Malitz 1998, S. 530 f.
22 Malitz 1998, S. 532.
23 Malitz 1998, S. 534.
24 Malitz 1998, S. 534 f.
25 Malitz 1998, S. 538.
26 Ebd.
27 Malitz 1998, S. 539.
28 Malitz 1998, S. 540.
29 http://nl.wikipedia.org/wiki/Straatsburg#Van_bisschopsstad_tot_burgerstad – 30.9.201
30 Ebd.
31 Ebd.
32 Malitz 1998, S. 540.
33 Lebenslauf in der Personalakte, a. a. O.
34 Ebd.
35 Ebd.
36 Schreiben vom 13.3.1949, Personalakte a. a. O.
37 Ebd. In seiner Personalakte gibt es keinen Hinweis auf eine Kontaktaufnahme der Hamburger Schulbehörde nach Braunschweig. Auch eine Kopie des Entnazifizierungsbescheides liegt nicht vor.
38 Ebd.
39 Ebd.
40 Schreiben von Heinrich Schröder vom 25.3.1949, Personalakte a. a. O.
41 Ebd.
42 Gutachten vom 21.12.1951, Personalakte a. a. O.
43 Vorschlag zur Ernennung von 10.7.1952, Personalakte a. a. O.
44 Ebd.
45 Zu Hans Wegner siehe: Uwe Reimer: Das Johanneum in der Nachkriegszeit. Innenansichten einer Hamburger Traditionsschule, Hamburg 2014, S. 13 ff.
46 Siehe die Biografie Franz Bömer, in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd. 2. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz und in der Zeit nach 1945, Hamburg 2017, S. 658 ff.
47 Siehe die Biografie Hans Reimers, in: de Lorent 2017, S. 249 ff.
48 Siehe die Biografie Hans Wenke, in: de Lorent 2017, S. 208 ff.
49 Reimer 2014, S. 178 f. Uwe Reimer hat zwei bemerkenswerte Bücher über die Geschichte des Johanneums in der NS-Zeit und in der Zeit nach 1945 geschrieben und in dem zweiten, schon genannten Buch, sich ausführlich mit der Biografie und der „Ära Oppermann“ beschäftigt, S. 178–231. Der erste Band: Uwe Reimer: Johanneum 1945 – Ende und Anfang. Eine Nachlese, Hamburg 2012.
50 Reimer 2014, S. 189.
51 Reimer 2014, S. 190.
52 Ebd.
53 Reimer 2014, S. 194 f.
54 Reimer 2015, S. 195.
55 dreimal 2015, S. 196.
56 Reimer 2015, S. 204.
57 Reimer 2015, S. 204 f.
58 Reimer 2015, S. 205.
59 Reimer 2015, S. 210.
60 Reimer 2015, S. 214.
61 Personalakte a. a. O.
62 Personalakte a. a. O.
63 „Hamburger Abendblatt“ vom 13.3.1961.
64 „Die Welt“ vom 10.3.1961.
65 „Hamburger Abendblatt“ vom 12.10.1965.
66 Malitz 1998, S. 543.
67 Personalakte a. a. O.
68 Schreiben des Rektors der Technischen Hochschule Braunschweig vom 25.11.1947, Entnazifizierungsakte Oppermann, Niedersächsisches Landesarchiv, 3Nds 92/1_23909
69 Anlage zum Entnazifizierungsfragebogen Oppermann vom 21.11.1947, Entnazifizierungsakte a. a. O.
70 Ebd.
71 Schreiben von Prof. Adalbert Erler vom 4.10.1946, Entnazifizierungsakte a. a. O.
72 Ernst Klee: das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Koblenz 2013, S. 139.
73 Klee 2013, S. 61.
74 Malitz 1998, S. 526.
75 Prof. Hans Bogner am 17.9.1947, Entnazifizierungsakte a. a. O.
76 Klee 2013, S. 13 f.
77 Schreiben vom 20.7.1947, Entnazifizierungsakte a. a. O.
78 Schreiben vom 20.12.1945, Entnazifizierungsakte a. a. O.
79 Landesarchiv Baden-Württemberg, Abteilung Staatsarchiv Freiburg, D 180/3_Nr. 2026
80 Entnazifizierung-Hauptausschuss Braunschweig vom 14.10.1948, Entnazifizierungsakte a. a. O.
 

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Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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