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Alexander Strempel

(27.11.1886 Hamburg - 10.2.1973)
Vorstandsmitglied der Vereinigung „Quickborn“, Verfasser von plattdeutscher Literatur, stellvertr. Schulleiter der Oberrealschule Eimsbüttel
Sierichstraße 183 (Wohnadresse 1955)

Hans-Peter de Lorent hat über Alexander Strempel ein Portrait verfasst, das in Hans-Peter de Lorents Buch: Täterprofile. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz. Band. 3. Hamburg 2019 erschienen und im Infoladen der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg erhältlich ist. Hier der Text:
„Nach anfänglicher Skepsis kam es schon bald zu einer weitgehend harmonischen Zusammenarbeit zwischen den Produzenten und Förderern niederdeutscher Literatur und der Reichsschrifttumskammer.“
Zur Gruppe derjenigen, die sich vehement für die Anerkennung des Plattdeutschen einsetzten, in niederdeutschen Vereinigungen und Organisationen aktiv waren, nicht als Nationalsozialisten galten, aber enge Verbindungen zu diesen hatten und auch von der NS-Schulverwaltung in leitende Stellen berufen wurden, gehört Alexander Strempel. An seinem Beispiel kann deutlich gemacht werden, welcher Typus Mensch, trotz vorhandener Sensibilität und sozialer Grundhaltung zu einem Dabeigewesenen wurde, der aus opportunistischen Gründen 1937 in die NSDAP eintrat und ein nützliches Rädchen im Getriebe wurde.
Alexander Strempel wurde am 27.11.1886 als Sohn eines Rentiers, wie er in seinem Personalbogen angab, in Hamburg geboren. Er besuchte von 1893 bis 1901 die Volksschule Laeizstraße 12, danach das Hamburger Lehrerseminar in der Binderstraße, wo er 1901 die erste Lehrerprüfung ablegte. Anschließend wechselte er auf die private Realschule Dr. Bieber und von dort 1910 auf das Realgymnasium des Johanneums, um hier ein Jahr später das Abitur zu bestehen. Ein bildungsbeflissener, ambitionierter Mann.[1]
Anschließend studierte Strempel an den Universitäten München, Freiburg, Berlin, Paris und Rostock Deutsch, Englisch und Französisch. Er legte im März 1915 in Rostock die Staatsprüfung ab und wurde promoviert. Danach war er vom 12.4.1915 bis zum 16.12.1918 im Kriegsdienst, aus dem er als Leutnant der Reserve entlassen wurde.[2]
Vor dem Krieg hatte er an der Oberrealschule in Eimsbüttel sein Anleitungsjahr begonnen, das er offenbar nach Rückkehr aus dem Krieg dort fortsetzte, um am 1.8.1919, nach der zweiten Lehrerprüfung als Oberlehrer weiterhin an der Oberrealschule in Eimsbüttel, am Kaiser-Friedrich-Ufer , fest eingestellt zu werden.[3]
1920 ging Strempel für zwei Jahre ins brasilianische Bahia, um dort eine deutsche Schule zu gründen.[4]
Alexander Strempels Leidenschaft war das Plattdeutsche. Er schrieb Geschichten und Gedichte in „Plattdütsch Land un Waterkant“, und seit 1923 Berichte und wissenschaftliche Beiträge in den „Mitteilungen aus dem Quickborn“, wo er auch als Schriftleiter tätig war. Außerdem veröffentlichte er in Tageszeitungen und nach seiner Pensionierung das Standardwerk: „Plattdeutsche Rechtschreibung nach hochdeutschem Vorbild“, wiederum im „Quickborn“ 1955.[5]
Über Alexander Strempels Arbeit als Lehrer ist wenig überliefert. Gerhard Nöthlich, der von 1936 bis 1943 Schüler am Kaifu gewesen war und Strempel als stellvertretenden Schulleiter kennengelernt hatte, als dieser in Vertretung des als Offizier in den Krieg gezogenen Schulleiters Dr. Ernst Dätz die vertretungsweise Leitung der Oberrealschule in Eimsbüttel übernommen hatte, charakterisierte die Beiden knapp und zugespitzt. Er stellte fest, dass sie ihn aus Schülerperspektive sehr stark an die „Feuerzangenbowle“ erinnerten: „Schulleiter Dätz: ‚Nützlicher Idiot‘ in Majorsuniform. ‚An die Arbeit!‘ – so sein Motto. Strempel: kein Nazi, aber staatsloyal. Niederdeutscher Federfuchser.“[6]
Später schrieb Gerhard Nöthlich noch einmal: „Dr. Strempel erschien stets als präzise denkender, gut formulierender, kenntnisreicher Mensch. Er hatte sich – in der niederdeutschen Vereinigung ‚Quickborn‘ auch um die Pflege der plattdeutschen Sprache verdient gemacht, galt allerdings bei manchen Vertretern dieser Richtung als ‚Federfuchser‘. Diese Aussage korreliert mit meiner Schüler-Erinnerung. Er war es, der als stellvertretender Schulleiter behördliche Anordnungen und Erlasse, durch die Klassenräume schreitend, zu verkünden und zu erläutern hatte. Rückblickend vermute ich, dass Dr. Dätz, in richtiger Einschätzung seiner eigenen Fähigkeiten, seinen Vertreter vorausschickte. Strempel also betrat, den regulären Unterricht unterbrechend, den Raum, die Hornbrille auf die Stirn geschoben. Meine Erinnerung trügt mich nicht, dass er sie bei Nennung des Wortes ‚Behörde‘ durch zuckende Bewegung der Stirnhaut auf die Nase fallen ließ, um sodann mit dem Vorlesen dessen zu beginnen, was da zu verkünden war. Und davon gab es zwischen 1936 und 1943 wahrlich viel.“[7]
Die Charakterisierung als „Federfuchser“ und als bürokratischer Umsetzer behördlicher Anordnungen wird im Weiteren noch zu illustrieren sein.
In der Biografie von Heinrich Behnken in diesem Band habe ich schon beschrieben, wie die unterschiedlichen Niederdeutschen Organisationen nach 1933 gleichgeschaltet werden sollten und tatsächlich auch in der Vereinigung „Niederdeutsches Hamburg“ zusammengefasst wurden. Deren Vorsitz übernahm der neue Senator Wilhelm von Allwörden, der im Senat für Kultur zuständig war und später auch für den Bereich der Schule. Ehrenvorsitzender wurde der Regierende Bürgermeister Carl Vincent Krogmann, Geschäftsführer Heinrich Behnken.[8]
Alexander Strempel war als Vertreter des Quickborn-Vorstandes an diesem Prozess intensiv beteiligt. Er hielt stetigen Kontakt zu allen agierende Personen, die nationalsozialistische Aktivisten oder Repräsentanten waren.
In der umfassenden Darstellung der „Niederdeutschen Bewegung vor und nach 1933“ stellen Norbert Hopster und Jan Wirrer fest:
„Die hier zu Tage tretenden Machtkämpfe zwischen verschiedenen Nazi-Institutionen zeigen deutlich, dass es innerhalb des Nationalsozialismus durchaus unterschiedliche Strömungen mit jeweils eigenen, ihren Ansprüchen nach gegenläufigen Organisationen gab. Das Verhalten der betroffenen niederdeutschen Funktionäre darf als mehr oder weniger geschicktes Taktieren zwischen diesen Organisationen gewertet werden, mit welchem es ihnen gelang, ihren Vereinigungen wenigstens eine Zeit lang eine gewisse Unabhängigkeit zu bewahren. Dabei darf nicht übersehen werden, dass annähernd alle erwähnten Funktionäre zumindest mit dem Nationalsozialismus sympathisierten und zwischen ihren Bemühungen um das Niederdeutsche und die niederdeutsche Literatur einerseits und die politischen Grundlinien der NSDAP andererseits – fälschlicherweise – keinen Zielkonflikt sahen.“[9]
In den Anmerkungen zu diesem Absatz schrieben die beiden Autoren ausdrücklich: „Eine Ausnahme von der Regel war sicherlich der von sozialdemokratischen Überzeugungen geprägte Alexander Strempel.“[10]
Dennoch war Strempel als langjähriges Vorstandsmitglied der Vereinigung Quickborn und Schriftleiter der „Mitteilungen aus dem Quickborn“ mit „Zustimmung des 1929 gegründeten radikal-rassistischen Kampfbund für deutsche Kultur Alfred Rosenbergs“ und seines Hamburger Landesleiters Heinrich Haselmeyer[11] auch in der von den Nationalsozialisten gleichgeschalteten Vereinigung Quickborn als Schriftführer weiterhin Mitglied des Vorstandes.[12]
Skeptisch waren die Nationalsozialisten in Bezug auf Alexander Strempel, weil dieser auch einen langjährigen „höflichen Kontakt zu der jüdischen Germanistik-Professorin Agathe Lasch“ gepflegt hatte.[13]
Alexander Strempel bereitete es offenbar keine Schwierigkeiten, eng mit nationalsozialistischen Aktivisten in diesem Bereich zusammenzuarbeiten, wie dem Mitbegründer der Finkenwarder Speeldeel und Schulleiter, Hinrich Wriede[14] und dem niederdeutschen Dramaturgen, Autor und Oberstudiendirektor, Bruno Peyn[15], die beide führende Funktionen in der niederdeutschen Bewegung innehatten.
Ein anderer Autor, Jörg Schilling, der sich mit der Heimatkunstbewegung auseinandersetzte im Kontext „Niederdeutsch und Nationalsozialismus“ beschäftigte sich mit der Haltung des Quickborn-Mitherausgebers Alexander Strempel und anderer Vertreter der Niederdeutschen Bewegung und stellte fest:
„Diese Haltung Strempels und anderer führender Vertreter der niederdeutschen Bewegung der Dreißigerjahre sowie die überwiegend positive Einstellung der Mehrzahl der damals schreibenden niederdeutschen Autoren zum Nationalsozialismus führte nach anfänglicher Skepsis bald zu einer weitgehend harmonischen Zusammenarbeit zwischen den Produzenten und Förderern niederdeutscher Literatur und der Reichsschrifttumskammer.“[16]
Man könnte es durchaus schärfer formulieren: In manchen Veröffentlichungen erwies sich Alexander Strempel nicht nur als angepasst, sondern näherte sich ideologisch durchaus an die Nationalsozialisten an und nahm deren Gedankengut an, wie Jan Wirrer in seinem Aufsatz „Die Rassenseele ist des Volkes Sprache“ ausführt:
„Wenn sich Nationen nicht mehr über Sprache, sondern zuvörderst über Rasse definieren, können verschiedene Sprachen und/oder sprachliche Varietäten nicht mehr zur Abspaltung von regionalen Bevölkerungsteilen führen. Genau auf dieser Linie argumentiert Alexander Strempel in einem Aufsatz vom Winter 1933 mit dem bezeichnenden Titel ‚Politischer Separatismus und plattdeutsche Sprache‘. Am Ende seiner relativ komplizierten, aber nachvollziehbaren Argumentation resümiert Strempel wie folgt: ‚Politische, religiöse, wirtschaftliche, vor allem rassische Gegensätze haben zum Separatismus geführt, die Sprache hat ihn hinterher verschärft, nie hat sie ihn veranlasst. Und unser Plattdeutsch, arm gegenüber seiner hochdeutschen Schwester und ihr in so vieler Beziehung unterlegen, sollte das fertig bringen? Man bedenke doch das, was Adolf Hitler Seite 428 (in Mein Kampf, J. W.) in die Worte kleidet, dass ‚die Rasse eben nicht in der Sprache liegt sondern im Blute‘.“[17]
In einer Anmerkung schreibt Wirrer dazu:
„Die Tatsache, dass Alexander Strempel Autor eines solchen – im Grunde anbiedernden – Aufsatzes ist, zeigt die Komplexität damaliger Verhältnisse. Denn Strempel war weder Mitglied der NSDAP, noch hatte er besondere Sympathien für den Nationalsozialismus. 1937 wurde er – möglicherweise wegen seiner sozialdemokratischen Überzeugungen – in seiner Funktion als Schriftleiter der ‚Mitteilungen aus dem Quickborn‘ für untragbar erklärt. Dies wiederum lässt sich nur schwer mit seiner Mitgliedschaft im rassistisch ausgerichteten ‚Kampfbund für Deutsche Kultur‘ in Einklang bringen.“[18]
Es ist nicht das einzige Beispiel für Anpassung, vielleicht auch „Besserwisserei“ oder ein Beleg dafür, dass Strempel ein „niederdeutscher Federfuchser“ gewesen war, wie Gerhard Nöthlich ihn charakterisierte. Strempel rezensierte in den „Mitteilungen aus dem Quickborn“ niederdeutsche Stücke. Arbeitslosigkeit und ihre vermeintliche Überwindung durch die NS-Regierungspolitik war ein beliebtes propagandistisches Thema. Als der Autor Walter Looschen in seinem Stück „Dat anner Leben“ die „Problemlösung nicht eindeutig genug konstruierte, die Verdienste der NS-Regierung zu wenig in den Blick gerückt hatte“, kritisierte der Rezensent Strempel dies mit den Worten: „Die Verzweiflung des Arbeitslosen, sein Verzagtsein, das alles aber passt allein in frühere Jahre. Hier hat der Verfasser mit kühnem Satze zwei Erscheinungen durcheinandergeworfen. Wir stehen aber diesen Dingen viel zu nahe, als dass wir das nicht merkten und als störend empfänden.“[19]
Hier, 1934 geschrieben, war von einem sozialdemokratischen Alexander Strempel nichts zu spüren. Es war Anbiederung an die Nationalsozialisten, vielleicht um seine Veröffentlichungsmöglichkeit nicht zu gefährden.
Im selben Jahr schrieb Alexander Strempel in der „Hamburger Lehrerzeitung“ unterm Hakenkreuz den Aufmacher-Artikel auf der ersten Seite: „Plattdeutsch in der Schule“.[20] Strempel gibt darin einen guten Überblick über die Diskussion, inwieweit das Plattdeutsche in der Schule gesprochen und gefördert werden müsste und wie die Diskussion darum seit langer Zeit geführt wurde. Es zeigt ihn aber auch als hierarchieorientierten Bürokraten, der sich darüber erfreut zeigte, dass die Landesunterrichtsbehörde (LUB) im Jahr 1934 in Hamburg Plattdeutsch für die Schule angeordnet hatte und der immer wieder darauf hinwies, dass die Landesunterrichtsbehörde die notwendigen Folgerungen schon ziehen werde. Und Strempel machte deutlich, wie eng er sich mit den von ihm erwähnten Protagonisten der plattdeutschen Mundart verbunden fühlte, wie „ Bruno Peyn, dem Herausgeber der Nordmarkbücherei“, und ausdrücklich auch Willi Schulz, dem Landesschulrat und Gauamtsleiter des NSLB, dessen, „wegen der besonderen Verhältnisse in den Landschulen bemerkenswerten Aufsatz ‚Zur Frage des Sprachunterrichts in den Landschulen‘, der in der ‚Hamburger Lehrerzeitung‘ 1929 erschienen ist“, also zu einer Zeit, als der NSLB noch gar nicht existierte.[21]
Am gravierendsten erscheint mir eine andere Aktivität von Alexander Strempel, die zeigt, dass er seine Expertise bereitwillig den nationalsozialistischen Machthabern zur Verfügung stellte. Die NS-Schulverwaltung berief ihn 1933 in eine „Kommission zur Überprüfung der Schülerbüchereien an den höheren Schulen Hamburgs“, mit dem Auftrag, eine Liste von Autoren zu erstellen, die aus den Hamburger Schülerbibliotheken und dem Unterricht gesäubert werden sollten. Die Kommission, Wegbereiter der Bücherverbrennung.
Gemeinsam mit Alexander Strempel agierten Bruno Peyn, Otto Ludwig[22], Walter Machleidt[23] und Erwin Zindler[24]. Im Vorwort zur erstellten Liste hieß es: „Die Kommission schlägt der Landesschulbehörde vor, folgendermaßen zu verfahren: Die Bücher der in Liste A genannten Verfasser sind umgehend an die Landesschulbehörde einzusenden. Diese Schriften werden in nächster Zeit öffentlich verbrannt. Die Bücher der in Liste B genannten Verfasser sind aus der Schülerbücherei zu entfernen und aus den Katalogen zu streichen. Sie können entweder in die Lehrerbücherei oder in die Schüler-Lehrbücherei aufgenommen werden. Jedenfalls sollen sie nur auf besonderen Antrag eines Lehrers in die Hand der Schüler kommen. Die Landesschulbehörde wünscht sich bis zum … Meldung von den Büchereiverwaltern über alle Schriften, die aus ihrer Schülerbücherei ausgeschieden worden sind, mit genauer Angabe von Verfasser, Titel und neuem Aufbewahrungsort. Erst nachdem dies geschehen ist, werden die Büchereien wieder zur Benutzung freigegeben. Die Kommission fasst ihre ausmerzende Tätigkeit nur als den ersten Teil ihres Auftrages auf. Sie wird daher in nächster Zeit der Landesschulbehörde eine Bücherliste einreichen, von deren Schriften sie glaubt, dass sie in einer modernen Schülerbücherei vorhanden sein müssen. Die Kommission bittet, den Büchereiverwaltern von dieser Liste Kenntnis zu geben und sie zu verpflichten, bei nächster Gelegenheit aus ihr Bücher zur Anschaffung auszuwählen.“[25]
Zu den „auszumerzenden“ Autoren der Liste A gehörten laut Strempel und seiner Kommission u. a.: Josef Conrad, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Leonhard Frank, Heinrich Heine, Heinrich Mann, Ludwig Marcuse, Arnold Zweig und Stefan Zweig.[26]
Und in Liste B befanden sich unter anderem die Autoren: Dostojewski, Fallada, Gandhi, Gogol, Gorki, Gerhart Hauptmann, Hofmannsthal, Kollwitz, Thomas Mann, Karl Marx, Puschkin, Rousseau, Stendhal, Tolstoi, Werfel, Wilde, Zola.[27]
Alexander Strempel trat am 1.5.1937 in die NSDAP ein. 1935 war er auch Mitglied in der NSV und im NSLB geworden, ein Jahr später auch im NS Reichsbund für Leibesübungen.[28]
Ohne 1933 Mitglied in der NSDAP gewesen zu sein, hatte ihn die Schulverwaltung von November 1933 bis Oktober 1934 und dann noch einmal von April 1936 bis April 1938 zum stellvertretenden Schulleiter am Kaifu, der Oberrealschule in Eimsbüttel ernannt.[29]
Nachdem sich Oberstudiendirektor Ernst Dätz als Offizier zum Kriegsdienst meldete, leitete Strempel die Schule von 1939 bis August 1942 und nach einer kurzen Unterbrechung wieder von April 1943 bis April 1944 als kommissarischer Schulleiter.[30] Inzwischen war er auch NSDAP-Mitglied geworden. In seinen Entnazifizierungsfragebogen fügte er am 30.5.1945 ein, dass ihm im April 1944 wegen seiner „Opposition zu NSDAP Kreisleiter Gloy“ die Leitungs-Verantwortung genommen worden war.[31]
Es mag durchaus so gewesen sein, wobei es keine praktische Bedeutung hatte, da zu diesem Zeitpunkt ohnehin kein Unterricht mehr stattfand und die Schülerinnen und Schüler sich in der Kinderlandverschickung befanden. Aber es war sicherlich eine gute Empfehlung dafür, dass die Schulverwaltung Alexander Strempel nach Ende der NS-Herrschaft mit der Leitung dieser Schule beauftragte. Kontinuitäten, die verwundern.
Als das Gymnasium am Kaiser-Friedrich-Ufer im Jahre 1967 das 75-jährige Jubiläum feierte, schrieb Alexander Strempel als langjähriger Zeitzeuge und Schulleiter seine Erinnerungen auf. Darin las man:
„Selbst Mitgliedern der NSDAP ging manches zu weit. Bei Verboten konnten sie sich damit trösten, dass Schüler gerade das Verbotene reizte. Sie lasen Heinrich Heine und spielten die Werke Mendelssohn-Bartholdys.“[32]
Ob sich Strempel wohl noch daran erinnerte, dass er 34 Jahre zuvor der Kommission angehört hatte, die Heinrich Heine aus dem Unterricht und den Schülerbüchereien verbannt hatte?
Interessant auch der Hinweis: „Im Jahre 1939 sollten alle jene Lehrer die Schule verlassen, die noch keine Parteimitglieder waren: Sie seien nicht würdig und imstande, die Jugend ‚im neuen Geist‘ zu erziehen. Im Höheren Lehramt handelte es sich um 7 % der Kollegen. Die meisten der übrigen gehörten als ,Mitläufer‘ der Partei an. Sie taten treu das, was ihnen ihre Selbstverantwortung gebot. Der Krieg und die vielen Einziehungen zum Wehrdienst verhinderten jedoch die geplante Maßnahme.“[33]
In einem anderen Kapitel, „Schule mit Unterbrechungen, Erinnerungen eines Schulleiters“ übeschrieben, kramte Alexander Strempel in seinem Gedächtnis:
„Den jetzigen Schülern erscheint ganz unglaubwürdig, was in der Nazizeit geschah. Darum möchte ich, wenn ich von Kollegen erzähle, die Schicksale der Herren Dr. Machleidt und Wahlstedt herausheben.“[34]
Strempel leitete die Erinnerung an Walter Machleidt mit einer gewissen Beiläufigkeit ein: „Bei der von der Behörde befohlenen Ausarbeitung von Richtlinien für eine ‚Arisierung‘ der Lehrer- und Schülerbüchereien in den Oberschulen hatte ich Dr. Machleidt kennengelernt.“[35]
Das konnte er 1967 so locker formulieren und er beschrieb Walter Machleidt dann:
„Er wurde später zu uns versetzt und entpuppte sich als angenehmer Kollege, als tüchtiger Lehrer und – als überzeugter Christ. Er war schon vor 1933 Parteigenosse und daher bei der Machtübernahme Direktor der Luisen-Schule in Bergedorf geworden, Christ war er geblieben. Als er das durch Morgenandachten und Gebet mit der ganzen Schule zu erkennen gab, wurde er kurzerhand zum stellvertretenden Direktor in die Curschmann-Straßen-Schule ‚zurückbefördert‘. Aus den gleichen Gründen landete er bald darauf als einfacher Studienrat bei uns. Als ich Dr. Dätz einmal vertrat, kam er zu mir und sagte mir, er wolle mich vor Unannehmlichkeiten auf der Behörde bewahren und mir daher erzählen, dass er nach wie vor bei Unterrichtsbeginn mit seiner Klasse sänge und bete. Was ich dazu sagte? Eigentlich habe ich ihn bewundert. Gesagt habe ich, er möchte an seine Erfahrungen, er möchte aber vor allem daran denken, dass er fünf Kinder habe und dass es auch weise sei, Vorsicht walten zu lassen. Es geschah nichts mehr gegen ihn, zumal auch Dr. Dätz ihn gewähren ließ. Dr. Machleidt ist als Offizier in Riga tödlich verunglückt.“[36]
Dass die Realität vielschichtiger war, habe ich in den Biografien über Walter Machleidt und Ernst Dätz in den beiden Bänden der „Täterprofile“ beschrieben. Und auch Alexander Strempel ist eine vielschichtige Person gewesen. Rührend und hilfreich, wie er sich als amtierender Leiter der Schule um die Witwe von Walter Machleidt kümmerte und in ihrer Stunde der Not als junge Witwe für sie bürokratische Schreibereien erledigte, als man sie aufforderte, den „Ariernachweis“ ihres verunglückten Mannes einzureichen.[37]
Und charakteristisch auch für den Vielschreiber und Bürokraten Alexander Strempel, wie er als kommissarischer Schulleiter am Kaifu mit der Ehefrau des abwesenden Schulleiters und Weltkriegs-Major Ernst Dätz kommunizierte und ihr die Probleme bei der Kinderlandverschickung (KLV) ausführlich darlegte. Darin wurde auch die Autoritätshörigkeit Strempels deutlich. Autorität war die Führungsriege des NS-Staates und deren Organisationen. So erklärte Alexander Strempel Frau Dätz am 16.4.1941 die KLV:
„Die gesamte Kinderlandverschickung hat der Führer Baldur von Schirach übertragen, dem ja, abgesehen davon, dass er Gauleiter in Wien ist, doch maßgebender Einfluss auf die Jugend Deutschlands weiterhin vergönnt ist. Baldur von Schirach konnte die Kinderlandverschickung nicht allein völlig durchführen, da zu viele HJ-Führer wegen des Krieges fehlen. So trat neben die HJ die Partei mit ihren verschiedenen Gliederungen. Leute, die Erfahrung besaßen in Bezug auf die Verschickung größerer Kindermengen, zum Beispiel einer ganzen Schule, waren die Lehrer. Deshalb wurde der NSLB eingeschaltet, und bis auf den heutigen Tag stehen nun NSLB, NSV und HJ, dazu aber die Kreisleiter und Gauleiter mit ihren Stäben unmittelbar einflussreich der Kinderlandverschickung zur Seite. Da nach dem Wunsche des Führers die Kinder nicht nur verschickt werden sollten aus gesundheitlichen Gründen, sondern da ihnen auch Unterricht zuteil werden sollte, hat es sich mehr und mehr gezeigt, dass diejenigen, die die eigentliche Verantwortung tragen – oder auf gut Deutsch gesagt, die den Kram schmeißen – die Lehrer und Lehrerinnen sind, denen in den Lagern allerdings eine sehr große, sehr schwere und verantwortungsreiche und vor allen Dingen ungeheuerlich viel Nervenkraft kostende Arbeit zuteil geworden ist. Alle Belange, die sonst das Elternhaus angehen, müssen jetzt die Lehrer übernehmen.“[38]
Strempel führte in dieser Zeit einen regen Schriftwechsel mit seinen Lehrerkollegen, die in der Kinderlandverschickung waren. Einige Erkenntnisse übermittelte er der Frau des Oberstudiendirektors, den er am Kaifu vertrat:
„Ungeheuerliche Dinge spielen sich ab. Die Gestapo und die Behörde für die Überwachung der öffentlichen Gesundheit Jugendlicher wissen über Dinge zu berichten, die die schamlose Fantasie in solchem Ausmaß nicht erdacht hätte. Dieser Verwilderung sind die Kinder in den Lagern zwar auch ausgesetzt, weil viel zu wenig Lehrkräfte und durchweg nicht die passenden für die Lager zur Verfügung stehen. Alle gesundheitlich tadellosen und dem Alter nach besonders geeigneten Lehrer sind natürlich beim Heere, und andererseits lässt sich in den Lagern zwar außerordentlich auf Zucht und Ordnung halten, aber die innere Verwahrlosung – wenn ich so sagen darf – ist natürlich nicht völlig zu verhüten. Die zweite Gefahr, die der Arbeit der Lehrer in den Lagern begegnet, sind die Krankheiten, die bei Massenquartieren nie zu vermeiden sind. Unsere Soldaten werden daher, wie bekannt, gegen alle möglichen Krankheiten geimpft, und in den Kinderlagern haben seuchenartig einige Krankheiten sich verbreitet.“[39]
Strempel berichtet auch, wie die derzeitige Schulverwaltung mit diesen Fragen umging:
„Alle diese Dinge sind in den Schulleiterbesprechungen vorgetragen worden, und unser neuer Oberschulrat Dr. Henze hat gewettert gegen diese Störung der Kinderlandverschickung. Wir haben ihm vorgehalten, dass man ursprünglich geplant habe, die Verschickung solle nur über den Winter dauern, und dass es verständlich ist, wenn die Eltern, insbesondere die Mütter, nach fünf oder sechs Monaten ihre Kinder einmal wiedersehen wollen. Das musste er natürlich zugeben. Es gibt Eltern, die haben ihre Kinder wieder abgeholt und sich auf das Recht berufen, das Ihnen als Eltern über die Kinder zustünde. Unser jetziger Schulsenator Toepffer hat auf der letzten Versammlung mit der NSV wegen der Kinderlandverschickung den Vertretern des NSLB gegenüber betont, man könne selbstverständlich keinen Vater und keiner Mutter die letzte Entscheidung über das Kind nehmen. Es passt allerdings gar nicht dazu, dass die andere Instanz hineinredet und es als ein Misstrauensvotum gegen die Partei erklärt, wenn jemand sein Kind zurückruft. Eine generelle Entscheidung ist selbstverständlich nicht gefallen, kann auch gar nicht gefällt werden, denn diese Entscheidung liegt überhaupt nicht bei den Lehrern, sondern einzig und allein bei der Partei. Es ist grundsätzlich und außerdem mit juristischen Gründen dargelegt worden, dass die Kinder, die verschickt sind, ausschließlich der Partei unterstehen und nicht der Schule. Auch die verschickten Lehrer unterstehen der Partei und in Bezug auf Disziplinarfälle und das Gehalt der heimatlichen Schulverwaltung.“[40]
Alexander Strempel war 1937 Mitglied der NSDAP geworden und in seinem Amt als stellvertretender Schulleiter sowie als „das Amt führender Schulleiter“ ein wichtiges Rad im Getriebe geworden. Und er schien dies nicht ohne Überzeugung auszufüllen, etwa wenn er den vorübergehend starken Mann der Schulverwaltung, Albert Henze[41], mit sichtlichem Gefallen zitierte: „‚Der Wille unserer Führung ist allein maßgebend, und was die Zwischeninstanzen tun, befehlen, erwarten, beschimpfen oder loben, spielt daneben eine sehr geringe Rolle.‘ Soweit ich weiß, ist es einer der Grundsätze unseres Staatswesens, dass die Familie Zelle und Grundlage des gesamten Aufbaus ist, und dass also bei einer so lang dauernden Kinderverschickung die Vernichtung des Familienlebens nicht im Sinne des Führers sein kann, zumal die Väter um höhere Gesichtspunkte willen ohne Rücksicht auf die Familie eingesetzt werden müssen.“[42]
Alexander Strempel überstand den Krieg und die NS-Zeit und wurde, zu meinem Erstaunen, 1945 weiter als Schulleiter am Kaifu eingesetzt und zum Oberstudiendirektor befördert. Damit begann für ihn bei aller Kontinuität noch einmal eine neue Zeit. Am 14.7.1945 heiratete er Gertrud Bauche, Jahrgang 1909, mit der er zwei Töchter bekam.[43]
Am 22.12.1951 trat er in den Ruhestand, ohne sich zur Ruhe zu setzen. Noch bis 1962 erhielt er Lehraufträge, am Gymnasium St. Georg, am Johanneum und an der Klosterschule. Es waren „Kurse für Sowjetzonenkinder“, später „Ostzonen-Kinder“, „Flüchtlingskinder“, „Flüchtlingskurse“, „SBZ-Kurse“, so damals die Bezeichnungen.[44]
Auch dem Plattdeutschen widmete sich Alexander Strempel weiterhin. Sein Buch über die „Plattdeutsche Rechtschreibung“, im Quickborn-Verlag für DM 4,95 erschienen, wurde am 18.7.1959 im „Hamburger Abendblatt“ auf Platt lobend rezensiert.[45] Und als Alexander Strempel seinen 70. Geburtstag feierte, war es derselben Zeitung einen würdigenden Hinweis wert:
„Der Sprachwissenschaftler Dr. Alexander Strempel begeht heute seinen 70. Geburtstag. Viele seiner ehemaliger Schüler, denn Strempel war lange Jahre Leiter der Schule am Kaiser-Friedrich-Ufer , werden ihm gedenken als eines Mannes, der nicht nur Wissen, sondern auch persönlichkeitsbildende Werte zu vermitteln wusste. Nicht minder dankbar grüßen ihn die ‚Plattdeutschen‘‚ denn der plattdeutschen Sprache gilt das Lebenswerk dieses gütigen, stillen Gelehrten, einem der markantesten Köpfe des Quickborn-Kreises. Seine vor kurzem erschienene plattdeutsche Sprachforschung hat viele fruchtbare Diskussionen ausgelöst; auch als Stavenhagen-Forscher hat sich Strempel einen Namen gemacht.“[46]
Alexander Strempel starb am 10.2.1973.[47]
Text; Hans-Peter de Lorent

Anmerkungen
1 Alle Angaben laut Personalakte Alexander Strempel, StA HH 361-3_4998 Auslieferung vom 13.11.2013.
2 Personalakte a. a. O.
3 Personalakte a. a. O.
4 Personalakte a. a. O.
5 Angaben nach: Hermann Quistorf/ Johannes Saß: Niederdeutsches Autorenbuch, Hamburg 1959, S. 184.
6 Gerhard Nöthlich in einem Schreiben an mich vom 16.4.2016. Über Ernst Dätz habe ich eine Biografie geschrieben, in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd. 2, Hamburg 2017, S. 587 ff. In diesem Band hat Gerhard Nöthlich seine Erinnerungen an die Oberrealschule Eimsbüttel in Kommunikation mit mir in dem Begleitwort aufgeschrieben, S. 13 ff.
7 Gerhard Nöthlich in einem Schreiben an mich vom 25.12.2017.
8 Siehe die Biografien von Allwörden und Behnken in diesem Band. Intensiv beschrieben wurde die Gründung der Vereinigung Niederdeutsches Hamburg in: Michael Töteberg: „Nedderdüütsch Volk op’n Weg“. Die Vereinigung Niederdeutsches Hamburg. Ein Dossier, in: Niederdeutsch im Nationalsozialismus. Studien zur Rolle regionaler Kultur im Faschismus (Herausgegeben von Kay Dohnke, Norbert Hopster und Jan Wirrer), Hildesheim–Zürich–New York 1994, S. 123 ff.
9 Norbert Hopster und Jan Wirrer: Tradition, Selbstinterpretation und Politik. Die „Niederdeutsche Bewegung“ vor und nach 1933, in: Niederdeutsch im Nationalsozialismus 1994, S. 108 f.
10 Hopster und Wirrer a. a. O., S. 115.
11 Siehe die Biografie Heinrich Haselmayer in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd. 1, Hamburg 2016, S. 621 ff.
12 Hopster und Wirrer a. a. O., S. 79.
13 Jürgen Meier: Die Vereinigung Quickborn und das hamburgische Wörterbuch. Ein Beitrag zur Geschichte nicht nur der niederdeutschen Lexikographie, in: Friedrich Michelsen, Wolfgang Müns, Dirk Römmer, Jürgen Meier (Hg.): Dat’s ditmal anners, wat ik weten do, op’n anner mal mehr. 100 Jahre Quickborn. Vereinigung für niederdeutsche Sprache und Literatur e. V., Hamburg. Festschrift, Hamburg 2004, S. 50–53.
14 Siehe die Biografie Hinrich Wriede, in: de Lorent 2016, S. 676.
15 Siehe die Biografie Bruno Peyn, in: de Lorent 2016 S. 480 ff.
16 Zitiert nach: Thomas Strauch: Schweigen, kritisieren und historisieren. Die niederdeutsche Philologie und die Aufarbeitung des Nationalsozialismus, in: Niederdeutsch im Nationalsozialismus 1994, S. 532.
17 Jan Wirrer: „Die Rassenlehre ist des Volkes Sprache“. Sprache, Standarddeutsch, Niederdeutsch – zum Sprachbegriff in der Diskussion um das Niederdeutsche während der nationalsozialistischen Diktatur, in: Niederdeutsch im Nationalsozialismus 1994, S. 223.
18 Ebd., S. 255.
19 Kay Dohnke: „Ik stäk dei Fahn ut“. Verhaltensweisen niederdeutscher Schriftsteller im Nationalsozialismus, in: Niederdeutsch im Nationalsozialismus 1994, S. 313.
20 Alexander Strempel: Plattdeutsch in der Schule, in: HLZ 44/1934, S. 621 ff.
21 Ebd., S. 622.
22 Siehe die Biografie Otto Ludwig, in: de Lorent 2017, S. 507 ff.
23 Siehe die Biografie Walter Machleidt, in: de Lorent 2017, S. 494 ff.
24 Siehe die Biografie Erwin Zindler, in: de Lorent 2016, S. 538 ff.
25 100 Jahre Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer , Hamburg 1992, S. 58 ff.
26 100 Jahre Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer , Hamburg 1992, S. 59 f.
27 100 Jahre Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer , Hamburg 1992, S. 61 f.
28 Entnazifizierungsakte Strempel, StA HH, 221-11_Ed 8457
29 Ebd.
30 Ebd.
31 Ebd.
32 75 Jahre Gymnasium am Kaiser-Friedrich-Ufer , Hamburg 1967, S. 19.
33 Ebd.
34 75 Jahre Gymnasium am Kaiser-Friedrich-Ufer , S. 37.
35 Ebd.
36 Ebd.
37 Schreiben von Alexander Strempel an die Personalabteilung der Schulverwaltung vom 12.10.1942, von mir in der Biografie Machleidt beschrieben, a. a. O., S. 505.
38 Alexander Strempel am 16.4.1941 an Frau Dätz, StA HH, 362-2/8_175
39 Ebd.
40 Ebd.
41 siehe die Biografie Albert Henze, in: de Lorent 2016, S. 162 ff.
42 Alexander Strempel am 16.4.1941, a. a. O.
43 Personalakte a. a. O.
44 Personalakte a. a. O.
45 „Hamburger Abendblatt“ vom 18.7.1959.
46 „Hamburger Abendblatt“ vom 27.11.1956.
47 Personalakte a. a. O.
 

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Datenbank online Die Dabeigewesenen

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Von Hamburger NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Zuschauer/innen ... Eine Hamburg Topografie.

NS-Dabeigewesene

Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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