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Albert Tomforde

(18.3.1891 Hamburg – 28.5.1962)
stellvertretender Schulleiter am Wilhelm-Gymnasium, Oberstudiendirektor
Ahlfeld 56 (Wohnadresse 1958)

Hans-Peter de Lorent hat über Albert Tomforde ein Portrait verfasst, das in Hans-Peter de Lorents Buch: Täterprofile. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz. Band. 3. Hamburg 2019 erschienen und im Infoladen der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg erhältlich ist. Hier der Text:
„Da es sich um einen wirklich vortrefflichen Mann handelt, würde ich bedauern, wenn derselbe dem Lehrerberuf entzogen werden würde.“ (Bürgermeister Rudolf Petersen)
Als Beispiel für eine „ganz normale“ nationalsozialistische Karriere im Bereich der höheren Schulen Hamburgs kann Albert Tomforde gelten. Als junger Mann meldete sich Tomforde 1914 zum Kriegsdienst, den er 1919 als Leutnant beendete. Auch im Zweiten Weltkrieg war er als Offizier bei der Wehrmacht. Zum 1.5.1933 trat er der NSDAP bei. An einigen höheren Schulen in Hamburg arbeitete er als Oberlehrer, wurde 1934 Oberstudienrat und stellvertretender Schulleiter, 1944 dann Oberstudiendirektor. Nach Ende der NS-Herrschaft meldeten sich prominente Personen aus Hamburg, die ihm Leumundszeugnisse ausstellten. Und so gelangte er nach zwei Jahren wieder in den Schuldienst. Wie viele andere auch.
Albert Tomforde wurde am 18.3.1891 in Hamburg geboren. Von 1900 bis zur Reifeprüfung 1909 war er Schüler am Johanneum und startete danach ein Studium „der germanischen und klassischen Sprachwissenschaften“ in Marburg, München und Greifswald. 1914 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger und blieb bis 1919 im Krieg, zuletzt als Leutnant. Anschließend beendete er das Studium, um am 1.10.1920 an der Kirchenpauer-Schule den Vorbereitungsdienst zu beginnen, den er an der Realschule Rothenburgsort am 30.9.1921 erfolgreich beendete.
Albert Tomforde heiratete am 3.10.1924 Margarethe Carstens, mit der er vier Kinder bekam. Er war an verschiedenen höheren Schulen in Hamburg tätig, am Wilhelm-Gymnasium, an der Heilwigschule, am Johanneum, bis er am 10.10.1934 zum Oberstudienrat und stellvertretenden Schulleiter am Wilhelm-Gymnasium ernannt wurde.[1]
Tomfordes Karrieresprung ging der Eintritt in die NSDAP am 1.5.1933 voraus. Mitglied im NSLB war er seit dem 1.4.1933. Er gehörte ebenso seit dem 1.4.1934 der NSV an, der VDA schon seit 1920, ebenso ab 1937 dem Reichsbund deutscher Familie und dem NS Altherrenbund.[2] Vom 11.9. bis zum 17.9.1935 war Albert Tomforde für den Reichsparteitag der NSDAP beurlaubt gewesen.[3]
Tomforde wurde am 26.8.1939 zur Wehrmacht einberufen, am 1.10.1939 meldete er bereits seine Beförderung zum Hauptmann. Am 1.1.1943 war er Major.[4]
In kriegsbedingter Abwesenheit beförderte Reichsstatthalter Karl Kaufmann Albert Tomforde am 1.10.1944 zum Oberstudiendirektor, damit war er nominell Schulleiter an der Oberschule für Jungen der Matthias-Claudius-Schule.[5]
Nach Ende der NS-Herrschaft wurde Tomforde am 6.7.1945 beurlaubt als Oberstudiendirektor, vorübergehend aber als Studienrat an der Matthias-Claudius-Schule weiterbeschäftigt, ehe ihn Senator Landahl im Namen der Britischen Militärregierung am 12.9.1945 endgültig suspendierte.[6]
Nun begann ein Entnazifizierungsverfahren, in dem Albert Tomforde prominente Fürsprecher fand. Am 2.8.1946 gab Tomforde beim Einspruch gegen seine Entlassung an den Berufungsausschuss eine schriftliche Erklärung ab, die angereichert wurde durch zwölf Leumundsschreiben. Darin stellte er fest:
„Nach meiner ehrlichen Überzeugung bin ich weder als Aktivist noch als Propagandist oder Militarist anzusprechen. Ich bitte deshalb, in die erneute Prüfung meines Falles einzutreten. Bis dahin keiner Partei zugehörig, bin ich am 1. Mai 1933 der ehemaligen NSDAP beigetreten, weil ich hoffte, zum Guten wirken zu können, obwohl manche Programmpunkte nicht meiner Überzeugung entsprachen und obwohl ich die Zeit vor 1933 niemals als eine Zeit der Schmach und Schande empfunden hatte. Ich war gegen eine Außenpolitik der nationalen Isolierung, aber andererseits glaubte ich, nicht abseits stehen zu dürfen, wenn es um die Überwindung innerer Gegensätze im Volkskörper, insbesondere um die Lösung der sozialen Frage auf dem Wege friedlicher Aufbauarbeit ging – wie vorgegeben wurde.“[7]
Albert Tomforde argumentierte hier ähnlich wie viele andere ehemalige Parteigenossen auch. Seine konkrete Mitarbeit marginalisierte er:
„Als ich vom Lehrerbunde zur Mitarbeit aufgefordert wurde, habe ich 1934–1935 in einer Zeit der Überorganisation ein untergeordnetes Amt bekleidet, das dann als überflüssig aufgehoben wurde, erschöpfte sich doch meine Tätigkeit im wesentlichen im Einsammeln der Beiträge. Seitdem habe ich auch im Lehrerbunde keine Mitarbeit mehr geleistet. In der Partei habe ich überhaupt nie ein Amt bekleidet, da infolge der zutage getretenen Missstände das Gefühl der Ablehnung in mir immer stärker wurde. Schon im Jahre 1933 machte ich die bittere Erfahrung, dass berechtigte Kritik unerwünscht sei; ich wurde beim Reichsstatthalter mit dem Ziel der Amtsentlassung denunziert, weil ich dem damaligen Gebietsführer der HJ anmaßende Haltung gegenüber Schule und Lehrern vorgeworfen hatte, und musste mich verantworten. Auch später habe ich mich wiederholt gegen die HJ eingesetzt, wenn sie sich grobe Einbrüche in die Belange des Elternhauses und der Schule erlaubte; meine Kollegen habe ich in dieser Abwehr bestärkt, mit Empörung beobachtete ich die Unehrlichkeit, die in der Behandlung der religiösen Bekenntnisse zu Tage trat, ebenso wie die Bevorzugung alter Parteigenossen und der Angehörigen der SA und SS in Staat und Wirtschaft, während die Propaganda nichts als Pflichterfüllung forderte, Sonderrechte aber scharf ablehnte. Da ich selbst mich abgestoßen von der Partei entfremdet fühlte, habe ich den Kollegen, die mich um Rat baten, vom Eintritt in die Partei abgeraten, zum Beispiel Herrn Dr. Hermann Schulz, Wilhelm-Gymnasium. Ich bemühte mich um aufrichtig-loyale Haltung gegenüber Schülern und Kollegen, scheute mich nicht vor energischer Abwehr parteidiktatorischer Übergriffe und hielt Kollegen, die wegen ihrer politischen Überzeugung verfolgt wurden, die Treue.“[8]
Und Albert Tomforde beklagte sich:
„In der Beförderung wurde ich wiederholt übergangen. Den Austritt aus der Kirche, der mir nahegelegt wurde, habe ich aus Gewissensgründen abgelehnt. Umso überraschender kam mir die Ernennung zum Oberstudiendirektor am 1.1.1944; zu dieser Zeit war ich bereits viereinhalb Jahre Soldat. Mit meiner Parteizugehörigkeit hatte die Ernennung nichts zu tun; denn die letzte Beförderung lag zehn Jahre zurück. Praktisch habe ich das Amt nicht ausgeübt.“[9]
Und persönlich ergänzte Tomforde:
„Den Krieg lehnte ich schon in seinen Vorbereitungen ab. Seine Entfesselung habe ich bei der besonderen Lage des Reiches als gewissenlos verurteilt. Ich habe vor und nach 1933 weder einer Militär-Vereinigung noch einem Offizier-Verband, noch dem Reichskriegerbund angehört. Im Jahre 1936 wurde ich zur militärischen Untersuchung befohlen und im Anschluss zu Übungen und vom 25. August 1939 bis zum Zusammenbruch zum Wehrdienst einberufen. Mein ältester Sohn ist am 17.2.1945 in Pommern gefallen. Damals waren Blutopfer schon längst sinnlos geworden; ich habe deshalb an diesem Verlust besonders schwer getragen.“[10]
Tomforde schloss sein Schreiben:
„Als Lehrer, dem der Beruf alles bedeutet, glaube ich aus ehrlicher Überzeugung die Voraussetzungen zu erfüllen, die für die Mitarbeit am Aufbau der neuen Schule von jedem Erzieher gefordert werden. Ich bitte, meinem sehnlichen Wunsche zu entsprechen und mich am Aufbau des demokratischen Erziehungswerkes teilnehmen zu lassen.“[11]
Zu den Personen, die zugunsten von Albert Tomforde Aussagen machten, gehörte auch der neue erste Bürgermeister Rudolf Petersen, der über keine Entscheidungsgewalt bei Wiedereinstellungen verfügte, dessen Aussagen aber natürlich großes Gewicht hatten. Rudolf Petersen schrieb am 4.7.1946 einen Brief an Albert Tomforde, den dieser mit elf anderen Persilscheinen seinem Einspruch beilegte. Darin erklärte Bürgermeister Petersen:
„Sie bitten mich mit Ihren Zeilen vom 1. Juli, Ihnen ein Gutachten über Ihre politische Einstellung in der Vergangenheit zum Zwecke der Vorlage beim Berufungsausschuss zu geben. Ich komme diesem Wunsche gern nach. Ich kenne Sie aus der Zeit der Jahre 1920–1933, in denen ich Vorsitzender des Elternrates des Wilhelm-Gymnasiums war, weil fünf meiner Söhne dort im Laufe der Jahre die Schule durchliefen. Sie haben drei meiner Söhne längere Jahre unterrichtet und ich weiß, mit welcher Achtung und Zuneigung die Jungen stets von Ihnen sprachen. Ihr Einfluss wirkte sich in der sachlichen, objektiven Art und Weise aus, mit der die Jungen sich zu der politischen Entwicklung jener Jahre verhielten. Wenn dieselben weder vor noch nach 1933 in die Hitlerjugend eingetreten sind und mit ihnen eine ganze Reihe anderer Schüler des Gymnasiums dies ebenfalls unterließen, so ist das zweifellos mit auf Ihren Einfluss zurückzuführen. Ich habe nach 1933, also nachdem ich mein Amt im Elternrat niederlegte, naturgemäß nur selten Gelegenheit gehabt, Sie zu treffen. Immerhin glaube ich verantworten zu können, zu erklären, dass Sie auch in den Jahren nach 1933, entsprechend Ihrer ganzen Lebensauffassung, nicht dem Gedankengut des Nationalsozialismus nahegestanden haben, geschweige denn Handlungen begangen haben, die nicht mit einer national eingestellten ehrenhaften Lebensauffassung zu vereinigen wären. Ich habe den Berufungsausschuss durch Übersendung eines Durchschlages dieses Briefes von dieser meiner Meinung in Kenntnis gesetzt.“[12]
Ein gewichtiges Schreiben gewiss, wenngleich es keine wirkliche Aussage über Albert Tomfordes Haltung, Handlung und Wirken in der Zeit von 1933 bis 1945 beinhaltete.
Merkwürdig auch andere Leumundszeugnisse von ehemaligen Nationalsozialisten und selbst Belasteten. Der Studienrat Dr. Friedrich Schmidt, ebenfalls Wilhelm-Gymnasium, schrieb am 1.7.1946:
„Hiermit bestätige ich, dass mein Kollege und Freund Albert Tomforde auf einer Zellenversammlung der Ortsgruppe Langenhorn der früheren NSDAP im Sommer 1933 Übergriffe des damaligen Gebietsführers der HJ, Kohlmeyer, mutige Kritik unterzogen und sich energisch für die gefährdeten Belange des Elternhauses, der Schule und der Lehrerschaft eingesetzt hat. Seine Haltung hatte eine Denunziation beim Reichsstatthalter mit dem Ziel der Entlassung aus dem Amte zur Folge. Tomforde musste sich schriftlich verantworten.“[13]
Der Machtkampf zwischen Lehrern und Schulleitern auf der einen und der Hitlerjugend auf der anderen Seite war ein beliebtes Thema in Leumundszeugnissen, die belegen sollten, dass Kollegen gegen Einmischungen der Hitlerjugend in die Schule und den Schulbetrieb opponierten. So berichtete Dr. Werner Puttfarken[14], selbst schwer belasteter ehemaliger Oberstudiendirektor des Johanneums:
„Im Sommer 1936 waren Otto Krauel, Schüler der Secunda des Studienrats Albert Tomforde, und sein jüngerer Bruder, gleichfalls Schüler des Johanneums, unter Leitung des Fähnleinführers der HJ, Hans Jürgen Nentwig, vom Besuch Auslandsdeutscher Siedlungen in Ungarn und Rumänien erst mehrere Wochen nach Abschluss der Sommerferien zum Unterricht zurückgekehrt. Nentwig hatte aber über die Reichsjugendführung Nachurlaub für die ihm anvertrauten Schüler bei der Schulverwaltung Hamburg beantragt und bewilligt erhalten. Damit war für das Johanneum eine vollendete Tatsache geschaffen, mit der sich aber Tomforde als Klassenlehrer Otto Krauels nicht zufrieden gab. Er setzte durch, dass eine Verhandlung bei der Schulverwaltung durchgeführt wurde, an der unter dem Vorsitz des damaligen Oberschulrats Dr. Behne[15] ich als derzeitiger Direktor des Johanneums, Tomforde als Klassenlehrer, der Fähnleinführer Nentwig und Otto Krauel teilnahmen. Tomforde verurteilte das Verhalten des Nentwig scharf – entgegen der sonst üblichen Tendenz, bei Übergriffen der HJ auf Seiten der Schule schwächliche Zurückhaltung zu üben – und scheute sich nicht, die Schulverwaltung, die sich mit der Bewilligung des Nachurlaubs mitschuldig gemacht hatte, hart zu kritisieren. Er forderte, dass Übergriffe ähnlicher Art künftig unterblieben, da sie mit den berechtigten Forderungen des Elternhauses und der Schule unvereinbar seien.“[16]
Da fanden sich die richtigen Leumundsgeber zusammen.
Richard Uetzmann, ehemaliger Studienrat am Wilhelm-Gymnasium, der zwanzig Jahre gemeinsam mit Albert Tomforde gearbeitet hatte und selbst niemals in die NSDAP eingetreten war, brachte einen anderen Aspekt zur Sprache, die Tomfordes antinazistische Haltung am Ende der NS-Herrschaft und insbesondere im Verlaufe des Krieges betraf:
„Schon vor dem Kriege und während des Krieges, in dem er als Soldat seine Pflicht erfüllte, ist er scharf von der Partei abgerückt. Als sein ältester Sohn im Februar 1945 gefallen war, litt er schwer darunter, weil er zu der Zeit jedes Blutvergießen als verantwortungs- und gewissenlos verurteilte.“[17]
Auch hier zeigte sich ein immer wieder auftretendes Muster in Entnazifizierungsverfahren: Das verbale Abrücken vom Nationalsozialismus und Adolf Hitler im Verlaufe des Krieges, insbesondere nach Stalingrad und den verheerenden Zerstörungen Hamburgs seit 1943, häufig auch verbunden mit dem Verlust von Familienangehörigen.
Bürgermeister Rudolf Petersen schrieb tatsächlich am 4.7.1946 an die Zentralstelle für Berufungsausschüsse: „Ich übersende in der Anlage ein Gutachten über einen früheren Lehrer dreier meiner Söhne im Wilhelm-Gymnasium. Da es sich um einen wirklich vortrefflichen Mann handelt, würde ich bedauern, wenn derselbe dem Lehrerberuf entzogen werden würde, es sei denn, dass schwerwiegende Gründe gegen die Nichtbelastung im Amte sprechen.“[18]
Ein ehemaliger Kollege von Albert Tomforde am Johanneum, Willi Thede, der niemals NSDAP-Mitglied gewesen war und nach 1945 dem Entnazifizierungsausschuss für höhere Schulen angehörte, entschied mit dem Beratenden Ausschuss am 13.9.1946:
„Unser Herr Thede kennt ihn seit Jahren. Er war bis 1933 guter Demokrat und verfiel dann der nationalsozialistischen Ideologie. Er hat sich aber keinerlei gemeine Handlungen zuschulden kommen lassen. Wir empfehlen ihn als Studienrat wieder einzustellen.“[19]
Der Berufungsausschuss entschied in diesem Sinne am 6.12.1946 mit Verweis auf „eine Reihe von überzeugenden politischen Gutachten, unter anderem von dem ehemaligen Bürgermeister Petersen, die ihm seine anständige Haltung bestätigen.“[20]
Albert Tomforde wurde wieder eingestellt und nahm am 7.1.1947 an der Oberschule für Jungen in Eimsbüttel, Kaiser-Friedrich-Ufer , die Arbeit als Studienrat wieder auf. Das erste Gutachten über ihn schrieb der nunmehrige Oberstudiendirektor Dr. Alexander Strempel, der aus meiner Sicht auch nicht als NS-unbelastet anzusehen ist. Darin kam dieser zu dem Schluss:
„Man wird zusammenfassend sagen dürfen, dass sich Herr Tomforde dank seiner Fähigkeit als Lehrer wie als Erzieher an dem inneren Wiederaufbau unserer Schule und damit des Hamburgischen Schulwesens überhaupt erfolgreich beteiligt hat.“[21]
1949 hatte sich die politische und juristische Situation weiter verändert. Albert Tomforde wollte jetzt die Rehabilitation, er widersprach der Zurückstufung zum Studienrat und damit verbundenen Reduzierung seiner Besoldung. Der Beratende Ausschuss stellte dazu am 9.12.1949 unter anderem fest:
„Seine Mitgliedschaft in der NSDAP kann nicht als rein nominell bezeichnet werden. Wir schließen uns dem erwähnten Gutachten auch an, wenn ausgeführt wird, dass er später kritisch wurde, und seine Haltung im Jahre 39 als antifaschistisch bezeichnet werden konnte. Wir stellen fest, dass er in den Jahren 1945/47 sein schweres Schicksal mannhaft getragen hat und ab Januar 1947 wieder an seine alte pädagogische Tradition anknüpfte und sich erfolgreich am Wiederaufbau unserer Schulen beteiligte. So erscheint uns der Fall nicht ein solcher zu sein, wo das letzte Urteil, die Zurückstufung, auf Lebenszeit aufrecht zu erhalten wäre.“[22]
Der Beratende Ausschuss wies auf das kommende Entnazifizierungsschlussgesetz hin, das abzuwarten bleibe und schlug vor, Tomforde in Kategorie V einzustufen und ihm beim Übertritt in den Ruhestand die Pensionsbezüge eines Oberstudiendirektors zuzuerkennen.[23]
Es wundert nicht, dass der Berufungsausschuss unter Leitung des Rechtsanwalts Soll, der unzählige solcher Verhandlungen führte und nur begrenzt in wesentliche Details der Fälle eingearbeitet war, in diesem Sinne entschied. Merkwürdig die Begründung, bei der einerseits festgestellt wurde, dass Albert Tomforde zwar am 1.1.1944 zum Oberstudiendirektor befördert worden war, wobei dem Ausschuss offenbar nicht bekannt war, dass dieses in Abwesenheit von Tomforde geschah, als er als Major in der Wehrmacht weilte und die Beförderung durch Reichsstatthalter Karl Kaufmann vollzogen wurde. Denn der Berufungsausschuss schrieb andererseits: „Nach den glaubwürdigen Leumundszeugnissen hat Tomforde bereits im Jahre 1933 Auseinandersetzungen mit der HJ gehabt, die zu Differenzen mit dem Gauleiter Kaufmann führten und hat sich auch in der Folgezeit vom Nationalsozialismus völlig abgewandt.“[24] Eine Verklärung der tatsächlichen Geschichte, wobei das Urteil des ehemaligen Bürgermeisters Rudolf Petersen sicherlich eine große Rolle spielte, der Albert Tomforde aber nur aus der Zeit von 1920 bis 1933 gekannt hatte. Ein typisches Beispiel für die Arbeit in manchen Entnazifizierungsausschüssen in der Zeit von 1949 bis 1951.
Auf die Kriterien der Auswahl von Schulleitern in der NS-Zeit hat Uwe Schmidt hingewiesen: „Der Präsident der Schulverwaltung, Karl Witt, nannte als geeignet zur Beförderung zum Schulleiter unter anderem Ernst Hüttmann[25], Albert Tomforde, Gerhard Rösch[26] und drei weitere und führt als Kriterien an, sie seien bereits stellvertretende Schulleiter, alte Parteigenossen und entweder Funktionsträger im NSLB oder in anderen nationalsozialistischen Organisationen.“[27]
Die Gesetzeslage änderte sich weiter zugunsten belasteter ehemaliger Nationalsozialisten. Am 19.1.1952 entschied der Leitende Ausschuss, Tomforde in Kategorie V einzugruppieren und stellte fest: „Diese Entscheidung ist eine echte Entnazifizierungsentscheidung, die bei Erfüllung der allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen Rechtsansprüche gewährt.“[28]
Nun wurde Tomfordes Rechtsanwalt Willi Gottberg aktiv und wandte sich an Oberschulrat Hans Reimers, der nach dem Tod von Heinrich Schröder Personalreferent für Hamburgs höhere Schulen war. Reimers stellte in einer Antwort an den Rechtsanwalt klar:
„Weil er in Kategorie V eingestuft worden ist, kann er, auch wenn die Entnazifizierungsentscheidung ihm einen – nicht klagbaren – Anspruch auf Wiederbeschäftigung als Oberstudiendirektor nicht geben sollte, als solcher wieder eingestellt werden. Das ist ebenso eine Ermessensfrage wie die, wenn man die ‚vorläufige‘ Beschäftigung als Studienrat durch eine Beförderung beenden wollte.“[29] Reimers bot Rechtsanwalt Gottberg dazu ein Gespräch an.
Albert Tomforde blieb Studienrat an der Oberschule für Jungen in Eimsbüttel ( Kaiser-Friedrich-Ufer ). Die Schulbehörde wies ihm keine Schulleitungsstelle zu, aber OSR Hans Reimers stellte ihm am 29.12.1953 noch einmal den Sachverhalt dar: „Amtlich kann ich Ihnen jetzt nur mitteilen, dass, wie Sie vielleicht längst selbst wissen, Ihnen aufgrund der Gesetzgebung zum Art. 131 des Grundgesetzes das Recht zusteht, die Amtsbezeichnung ‚Oberstudiendirektor a. D.‘ zu führen. Diese Berechtigung leitet sich aus der Tatsache ab, dass Ihnen nach einer späteren Versetzung in den Ruhestand auch die Pensionsbezüge nach der früheren amtlichen Stellung eines Oberstudiendirektors gezahlt werden.“[30]
Albert Tomforde antwortete darauf handschriftlich:
„Für Ihre persönlich gestimmten liebenswürdigen Zeilen danke ich Ihnen verbindlich. Wir ehemaligen Direktoren geben die Hoffnung nicht auf, dass der Senat unserer Stadt nach acht Jahren einer Regelung zustimmt, die uns die harte und ungerechtfertigte Behandlung von einst verschmerzen lässt. Ihre guten Wünsche für das Jahr 1954 erwiderte ich herzlich für Sie und Ihre Familie, Ihr sehr ergebener Albert Tomforde.“[31]
1954 empfand Tomforde es noch als „hart und ungerechtfertigt“, dass eine Beförderung durch den NS-Reichsstatthalter 1944, die eine Belohnung für seine NS-Zugehörigkeit und Offizierstätigkeit als Major im Zweiten Weltkrieg war, ohne dass er jemals als Oberstudiendirektor in den folgenden 16 Monaten in Hamburg tätig war, nach Ende der NS-Herrschaft nicht aufrechterhalten wurde.
Am 24.2.1956 wurde Albert Tomforde pensioniert und erhielt in der Folgezeit noch einen Lehrauftrag am Kaiser-Friedrich-Ufer . Und er bezog ebenfalls die Pension eines Oberstudiendirektors, dessen Amtsbezeichnung er seinem Namen hinzufügte.
Er starb am 28.5.1962.[32]
Text: Hans-Peter de Lorent

Anmerkungen
1 Personalakte Albert Tomforde, StA HH, 361-3_A 2632
2 Alle Angaben laut Entnazifizierungsakte, StA HH, 221-11_Ed 1056
3 Laut Personalakte a. a. O.
4 Laut Personalakte a. a. O.
5 Laut Personalakte a. a. O.
6 Laut Personalakte a. a. O.
7 Schreiben vom 2.8.1946, Personalakte a. a. O.
8 Ebd.
9 Ebd.
10 Ebd.
11 Ebd.
12 Schreiben von Rudolf Petersen vom 4.7.1946, Entnazifizierungsakte a. a. O.
13 Schreiben vom 1.7.1946, Entnazifizierungsakte a. a. O.
14 Siehe die Biografie Werner Puttfarken, in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd. 1, Hamburg 2016, S. 691 ff.
15 Siehe die Biografie Walter Behne, in: de Lorent 2016, S. 457 ff.
16 Schreiben vom 1.7.1946, Entnazifizierungsakte a. a. O.
17 Schreiben vom 27.9.1945, Entnazifizierungsakte a. a. O.
18 Schreiben vom 4.7.1946, Entnazifizierungsakte a. a. O.
19 Beratender Ausschuss vom 13.9.1946, Entnazifizierungsakte a. a. O.
20 Berufungsausschuss vom 6.12.1946, Entnazifizierungsakte a. a. O.
21 Gutachten von Alexander Strempel vom 6.12.1949, Entnazifizierungsakte a. a. O.
22 Beratender Ausschuss vom 9.12.1949, Entnazifizierungsakte a. a. O.
23 Ebd.
24 Berufungsausschuss 17 für die Ausscheidung von Nationalsozialisten vom 4.2.1950, Entnazifizierungsakte a. a. O.
25 Siehe die Biografie Ernst Hüttmann, in: de Lorent 2016, S. 512 ff.
26 Siehe die Biografie Gerhard Rösch in diesem Band.
27 Uwe Schmidt: Hamburger Schulen im „Dritten Reich“, Bd. 1, Hamburg 2010, S. 57.
28 Leitender Ausschuss vom 19.1.1952, Personalakte a. a. O.
29 Schreiben vom 2.2.1952, Personalakte a. a. O.
30 Schreiben vom 29.12.1953, Personalakte a. a. O. Siehe auch die Biografie Hans Reimers, in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd. 2, Hamburg 2017, S. 249 ff.
31 Schreiben vom 1.1.1954, Personalakte a. a. O.
32 Personalakte a. a. O.
 

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Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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