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Harry Garms

( Dr. Harry Garms )
(20. Oktober 1903 Cranz (Hamburg) – 1987)
Lehrer, Biologe
Adresse: Cranz
Wirkungsstätte: Hochschule für Lehrerbildung, Binderstraße 34

Garms schloss zunächst das Lehrerseminar in Stade ab, holte sein Abitur nach und studierte Biologie an der Universität Hamburg. 1930 promovierte er und wurde danach an der Wichernschule zunächst als Referendar beschäftigt, dann halbtags bevor er 1936 eine volle Stelle erhielt. Seit 1930 war er zusätzlich noch an dem privaten Dr. Goldmann Institut als Biologie und Chemielehrer beschäftigt. Am 1. 5. 1933 trat er in die NSDAP ein, wurde stellvertretender Zellenwart und im Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB), als Leiter der Gaufachschaft II (Höhere Schulen) für Biologie aktiv. Er betätigte sich als Redner zu „rassenkundlichen Fragen“, veröffentlichte zahlreiche Artikel zu Vererbungslehre und Rassenkunde u.a. in der Hamburger „Lehrerzeitung unterm Hakenkreuz“ und war als Berater der Schulausstellung „Erbgut, Rasse und Volk“, die 1935 eröffnet wurde, tätig. Willi Schulz, Landeschulrat, NSLB Gauamtsleiter und auch Leiter der Hochschule für Lehrerbildung unterstützte Garms Karriere und ließ ihn ab 1937 als Dozenten für Biologie an der Hochschule für Lehrerbildung anstellen. Garms nahm darüber hinaus an verschiedenen überregionalen Lehrgängen der Partei zu Themen Erziehung und Biologie teil, so 1938 in Bayreuth oder im Oktober 1939 in Bad Tölz beim „Lehrgang im Reichslager der NSDAP“ und wurde durch seine Vorgesetzten positiv beurteilt. Nach dem Einberufungsbefehl seines Kollegen Dr. Kuhn im Jahr 1940 wurde Garms zusätzlich mit den Vorlesungen zur Vererbungslehre beauftragt.

Am 12. Oktober 1945 wurde Garms von der britischen Militärregierung aus dem öffentlichen Dienst entlassen, wogegen er Widerspruch einlegte. In diesem nannte er unterschiedliche Zeugen, die belegen könnten, dass er kein Nazi gewesen sei. Schließlich sei er aus Druck der NSDAP beigetreten, denn er habe seine Arbeit nicht verlieren wollen und dass die Tätigkeiten im NSLB so politisch gewesen wären, sei ihm nicht bewusst gewesen etc. Garms distanzierte sich nach 1945 deutlich vom Nationalsozialismus, doch beruhten seine „Karriereschritte […] durchaus auf seiner NSDAP-Mitgliedschaft und seinen Aktivitäten innerhalb der Partei und des NSLB […]“. (Hans Peter de Lorent: Harry Garms – Biologen Karriere startet in der NS-Zeit, in: hlz - Zeitschrift der GEW Hamburg, 3-4/2011, S. 47.) Der Entnazifizierungsausschuss folgte der Argumentation Garms und entlastete ihn Anfang des Jahres 1947. Daraufhin begann seine zweite Karriere; er wurde erneut in der Lehrerausbildung tätig, zunächst als Angestellter, 1948 wurde er wieder verbeamtet. Er verfasste Biologie-Lehrbücher, die bundesweit bekannt wurden und zu Standardlehrwerken avancierten. Garms, 1957 zum Oberstudienrat befördert, nahm an zahlreichen Tagungen und Vortragsreihen teil. 1962 war er Mitglied des Ausschusses für Naturwissenschaftler und Techniker der OECD in Lausanne. Aus Gesundheitsgründen wurde er 1965 mit einem Ehrenkolloquium vorzeitig pensioniert.

Text: Katharina Tenti

 

Karriere startet in der NS- Zeit

Viele Schüler der Nachkriegsgeneration sind - bis heute - mit Biologiebüchern von Harry Garms unterrichtet worden. Weitgehend unbekannt blieb, dass Garms Karriere 1933 als NSDAP-Mitglied und Funktionär und Redner des Nationalsozialistischen Lehrerbundes (NSLB) begann.

Harry Garms wurde am 20.10.1903 in Cranz an der Elbe als Sohn des Fischers Johann Garms und dessen Frau Berta geboren. Er besuchte die Volksschule in Cranz bis zu seinem 14. Lebensjahr. 1919 ging er in die Präparandenanstalt und anschließend in das Lehrerseminar in Stade. 1925 absolvierte er die 1. Lehrerprüfung, wechselte nach Schleswig, um 1927 die Reifeprüfung abzulegen, begann ein Studium an der Universität Hamburg, promovierte am 17. Mai 1930 „mit Auszeichnung“. Seine Doktorarbeit: „Untersuchungen über Wundheilung an Früchten“. (1)

Im Sommerhalbjahr 1930 begann Garms als Hilfslehrer an der Wichernschule zu arbeiten. Im selben Jahr heiratete er Elsa Garms, geb. Peper, mit der er drei Kinder bekam.

Die Beschäftigungssituation war für Lehrer am Ende der Weimarer Republik nicht einfach. Garms arbeitete an der Wichernschule als Referendar und Assessor, danach als halbbeschäftigter Vertragslehrer, vollbeschäftigt erst ab 1936. Das dürfte mit drei Kindern nicht leicht gewesen sein.

Mit zehn Stunden war er seit 1930 noch als Biologie- und Chemielehrer an dem privaten Institut Dr. Goldmann beschäftigt.

Am 1.5.1933 trat Harry Garms in die NSDAP ein, kurz vorher war er im NSLB aktiv geworden. (2)

In der NSLB-Gaufachschaft II (Höhere Schulen) übernahm er die Leitung für das Fach Biologie. (3)

Dort arbeitete er eng zusammen mit dem Parteigenossen Dr. August Hagemann, der in der Abteilung Erziehung und Unterricht des NSLB für Rassefragen und Lebenskunde zuständig war.

Harry Garms war ein gefragter Redner bei NSLB-Kreisversammlungen. Seine Themen: „Die erbbiologischen Grundlagen des Nationalsozialismus und ihre Bedeutung für die Erziehung“ (4) oder: „Auswertung rassekundlicher Fragen im Unterricht“. (5)

Landesschulrat Willi Schulz, der gleichzeitig Gauamtsleiter des NSLB und Leiter der Hochschule für Lehrerbildung war, lud Harry Garms am 6.12.1936 zu einer Sitzung des Lehrkörpers der Hochschule ein, weil er ihn als hauptamtlichen Dozenten bestellen wollte auf dem Gebiet: „Biologie und Methodik des Naturkundeunterrichts“. Das geschah dann am 7.1.1937. Die Gauleitung der NSDAP schrieb an das Amt für Erzieher im Curiohaus am 23.1.1937: „Pg. Garms gehört der NSDAP seit dem 1.5.33 und der NSV seit September 33 an. Er ist aktiv als Fachgruppenleiter des NSLB tätig. Seitdem Pg. Garms in Cranz wohnt - Sommer 1935 - hat er gleich die Führung einer Zelle übernommen. Er ist in politischer und charakterlicher Hinsicht unbedingt zuverlässig.

Heil Hitler
gez. Fromm,
Gaupersonalamtsleiter“. (6)

Fachliche Kompetenz aber auch politische Zuverlässigkeit waren dabei die Kriterien, offen dargelegt.

Harry Garms publizierte regelmäßig in der Hamburger Lehrerzeitung. Im Kontext Vererbungslehre und Rassenkunde war er in mehreren Aufsätzen meist für die biologische Fundierung zuständig. So bei einer großen und wichtigen Schulausstellung in Hamburg 1935 zum Thema „Erbgut, Rasse und Volk“. (7)

Nachdem Garms unter dem Titel „Erbanlage und Umwelt“ zwei eher banale Untersuchungen mit Gemüsebohnen und zwei (!) Zwillingspaaren der Wichernschule beschrieben hatte, kommt er zur Schlussfolgerung: „Für unser Volk wichtige Förderung wertvollen und Zurückdrängung minderwertigen Erbgutes liegt also nicht unmittelbar im Bereich unserer Erziehungsarbeit, sondern das ist die Aufgabe bevölkerungspolitischer Maßnahmen, deren Berechtigung im Sinne des Nationalsozialismus  sich aus dem Vorhergehenden ohne weiteres ergibt.“ (8)

Was damit gemeint war, hatte sein Kollege August Hagemann, auf den er sich bezog, bei der Schulausstellungseröffnung zuvor gesagt:

„Völkerschicksale werden letzten Endes nicht entschieden durch die Gunst oder Ungunst der Umweltverhältnisse, durch Wirtschaft oder Politik an sich. Völker sind Lebewesen, wenn auch höherer Ordnung, sie sind als solche biologischen Gesetzen unterworfen. So einfach und selbstverständlich uns heute diese Erkenntnis erscheint, es blieb unserer nationalsozialistischen Staatsführung vorbehalten, als erste diese grundlegenden Einsichten bewußt und mit voller Absicht ihren gesetzgeberischen Maßnahmen zugrunde zu legen und diese in Einklang zu bringen mit den exakten Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung. Man betrachte unter diesem Gesichtspunkt das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, das Reichserbhofgesetz, das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums

(Arierparagraph) und die damit zusammenhängenden Erlasse zum Schutze gegen geistige und rassische Überfremdung, die Steuerreformen und die Maßnahmen zur Förderung der Eheschließung. Sie alle sind biologisch begründet und bezwecken letzten Endes die Aufartung unseres in seinem Bestande gefährdeten Volkes. Erfolg wird diesen Bemühungen auf die Dauer nur beschieden sein, wenn hinter der biologisch ausgerichteten Staatsführung ein Volk steht, daß die Gedankengänge, die den Gesetzgeber leiteten, zu seinen eigenen macht und daraus die notwendigen Folgerungen für sein Wollen und Handeln zieht“. (9)

Wie dies im Euthanasie-Programm mündete und welche Bedeutung dies für Sonderschulen bekommen sollte, zeichnete sich in den weiteren Ausführungen schon ab:

„Darstellungen (z.T. aus Hamburger Sonderschulen), der von Schülerhand aufgezeichneten Familien- und Geschlechtertafeln von Verbrechern und Erbkranken wird uns das ungeheure Elend, die ganze Not offenbar, die das Wort ‚erbkrank’ umschließt. Da begreift man den tiefen Sinn des Führerwortes: ‚Wer körperlich und geistig nicht gesund und würdig ist, darf sein Leid nicht im Körper seines Kindes verewigen!’“ (10)

Im Kontext dieser Ausstellung wurde in der HLZ im Anschluss an den Aufsatz von Harry Garms auch dargestellt, welche rassenpolitischen Richtlinien Reichserziehungsminister Rust erlassen hatte. Es wurden drei  Ziele formuliert:

„1. Einsicht zu gewinnen in die Zusammenhänge, die Ursachen und die Folgen aller mit Vererbung und Rasse in Verbindung stehenden Fragen.

2. Verständnis zu wecken für die Bedeutung, welche die Rassen- und Vererbungserscheinungen für das Leben und Schicksal des deutschen Volkes und die Staatsführung haben.

3. In der Jugend Verantwortungsgefühl gegenüber der Gesamtheit des Volkes, d.h. den Ahnen, den lebenden und kommenden Geschlechtern zu stärken. Stolz auf die Zugehörigkeit zum deutschen Volk als einem Hauptträger des nordischen Erbgutes zu wecken und auf den Willen der Schüler in der Richtung einzuwirken, daß sie an der rassischen Aufartung des deutschen Volkstums bewusst mitarbeiten.

Diese Schulung von Sehen, Fühlen, Denken und Wollen soll nach der Verordnung bereits auf der Unterstufe einsetzen, so daß entsprechend dem Willen des Führers ‚kein Knabe und kein Mädchen die Schule verlässt, ohne zur letzten Erkenntnis über die Notwendigkeit und das Wesen der Blutreinheit geführt zu sein.’“ (11)

Abgeleitet wurde daraus eine „rassische Geschichtsbetrachtung“: „Aus dem Rassegedanken ist weiterhin die Ablehnung der Demokratie oder anderer Gleichheitsbestrebungen (Pan-Europa-Menschheitskultur) abzuleiten und der Sinn für den Führergedanken zu stärken.“ (12)

Harry Garms hatte an dieser Schulausstellung maßgeblich mitgearbeitet, dort geredet, danach publiziert und trug auch die Verantwortung für den hergestellten Zusammenhang. Es ging wahrlich nicht nur um Versuchsreihen mit Gemüsebohnen.

Harry Garms war für die Partei auch weiter überregional unterwegs. Im Haus der Deutschen Erziehung in Bayreuth fand vom 20.- 26.6.1938 ein Reichslehrgang für die Biologie-Gausachbearbeiter statt. Garms bekam dafür Dienstbefreiung an der Hochschule für Lehrerbildung. Der Reichserziehungsminister lud ein zu Arbeitstagungen der hauptamtlichen Dozenten der Hochschulen für Lehrerbildung, zu der Harry Garms und August Hagemann zum Thema Vererbungslehre und Rassenkunde, Biologie und Methodik des naturkundlichen Unterrichts gemeinsam entsandt werden. (13)

Dienstlich erhiel Harry Garms gute Beurteilungen. Er galt als „jüngeres Mitglied“ des Lehrkörpers, als „bescheidener, zuverlässiger Kamerad, der durch sein Wesen auf die Studierenden einen natürlichen, guten Einfluß ausübt“. (14) Er „ist stets einsatzbereit“ und „ergänzt seine Berufstätigkeit durch seine Stellung als Gaufachberater für Biologie im NSLB Hamburg“. So wurde er im April 1939 endgültig auf eine Dozentenstelle an der Hochschule für Lehrerbildung befördert und gleichzeitig zu einem dreiwöchigen „Lehrgang im Reichslager der NSDAP in Bad Tölz im Oktober 1939“ entsandt. Beruflicher Aufstieg und Partei gingen da Hand in Hand. Der für Rassenkunde an der Hochschule und im NSLB zuständige August Hagemann gehörte zum selben Beförderungspaket. (15)

Mittlerweile hatte der Krieg begonnen. Die Vereidigung auf den Führer erfolgt am 23.11.1940.

Als an der Hansischen Universität der Dozent Dr. Kuhn die Einberufung erhielt, wurde Harry Garms beauftragt, die „Vorlesung über Vererbungslehre“ zu übernehmen. (16)

42-jährig wurde Harry Garms am 12.10.1945 auf Anordnung der Britischen Militärregierung entlassen. (17)

Garms legte dagegen mit Schreiben vom 2.11.1945 Berufung ein. In einer kurzen, nüchternen Erklärung begründet er seinen NSDAP-Beitritt und legte sechs gutachterliche Stellungnahmen von Cranzer Bürgern bei, ehemaliger SPD-Funktionäre, des Pfarrers, politisch Verfolgter. Er schrieb: „Im Jahre 1933 war ich an der privaten höheren Schule der Wichernstiftung als Studienassessor tätig. In einer Konferenz des Lehrkörpers Ende April 1933 forderte der damalige Schulleiter Ackermann im Interesse seiner Schule alle Lehrer auf, der N.S.D.A.P. beizutreten, widrigenfalls er sich nach anderen Lehrkräften umsehen müsste. Um mit meiner Familie nicht brotlos zu werden, trat ich gegen meine Überzeugung der Partei bei. Als der Druck der Partei, ein Amt zu übernehmen, auf mich immer größer wurde, wechselte ich meinen Wohnort, indem ich 1934 außerhalb Hamburgs in meinem Heimatdorfe Cranz auf dem Grundstück meiner Mutter ein Eigenheim baute. Hier forderte mich später (1936) der Ortsgruppenleiter Schuback auf, den damaligen Zellenleiter von Cranz, Gustav Rahmann, der gleichzeitig Kreisbauernführer war und jetzt noch Ortsbauernführer ist, in seiner Arbeit zu unterstützen, was ich als Lehrer und Angestellter des Staates unter den gegebenen Verhältnissen nicht ablehnen konnte, ohne meine Berufsstellung zu gefährden. Als ich dann 1938 die Tätigkeit eines Zellenleiters übernehmen musste, war es mein fester Entschluß,

allen Nazi-Terror von meinem Heimatdorfe fernzuhalten und nur meinem christlichen Gewissen zu folgen. So diente ich einer rein sozialen Aufgabe, was mir in Cranz jeder, und zwar ohne Ausnahme bestätigen kann. In den wenigen Fällen, wo es durch die Einwirkungen Außenstehender doch zu politisch Verfolgten und Bedrängten kam, ohne daß ich es verhindern konnte, kann ich von allen Betroffenen Gutachten beibringen, daß ich mich, soweit ich überhaupt Einfluß nehmen konnte, ganz auf ihre Seite stellte und sie mit allen Mitteln unterstützte.“ (18)

Die beiliegenden Stellungnahmen bestätigten Garms Version. Garms und seine Familie seien Mitglieder der Kirche gewesen, er habe sich gegenüber ehemaligen SPD-Funktionären „stets freundlich und hilfsbereit“ verhalten und sich nicht „von nationalsozialistischen sondern von menschlichen Gesichtspunkten“ leiten lassen. Garms wurde als anständig und menschenfreundlich bezeichnet. Die Inhaberin des Milchgeschäftes in Cranz stellte fest, „jeder hier in Cranz wird bestätigen können, dass Dr. Garms kein Nazi war“. (19)

Garms Einspruch gegen die Entlassung, unprätentiös, ohne Rechtsbeistand, schien erfolgreich zu verlaufen. Schon am 9.11.1945 wird in der Schulbehörde in einem vermutlich von Schulrat Gustav Schmidt verfassten Text für Senator Landahl die Version von Harry Garms zur offiziellen Stellungnahme der Schulbehörde an die Britische Militärregierung gestützt. Ins Englische übersetzt wurde argumentiert, dass Garms im kleinen Dorf Cranz, on the south bank of the Elbe, among the peasants, fruitgrowers, fishermen and workmen“ mit seinen Fähigkeiten und seiner Bildung der Einzige gewesen sei, der die Arbeit als Zellenleiter habe übernehmen können. Dabei hätte er, social minded, den Menschen geholfen, wo er nur konnte. (20)

Nun mag Harry Garms ein im persönlichen Umgang freundlicher und hilfsbereiter Mensch gewesen sein. In die NSDAP war er aber nicht in Cranz eingetreten und sein beruflicher Werdegang war, wie aufgezeigt eng mit seinen Aktivitäten für den NSLB und als Parteimitglied verbunden.

 

Die Einlassung der Schulverwaltung überzeugte die Britische Militärregierung zunächst nicht. Im weiteren Entnazifizierungsverfahren erfuhr Harry Garms aber weitere Unterstützung.  So setzte sich etwa Schulrat Gustav Schmidt für ihn ein. Zur Zellenleiter-Tätigkeit von Garms in dem kleinen Dorf Cranz merkte er an: „Die Enge des Dorfes, wo jeder jeden kannte, brachte es aber nicht notwendigerweise mit sich, dass der Zellenleiter nun auch, wie in der Stadt der unpersönliche Propagandist war, der nur nach strengen Parteirichtlinien mit der Bevölkerung zu arbeiten hatte.“ (21)

Leumundszeuge für Garms warauch sein Kollege, Dr. Robert Böse, der von 1942 bis 1945 parallel zum Biologen Garms in der Lehrerbildung für Chemie die Fachverantwortung innegehabt hatte. Er schrieb am 15.11.1946:

„Biologie war im 3. Reich ein sehr betontes Fach, musste es doch vor allem herhalten, die n.s. Rassepolitik ‚wissenschaftlich’ zu begründen.

In Unterhaltungen mit Dr. Garms hat sich dieser über den Missbrauch der Vererbungslehre und die teilweise Verfälschung ihrer Lehren oft beklagt.“ (22)

Harry Garms selbst, dessen Karriereschritte sich durchaus auf seine NSDAP-Mitgliedschaft und seinen Aktivitäten innerhalb der Partei und des NSLB gründen, distanzierte sich schon ein Jahr nach Ausfüllen des Entnazifizierungsfragebogens sehr deutlich vom Nationalsozialismus. In einem Schreiben vom 21.7.1946, „Erklärung über meine politische Betätigung“, führte er aus: „Weltanschaulich war ich ein extremer Gegner des nationalsozialistischen Systems und ich habe die 12 Jahre hindurch seelisch schwer unter dem politischen Druck gelitten, so dass ich mich jetzt, trotz der seelischen und wirtschaftlichen Not, die meine Entlassung aus dem Staatsdienst mit sich brachte, als Mensch viel glücklicher fühle, als in der Zeit von 1933-1945.
Ich habe meine Wahlstimme gegen Hitler abgegeben auch dann noch, als ich schon Mitglied der N.S.D.A.P war.“ (23)

Und zum NSLB, für den Garms unmittelbar nach der Machtübertragung an die Nazis als Gaufachberater tätig war, stellt er fest, dass ihm „bei der Aufnahme dieser Tätigkeit nicht bewusst ( war), daß es sich dabei um eine politisch zu beurteilende Tätigkeit handelt“. (24)

Der Beratende Ausschuss im Entnazifizierungsverfahren schloss sich den entlastenden Argumentationen am 15.1.1947 an und stellte einleitend fest, dass Garms den Mitgliedern aus seiner Tätigkeit an der Hochschule bekannt sei. Zur NSDAP-Zellenleiter-Tätigkeit bemerkte der Ausschuss: „In dieser Gemeinde ist Garms nach unserer festen Überzeugung geradezu der politische Seelsorger gewesen“. (25)

Am 30.1.1947 wurde der Berufung stattgegeben, Garms für ein Jahr als Angestellter beschäftigt. Zum 1.1.1948 sollte er wieder Beamter werden.  (26)

Am 30.4.1947 teilte Schulrat Gustav Schmidt Harry Garms mit, er solle die Beratungsstelle für den naturwissenschaftlichen Unterricht in der Felix- Dahn-Straße schon am 24.2.1947 übernehmen, parallel dazu eine kleine Unterrichtsverpflichtung an der Oberschule für Jungen in Eppendorf. (27)

Schon im April 1949 war Garms für Hamburg als Lehrerbildner wieder unterwegs. Zuerst bei einer Tagung des Vereins zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts in Göttingen. Im Januar 1950 führt Garms in Bremen ein von ihm entwickeltes biologisches Experimentiergerät ein.

1951 gab er einen Kurs „Biologie in der Schule“ am Pädagogischen Institut in Hamburg. Parallel dazu schrieb Garms Biologie-Schulbücher, die ihn bundesweit bekannt machten und sicherlich auch einträglich waren.

1955 erhielt Harry Garms die Genehmigung, einen Experimentalvortrag auf der Jahresversammlung des Schwedischen Biologievereins zu halten. Zu seinem 25-jährigen Dienstjubiläum gratulierte ihm am 1.4.1955 der Schulsenator des Hamburg- Blocks, Prof. Hans Wenke, dessen NSDAP-Mitgliedschaft später bekannt werden sollte. „Die Schulbehörde beglückwünscht Sie zu einem so reichen Arbeitsleben im Dienste unserer Schule.“ (28)

Zwei Jahre später wurde Garms zum Oberstudienrat befördert. Besonder Erwähnung fanden seine „über die Grenzen Hamburgs hinaus bekannten Bücher“. (29)

Die Behörde beurlaubte  Harry Garms 1961 für eine zweimonatige Vortragsreise in die USA.

1962 nahm er an einem OECD- Ausschuss für Naturwissenschaftler und Techniker in Lausanne 1961 teil. Die Direktorin des Instituts für Lehrerfortbildung, Anne Banaschewski, beantragte für Harry Garms eine Dienstalterszulage wegen seiner besonderen Verdienste, die ihm 1962 gewährt wurde.

1965 wurde Harry Garms aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig pensioniert. Zu seiner Pensionierung fand im November 1965 noch ein Ehrenkolloquium statt, zu dem Landesschulrat Matthewes einlud. (30)

Zwanzig Jahre nach dem Krieg war alles vergessen.

Wie schnell Vergessen funktionieren kann, zeigt ein anderes Beispiel.

Loki Schmidt erinnert sich in dem Buch: „Mein Leben für die Schule“ in einem Gespräch mit Reiner Lehberger, einem der profundesten Kenner der Hamburger Schulgeschichte, an ihre 1. Lehrerprüfung 1940.

In Biologie hatte sie sich zu einer mündlichen Prüfung angemeldet „und zwar bei Herrn Garms“.

Daraufhin sagte Reiner Lehberger: „Harry Garms war ja nach dem Krieg ein sehr bekannter Schulbuchautor für Biologie. In meiner Schulzeit in den sechziger Jahren war der ‚Garms‘, wie das Lehrbuch genannt wurde, an den höheren Schulen ein Standardwerk.“

Loki Schmidt: „Dass er später so erfolgreich war, wusste ich gar nicht. Nur, für die Biologieprüfung hatte er mir einen dicken Stapel Bücher gegeben, die ich durcharbeiten sollte. Ich habe in einigen rumgeblättert und beschlossen: Das bringt nichts, die Zeit benutze ich lieber, um noch ein bisschen Geld zu verdienen. Ich kam also in die Prüfung und habe zu Herrn Garms gesagt: ‚Entschuldigen Sie, Ihre Lehrbücher habe ich nicht gelesen, aber wie mein Biologieunterricht später aussehen soll, das weiß ich genau.‘ Da hat er mich mit seinen großen Augen angeguckt und schließlich gesagt: ‚Na, dann beginnen sie mal. ’Nun, ich habe ihm ich weiß nicht was erzählt, und nach gut einer halben Stunde, als ich gerade dabei war, ihm meinen idealen Schulgarten mit einer kleinen Wetterstation zu entwerfen, hat er zur mir gesagt: ’Ja, das reicht. Alles Gute für Sie, Zwei.“ (31)

So wird es gewesen sein.

Text: Hans-Peter de Lorent

Quellen:
Hans Peter de Lorent: Harry Garms – Biologen Karriere startet in der NS-Zeit, in: hlz - Zeitschrift der GEW Hamburg, 3-4/2011, S. 44-48; de.wikipedia.org/wiki/Harry_Garms (13.06.2015)

Anmerkungen:
1. Personalakte Harry Garms, StA HH, 361-6 HW – DPA IV_287
2. Ebd.
3. Siehe Hamburgisches Lehrerverzeichnis Schuljahr 1935-36, S. 133.
4. So z.B. Vorträge am 3.5.1934 und am 11.5.1934 im Kreis Eilbek-Süd und Hamm; siehe HLZ 17-1934, S. 261.
5. Am 17.10.1934 in der Curschmannstraße 39, siehe HLZ 40- 1934, S. 582.
6. Personalakte Garms, Bl. 53.
7. HLZ 5- 1935, S. 49 ff.
8. Harry Garms: Erbanlage und Umwelt, in: HLZ 5- 1935, S. 51.
9. August Hagemann: Erbgut in Familie, Rasse und Volk, in: HLZ 5- 1935, S. 49.
10. Ebd.
11. Rassenpolitische Schulungsarbeit in den Schulen, in: HLZ 5- 1935, S. 53.
12. Ebd.
13. Am 11.-14. Oktober 1937 in Berlin, siehe Personalakte Hagemann, Blatt 55.
14. Siehe Personalakte Garms, a.a.O.
15. Ebd.
16. Ebd.
17. Ebd.
18. Ebd., Bl. 115. Siehe auch Entnazifizierungsakte Garms StA HH, 221-11_Ed 6720
19. Ebd.
20. Ebd.
21. Schreiben vom 12.8.1946, ebd.
22. Ebd.
23. Ebd.
24. Ebd.
25. Ebd.
26. Ebd.
27. Personalakte Garms, a.a.O.
28. Alle Angaben ebd.
29. Ebd.
30. Alle Angaben ebd.
31. Loki Schmidt: Mein Leben für die Schule, im Gespräch mit Reiner Lehberger, Hamburg 2005, S. 133 f.
 

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Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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