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  • Motivgruppe / Kategorie:  Polizei

Wilhelm Koppe

(15.6.1896 in Hildesheim - 1975)
Kaffeegroßhändler, Abgeordneter des Deutschen Reichstages, SS-Obergruppenführer, General der Polizei
Heimfelder Straße 58 (Wohnadresse)

Foto: Wilhelm Koppe
Wilhelm Koppe kam am 15.6.1896 in Hildesheim als Sohn des Gerichtsvollziehers Robert Koppe und dessen Ehefrau Franziska, geb. Isin zur Welt. Später zog die Familie nach Harburg, wo Wilhelm Koppe sich nach seinem Abitur als Freiwilliger im Oktober 1914 zum Kriegsdienst meldete. Im Januar 1915 zog er mit der 2. Feldkompanie des Schleswig- Holsteinischen Pionier-Bataillons Nr. 9 an die Westfront. Nach seiner Beförderung zum Leutnant der Reserve im Dezember 1916 wurde er im Herbst 1917 in Flandern verwundet.

Dekoriert mit zahlreichen militärischen Auszeichnungen, schied er nach dem Ersten Weltkrieg im Zuge der Demobilisierung aus dem Heeresdienst aus. Er kehrte nach Harburg zurück und eröffnete hier eine Firma für Kaffee- und Schokoladengroßhandel mit Sitz in der Neuen Straße. 1925 heiratete er die Frau eines Oberschullehrers. Die jungen Eheleute fanden in der Heimfelder Straße 58 ein neues Zuhause, und dort verbrachten auch ihre beiden Kinder die ersten Jahre ihres Lebens.

Im August 1930 wurde Wilhelm Koppe Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer 305 584) und im März 1933 Abgeordneter des Deutschen Reichstages.

Noch schneller vollzog sich sein Aufstieg in der SS, in der er es in zehn Jahren (1932 – 1942) vom einfachen Mitglied (SS-Nr. 25.955) bis zum Rang eines SS-Obergruppenführers und Generals der Polizei brachte.

Kurz nach dem Überfall auf Polen wurde er in den neu errichteten `Warthegau´ versetzt, wo bald die Deportation und Vernichtung der in diesem Gebiet lebenden polnischen Juden zu seinen Hauptaufgaben zählte. In einem Schreiben vom 12. November 1939 nannte er die Zahl von 100.000 Juden und 200.000 Polen, die aus seinem Dienstbereich vertrieben werden sollten. 1940 organisierte er den Massenmord an 1.588 deutschen und ca. 500 polnischen Männern, Frauen und Kindern mit Behinderung.

Von einer Begegnung ganz besonderer Art mit seinem langjährigen Harburger Mitbürger und einstigen Geschäftskunden Wilhelm Koppe wusste im Januar 1990 der Dekorateur Fritz Sarne zu berichten, der im Oktober 1941 von Hamburg nach Lodz deportiert und von dort anschließend in ein Reichsbahn-Arbeitslager bei Posen-Gutenbrunn abkommandiert worden war. Als sich der SS-Obergruppenführer und General der Polizei im Warthegau Wilhelm Koppe an diesem Ort eines Tages sehen ließ, mussten alle Häftlinge bei einem Appell vor ihm stramm stehen. „Mein Gefühl, das ich damals hatte, kann ich kaum schildern, als ich den SS-Standartenführer der SS-Standarte 17, den Harburger Kaffeegroßhändler Wilhelm Koppe, in seiner prachtvollen SS-Uniform mit weißen Aufschlägen an mir vorbeimarschieren sah, um unseren Elendshaufen zu besichtigen. Das war ein Zeichen dafür, wozu es ein Nazi in der Nazi-Hierarchie bringen konnte.“

1945 tauchte Wilhelm Koppe unter und nahm den Geburtsnamen seiner Frau (Lohmann) an. Beruflich griff er auf die Erfahrungen zurück, die er vor 1933 als Unternehmer gesammelt hatte. Jahrelang blieb er als Geschäftsführer der Trumpf-Schokoladenfabrik in Bonn ungestört und unentdeckt.

1960 leitete die zuständige Staatsanwaltschaft erste Ermittlungen gegen ihn wegen seiner Mordaktionen im Osten ein. Er kam in Haft, gelangte aber am 19. April 1962 gegen Zahlung einer Kaution von DM 30.000 wieder in Freiheit. Zwei Jahre später wurde gegen ihn in Bonn ein Verfahren eröffnet. Unter anderem war er wegen Beihilfe zum Mord an 145.00 Menschen angeklagt. Aus `gesundheitlichen Gründen´ wurde das Verfahren zunächst ausgesetzt und 1966 schließlich ganz eingestellt. Wilhelm Koppe lebte danach noch weitere neun Jahre und blieb bis zu seinem Tode straffrei und unbehelligt.

Siehe zu Wilhelm Koppe auch die Biografie von Hilda Boygen unter www.stolpersteine-hamburg.de

Autor: Klaus Möller

Quellen:
Matthias Heyl, `Vielleicht steht die Synagoge noch!´ Ein virtuelles Museum der Geschichte der Harburger Juden, CD-ROM, Hamburg 1999; de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Koppe, eingesehen am 4.7.2015;
Ernst Klee, Das Personallexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, 2. Auflage, Frankfurt 2005
 

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Von Hamburger NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Zuschauer/innen ... Eine Hamburg Topografie.

NS-Dabeigewesene

Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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