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Rudolf Schmidt

( Dr. Rudolf Schmidt )
(3. Januar1891 Hamburg – 15. März 1946 Hamburg)
Lehrer, Schulleiter (Oberschule für Jungen Eppendorf)
Autor „heimatgeschichtlicher“ Veröffentlichungen, NS-Funktionär
bis 1946 wohnhaft: Gryphiusstraße 7

Rudolf Schmidts Familie war dem Hamburger Schulwesen auf besondere Weise verbunden: Sein Vater war Rechnungsführer der Oberschulbehörde. Nicht überraschend demnach, dass Schmidt Lehrer wurde: Nach dem Abitur (1910) studierte er Geschichte und Germanistik, bestand 1914 das Staatsexamen und legte 1916 an der Universität Straßburg eine Dissertation zum Thema „Die Frau in der deutschen Literatur des 16. Jahrhunderts“ vor (gedruckt: Straßburg 1917). Von Juli 1914 bis Oktober 1918 nahm er am Ersten Weltkrieg teil, brachte es zum Leutnant der Reserve und wurde mit EK I und EK II dekoriert. Nach erfolgreicher Unterrichtspraxis sowie Tätigkeit als Dozent in der Lehrerfortbildung trug er seit 1932 den Titel „Professor“.

Im folgenden Jahr, 1933, gehörte er zu den ersten 30 Schulleitern und Stellvertretenden Schulleitern, die unverzüglich nach der Machtübergabe an den NS-geführten Hamburger Senat neu eingesetzt wurden. Ihre Vorläufer an den jeweiligen Schulen wurden aus politischen oder rassistischen Gründen ihres Amtes enthoben, zwangspensioniert oder entlassen. Am 10. Juli 1933 wechselte Dr. Schmidt also von der Thaer-Oberrealschule zur Oberrealschule Eppendorf (nach 1937 Oberschule für Jungen Eppendorf; heute: Gymnasium Eppendorf), um dort seine neue Aufgabe als Schulleiter zu übernehmen. Als Stellvertreter wurde ihm, gleichfalls 1933 neu ernannt, der seit 1919 an der Schule („O.Epp.“) unterrichtende Dr. Hans Olsen an die Seite gestellt. Gemeinsam leiteten sie die Schule bis zum unabänderlichen Zusammenbruch des „Dritten Reichs“. Olsen blieb Stellvertretender Schulleiter auch noch nach 1945.[1]

Außerhalb der Schulszene war Schmidt in Hamburg und darüber hinaus kein Unbekannter. „Bereits während der Weimarer Republik trat er durch zahlreiche, stark nationalistisch ausgerichtete Veröffentlichungen über die Geschichte Hamburgs, das Regiment Nr. 76 sowie über den mit ihm befreundeten Bildhauer Richard Kuöhl, den [späteren] Schöpfer des 76er-Denkmals, hervor. Nach 1933 stieg Schmidt zu einem führenden NS-Hamburg-Chronisten auf (…).“[2]

Besonders deutlich war Schmidts Engagement für jenen Richard Kuöhl, den er immer wieder als echt norddeutschen, heimatverbundenen Künstler empfahl. 1929 brachte er eine Monographie zu Kuöhls damaligem Werk heraus.[3] Dieser Künstler war mittlerweile einer der „meistbeschäftigten 'Architekturplastiker' der Hansestadt“[4]– nicht zuletzt dank seiner Verbindung zum Oberbaudirektor Fritz Schumacher. Dieser meinte von Kuöhl, dass er „für volkstümliche Baukeramik einen ganz besonderen Sinn besaß“.[5]Für zahlreiche öffentliche Bauten in Hamburg stellte Kuöhl deshalb Figuren und Ornamente aus gebranntem Klinkerton her – gekennzeichnet durch „eingängig-dekorativen Naturalismus“[6].

Den zweiten künstlerischen Schwerpunkt Kuöhls bildeten meist aus Muschelkalk gefertigte Kriegsdenkmäler. Das prominenteste, sein „Meisterstück“, wie es damals genannt wurde,[7]war das „76er-Denkmal“ am Hamburger Dammtorbahnhof. 1936 mit finanzieller und propagandistischer Unterstützung des NS-Senats errichtet, sollte es an die „heldenhaften“ Kämpfe des 76er-Regiments 1870/71 erinnern, ebenso an die des Ersten Weltkriegs 1914/18. Die am Denkmal angebrachte Losung „Deutschland muss leben / und wenn wir sterben müssen“ sollte zugleich die Soldaten der Wehrmacht des „Dritten Reichs“ auf künftige Aufgaben vorbereiten.

Als 1936 die Einweihung des Kriegsdenkmals anstand und dafür eine Würdigung verfasst werden sollte, wussten die Initiatoren, wer dies tun konnte: Rudolf Schmidt.[8]

Lehrer und Heimatforscher Schmidt hatte sich sozusagen wie von selbst als Autor angeboten, denn er konnte „problemlos nach außen eine breite Identifikation mit zahlreichen Elementen der nationalsozialistischen Ideologie entfalten. Nahtlos lassen sich seine Vorstellungen über Heimatliebe, Klassenausflüge, Gedenkfeiern, soldatische Tugenden und Prinzipien der Auswahl von Schülern für die höheren Schulen in das nationalsozialistische Gedankengebäude einfügen.“[9] Aus dieser Auflistung geht hervor, dass Schmidts pädagogische und schulische Seite durchaus nicht im Widerspruch zu seinen kunstbezogenen und poltischen Ansichten stand. So lässt sich an all seinen vielfältigen Betätigungen von 1933 bis 1945 das Gleiche ablesen: Er war ein aktiver, eifriger Vertreter der NS-Ideologie und -Herrschaft. Selbstverständlich war der frisch gebackene Schulleiter – wie die meisten Hamburger Lehrer – ab 1933 Mitglied im „Nationalsozialistischen Lehrerbund“ (NSLB), im Jahr 1937 trat er der NSDAP bei.[10]

Allerdings scheint sein Wirken als Lehrer und Schulleiter mit dieser Einschätzung zunächst nicht übereinzustimmen:

„Sowohl ehemalige Schüler als auch ehemalige Lehrer beschreiben Rudolf Schmidt als einen charismatischen Mann, der im Schulalltag keinen streng ideologischen Kurs hält, sondern darauf bedacht ist, der eigenen Schule, zu deren Leiter ihn die Nationalsozialisten gemacht haben, trotz aller Restriktionen einen kleinen Schonraum zu erhalten.“ Auch wenn solche – und so formulierte - Aussagen kritisch zu lesen sein mögen, so bleibt doch die Feststellung zu registrieren, „dass Schmidt bei vielen seiner Schüler ausgesprochen anerkannt und beliebt“ war.[11]Sein damaliger Stellvertreter, Hans Olsen, schwärmte noch 1954 im Rückblick: „Schmidt war eine begnadete Erzieher-Persönlichkeit, ein Mann, (…) der das Menschliche im dienstlichen und privaten Verkehr in den Vordergrund stellte. (…) Schmidt war während seiner Amtszeit (Nationalsozialismus!) erfreulich einseitig; er war nur und immer der Vertreter seiner Schule, seiner Mitarbeiter und seiner Jungen.“ Und um diese Menschlichkeit sozusagen recht verständlich zu machen, ergänzte Olsen: „Wie oft habe ich ihm erfreut zugeschaut, wenn er väterlich-wohlwollend einem kleinen Buben die Hand auf den Kopf legte (…).“[12]

Mit solchem väterlichen Wohlwollen Schmidts konnte wohl nicht jeder Bube rechnen. Was, wenn er nationalsozialistischen Rassenvorstellungen nicht entsprach oder sonst als „minderwertig“ oder „unwürdig“ erschien? 1936 schrieb Rudolf Schmidt, dass erfreulicherweise vom Reichserziehungsministerium „klare Richtlinien für die Auslese an höheren Schulen gegeben sind“, denn die „höhere Schule hat (…) die Pflicht, unter den zu ihr kommenden Jugendlichen eine Auslese zu treffen, welche die Ungeeigneten und Unwürdigen ausscheidet, um die Geeigneten und Würdigen umso mehr fördern zu können. Die ständige Prüfung muss sich“, und nun präzisierte Schmidt – mit den Worten des Ministeriums - unmissverständlich, „auf die körperliche, charakterliche, geistige und völkische Gesamteignung erstrecken.“[13]

Gleich zu Beginn seiner Schulleitertätigkeit war es Schmidt wichtig, in seiner Schule den sogenannten „Volkssport“ zu verankern – vormilitärische Übungen -, weshalb er eine entsprechende Änderung der Stundenpläne erarbeiten ließ: „Wenn die Schule im neuen Deutschland ihre Aufgabe erfüllen soll, dann muß sie mit der geistigen Bildung die Stählung des Körpers und die Erziehung zu seelischer Zucht verbinden. Adolf Hitlers Wort auf dem Stuttgarter Turnfest: 'Im Dritten Reich gilt nicht nur das Wissen, sondern auch die Kraft', sollte der Leitspruch werden und über aller Arbeit an der Änderung der Lehrpläne stehen.“[14] Den Schulleiter Schmidt erfreute es dann, wie schon 1934, auch 1938, dass seine Buben beim Hitler-Besuch in Hamburg zum Jubeln antreten mussten: „Als Schöpfer des großdeutschen Reiches durften unsere Jungen (…) den Führer begrüßen“[15], schrieb er. Und ebenso berichtete er aus dem Schulleben, dass im gleichen Jahr 1938 „auch vom Schulgebäude die Mahnung [leuchtete]: 'Ein Volk – ein Reich – ein Führer'.“[16]

Stolz wurden auch vor der Schülerschaft Auftritte von „Ehemaligen“ des O.Epp. inszeniert, um sie von den Erlebnissen als vorbildliche Weltkriegshelden erzählen zu lassen. All das mag vielleicht als zeitbedingte, kaum vermeidliche Pflichtveranstaltung eingestuft werden. Noch nachdem die Operation „Gomorrha“ halb Hamburg in Schutt und Asche gelegt hatte und vielen Hamburgern spätestens zu diesem Zeitpunkt der Glaube an einen „Endsieg“ verloren gegangen war, schrieb Schmidt aber Ende 1943 an die beunruhigten Eltern: „Der alte Geist unserer schönen Schule lebt also noch. Helfen Sie ihn zu erhalten, damit wir nach dem Sieg einsetzen können 'mit voller Kraft voraus'!“[17]

Da nimmt es nicht Wunder, dass die HJ-Führer seiner Schule in ihm den „bei ihnen beliebten Schuldirektor Schmidt“ sahen.[18]

Wie vor 1933 war Schmidt auch weiterhin aktiver Pfleger (nieder)deutschen „Volkstums“. Seine Schule war fest in diese Bemühungen einbezogen: Er hatte ihr die „Sonderaufgabe“ verordnet, sich schwerpunktmäßig mit „Hamburg und Niedersachsen, Volkstum und Heimat“ zu beschäftigen. Nach dem Urteil seines Stellvertreters Olsen führte das dazu, dass „die O.Epp.  wieder eine hochangesehene Stellung unter Hamburgs höheren Schulen einnahm.“[19](Die offizielle Einstufung der O.Epp. als „besonders bedeutsame höhere Schule“ führte – nebenbei bemerkt – u.a. auch zu einer Gehaltsaufbesserung für den Schulleiter.) Unter Einbeziehung aller Altersstufen entstanden beispielsweise „Modellschiffe, Flugzeuge, Bauernhäuser, Kaufmannshäuser, hamburgische und lübische Kirchen, Reliefs von Helgoland, vom Hafen, vom KLV-Lager Bistritz [ im Böhmerwald!] usw.; sie zeugten von der inneren Anteilnahme unserer Schüler an den Dingen, die ihnen durch den Unterricht und auf Wanderungen, auf Fahrten und Reisen nahegebracht worden waren. (...)“ Zusammenfassend fand Olsen, man könne „mit Stolz gerade diese Seite der Bildung verzeichnen“, mit der Schmidt den Eppendorfer Schülern „eine tiefe Verbundenheit der Jugend mit der näheren und weiteren Umgebung, mit Brauchtum, Kunst und Handwerk, mit Land und Leuten der Heimat, mit Kultur und Geschichte unseres Volkes usw.“ vermitteln wollte.[20]

Im Jahr 2004 wunderte sich der Berichterstatter in der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum der Schule: „Es ist schon bemerkenswert, dass Hans Olsen diese Zeilen 1954 noch immer als stellvertretender Direktor der Schule schreibt.“[21]Nicht nur, dass er noch immer im Amt war,  -  Olsen schwieg auch beharrlich von dem politischen Kern der heimatkundlichen Pädagogik, mit der Schmidt seine Schule beauftragt hatte.

Schmidt selbst dagegen hatte nach Amtsantritt nicht gezögert darzustellen, wie er sich die „Arbeit für die große Sache“ vorstellte. „Notwendig wäre in erster Linie ein Bild vom Wesen des National[sozial]ismus“, stellte er gleich 1933 fest und machte dazu ganz praktische Vorschläge. Welche Art Unterricht ihm vorschwebte, machte er schon zu dem Zeitpunkt plastisch deutlich:

„Um nur ein Beispiel zu geben: breiten Raum nimmt im Gedankengang des Nationalsozialismus das Bauerntum ein. Der Geschichtsunterricht wird sich auf das Wirtschaftliche und Bevölkerungspolitische beschränken müssen, dem Deutschen gibt die Sonderschau 'Volkskunst' im Museum für Kunst und Gewerbe reiches Material für die Betrachtung der kulturellen Bedeutung (…). Die Ausstellung von Kinderzeichnungen (…) im Lehrmittelhaus zeigt, wie sich der Bogen zum Zeichenunterricht spannt, die Ausnutzung des im Zusammenhang mit der Sonderschau Erarbeiteten bei Wanderungen liegt nahe, doch wird der Wandertag als einzigartiges Mittel erziehlicher Beeinflussung in verschiedenster Richtung leider kaum erkannt. Hier ist eine selten günstige Gelegenheit, ihn unterrichtlich zu verankern.“ Das sei allemal besser als ein Unterricht, der sich nur „durch tiefschürfende wissenschaftliche Reden“ auszeichne.[22]

1937 brachte er seinen Bildungsbegriff auf die folgende Formel: „'Bildung' ist leer und ohne Nutz, Erziehung ist äußerliches und darum wertloses Tun, wenn nicht der Wille zum Einsatz, zum Zupacken gestählt wird, wenn nicht zu Bücherlesen und zu geistiger Bildung überhaupt die Tat kommt, wenn nicht Charakterbildung und politische Formung das letzte, höchste, edelste Ziel darstellen.“[23]

Welchen Inhalts diese „politische Formung“ war, war für Olsen nicht erwähnenswert.  Neun Jahre nach Ende des „Dritten Reichs“ hob er jedoch ganz ungebrochen  Schmidts publizistische Betätigung hervor: „vor allem aber Bücher wie 'Hamburg, das deutsche Tor zur Welt', 1936, 'Das schöne Hamburg', 1938, und 'Hansestadt Hamburg', 1939, mögen hier Erwähnung finden.“[24] Unerwähnt ließ Olsen freilich dabei den politischen Zusammenhang, dem diese Veröffentlichungen entstammten.

Seit Mitte der 1930er-Jahre war Schulleiter Schmidt nämlich in die nationalsozialistische „Volkstums“-Propaganda Hamburgs an maßgeblicher Stelle einbezogen. Hamburgs Kultur- und Bildungssenator von Allwörden hatte 1935 verstärkt begonnen, die Hansestadt als niederdeutsche „Hauptstadt“ auf Vordermann zu bringen. Verschiedenste niederdeutsche Vereine und Institutionen sollten unter einem nationalsozialistisch kontrollierten Dach zusammengefasst werden. Zu diesem Zweck wurde die „Vereinigung Niederdeutsches Hamburg“ (VNH) gegründet, die fortan die Niederdeutsch Bewegten in Hamburg auf Linie bringen und kontrollieren sollte.[25]

Dr. Rudolf Schmidt war dabei. Er arbeitete als Vorsitzender des „Fachausschusses Heimatliche Geschichte“ der VNH, u.a. zusammen mit Ludwig Lahaine, und veröffentlichte in diesem organisatorischen Rahmen zahlreiche Aufsätze und Bücher, darunter die von seinem beeindruckten Kollegen Olsen genannten.[26]

Auch seine schulischen Initiativen für Heimat und Volkstum fügten sich in diesen Zusammenhang. Die „Sonderaufgabe“, die er der O.Epp. gestellt hatte und die in Modellschiffen und -bauernhäusern, Wanderungen, Fahrten usw. ihren Ausdruck fand,

diente nicht zuletzt Zwecken der VNH-Arbeit. So konnte sich seine Schule bei der 2. Niederdeutschen Tagung der VNH in Bergedorf 1937 als Vorreiterin der „Bewegung“ darstellen. Schmidt schrieb den Bericht dazu.[27]

Zu den verschiedenen Reden, Aufmärschen, Vorführungen, Ausstellungen usw. (u.a. von SA und SS), welche diese Tagung begleiteten, gehörte auch eine Schulausstellung. Da konnte Schmidt in seinem Fachausschuss berichten: „Sie haben im vorigen Jahr in der Schulausstellung bereits eine Reihe von familienkundlichen Arbeiten gesehen. Wir haben damals versprochen, die Arbeit sollte fortgesetzt werden. Das ist auch geschehen. Die Unterlagen sind schon vorhanden und ausgewertet von der Oberschule für Jungen in Eppendorf.“ Anschließend entwarf er ein Programm für weitere Hamburger Schulen, die ebenso verfahren sollten, damit daraus das Bild eines von Niederdeutschtum geprägten Hamburg entworfen werden könnte, um nachzuweisen, „daß  H a m b u r g  tatsächlich eine niederdeutsche Stadt ist“[28].

Dieses Interesse an „Familienkunde“ erläuterte Schmidt dann auf folgende Weise – mit beifälligem Bezug besonders auf die bei der Bergedorfer Tagung von der SA gezeigte Ausstellung („Du, Deine Familie, Dein Volk“): „Die ganze große Volksgemeinschaft aller Deutschen kann nur dann gesund, zu höchstem Einsatz fähig sein, wenn jede einzelne der Zellen, aus denen sich der Volkskörper zusammensetzt, gesund ist. Die kleinste Zelle des Staates aber ist die  F a m i l i e. Erbgesunde Familien sind die erste Voraussetzung für die Erfüllung der gewaltigen Aufgaben, die dem deutschen Volke gestellt sind. Ein verbastardiertes Volk ist schwach, ist leistungsunfähig, ist zum Untergang bestimmt. Darum beginnt der Neuaufbau, den der Nationalsozialismus durchführt, bei der Familie, und ehern fest steht der Punkt 4 des Programms der NSDAP.: 'Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist.'“  Schmidt ging davon aus, wie er ein Jahr später klar formulierte, dass „Familiengeschichte einen sicheren und notwendigen Ausgangspunkt geschichtlicher Betrachtung bildet für ein Volk, dem das rassisch reine Blut heilig ist.“[29]

In Hamburg sollte sich dieses „deutsche Blut“ in seiner nicht „verbastardierten“ Form vordringlich im „Niederdeutschtum“ zeigen. Der Schulmann Schmidt folgerte daraus: „Und so soll es – das ist unser Wunsch – weitergehen: von Jahr zu Jahr wollen wir Neuland gewinnen für die niederdeutsche Sache in den Schulen, allen kümmerlichen Widerständen zum Trotz, bis alle Jungen und Mädel mit der tiefinnerlichen Überzeugung ihre Schule verlassen: auch auf Dich kommt es an, auch Du hast Dich einzusetzen für echte niederdeutsche Art.“ Und: „Eine Jugend, die von früh auf die Heimat in all ihren vielfältigen Äußerungen sich zu eigen gemacht hat, wird dereinst, fest verankert in der eigenen Umwelt, umso standhafter und zielklarer ihre Pflicht erfüllen in der Gemeinschaft.“

Was mit „Pflicht in der Gemeinschaft“ gemeint war – Schmidt schloss seinen Bericht über die Tagung der VNH-Fachausschüsse ausdrücklich mit dem folgenden Zitat ab -, machte der Hamburger NS-Staatsrat Bartholatus vollends deutlich: „Wir glauben, daß gerade wir als Niederdeutsche nicht nur unserer niederdeutschen Heimat viel zu geben haben, sondern wir haben den festen Glauben, daß wir diese großen Aufgaben zu bewältigen haben auch zum Wohle unseres gesamten Volkes und Vaterlandes. Wir sind uns dessen bewußt, daß auch wir hier eine Aufgabe erfüllen, die uns vom Führer Adolf Hitler geworden ist. Und das muß unser Bemühen sein immer und überall, daß dieser Dienst geweiht ist unserem Vaterland und Volk und Führer, der uns ja alles das, was wir wollen, nicht nur gepredigt hat, sondern der uns das lebendig vorlebt.“[30] 

Mit Kriegsbeginn 1939 verlor die VNH an Bedeutung, wie regionalistische Arbeit überhaupt. Die niederdeutsch-nationalsozialistische „Heimatpflege“ wurde zwar fortgeführt, durch den Kriegsverlauf nach 1940 aber zunehmend erschwert.[31]Die Bombardierung Hamburgs ab 1940 schränkte auch das ohnehin angeschlagene Schulwesen, zumal in der Innenstadt, immer weiter ein. An Schmidts Ansichten und Engagement änderte das nichts. Als das Propagandaministerium Ende 1941 eine „Kriegsbuchwoche“ veranstaltete und in Hamburg dazu eine Ausstellung „Deutschlands Kampf um seine Weltgeltung. Kampf gegen die Plutokratie“ im Museum für Hamburgische Geschichte gezeigt wurde, kommentierte Schmidt den Ausstellungsteil „Vom Weltkrieg über den Zusammenbruch zum Wiederaufbau deutscher Weltgeltung“. Die Schreckensjahre nach 1918, bevor die „neue Zeit“ des Nationalsozialismus der Weimarer Republik ein Ende setzte, fasste er da so zusammen: „Marxistische Hetze, liberalistische Schwäche, jüdische Gewinninstinkte überwuchern das germanische Arbeitsethos.“ Einer hatte frühzeitig verkündet, was Schmidt als Abhilfe-Empfehlung deutete: „Gorch Fock, der niederdeutsche Dichter und Künder, der in der Skagerrak-Schlacht mit seinem Blut besiegelte, was er seinem Volk in Worten gegeben, er war auch der Seher: 'Kann sich das Volk nicht mehr wie ein Mann erheben, so muß sich ein Mann für ein ganzes Volk aufrichten'.“

Dieser Mann, so Schmidts Botschaft, sei Adolf Hitler, der „überragende Staatsmann“, welcher den Weg weise „zur Neuordnung Europas“. Weil auch dem letzten Leser klar werden sollte, worum es ging, bemühte Historiker und Germanist Schmidt noch einmal den Hamburger Dichterhelden: „Wohin der Weg geht? Der Dichter der Nordsee hat uns aufgewiesen, wie ein schöneres Deutschland nur durch die Kraft eines Großen entstehen könne. Aus deutschem Kulturboden weit unten im Süden“, so Schmidt mit großdeutschem Blick weiter, „ erstand ein anderer Seher und Künder“, und er schloss seine Betrachtungen ab, indem er aus einem Gedicht dieses „Künders“ zitierte: „(…) und ein Reich will sich erbauen,/das den Frieden sucht der Erde./Mählich wird es sich gestalten,/seines heil'gen Amtes walten,/Waffen schmieden ohne Fährde,/Flammenschwerter für das Recht,/und ein königlich Geschlecht wird erblühn mit starken Söhnen,/dessen helle Tuben dröhnen:/Friede, Friede auf der Erde!“  Der auf diese Weise in Erwartung eines nationalsozialistischen Siegfriedens missbrauchte Poet war Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898). Dessen „deutscher Kulturboden“ befand sich im Übrigen auf dem Territorium der Schweiz.[32]

Andere Aufgaben kamen hinzu. So tat sich Schmidt auch als Autor des Hamburger Niederdeutsch-Vereins „Quickborn“ hervor, der ja ebenfalls der VNH angegliedert war und dem es gelang, seine Zeitschrift bis Ende 1944 erscheinen zu lassen. Im Frühjahrsheft 1943 berichtete Schmidt dort von seiner Vortragstätigkeit „im Rahmen der Truppenbetreuung an der Weser“.[33] Zu dem Zeitpunkt schmiedete Schmidt noch publizistische Zukunftspläne. Am Beispiel von bayerischen und „Ostmärker“ Truppenteilen, die einige Seiten über die ihnen fremde Lüneburger Heide zu einem Heft zusammengestellt hatten, machte er sich Gedanken über ein „vielleicht einmal zu errichtendes Denkmal 'Unsere Heimat, wie die Soldaten sie während des großen Krieges sahen'.“ Zugleich zitierte er aus dem „Geleitwort“ des „Batteriechefs Oberleutnant Borkenhagen“ dessen zuversichtliche Erwartung, dass „dieser große Kampf endgültig mit dem herrlichen Sieg gekrönt sein wird“.

Im gleichen Heft der „Quickborn“-Zeitschrift ergriff Schmidt die Gelegenheit, dem Altmeister völkischer und erklärtermaßen antisemitischer Literaturbetrachtung, Adolf Bartels, zum 80. Geburtstag zu huldigen. Auf für dieses, sich dem Niederdeutschen widmende Blatt bemerkenswert ausführlichen sieben Seiten referierte Schmidt Bartels' Verdienste im Kampf gegen Juden und für ein „neues deutsches Volkswerden“.  Fehlen durfte auch nicht die Erwähnung von Bartels' Beitrag zur Hebbel-Rezeption.  Hebbels Dramen vermittelten, laut Bartels und Schmidt, „die Forderung“, „der Gemeinschaft müsse der einzelne jedes, auch das höchste Opfer darbieten.“[34] In geübter Weise beendete Schmidt seinen Artikel, indem er ein Bartels-Zitat  sein eigenes Anliegen ausdrücken ließ: „Wird der völkische Gedanke, und ich bezweifle es nicht, Eigentum aller guten Deutschen, so ist sein Sieg weder in Deutschland noch gegen eine feindliche Welt aufzuhalten; denn er wird uns auch den großen Mann geben, der neben Luther und Bismarck tritt.“[35] Noch wurde – im Frühjahr 1943 – der auf diese Weise evozierte Hitler als Garant des „Sieges“ beschworen.

Das nächste und zugleich letzte Heft seiner Zeitschrift brachte der „Quickborn“ Ende 1944 heraus, um danach ihr Erscheinen im „Dritten Reich“ einstellen zu müssen. Rudolf Schmidt war auch hier noch emsiger Mitarbeiter: Von ihm stammte ein Großteil der Buchbesprechungen. Schmidts Sicht der Dinge hatte sich zu dieser Zeit („Schluß des Heftes: 1. 12. 44“[36]) allerdings erheblich getrübt. Von Siegeszuversicht war in keiner einzigen dieser Rezensionen mehr die Rede. So bescheinigte er einem wieder aufgelegten Roman aus dem 19. Jahrhundert, er sei „als Mittel der Entspannung in Zeiten, die unsere Nerven peitschen, just rechte[s] Lesefutter“ [37]. Zu einem Hamburger Illustrator des vorausgegangenen Jahrhunderts, Carl Julius Milde, kommentierte Schmidt: „Nur Männer seines Geistes, erfüllt von Verantwortung für die herrlich-stolze Überlieferung, vermögen in Hamburg wie in Lübeck zu retten, was noch zu retten ist.“[38] Um der Endzeitstimmung, die ihn offenbar ergriffen hatte, Ausdruck zu verleihen, bediente sich Schmidt auf gewohnte Weise eines Zitates: „Wer kämpft, bewahrt das Gut, wofür er kämpft, auch wenn er die Schlacht verliert.“[39] Tatsächlich war die „Schlacht“ fünf Monate später verloren.

In das „Interne Mitteilungsbuch“ der Schule trug Schulleiter Schmidt am 24. März 1945 zum letzten Mal ein – ein letzter Versuch, den Schein eines irgendwie funktionierenden Schulbetriebs zu wahren.[40] Am 3. Mai 1945 war Hamburg in den Händen der britischen Besatzungsmacht.

„Prof. Dr. Schmidt, der die Schule seit 1933 geleitet hatte, wurde 1945 seines Amtes enthoben. Zeitzeugen erinnern sich sogar, dass man ihn als 'belastet' vorübergehend in einem Lager internierte. Nach seiner Entlassung war er noch kurze Zeit als Leiter der Heinrich-Hertz-Schule tätig, bevor er am 15. März 1946 im Alter von erst 55 Jahren starb.“[41]

In der Tat war Schmidt, trotz seiner offenkundigen NS-Verstrickung, vom 7. September 1945 an zum Leiter der Schule am Stadtpark/Heinrich-Hertz-Schule bestellt worden. (Die britische Militärregierung bestätigte Schmidts Verwendung im Schuldienst am 8. Februar 1946.) Ironischerweise war die neue Schule Schmidts gerade die, an welcher Heinrich Landahl, neuer Schul- und Hochschulsenator unter der  britischen Militärbehörde, bis 1933 Schulleiter gewesen war: die ehemals  Lichtwarkschule genannte, weithin bekannte höhere Reformschule.[42] Während Landahl nach § 6 des sogenannten „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 seines Amtes enthoben und 1934 zwangspensioniert wurde, begann mit der Einsetzung als Schulleiter in Eppendorf 1933 Rudolf Schmidts NS-Karriere. Schmidt und Landahl kannten sich schon seit ihrer gemeinsam an der Oberrealschule vor dem Holstentor/Albrecht-Thaer-Schule verbrachten Vorbereitungszeit (Referendariat). Landahl, der sich ab 1935 im Hamburger Verlagsgeschäft (H. Goverts Verlag) durchzuschlagen bemühte, möglichst ohne den NS-Behörden sonderlich aufzufallen [43], wird kaum entgangen sein können, wie sich sein früherer Kollege Schmidt betätigte, der als Schulleiter, Niederdeutsch-Aktivist, mit Vorträgen und Publikationen vielfach im Hamburg der NS-Zeit – in deren Sinn - präsent war.

Dennoch glaubte Senator Landahl, als ab Juni 1945 das Hamburger Schulwesen unter antifaschistischem und demokratischem Vorzeichen neu aufgenommen werden sollte, nicht auf  das tätige Mitwirken seines Ex-Kollegen Schmidt verzichten zu können. Bestürzt über dessen plötzlichen Tod teilte er der Witwe mit: „Die unerwartete Nachricht von dem Tode Ihres Mannes hat mich tief erschüttert. Wir beide haben uns im Jahre 1919, als wir Kandidaten bei Albrecht Thaer waren, gut kennengelernt. Daraus entwickelte sich, was ich glaube sagen zu können, eine gegenseitige menschliche Schätzung und Achtung vor der Arbeit und Leistung, die wir beide im Laufe der Jahre vollbringen durften. Ich hatte gehofft, in Rudolf Schmidt einen wertvollen Mitarbeiter von bewährter Zuverlässigkeit bei dem Neuaufbau unseres Hamburger Schulwesens zu haben. Das Schicksal hat es anders gewollt.“[44]

Senator Landahl stand 1946 nicht allein mit seiner Wertschätzung Schmidts. In einem bemerkenswert gut informierten Artikel in der „Neuen Hamburger Presse“ hieß es: „Einer der bekanntesten Hamburger Schulmänner und Schulleiter ging überraschend von uns: Prof. Dr. Rudolf Schmidt (…). Einer der begabtesten Schüler nannte ihn einmal den 'wahren Jugendführer' (…).“ [45] Stil und Geist der gerade vergangenen zwölf Jahre hatten in dem Artikel – und dabei auch in den Auslassungen und Ungenauigkeiten – deutlich Spuren hinterlassen, entwarf er doch das Bild eines „in jeder Beziehung aufrechten und hochgewachsenen Mannes, der im Nietzsche-Sinne rechtwinkelig an Leib und Seele war. (…) Seine besondere Liebe gehörte dem niederdeutschen Raum, dessen eigentlicher Historiker er war, und den Aufgaben des Vereins für hamburgische Geschichte. Auch in Zeiten, wo andere Melodien gesungen werden mußten, blieb Schmidt sich und seiner Liebe treu – mit dem unverschlissenen Mute, der dazu gehörte, vom eigenen Wege nicht abzubiegen. Sinn und Wesen der Architekturplastik hat er in besonderen Arbeiten gewertet, u.a. in einem Buche über Richard Kuöhl.“ Schließlich wusste der Verfasser zu berichten: „Manches Unvollendete liegt im Schreibtisch dieses rastlos tätigen Mannes, der viele publizistische Pläne mit ins Grab nahm.“[46]

Einesdieser unvollendeten Schreibtischprojekte stand im Zusammenhang mit dem erwähnten Verein für Hamburgische Geschichte, in dem der VNH-Funktionär für „heimatliche Geschichte“ selbstverständlich auch Mitglied gewesen war.[47] 1937/38 lehnte der Verein die an sich geplante Edition eines Manuskripts ab, da dessen Verfasser „1/4-Jude“ sei. Darauf meldete sich ein „Deutschstämmiger“ - Vereinsmitglied Dr. Rudolf Schmidt – mit folgender Idee: Er würde das Manuskript „überarbeiten“, welches dann unter seinem eigenen Namen herausgebracht werden könne. Der Verein blieb aber bei seiner Ablehnung. Nach Ende des „Dritten Reichs“ hakte Schmidt erneut beim Geschichtsverein in Sachen Veröffentlichung nach; sein Tod im März 1946 vereitelte jedoch alle weiteren Pläne, und im März 1948 erklärte der Vereinsvorstand schließlich, das Projekt sei „auf dem toten Punkt angelangt“. (Eine Veröffentlichung erfolgte dann 1969, jedoch nicht durch den Verein für Hamburgische Geschichte – und, ohne Umarbeitung, unter dem wirklichen Verfassernamen: Dr. Gustav Leo.) [48]

Autor: Ralph Busch

 

Literatur

  • Architekturplastik (1929): Architekturplastik. Bildhauer Richard Kuöhl, mit einer Einleitung von Rudolf Schmidt, Berlin/Leipzig/Wien 1929 [zitiert wird die Neuausgabe: Richard Kuöhl, Nachwort v. Roland Jaeger, Berlin 1998]
  • Asendorf, Manfred (2005/2006), „Von verschämtem Antisemitismus zum 'Arierparagraphen'. Der Verein für Hamburgische Geschichte und die Ausgrenzung seiner jüdischen Mitglieder“, „Blätter für deutsche Landesgeschichte“ 141-142/2005-2006, S. 159-267
  • Bruhns, Maike (2001), Kunst in der Krise. Hamburger Kunst im „Dritten Reich“/Künstlerlexikon Hamburg 1933-1945. Verfemt, verfolgt – verschollen, vergessen, 2 Bände, Hamburg/München 2001
  • Clasen, Armin/Walter Rehders/G[ustav]. Apel (1938), Hummelsbüttel und Poppenbüttel. Geschichte zweier Dörfer und ihrer Höfe (= Die Bauerndörfer vor den Toren Hamburgs 1, hrsg. v. Rudolf Schmidt für Vereinigung Niederdeutsches Hamburg, Fachgruppe Heimatliche Geschichte), Hamburg 1938
  • Daschner, Peter/Reiner Lehberger (Hg.) (1990), Hamburg – Stadt der Schulreform (= Hamburger Schriftenreihe zur Schul- und Unterrichtsgestaltung 2), Hamburg 1990
  • Dohnke, Kay/Norbert Hopster/Jan Wirrer (Hg.) (1994), Niederdeutsch im Nationalsozialismus. Studien zur Rolle regionaler Kultur im Faschismus, Hildesheim/Zürich/New York 1994
  • Endlich, Stefanie (2014), „Geschichte des Kriegerdenkmals am Dammtor und des Gegendenkmals von Alfred Hrdlicka“, in: Gedenkort für Deserteure (2014), S. 20-23
  • 50 Jahre (1954): 50 Jahre Oberschule Eppendorf 1904-1954, o.O. [Hamburg] o.J. [1954]
  • Gedenkort für Deserteure (2014): Gedenkort für Deserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz. Dokumentation des Gestaltungswettbewerbs, hrsg. v. Freie und Hansestadt Hamburg, Kulturbehörde, Hamburg 2014
  • Giordano, Ralph, „Ungenügende politische Säuberung der Lehrerschaft“, „Hamburger Volkszeitung“, 23.  Oktober 1946, in: Lehberger (1995), S. 50
  • Grolle, Joist (1990), „Lichtwark – Lichtwarkschule – 'Richtlinien für Erziehung und Unterricht' (1986)“, in: Daschner/Lehberger (Hg.) (1990), S. 10-25
  • Grolle, Joist (1997), Hamburg und seine Historiker, Hamburg 1997
  • Grolle, Joist/Ina Lorenz (2007), „ Der Ausschluss der jüdischen Mitglieder aus dem Verein für Hamburgische Geschichte. Ein lange beschwiegenes Kapitel der NS-Zeit“, „Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte“ 93/2007, S. 1-145
  • Gymnasium Eppendorf (Hg.) (2004), 1904-2004. Einhundert Jahre Gymnasium Eppendorf. Die Schule. Der Stadtteil. Die Menschen, Hamburg 2004
  • Harten, Hans-Christian/Uwe Neirich/Matthias Schwerendt (2006), Rassenhygiene als Erziehungsideologie des Dritten Reichs. Bio-bibliographisches Handbuch (= edition bildung und wissenschaft 10), Berlin 2006
  • Hedinger, Bärbel u.a. (1979), Ein Kriegsdenkmal in Hamburg, Hamburg 1979
  • Hempel, Dirk/Hans-Ulrich Wagner (Hg.) (2012), Das literarische Feld in Hamburg 1933-1945, Hamburg 2012
  • Henckell, Paul (1938), Hamburg im niederdeutschen Raum. Die Herkunft seiner Bevölkerung, hrsg. v. Vereinigung Niederdeutsches Hamburg. Fachgruppe Heimatliche Geschichte (Sonderdruck aus dem Jahresbericht 1937/1938 der Oberschule für Jungen in Eppendorf), Hamburg 1938
  • Hochmuth, Ursel (1985), „Lichtwarkschule/Lichtwarkschüler. 'Hitler führt uns ins Verderben – Grüßt nicht'“, in: Hochmuth/de Lorent (Hg.) (1985), S. 84-105
  • Hochmuth, Ursel/Hans-Peter de Lorent (Hg.) (1985), Hamburg. Schule unterm Hakenkreuz, Hamburg 1985
  • Jaeger, Roland (1998), „Volkstümliche Bauplastik – markige Kriegerdenkmäler. Das angepaßte Werk des angewandten Bildhauers Richard Kuöhl“, in: Richard Kuöhl (1998), [Nachwort], S. I-XVI
  • Jahresbericht der Oberrealschule Eppendorf, Hamburg April 1935
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  • Schmidt, Rudolf (1933), „Zum Geschichtserlaß der Landesunterrichtsbehörde“, „Hamburger Lehrerzeitung“ 12/1933, S. 360-363
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  • Schmidt, Uwe (2010), Hamburger Schulen im „Dritten Reich“ (= Beiträge zur Geschichte Hamburgs 64, hrsg. v. Verein für Hamburgische Geschichte), 2 Bände, Hamburg 2010
  • Schnoor, Walter (Hg.) (1941), Deutschlands Kampf um seine Weltgeltung. Kampf gegen die Plutokratie [Begleitheft zur Ausstellung „Deutschlands Kampf um seine Weltgeltung/Kampf gegen die Plutokratie“ zur Kriegsbuchwoche 1941, im Auftrag des Werbe- und Beratungsamts für das deutsche Schrifttum im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, veranstaltet vom Reichspropagandaamt Hamburg, Museum für Hamburgische Geschichte], Hamburg 1941
  • Schröder, Ingrid (2012), „Niederdeutsch in nationalsozialistischer Perspektivierung. Die 'Vereinigung Niederdeutsches Hamburg' als Exempel“, in: Hempel/Wagner (Hg.) (2012), S. 64-83
  • Schumacher, Fritz (1935), Stufen des Lebens. Erinnerungen eines Baumeisters, Stuttgart/Berlin 1935
  • Staatsarchiv Hamburg, Personalakte Rudolf Schmidt, 361-3, A 650
  • Töteberg, Michael (1994), „'Nedderdüütsch Volk op'n Weg'. Die Vereinigung Niederdeutsches Hamburg. Ein Dossier“, in: Dohnke/Hopster/Wirrer (Hg.) (1994), S. 123-148
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  • Voigt, Christian (1936), „[Rezension zu Lahaine/Schmidt (1936)]“, „Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte“ 35/1936, S. 117/118
  • Wacker, Sigrid (2004), „Nach 1945“, in: Gymnasium Eppendorf (Hg.) (2004), S. 97-118

 

ANMERKUNGEN
1 Siehe insgesamt zu Rudolf Schmidt als Eppendorfer Schulleiter: Oberlach (2004). Ergänzende Angaben nach: Harten/Neirich/Schwerendt (2006). Dank an Hans-Peter de Lorent für Hinweise und Nachweise zur Personalakte Rudolf Schmidt im Staatsarchiv Hamburg (StAHH 361-3, A 650).
2 Hedinger u.a. (1979), Anmerkung 2, S. 60
3 Siehe Architekturplastik (1929).
4 Jaeger (1998), S. IV
5 Schumacher (1935), S. 306
6 Bruhns (2001), Band 1, S. 128
7 Siehe z.B. Hedinger u.a. (1979), S. 31, oder Bruhns (2001), Band 1, S. 128. – Zum Kriegsdenkmal immer noch grundlegend: Hedinger u.a. (1979); vgl. Klingel (2006) und (kurz) Endlich (2014). - Die viel zitierte Inschrift stammt aus dem Gedicht „Soldatenabschied“ von Heinrich Lersch von 1914.
8 Siehe Schmidt (1936). Hier schrieb er u.a. zu dem Denkmal und seiner Entstehung: „ Richard Kuöhl arbeitete weiter an seinem Entwurf, und immer mehr wurde es offenbar: seine Planung kündete Mannestum und wehrhaften Sinn, wie wir es von einem Mal fordern müssen, das das gewaltige Geschehen des Völkerringens in Kindern und Kindeskindern wachzurufen hat. Sein Entwurf spiegelte die niedersächsische Stammesart, die ein Denkmal braucht, das in unserer Stadt erstehen soll. Und noch ein Drittes prägte sich beim Beschauen dieses Modells immer tiefer ein: die Verkörperung der Kameradschaft, des Gemeinschaftsgedankens! E i n m a l hat es ein einiges deutsches Volk gegeben: während des großen Krieges! Damals hatte auch Adolf Hitler die Volksgemeinschaft erlebt, und als sie zusammenbrach, war groß und herrlich und durch all die Jahre vor der Machtergreifung unwandelbar feststehend die Verwirklichung dieser Idee das höchste Ziel des Führers gewesen. Nun war ein Jahr seit dem Umbruch vergangen; aus dem Kampf um die Macht war ein Ringen um die Seele des deutschen Volkes geworden, und in den Monaten, in denen die große Volksgemeinschaft langsam heranwuchs und die allgemeine Wehrpflicht neu erstand, schuf Richard Kuöhl sein Denkmal, das nicht den einzelnen Soldaten als Sinnbild zeigt, sondern die Gruppenkolonne, die Gemeinschaft der Feldgrauen, die Schulter an Schulter marschieren.“(S. 43)
9 Schule im Wandel. Festschrift zum 90. Jubiläum des Gymnasiums Eppendorf, Hamburg 1994, S. 29, zitiert nach Oberlach (2004), S. 59 - Außerdem war Schmidt offenbar bestens mit der jahrelangen Propaganda für die Errichtung des 76er-Denkmals vertraut; so machte er sich 1933 Gedanken um die Behandlung des Themas „Krieg“ im Unterricht. Dabei zeigte er sich über außerschulische Materialien, Räumlichkeiten und Ansprechpartner gut informiert: „An Material für den Weltkrieg besitzt die Staatsbibliothek Schätze wie keine andere Bücherei der Welt, Räume für eine Sonderschau sind auch vorhanden.(...) Im Anschluß an die Illustrierung der Geschichte des Regiments 76 hat das Museum für hamburgische Geschichte schon Kriegserinnerungen zusammengetragen. (…) Daneben ist der für Sonderausstellungen bestimmte Saal im 2. Stock des Museums im September frei. Eine dritte Gelegenheit bietet eine Ausstellung von Photos in großem Format, die im Zusammenhang mit der Werbung für das 76er-Denkmal geplant war. Die Entscheidung wird erst nach Abschluß der Lotterie fallen. Auf alle Fälle geht schon aus diesen Hinweisen hervor, daß Material für eine Ausstellung 'Krieg' reichlich vorhanden ist.“ (Schmidt (1933), S. 363)
10 Angabe nach Harten/Neirich/Schwerendt (2006), S. 464; als NSLB-Beitrittsdatum wird dort genannt: 27. April 1933. Im Entnazifizierungs-„Fragebogen“ des „Military Government of Germany“ (Schmidt scheint mehrfach einen solchen „Fragebogen“ ausgefüllt zu haben, jedenfalls liegen zwei Versionen vor: vom 28. Mai 1945 und vom 20. Juli 1945, mit teilweise unterschiedlichen Datumsangaben) (Personalakte, siehe Anm. 1), lauten Schmidts Eintragungen: Mitglied bzw. Mitarbeit im NS-Lehrerbund 1. April 1933; NSK (Nationalsozialistische Parteikorrespondenz) 1. Juni 1934; VDA (Volksbund für das Deutschtum im Ausland) „seit 1936“ (oder 1938); NSDAP 1. Mai 1937; förderndes Mitglied im NSFK (Nationalsozialistisches Fliegerkorps) 1. Oktober 1937; NS-Altherrenbund [der deutschen Studenten] „seit 1938“ (oder 1942); NS-Reichskriegerbund 1. November 1938. Seine Mitarbeit in der „Vereinigung Niederdeutsches Hamburg“ gibt Schmidt dagegen nicht an.
11 Oberlach (2004), S. 62
12 Olsen ((1954), S. 13/14 (Hervorhebung im Original)
13 Rudolf Schmidts Bericht in: Jahresbericht 1935/1936, Oberrealschule in Eppendorf, Hamburg o.J., S. 4, zitiert nach Oberlach (2004), S. 59
14 Rudolf Schmidt in: Jahresbericht 1938, Oberschule für Jungen in Eppendorf, Hamburg o.J., S. 26, zitiert nach Oberlach (2004), S. 60 - Später hat Schmidt auch den Deutsch-Lehrplan kriegsgerecht im NS-Sinn überarbeitet („Lehrpläne für die Klasse 5 bis 7 der Oberschulen für Jungen und der Gymnasien ab 1. 4. 1944. Aufgestellt von Oberstudiendirektor Prof. Dr. Schmidt. Stoffpläne für Deutsch“ [S. 1-5], StAHH, Personalakte (siehe Anm. 1), und zwar so, dass bei allen „unter heutigen Umständen“ notwendigen „Stoffeinschränkungen“ auf jeden Fall weiterhin im Deutschunterricht ein Aspekt herauszuarbeiten sei: dass „der Einfluß des Judentums in [sic!] die Literatur als Zersetzungsvorgang zu berücksichtigen ist“.[S. 1].
15 Schmidt (1933a), S. 549
16 Siehe Oberlach (2004), S. 61/62. Zur Gestaltung des Schullebens unter dem neuen Schulleiter Schmidt einige Beispiele aus seiner Darstellung im Jahresbericht der Oberrealschule Eppendorf, Hamburg/April 1935: „Die Höhepunkte in der Geschichte unserer Schule bildeten der Besuch Adolf Hitlers in Hamburg am 17. u. 18. Aug.1934 und die Einweihung unseres neugemalten Festsaals am 29. 11. 1934.“(S. 5) Dort waren fortan als Ölgemälde „die Bilder des Führers und des Generalfeldmarschalls von Hindenburg“ zu betrachten, was Schmidt zu der Formulierung verleitete: „(…) unser Festsaal erhielt einen künstlerisch wertvollen, die Herzen unserer Jungen stets von neuem packenden Schmuck.“(S. 6) Der „Führer“-Besuch in Hamburg hatte auch unmittelbar schulische Folgen: „Die gewaltigen Eindrücke des 17. August haben die Jungen selbst in einem von allen Klassen am gleichen Tag geschriebenen Aufsatz dargestellt. Etwa 40 der besten Arbeiten liegen im Archiv der Schule, ein Teil davon erschien in der Beilage 'Stürmende Jugend' des 'Hamburger Tageblattes' [d.h. der NSDAP-Tageszeitung] vom 18. 9. 34.“(S. 6)
17 Rudolf Schmidt am 22. November 1943 in einem Brief an die Eltern, zitiert nach Oberlach (2004), S. 76
18 Oberlach (2004), S. 81
19 Olsen (1954), S. 14
20 Ebd. - Die so trainierten Schüler konnten dann auch gelegentlich besondere Erfolge erzielen, von denen anschließend der Jahresbericht der Schule zu berichten wusste: „Zu den Werbeprogrammen der Wehrmacht gehörten auch Schülerwettbewerbe im Flug- und Schiffsmodellbau, deren Sieger u.a. mehrere Tage bei der Luftwaffe und Marine verbringen durften. Im Jahre 1937 gewann z.B. ein Schüler der Oberschule in Eppendorf eine siebentägige 'Kreuzfahrt' auf einem Artillerie-Schulschiff der Kriegsmarine.“ (Im Jahresbericht der Oberschule Eppendorf 1937/38, S. 28 ff., erschien ein Erlebnisbericht des Schülers.) (Lehberger/Müller-Grabellus/Schmitt (1989), S. 34 und Anmerkung)
21 Oberlach (2004), S. 95 – Hier wird auch vorsichtig angedeutet, dass Schmidt 1933 „sicherlich nicht grundlos dazu auserkoren wird, die Oberrealschule Eppendorf im Sinne der neuen Weltanschauung zu leiten“ (ebd., S. 62), und dass er bis 1945 unangefochten im Amt blieb. (Für Olsen gilt übrigens das Gleiche!) Der Historiker Uwe Schmidt hat das zum Anlass genommen, Rudolf Schmidts Verstrickung in die NS-Politik zu relativieren. „Er verkennt dabei aber,“ kommentiert der Historiker Oberlachs Einschätzung, „dass die neue Schulverwaltung auf den bisherigen Personalstamm zurückgreifen musste, weil gar nicht so viele 'echte' Nationalsozialisten zur Verfügung standen.“(Schmidt (2010), Band 1, S. 387) Als profundem Kenner der Hamburger NS-Verhältnisse und insbesondere der Schulszene kann ihm jedoch nicht entgangen sein, welche Rolle Rudolf Schmidt, der offenbar auch keine Anstalten gemacht hat, sich der Ernennung zum Schulleiter zu entziehen, als NS-Funktionär ab 1933 in Hamburg gespielt hat – unter anderem bei der VNH. In seiner Darstellung der Hamburger Schulen in der NS-Zeit findet sich bei U. Schmidt dazu kein Wort.
22 Schmidt (1933), S. 361/362. (Das im Text ausgedruckte „Nationalismus“ ist offenbar ein Fehler, wie aus dem Zusammenhang hervorgeht: Es geht um „Nationalsozialismus“.)
23 Vereinigung Niederdeutsches Hamburg (Hg.) (1937), S. 45
24 Olsen (1954), S. 14 - Wenige Beispiele aus der Textproduktion Schmidts: „Eine neue Zeit ist angebrochen für Deutschland, für Hamburg“, heißt es im Text von „Hansestadt Hamburg“ von 1939 (S. 36), wo Schmidt die „NS-Gemeinschaft 'Kraft durch Freude'“ als „größtes sozialistisches Aufbauwerk, das die Welt je sah“, vorstellt (S. 18) und zugleich verkündet: „Eindringlich und zutiefst unseres heiligen Rechts bewußt, erheben wir Anspruch auf die Rückgabe unserer Kolonien“ (S. 20) – siehe Schmidt (1939). Die Illustrationen in dem VNH-Buch „Das schöne Hamburg“ von 1938 - von Bürgermeister Krogmann eingeleitet („Möchte dies Buch (…) die Herzen weit und den Willen stark machen zum freudigen Einsatz!“ - S. 5) – entlocken Schmidt u.a. folgendes Bekenntnis im Namen Hamburgs: „Je größer die Möglichkeiten, die sich ihm bieten, um so größer auch die Verpflichtung gegenüber Volk und Führer“ (S. 8) – siehe Schmidt (1938). In einem weiteren, von der VNH herausgebrachten Buch mit 64 Fotos der Landesbildstelle Hansa, diesmal mit einem Vorwort des für diese Arbeit ebenso wie für das Hamburger Schulwesen zuständigen Senators v. Allwörden, kommt Schmidt 1937 zu dem Resultat: „Über allem aber steht der Wille des Führers, der (…) mit der Schaffung der größeren Hansestadt Hamburg den Grund gelegt hat für ein neues Hamburg im neuen Deutschland“ (S. 4 der unpaginierten Einleitung) – siehe Schmidt 1937. - Zu dem von Schmidt und Lahaine verfassten „Hamburg, das deutsche Tor zur Welt“ (1936/1940) siehe Anmerkung 26.
25 Zur VNH gehörten unterschiedlichste Institutionen und Vereine, so z.B. Ohnsorgs „Niederdeutsche Bühne“, die „Finkwarder Speeldeel“ und die Finkenwerder „Heimatvereinigung“, die Vereinigung „Quickborn“, aber auch die Universitätsgermanisten um Conrad Borchling und Hans Teske. Zur VNH insgesamt: Töteberg (1994) und Schröder (2012). Die Bedeutung Hamburgs als heimliche „Hauptstadt“ Niederdeutschlands fasste der Regierende Bürgermeister C. V. Krogmann, zugleich „Ehrenvorsitzender“ der VNH, angesichts der Bildung „Groß-Hamburgs“ 1937 durch die Eingemeindung von Altona, Wandsbek, Harburg-Wilhelmsburg usw. in folgende Worte: „Damit ist ein niederdeutscher Block geschaffen, der hinfort die Blicke im niederdeutschen Raum vom Osten bis zum Westen auf sich ziehen muß.“ (Vereinigung Niederdeutsches Hamburg (Hg.) (1937), S. 7)
26 Schmidt führt seinen Lehrerkollegen Dr. Ludwig Lahaine als „Vorstand des Verbandes deutscher Geschichtslehrer, Ortsgruppe Hamburg,“ auf, was ihre gegenseitige Verbundenheit zum Teil erklärt. (Siehe Schmidt (1933), S. 360.) Das von beiden für den Schulgebrauch gedachte, bereits 1932 (!) konzipierte Buch „Hamburg, das deutsche Tor zur Welt“, erschien erstmals 1936. Im Jahr 1932 aber „bestand geringe Aussicht,“ schreiben die Autoren im „Vorwort“, „in der auf 'weltweiten Blick' eingestellten Schule der Zeit vor dem Umbruch Platz dafür zu finden. Das gewaltige Geschehen während der ersten Monate und Jahre im neuen Deutschland hat auch das Bild der Geschichte und die Wertung ihrer einzelnen Epochen grundlegend gewandelt. Da bedurfte es erst der Klarheit über das Ziel, um ein Buch zu schaffen, das den politischen Menschen formen hilft, den die neue Zeit fordert.“ (Lahaine/Schmidt (1940), S. VI) Für die angestrebte „politische Formung“ einige Beispiele:
Zu Bismarck und den Folgen ist zu lesen: „Wohl hatte Bismarck einen starken Staat gegründet; aber es fehlte ihm die tragende Idee des Volkstums (…). So konnte es dahin kommen, daß gerade in Hamburg, am Einfallstor des Auslandes, die fremdländischen Ideen der Demokratie und des Marxismus immer weiteren Raum gewannen und hier die Wirtschaft und damit der Sondergeist die alles beherrschende Rolle spielte. Schwer und heiß mußte daher gerade hier der Kampf Adolf Hitlers um das Dritte Reich werden. Heute, da seine Fahne auch über dem Hamburger Rathause weht, ist Hamburg wahrhaft ein Glied des Reiches geworden, das seine unerschütterliche Kraft im deutschen Volkstum hat.“ (S. 4)
Auf das schmachvolle Ende des Ersten Weltkrieges und die „Novemberrevolte“ geht der Blick Schmidts und Lahaines voller Abscheu zurück: „Schon am 5. November 1918 kamen Teilnehmer an der Kieler Matrosenrevolte nach Hamburg. Bei Blohm und Voß zerstörten die durch Hetzreden Fremder aufgewiegelten Arbeiter die Einrichtung des Kaffeehauses und verließen dann die Werft. Abends konnten zum ersten Male seit Kriegsbeginn – infolge der Gewährung der Versammlungsfreiheit und der Entlassung der marxistischen Landesverräter aus den Gefängnissen (…) - linksradikale Redner (…) die Beendigung des Krieges und die Bildung von Räten fordern. (…) [So] hatten eine Handvoll Kieler Matrosen, ein paar Drückeberger und aus den Zuchthäusern befreite Verbrecher den 'Sieg' errungen (…).“ (S. 171/172)
Wie in Berlin und anderswo, so standen aber auch in Hamburg erfreulicherweise, nach Sicht der Autoren, rettende Kräfte bereit: „Hervorragende junge Offiziere der alten Armee, die seit Jahrzehnten und mit besonderer Gehässigkeit in den Tagen des Zusammenbruchs als reaktionär verfemt worden waren, stellten sich an die Spitze, schufen in wenigen Tagen eine Truppe von alter Schlagkraft und Treue – und retteten die Regierung der Novemberlinge. Als Träger der herrlichen Überlieferung des deutschen Heeres sind sie die Verkörperung echten Frontgeistes und erhalten das Ethos echt deutschen Mannestums, das in den Stürmen der SA und SS seine Auferstehung feiern sollte. Leuchtend aus den dunkelsten Tagen hamburgischer Geschichte ragen unsere 'Bahrenfelder' (…).“ (S. 174)
Natürlich habe es auch vorher schon dunkle Tage, Seiten und Kräfte in Hamburgs Geschichte gegeben: „Verhängnisvoll wirkte sich die liberalistische Einstellung aus, als die schon von den Franzosen während der Besetzung geförderten J u d e n [Hervorhebung im Original] größere Rechte erhielten. In Bremen konnte bis 1848 kein Jude das Bürgerrecht erwerben, bis 1869 blieben ihnen dort die Ämter des Senators und des Richters verschlossen. Die hamburgische Regierung folgte der judenfreundlichen Gesetzgebung Hardenbergs in Preußen und der früheren Judenpolitik des Senats und versuchte, die Gleichberechtigung der Juden durchzudrücken. Judentumulte in den Jahren 1819, 1830 und 1835 belehrten sie, wie die Bevölkerung über die 'Emanzipation' urteilte, und die Bürgerschaft lehnte die Anträge des Senats ab. Neue Vorstöße führten in den Jahren nach dem großen Brande trotz starker Gegnerschaft der Kaufleute und des Gewerbestandes zu raschem Vordringen der Juden (…). Wie der politische, so verstärkte sich auch der Einfluß der Juden auf das Wirtschaftsleben.“ Das war, in dieser Sicht, der Beginn eines teilweisen „Abgleitens von der geraden Linie des ehrbaren Kaufmanns.“ (S. 113) Einem derart unhamburgischen Hamburger – seine Erwähnung ließ sich nicht vollständig vermeiden -, nämlich dem Generaldirektor der Hamburg-Amerka-Linie Albert Ballin, wurde dann bescheinigt, er sei „allein beherrscht von wirtschaftlichen Überlegungen“ gewesen und habe die HAPAG dem „amerikanischen Morgantrust“ ausliefern wollen, und überhaupt sei er undeutsch gewesen: „Noch beim Bau der 'Imperator' bediente sich Ballin französischer und englischer Firmen; sie lieferten die Haupträume, weil angeblich die reisenden Amerikaner derartigen Kitsch verlangten.“ So habe Ballin sabotiert, dass „unsere Schiffe wahrhaft zu Sendboten deutscher Leistungsfähigkeit und deutscher Art“ werden konnten.(S. 134)
Das Buch endete mit geradezu prophetischen, allerdings heute anders als damals zu lesenden Worten (in der zweiten Auflage verfasst von Hermann Okraß, seit 1934 „Hauptschriftleiter“ des NSDAP-Organs „Hamburger Tageblatt“): „Tausend Jahre Hamburgs waren ein Hohes Lied von Mut, Fleiß, Tapferkeit und Willen. Das Buch der Geschichte dieser Stadt wurde zugetan, als der Führer das 'Groß-Hamburg-Gesetz' verkündete. Ein neues Buch wurde aufgeschlagen und mit fester Hand auf die erste Seite geschrieben: 'Reichsgau Hansestadt Hamburg. Gau im ersten germanischen Reich deutscher Nation, Stadt der Arbeit und der Arbeiter.' Wenn einst seine Geschichte geschrieben wird, so wird sie den Nachfahren Kunde geben von dem Geiste des Nationalsozialismus, dem Geiste Adolf Hitlers.“(S. 212)
Die NSDAP-Zeitung „Hamburger Tageblatt“ schrieb zur ersten Auflage: „Das Buch schildert von einer hohen Warte den Weg Hamburgs durch die Jahrhunderte. (…) Scharf und klar ist in dem neuen Buch diese Entwicklung gezeichnet, sind wirtschaftliche und kulturelle Einzelheiten in diesen großen Rahmen eingespannt. Es ist ein politisches Buch, das seine Aufgaben zu erfüllen hat.“ Der Verlag (Hans Christians, Hamburg) warb mit diesem Text (siehe z.B. Schmidt (1936), innere hintere Umschlagseite).
Aber auch in „seriöseren“ Kreisen wurde das Buch wohlwollend aufgenommen: „Der reiche Stoff“ wurde gelobt,
gemäkelt nur an einigen Details zum 16. Jahrhundert und wegen eines nicht erwähnten Opernkomponisten. Alles in allem aber, hieß es, sei das Buch wegen „der sorgfältigen Arbeit“ zu loben und insbesondere wegen „der klaren weltanschaulichen Linie“.(Voigt (1936), S. 117) Welche Quellen und welche Literatur Lahaine und Schmidt für ihr Buch benutzten, dazu machten sie keine Angaben. Auffällig ist immerhin, dass sich ihre Darstellung in verschiedenen Passagen als eine popularisierende, anekdotisch ausgeschmückte Version des Werkes „Hamburg. Einst und Jetzt“ lesen lässt. Dieses stellte hauptsächlich einen „Abriß der Stadtgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart“ dar, den der Historiker Heinrich Reincke, ab 1933 neuer Leiter des Hamburger Staatsarchivs, zuerst 1925 veröffentlicht hatte. Noch 1933 brachte er (zusammen mit Walter Hävernick und Gustav Schlotterer) sein Buch in nationalsozialistisch überarbeiteter Fassung und mit erneuertem Titel wieder heraus. Ein eingehender Textvergleich der Hamburg-Bücher von Lahaine/Schmidt und Reincke wäre aufschlussreich. Vermutlich würde er zeigen, wie nahe die „wissenschaftliche“ der „schulischen“ Hamburg-Geschichte substanziell war – und umgekehrt: ganz ähnlich die antidemokratische, anti„marxistische“, antisemitische Ausrichtung und Geschichtskonstruktion. (Siehe zu Reincke das Kapitel „Von der Verfügbarkeit des Historikers. Heinrich Reincke in der NS-Zeit“ in Grolle (1997), S. 123-149.)
27 Siehe Vereinigung Niederdeutsches Hamburg (Hg.) (1937). Aus der schulischen, unterrichtlichen Arbeit stand der VNH dann entsprechend Material zur Verfügung, so etwa das Modell eines „Niedersächsischen Bauernhauses“, „gebaut von Tertianern der Oberschule in Eppendorf und gezeigt in der Schulausstellung“ (Foto im Anhang in: Vereinigung Niederdeutsches Hamburg (Hg.) (1937)); oder Foto-Material, sechs „Bildtafeln“ „nach Originalen aus der Bilder-Sammlung 'Volkstum und Heimat' der Oberschule für Jungen in Eppendorf“ , die dem Buch „Hamburg, das deutsche Tor zur Welt“ beigegeben waren (eine weitere „Bildtafel“ stammte „aus der Sammlung Dr. Rud. Schmidt“) (siehe Rückseite des Titelblatts). Vgl. Anmerkung 26. - Auf der anderen Seite versorgte Schmidt u.a. Schüler bei Gelegenheit mit seinen Veröffentlichungen, auch mit persönlicher Widmung (siehe dazu Oberlach (2004), mit Faksimile, S. 62).
28 Vereinigung Niederdeutsches Hamburg (Hg.) (1937), S. 83 (Hervorhebung im Original) - Schmidts Kollege von der Oberschule für Jungen in Eppendorf, Dr. Paul Henckell, hatte die familienkundlichen Erhebungen in die Hand genommen; seine Befunde (basierend auf Daten von drei Höheren Schulen und drei Volksschulen) führten zu dem recht unspezifischen Ergebnis: „Damit wird zur Gewißheit, daß wir alle durch unsere Abstammung, d.h. durch die naturgegebenen Bande des Blutes, einer Gemeinschaft angehören, der deutschen Volksgemeinschaft.“ (Henckel (1938), S. 21) Immerhin hatte sich aufgrund der Schüler wie Eltern einspannenden Befragungen ergeben: „Die Eltern stammen zu drei Vierteln, die Groß- und Urgroßeltern zu zwei Dritteln aus dem niederdeutschen Raum. Hamburg ist eine niederdeutsche Stadt.“(Ebd., S. 20) Dies reichte, um die Schrift, wie Schulleiter und VNH-Funktionär Schmidt im Vorwort schrieb, den Gästen des „Tag[es] für Denkmalpflege und Heimatschutz“ zu widmen, der 1938 in Hamburg stattfand. Schmidts schulische Volkstumspflege wurde aus diesem Anlass zu einer hanseatischen Tat aufgewertet, und der Sonderdruck der schulinternen Schrift wurde vom nationalsozialistischen Hamburg finanziert. (Dr. Henckell war jener Kollege, der bei der Abiturientenentlassung 1935 (!) „über die Pflichten des Soldaten“ und bei anderer Gelegenheit „zum Gedenken der Gefallenen“ sprach, wie Schmidt in dem Jahresbericht der Schule 1935 schrieb (S. 6; siehe Anm. 16).) Als weitere, gleichgerichtete Betätigung Schmidts ist auch die folgende zu beachten: „In Zusammenarbeit mit der Landesunterrichtsbehörde, deren Präsident [Witt] zugleich Leiter der Fachausschüsse [der VNH] war, und dem NS-Lehrerbund, Gau Hamburg, stellte die Vereinigung plattdeutsche Lesehefte zusammen (Gaustelle für Niederdeutsch im NS-Lehrerbund 1936 bzw. Vereinigung Niederdeutsches Hamburg 1937). (…) Eine eigene Schriftenreihe, herausgegeben von [dem nationalsozialistischen Germanistik-Professor der Universität] Hans Teske und Rudolf Schmidt, brachte programmatische Vorträge und Abhandlungen; die Hefte wurden intern 'Schulungsblätter' genannt, und für die angeschlossenen Vereine gab es eine Abnahmeverpflichtung.“(Töteberg (1994), S. 140)
29 Erstes Zitat: ebd., S. 48 (Hervorhebung im Original); zweites Zitat: aus Schmidts „Vorwort“ (S. 7/8) zum ersten Band der Reihe „Die Bauerndörfer vor den Toren Hamburgs“, die Schmidt für die Vereinigung Niederdeutsches Hamburg, Fachgruppe Heimatliche Geschichte, herausgab: Clasen/Rehders/Apel (1938). Einstimmende Worte „Zum Geleit“ lieferte NS-Innensenator Richter, der sich eine Volksgemeinschaft vorstellte, „in der die Liebe zu einer schönen Heimat sich als feste Grundlage für die Liebe zu Volk und Führer erweist“(S. 5). Schmidts Mitverfasser der Hamburg-Geschichte (Anm. 26) sowie Mitarbeiter in der VNH, Ludwig Lahaine, schrieb dann eine positive Besprechung in der Zeitschrift des Hamburger Geschichtsvereins (siehe Lahaine 1940). - Das Interesse an „rassisch reinem Blut“ und dementsprechender „Familiengeschichte“ ließ Schmidt auch die Initiative ergreifen, sich mit Hamburgs führendem Rassenbiologen Walter Scheidt – Professor an der Universität – in Verbindung zu setzen. 1937 schrieb er: „Schon ist die Verbindung zu Professor Scheidt von der Hansischen Universität (…) gesichert – und was als Arbeit einer einzelnen Schule und ihrer Elternschaft begann, das wird endigen in einer Gesamtschau des weit verästelten, aber zu gemeinsamem Einsatz für die neue Hansestadt Hamburg aufgerufenem Volkstums dieses Gemeinwesens.“ (Vereinigung Niederdeutsches Hamburg (Hg.) (1937), S. 84)
30 Schmidts eigene Formulierungen: Vereinigung Niederdeutsches Hamburg (Hg.) (1937), S. 51, die Worte des Staatsrats: ebd., S. 84/85
31 Ab 1939 wechselte die VNH ihr publizistisches Organ („Niederdeutsche Warte“), verlor danach an Bedeutung (siehe Töteberg (1994), S. 141/142). Noch im Dezember-Heft der „Niederdeutschen Warte“ 1940 schrieb Rudolf Schmidt einen Gedächtnis-Artikel für den Volkskundler Ernst Finder; 1941 musste diese Zeitschrift ihr Erscheinen einstellen. Die „Mitteilungen aus dem Quickborn“ dagegen konnten noch vergleichsweise lange - bis Dezember 1944 - publiziert werden, dann war auch dort das Ende erreicht.
32 Die Zeilen stammen aus C.F. Meyers Gedicht von 1886 „Friede auf Erden“. - Alle Zitate aus Schmidts Beitrag in Schnoor (Hg.) (1941), S. 19-22. Walter Schnoor, der sich auch im Rahmen der VNH betätigte, trat hier als „Referent im Reichspropagandaamt Hamburg“ auf. Die Ausstellung, heißt es in diesem Begleitheft, wird für die „Kriegsbuchwoche 1941“ „im Auftrage des Werbe- und Beratungsamtes für das deutsche Schrifttum im Reichministerium für Volksaufklärung und Propaganda vom Reichspropagandaamt Hamburg“ organisiert. (Vor S. 1) Diese „Buchwoche“ fand im Oktober/November 1941 im gesamten von NS-Deutschland kontrollierten Raum statt, in Hamburg lief die Ausstellung „bis zum 9. November 1941 täglich“ und war „unter Mitwirkung des Hamburger Buchhandels zusammengestellt“. Mitarbeiter der Ausstellung bzw. des Begleitheftes waren u.a. der Direktor des Museums , Professor Dr. Otto Lauffer; der nach 1945 hoch angesehene, damals in Hamburg dozierende Germanist Dr. Fritz Martini (Mitglied der NSDAP und SA ab 1933); der Kolonialgeschichtler und Universitätsrektor Professor Dr. Adolf Rein; der Historiker und Leiter des Staatsarchivs Professor Dr. Heinrich Reincke usw. In diese illustre Mitarbeiterliste reihte sich dann auch „Professor Dr. Rudolf Schmidt“ ein; und es fehlte auch nicht sein VNH-Kollege Dr. Ludwig Lahaine (siehe Anmerkung 26). Lahaine steuerte zwei Beiträge bei: „Die Befreiung Europas von der Zwingherrschaft Napoleons I“ (S. 12) und „Der Wiederaufstieg des Reiches zur europäischen Ordnungsmacht“ (S. 13-15). (Die gesamte Mitarbeiter-Liste: hintere innere Umschlagseite)
33 Rudolf Schmidt, „Unsere Soldaten schaffen wertvolle Heimatschriften“, „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 36/1943-1944, S. 10
34 Rudolf Schmidt, „Adolf Bartels zum Gruß!“, ebd., S. 6
35 Ebd., S. 7
36 Ebd., S. 76
37 Rudolf Schmidts Rezension zu: Heinrich Smidt, Hamburg und die Antillen. Ein Seeroman, Hamburg o.J., ebd., S. 70
38 Schmidts Rezension zu : Lübecker ABC. Bilder von Carl Julius Milde, Brüssel o.J. (zuerst 1857), in ebd., S. 71
39 Schmidt zitiert hier aus der „Einleitung“ von Cyriel Verschaeve (eines flämischen Nationalisten und NS-Kollaborateurs) zu: Alfred Ehrhardt, Ewiges Flandern, Hamburg 1943, rezensiert in: ebd., S. 67. - Aus weiteren Buchbesprechungen lässt sich die gesamte Tonlage ergänzen. So liest sich Ende 1944 der Verweis auf die schicksalsbestimmende „Vorsehung“ kaum mehr als Ermutigung (Schmidt zitiert aus Friedrich Meinecke, Erlebtes 1862-1901, Leipzig 1941): „Das meiste, was wir in unserem Leben tun, rühret von denen Verbindungen und Umständen her, in die uns frühe die Vorsehung setzet“ (im „Quickborn“-Heft S. 25/26), und die gegebenen Umstände werden in düsteren Farben gezeichnet, wenn Schmidt zu einer zeitgenössischen Volkskundearbeit bemerkt, der moderne Volkskundler werde „nicht umhin können, auch in jenen Zeiten den untergründigen Kräften des Volkstums nachzuspüren, die nach außen hin ein wenig erfreuliches Bild abgeben.“ (S. 26/27, zu Maria Röhrig, Haus und Wohnen in einem sauerländischen Dorfe, Münster 1941). Angesichts des nicht mehr zu leugnenden Zusammenbruchs der NS-Gegenwart überkommen Schmidt nostalgische Sehnsüchte nach vergangenen, besseren Tagen: „Wir klagen, daß wir so arm geworden sind“, schreibt er zu zwei Zusammenstellungen von Bildern Philipp Otto Runges (Brüssel 1943 und Berlin o.J.) „Können wir uns nicht trotz allem großer Reichtümer freuen? (…) Wie ein Gruß aus vergangenen Zeiten mutet die (…) schmale Mappe an (…).“ (S. 69) Und schließlich eine ganz persönliche Klage: „Kein Sommerferien-Anfang ohne die Bauernburgen des Artlandes, ohne das herrliche und ausgedehnteste Freilicht-Museum: Cloppenburg! Lang, lang ist's her, seit das einmal für mich ungeschriebenes Gesetz war.“(Zu: Heinrich Ottenjann, Das Museumsdorf in Cloppenburg, Oldenburg 1944 und ders., Wie stellt man den Altzustand eines Bauernhauses fest?, Oldenburg 1944; S. 67/68). Der Blick in die Zukunft dagegen ist von Ungewissheit, geradezu Verzagtheit bestimmt: Die Würdigung eines Buches, das zu einer thematischen Reihe gehören soll, führt zu der wenig Zuversicht vermittelnden, abschließenden Bemerkung: „Es bleibt nur der aufrichtige Wunsch: möchte es gelingen, die Reihe unter Einsatz gleich bedeutender innerer und äußerer Mittel abzuschließen.“ (Zu: Heinrich Hunke (Herausgeber), Hanse, Rhein und Reich, Berlin 1942; S. 66-68, Zitat: S. 66) Ebenso zur zweiten Auflage eines Bändchens „Hamburger Miniaturen“: „Ein Kriegsgewand haben die, aus der 1. Auflage bereits bekannten Gestalten Thorns angenommen, schlicht, aber ansprechend. (…) Insgesamt eine reizende Hamburgensie, die hoffentlich in die rechten Hände kommt, wenn nicht
jetzt, dann, mit der 3. Auflage, in künftigen Tagen.“ (Zu: Eduard Thorn, Hamburger Miniaturen, Hamburg o.J.; S. 69) Schließlich bricht das ganze Elend des untergehenden NS-Reichs aus Schmidts Empfinden hervor: „Der Hamburger braucht Kraft, das Schicksal zu meistern (...)“, schreibt er zu einer Darstellung des Großen Brandes von 1842 in Hamburg. Diese Schilderung sei „heute doppelt das Herz ergreifend, nun wir einer weit furchtbareren Heimsuchung gegenüberstehen.“ (Zu: Paul Schurek, Der Hamburger Brand, Hamburg 1943; S. 67) Am Ende sind es nicht mehr die neue Zeit, der neue Geist und der neue „große Mann“, auf die Schmidt verweist. Stattdessen beeindruckt ihn das Hamburg-Buch eines Historikers vor allem deshalb, weil es eine Darstellung sei, die „eine monumentale Gestaltung hanseatischen Bürgertums ist und als solche gerade in unserer Zeit auch eine eminent politische Aufgabe erfüllt.“ (Zu: Percy Ernst Schramm, Hamburg, Deutschland und die Welt, München 1943; S. 68)
40 Siehe Oberlach (2004), S. 95.
41 Wacker (2004), S. 98
42 Vorläufer Landahls – in der Anfangszeit der Lichtwarkschule – war auch Peter Petersen als Schulleiter (1919-21) bzw. Lehrer (bis 1923), um danach eine Professur an der Universität Jena zu übernehmen. Petersen galt damals und noch lange danach als führender Reformpädagoge, bevor eine Diskussion seiner Rolle im „Dritten Reich“ seinen „Ruf“ inzwischen nachhaltig beeinträchtigte. Zur Lichtwarkschule siehe u.a. Hochmuth (1985) und Wendt (2000); zu Petersen u.a. Ortmeyer (2009).
43 Siehe zu Landahl in der NS-Zeit in Hamburg: Nicolaysen (2012), besonders S. 177ff. - Vgl. Uwe Schmidts Darstellung, wonach – laut Zeitzeugenberichten – ein „Gesprächskreis von Lehrern der höheren Jungenschulen“ sich „wäherend der Jahre 1933 bis 1945 in regelmäßigen Abständen im Blankeneser Strandcafé“ traf – und Landahl gehörte dazu. Es soll („möglichst unbeobachtet“) um „pädagogische und schulpolitische Fragen“, u.a. auch um den „Wiederaufbau des höheren Schulwesens nach dem Kriege“ gegangen sein. (Schmidt (2010), Band 1, S. 700)
44 Senator H. Landahl an Margarete Schmidt, 20. März 1946 (in der Personalakte, siehe Anm. 1). - Das „neue“ Hamburger Schulwesen sollte – so Landahl am 3. Juli 1945 im Rundfunk - u.a. „das Wesen einer wahren Demokratie“ vermitteln und eine „lebendige Demokratie“ einüben. („Wir alle müssen ja erst wieder lernen, daß wir nicht mehr in einem Zwangsstaat leben (…).“ [Hervorhebungen im Original]) Er versicherte auch: „Unser Ziel ist es, daß nur solche Männer und Frauen als Erzieher der Kinder und jungen Menschen arbeiten, die in ihrer geistigen und menschlichen Haltung klar und eindeutig gegen den Nationalsozialismus und seine Methoden stehen.“ [Hervorhebungen im Original] (Landahl (1945)) Einen Monat später erklärte er am 6. August 1945 anlässlich der Eröffnungsfeier des gesamten Hamburger Schulbetriebs den Schülern der Volksschule am Graudenzer Weg : „Eure Lehrer haben seit zwölf Jahren auf diesen Tag gewartet, wo sie endlich wieder frei und stolz sich zu ihrem schönen Beruf bekennen und ihre ganze Kraft und Begeisterung Euch schenken können.“(„Heute erster Schultag in Hamburg“, „Hamburger Nachrichten-Blatt“ (Tageszeitung der britischen Militärbehörden), 6. August 1945, Faksimile in: Lehberger (1995), S. 62) Wie solche Versicherungen mit dem pädagogischen und politischen Wirken Rudolf Schmidts in den zwölf vergangenen Jahren zusammenzubringen wären, hat Landahl nicht näher erläutert. Frühzeitig hat Ralph Giordano in der Tageszeitung der KPD – ohne Landahl direkt zu nennen – auf Unstimmigkeiten in der Personalpolitik der Schulverwaltung hingewiesen, die in der NS-Zeit hervorgetretene Lehrkräfte weiter einsetzte : „Diese Jugendverderber sind wieder auf unsere Kinder losgelassen worden und bilden eine ungeheure Gefahr.“ (Giordano (1946)) Schmidt war insofern kein Einzelfall. (Siehe dazu u.a. die biografischen Belege bei de Lorent (2016).) Landahl ging im Sommer 1945 nicht davon aus, die Reformtradition der Lichtwarkschule fortzusetzen – es fehlte (nicht nur ihm) der „Mut (…), an die mit Füßen getretenen und z.T. dann auch mißbrauchten Reformideen der zwanziger Jahre wiederanzuknüpfen“ (Grolle (1990), S. 19). Vielleicht fehlte nicht nur der Mut, sondern auch der Wille.
45 „Neue Hamburger Presse“, 20. März 1946 – die NHP war die Wochenzeitung der britischen Militärbehörde für Hamburg und Schleswig- Holstein. – Der Artikel („Rudolf Schmidt †“) ist von „H.S.“ unterzeichnet.
46 Ebd.
47 Der Vorsitzende des Vereins, Kurt Detlev Möller, reihte Schmidt 1950 in die Vielzahl der „um den Verein verdienten Männer“ ein, deren Tod zu betrauern sei, und es wurde daran erinnert, dass Schmidt noch am 11. März 1944 zum Vereinsleben einen Vortrag beigesteuert hatte: „Prof. Dr. Rud. Schmidt, Auf dem Wege zu deutscher Seegeltung, 150 Jahre Reederei Rob. M. Sloman jr. (m. Lichtb.)“. ( Kurt Detlev Möller (1950), S. 134; zu Schmidts Tod: S. 137 und 138)
48 Siehe die Darstellung bei Grolle/Lorenz (2007) (allerdings ohne Nennung Schmidts); Schmidts Beteiligung an der Manuskript-Affäre wird in Asendorf (2005/2006) erläutert. Es geht um den Text von Gustav Leo zu dem englischen Ingenieur William Lindley. (Erschienen als: Gustav H. Leo, William Lindley. Ein Pionier der technischen Hygiene, Hamburg 1969) Leo (1868-1944) wurde mit seiner Frau im September 1944 verhaftet, im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert, dann in das Untersuchungsgefängnis verlegt – wegen angeblicher „staatsfeindlicher Betätigungen“. Ihm wurden „notwendige Medikamente gegen sein Herzleiden verweigert“. Am 8. Dezember 1944 wurde er ins Krankenhaus Alsterdorf verlegt „und starb noch am selben Tag“. (Koser [o.J.])
 

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NS-Dabeigewesene

Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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