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Rudolf Klophaus

(14. Januar 1885 Solingen - 3. Juli 1957 Hamburg)
Architekt, ohne wissenschaftliches Studium.
Mohlenhofstraße 7 (Wirkungsstätte)
Namensgeber für: Klophausring , benannt 1979, Stadtteil Allermöhe
Fuhlsbüttler Straße 756, Ohlsdorfer Friedhof, Grablage: V 6, 25-26

Im September 2020 berief die Behörde für Kultur und Medien eine Kommission aus acht Expertinnen und Experten, die Entscheidungskriterien für den Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg entwickeln und Empfehlungen zu möglichen Umbenennungen aussprechen sollte.

Zum Klophausring gab die Kommission im März 2022 die Empfehlung, den Straßennamen mit weiterführenden Informationen kritisch zu kontextualisieren, z. B. mittels eines Erläuterungsschildes unter dem Straßennamenschild. Folgende Begründung gab die Kommission: „Klophaus war Nutznießer und Profiteur des NS-Regimes. Er hatte enge Verbindungen zu Hamburger NS-Funktionären. Außerdem war ihm bekannt, dass auf den von ihm Überwachten Baustellen KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. Dies sollte durch eine Kontextualisierung deutlich werden.“ (Abschlussbericht der Kommission zum Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg, Feb. 2022, www.hamburg.de/contentblob/15965308/8ee2e6d28dbd23e8df84bf75ceabda98/data/empfehlungen-kommission-ns-belastete-strassennamen.pdf)

 

Rudolf Klophaus stammte aus einer kinderreichen Arbeiterfamilie und absolvierte nach der Volksschule eine zweijährige Lehre als Zeichner bei dem Solinger Architekten Ernst Buschmann. Parallel dazu war er Schüler der Gewerblichen Fortbildungszeichenschule in Solingen, eine Art Berufsschule für den künstlerisch-gestaltenden Bereich. 1901 begann er eine Ausbildung zum Baumeister. Zusätzlich arbeitete er in den Sommermonaten als Bautechniker im Büro von Eduard Ley und besuchte in den Wintermonaten die Königlich Preußische Baugewerkeschule in Aachen. Nachdem er die Ausbildung 1906 mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, übernahm er kurzzeitig eine Stelle als Bauleiter in Lennep, danach leistete er einen einjährigen Militärdienst. Ab 1908 war er in Düsseldorf im Büro des Architekten Otto Frings tätig. Zugleich bildete er sich an der dortigen Handelskammer und durch Vorlesungen an der Technischen Hochschule Darmstadt zum Architekten weiter. Infolge einer Verwundung im Ersten Weltkrieg blieb sein linker Arm dauerhaft gelähmt und er wurde vom Militär freigestellt. 1916 zog Klophaus nach Hamburg und übernahm eine Stelle als Abteilungsleiter im Ingenieurbüro Theodor Speckbötel. Anfang 1920 gründete er, 35-jährig, mit dem aus der Schweiz stammenden Architekten August Schoch (1881–1957) in Hamburg ein Architekturbüro.[1] 1922 trat er in den Bund Deutscher Architekten ein.[2]

Zu den ersten Aufträgen von Klophaus und Schoch gehörte die Errichtung von Wohnblocks für die Baugenossenschaft des Mietervereins von Groß-Hamburg am Kaiser-Friedrich-Ufer in Eimsbüttel. Bis 1931 bauten beide überwiegend Geschosswohnungen, bald vor allem im Backsteinstil und vielfach für unter dem Hamburger Oberbaudirektor Fritz Schumacher entstehende Großwohnsiedlungen, unter anderem in Dulsberg, Ohlsdorf und Winterhude. Dabei, so der Architekturhistoriker Jan Lubitz, wahrte Klophaus „durch teils rustikale, teil vom zeitgenössischen Expressionismus geprägte Details Distanz zum aufkeimenden Neuen Bauen“.[3] Hinzu kamen Einfamilienhäuser, Fabrikbauten sowie Büro- und Geschäftsgebäude. 1923/24 erhielten Klophaus und Schoch den Auftrag, das Gebäude der Patriotischen Gesellschaft von 1765 an der Trostbrücke umzubauen und aufzustocken, 1926/27 beteiligten sie sich an dem internationalen Architektenwettbewerb für den Völkerbundpalast in der Schweizer Stadt Genf, 1927 bauten sie das Kontorhaus Mohlenhof in der Hamburger Altstadt. Im selben Jahr kam der Architekt Erich zu Putlitz (1892–1945) als Kompagnon hinzu. Mehr als 20 angestellte Architekten arbeiteten zeitweilig für das Büro,[4] das sich nun Klophaus, Schoch & zu Putlitz nannte.[5]

In der Weltwirtschaftskrise 1932 kündigte Klophaus die Bürogemeinschaft und führte das Büro unter seinem Namen allein weiter. Noch im selben Jahr gewann er zusammen mit dem Bochumer Architekten Artur Tachill (1903–1981) den von den Traditionsverbänden des Füsilier-Regiment „General Ludendorff“ (Niederrheinisches) Nr. 39 ausgelobten Wettbewerb für eine Kriegergedenkstätte in Düsseldorf. Auf Platz zwei kam ein anonym eingereichter Entwurf, bei dem sich wenig später herausstellte, dass er ebenfalls von Klophaus stammte. Das Preisgericht erklärte daraufhin diese Einreichung für ungültig.[6] Der prämierte Entwurf ersetzte ein erst 1928 im Auftrag der Traditionsverbände errichtetes Denkmal. Es hatte zur Überraschung der Kriegsveteranen, die es völkisch deuteten, wegen seiner Gestaltung erhebliche Kritik ausgelöst – in nationalsozialistischen Kreisen und vor allem bei General Erich Ludendorff.[7] Dieser sagte seine Teilnahme als Ehrengast an der Einweihung ab und schrieb später, das Denkmal sei eine „Verhöhnung soldatischen Heldentums“ gewesen: „Die beiden liegenden Rohlinge im feldgrauen Rock waren plumpe, niederrassische Halbtiere, geeignet, den Soldaten des alten Heeres und Soldatentum und Heldenverehrung an der Westgrenze des Reiches im Sinne jüdischer Weltanschauung herabzusetzen […]. Es dauerte sehr lange, bis ich durchdrang. Erst allmählich öffneten sich auch die Augen der Kameraden.“[8] Die Nationalsozialisten ließen das alte Denkmal kurz nach der Machtübergabe 1933 als „unheldisch“ und „entartet“ abreißen, der Klophaus-Tachill-Entwurf wurde ab Ende 1936 umgesetzt. Er entsprach demnach in seiner Ausfertigung sowohl den Vorstellungen Ludendorffs, der ein neues Denkmal gefordert hatte, als auch der nationalsozialistischen Kunstauffassung. Im Oktober 1936 erklärten sich Klophaus und Tachill vertraglich damit einverstanden, ihren ursprünglichen Entwurf noch zu überarbeiten, um „die Erinnerung an die Taten der drei Regimenter“, derer umgekommener Soldaten gedacht werden sollte, stärker zu betonen; auch sollte besonders auf „eine volkstümliche Ausdrucksform“ geachtet werden. Die im Rahmen der Überarbeitung hinzugefügten Reliefs der marschierenden Soldaten schuf der Bildhauer Richard Kuöhl (1880–1961), der auch 1936 für die Nationalsozialisten das Kriegerdenkmal am Hamburger Stephansplatz entwarf. Es zeigt ebenfalls marschierende Soldaten und trägt unter anderem die Inschrift „Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssen“. Bei der Einweihung der Düsseldorfer Kriegergedenkstätte 1939 trat ein „Ehrensturm“ einer SA-Standarte auf dem 8000 Personen fassenden Aufmarschplatz vor dem Denkmal an.[9] Eine Einordnung der neuen Kriegergedenkstätte findet sich auf der von der Stadt Düsseldorf 1986 vor Ort hinzugefügten Tafel: „Bewaffnete Soldaten steigen aus der Gruft und ziehen in Reih und Glied mit ungebrochenem Kampfwillen in den Krieg. In der Heroisierung der Gefolgschaft wird die mit jedem Krieg verbundene Erfahrung des Leids und des Todes unterschlagen.“[10]

Von 1923 bis 1932 war Klophaus Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (ab 1930 Deutsche Staatspartei); von 1925 bis 1933 gehörte er der Freimaurerloge „Zur Hanseatentreue“ an. Ende April 1933 beauftragte er die Aufnahme in die NSDAP, die daraufhin offiziell zum 1.5.1933 erfolgte.[11] Freimaurer durften generell nicht Mitglied der NSDAP werden und ehemalige auch nur dann, wenn sie vor der Machtübergabe aus ihrer Loge ausgetreten waren und „auf Ehre und Gewissen“ versicherten, dass sie sich von dem der Loge geleisteten Eid „durch Austritt gelöst fühlten und keinerlei Bindungen mehr zu ihr aufwiesen“.[12]
Der BDA, dem Klophaus ebenfalls angehörte, sagte im April 1933 mit einem „Nationalen Aufbauprogramm“ dem NS-Regime seine „selbstlose Mitarbeit“ zu,[13] was die Fachpresse mit den Worten kommentierte: „Die Gleichschaltung ist inzwischen überall durchgeführt worden. Der Bund deutscher Architekten ist damit zu einem starken Kulturinstrument der nationalen Regierung geworden. Er steht mit allen seinen Kräften hinter der Regierung und dem Reichskanzler und Führer Adolf Hitler.“[14] Als der seit Ende März 1933 amtierende BDA-Präsident, der überzeugte Nationalsozialist Eugen Hönig, zudem im September 1933 in die Reichsleitung des völkisch-antisemitisch ausgerichteten Kampfbundes für deutsche Kultur (KfdK) berufen wurde, forderte er die BDA-Mitglieder auf, zusätzlich dem Kampfbund Deutscher Architekten und Ingenieure (KDAI) beizutreten, um damit auch dem KfdK anzugehören.[15] 1931 von der Politischen Zentralkommission der NSDAP als Unterorganisation des Kampfbundes für deutsche Kultur gegründet, sollte der KDAI „die berufsständische Eingliederung der Architekten und Ingenieure in den kommenden Ständestaat“ vorbereiten. 1932 hatte er schon mehr als 2000 Mitglieder und damit, so der Technikhistoriker Karl-Heinz Ludwig, „sicherlich den Großteil der Architekten und Ingenieure, die sich damals aktiv zum Nationalsozialismus bekannten“.[16] Ob Klophaus der Aufforderung folgte, dem KDAI beizutreten, lässt sich nicht belegen. Schon wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft ist es denkbar. Als der KDAI im Mai 1934 aufgelöst wurde, gingen alle Mitglieder in die Nachfolgeorganisation NS-Bund Deutscher Techniker (ab 1936 NS-Bund Deutscher Technik, NSBDT) über. Klophaus gehörte dem NSBDT zirka vier Jahre lang an.[17] Wann er eintrat, ist nicht bekannt, gegebenenfalls im Mai 1934. Beim NSBDT handelte es sich um einen an die NSDAP angeschlossenen Verband, in dem alle technisch-wissenschaftlichen Vereine und Verbände des Deutschen Reichs vereinigt waren; er nahm ausschließlich NSDAP-Mitglieder auf.[18]

Im Rahmen der Gleichschaltung führte der BDA auch den „Arierparagrafen“ ein.[19] „Rassisch“ nicht der NS-Ideologie entsprechende Mitglieder wurden ausgeschlossen und damit in der Folge ihrer beruflichen Existenz beraubt. Die Nationalsozialisten trieben sie in die Emigration, deportierten sie in Konzentrationslager und ermordeten viele von ihnen. Davon betroffen waren unter anderem die Hamburger Karl Schneider, Semmy Engel, Ernst und Oskar Gerson sowie Gustav Oelsner. Alle „arischen“ BDA-Angehörigen, darunter Klophaus, wurden mit Stichtag 15.12.1933 automatisch Mitglied der Reichskammer der bildenden Ku¨nste, eine der sieben Einzelkammern der am 22.9.1933 unter Vorsitz des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels gegründeten Reichskulturkammer. Deren Aufgabe war die Förderung „der deutsche[n] Kultur in Verantwortung für Volk und Reich“.[20] Es durfte nur noch als Architekt arbeiten und sich an vom Regime ausgeschriebenen Wettbewerben beteiligen, wer der Reichskammer der bildenden Künste und damit der Reichskulturkammer angehörte, was wiederum die Mitgliedschaft in der NSDAP voraussetzte – so wie vom BDA im April 1933 verlangt.[21]

1933 beteiligten sich Klophaus und Tachill an dem Ideenwettbewerb für den Neubau einer Reichsführerschule in München, wo ihr Entwurf in die engste Wahl kam. Darüber hinaus erhielten sie 1934 den ersten Preis in dem vom Hamburger NSDAP-Senat ausgeschriebenen Wettbewerb für ein „Denkmal zu Ehren der Gefallenen der nationalsozialistischen Erhebung“ auf der Moorweide vor dem Dammtorbahnhof. Laut Ausschreibung sollte es in „der Zeit entsprechenden Formen die Größe der Opfer und die Größe des endlich errungenen Sieges sinnfällig zum Ausdruck bringen“.[22] Zugelassen waren alle Architekten „deutscher Abstammung“[23]; sie sollten sich gemeinsam mit einem Bildhauer bewerben. Klophaus und Tachill reichten einen Entwurf zusammen mit dem Bildhauer Walter J. Becker aus Dortmund ein. Der Entwurf zeigte, so das Preisgericht in seiner Begründung, „eine lange, die Wagerechte (sic!) stark betonende Baumasse, deren bildnerischer Schmuck – stürmisch marschierende S.A. – deren revolutionäres Vordringen zum Ausdruck bringen sollte. In glücklicher Verbindung zu diesem Teile der vorzüglich gegliederten Gesamtanlage steht der schlanke Träger des Hoheitszeichens der Partei, zu dem die Marschkolonnen hinstreben. Am abgekehrten Ende des flachen Baukörpers ist eine gut gegliederte, maßstabgebende und die Bildwand zum Baukörper sichtbar gestaltende Ehrenhalle angeordnet“.[24] Weder der Neubau der Reichsführerschule noch das Denkmal wurden realisiert.

1936 gewannen Klophaus und Tachill den unter Architekten „arischer Abstammung“ ausgeschriebenen Wettbewerb für ein „Denkmal für die gefallenen Helden“ des Ersten Weltkriegs in der bayerischen Kleinstadt Gunzenhausen. Ein rund 1000 Menschen fassender Aufmarschplatz mit Rednertribüne und Siegessäule sollte symbolisch und architektonisch das Gedenken an die 140 namentlich genannten Soldaten mit einem „Heldenhain“ für die 1923 beim Hitler-Ludendorff-Putsch getöteten Putschisten verbinden. Nicht genannt werden durften die fünf jüdischen Soldaten aus Gunzenhausen, die im Ersten Weltkrieg umgekommen waren.[25]

Von 1934 bis 1937 errichtete Klophaus zusammen mit anderen Architekten ein neues Wohnquartier in einem Sanierungsgebiet der Hamburger Neustadt. Die Nationalsozialisten hatten dort große Teile des Gängeviertels abreißen lassen, eine Hochburg der KPD sowie das ursprünglich jüdische Zentrum der Stadt. 1936/37 entwarf Klophaus die Wohnanlage Altstädter Hof im Kontorhausviertel der Hamburger Altstadt, bei der er erneut mit dem Bildhauer Richard Kuöhl zusammenarbeitete, sowie 1938 durch Vermittlung des Hausmaklers Albert Volckerts das Pressehaus der NS-Zeitung Hamburger Tageblatt am Speersort (heute Sitz der Wochenzeitung Die Zeit). Das Signet des Hamburger Tageblatts war eine mit Hakenkreuz versehene Hansekogge, Bildhauer Richard Kuöhl gestaltete es leicht abgewandelt für den Bau als Relief. Zur Grundsteinlegung am 22.10.1938 kam der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda und Präsident der Reichskulturkammer Joseph Goebbels.

Ebenfalls 1938 erhielt Klophaus den Auftrag, für die Hamburger Hochbahn nahe dem Hauptbahnhof zwischen Johanniswall und Klosterwall ein monumentales Doppelgebäude aus Kraftverkehrshaus und fast 70 Meter hohem „Turmbau“ vor allem für die Verwaltung zu errichten. Diesmal hatte sich der Hochbahn-Generaldirektor und -Vorstandsvorsitzende Friedrich Stanik (SA-Brigadeführer und ab 1939 Träger des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP) für Klophaus verwendet. Beide hatten sich nach dessen Aussage 1934 im Deutschen Bierhaus am Hauptbahnhof kennengelernt und angefreundet.[26] Klophaus gab in seinem Entnazifizierungsverfahren an, dass er den Auftrag der Hochbahn nicht bekommen hätte, wäre er kein NSDAP-Mitglied gewesen.[27] Nach Kriegsbeginn wurde der Bau 1940 gestoppt und die bereits errichteten Teile wurden nach Kriegsende abgerissen.

In seinem Entnazifizierungsverfahren merkte Klophaus rückblickend zu den Aufträgen in jener Zeit an, dass ihm auch noch größere erteilt worden wären, wenn er nur gewollt hätte: „Weil ich kein aktiver Nationalsozialist war, habe ich mich nie um die Aufträge für die grossen Palastbauten im übrigen Deutschland beworben. Es wäre mir mit Rücksicht auf meine früheren Erfolge bestimmt ein leichtes gewesen, derartige Aufträge von der Partei zu erhalten.“[28]
Im Zweiten Weltkrieg wurde Klophaus wegen seiner Armlähmung nicht als Soldat eingezogen und erhielt bis 1945 überwiegend Aufträge für Wohnbauten. Unter anderem errichtete er in Nienstedten für die Wehrmacht zwei Siedlungen für Offiziere des ab März 1940 in der Manteuffelstraße stationierten Luftgaukommandos XI.[29] Es war der Luftflotte 2 unterstellt, die unter anderem den Angriffskrieg der Wehrmacht in Westeuropa, England, der Sowjetunion und dem Mittelmeerraum unterstützte. 1942/43 übernahm er im von Deutschland besetzten Lothringen für das Wiederaufbauamt Metz Planungen zur Beseitigung von Kriegsschäden und Instandsetzung enteigneter Erbhöfe.[30] Diesen Auftrag, so Klophaus später in seinem Entnazifizierungsverfahren, hätte er durch Vermittlung des Senatssyndikus Wilhelm Tegeler erhalten.[31] Tegeler, seit 1929 Parteigenosse, war von 1932 bis 1937 NSDAP-Kreisleiter in Hamburg- Eimsbüttel gewesen. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten begann seine Karriere in der Hamburger Verwaltung. 1938 wurde er Leiter des Wohnwirtschafts- und Siedlungsamtes, 1943 unter anderem Generalbevollmächtigter für die Baubewirtschaftung und im April 1944 Nachfolger von Konstanty Gutschow als Leiter des Amts für kriegswichtigen Einsatz. Tegelers Führungsstil galt als skrupellos, sein Lebensstil als ausufernd. 1936/37 kam es zu Parteigerichtsverfahren, auch musste er sich mehrmals wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung verantworten. Gedeckt wurde sein Verhalten durch Karl Kaufmann, zu dessen Günstlingen er gehörte.[32]

Am 1. September 1943, nach den schweren Bombenangriffen auf Hamburg im Juli und August, ernannte Tegeler Klophaus zu einem seiner drei „Vertrauensarchitekten“ im Behelfswohnungsbau. Ab November 1943 sollten in Hamburg zunächst 18.344 Schnellbauwohnungen sowie zusätzlich Hunderte von Werkwohnungen für Arbeiter ohne Familie errichtet werden. Die Stadt übertrug den Bau privaten Unternehmen, die ihn größtenteils mit Zwangsarbeitern, vor allem italienischen „Militärinternierten“, ausführten.[33] Klophaus sollte sich um den Werkwohnungsbau kümmern. Von dieser nebenamtlichen Anstellung profitierte er auch mit seinem eigenen Büro. Der von ihm am 23.5.1944 mit Tegeler für die Gemeindeverwaltung der Hansestadt Hamburg Bauverwaltung geschlossene Vertrag hielt fest:

„Mit Wirkung vom 1. September 1943 habe ich Sie zur Mitarbeit in der Bauverwaltung herangezogen und Ihnen die Aufgaben übertragen, die dem Gauwohnungskommissar zur Durchführung des Werkwohnungsbauprogramms obliegen. In dieser Eigenschaft erfüllen Sie nach den Weisungen des Gauwohnungskommissars öffentliche Aufgaben.
Ihr Aufgabengebiet erstreckt sich auf die vom Herrn Reichsstatthalter genehmigten Bauvorhaben, soweit sie in der inneren Stadt liegen und nach ihren Plänen durchgeführt werden.

Sie sind berechtigt, durch Ihr eigenes Architekten-Büro insgesamt bis zu 2.500 Wohnungen selbst auszuführen. Die Aufträge dafür erteilen die Trägergesellschaften.“[34]

Im März 1944 zeichnete Klophaus für 5545 Werkunterkünfte in 28 Baugebieten verantwortlich, darunter 552 Wohnungen auf dem Heiligengeistfeld .[35] Die meisten der dortigen Behelfsunterkünfte waren für Belegschaftsangehörige von Blohm & Voss vorgesehen. Die Werft setzte auch eigene Arbeiter sowie zahlreiche Zwangsarbeiter als Hilfskräfte ein, auch hier zunächst überwiegend italienische „Militärinternierte“. Bereits Ende Dezember 1943 hatte Klophaus zudem die Errichtung dreier Baracken beantragt – eine davon im Freihafen Ellerholzdamm als Unterkunft für italienische Kriegsgefangene, die zur Plattenfabrikation eingesetzt werden sollten.[36] Ab März 1944 beschwerte sich Rudolf Blohm, Mitinhaber von Blohm & Voss, Vizepräses der Gauwirtschaftskammer und seit 11.8.1943 Leiter des Industrieblocks 14, mehrfach über den geringen Baufortschritt auf der Baustelle Heiligengeistfeld .[37] In einer Gauleiter-Besprechung am 22.8.1944 erklärte Klophaus’ Vorgesetzter Tegeler, dass nun auch 2.500 KZ-Häftlinge für den Behelfswohnungsbau eingesetzt würden.[38] Auch erfuhren die Industrievertreter die Bedingungen, unter denen die Häftlinge arbeiten mussten: „Ueber den Einsatz von Kz-Häftlingen macht die SS zur Bedingung, dass der Einsatz nur da erfolgen könne, wo freies Schussfeld sei. Der Einsatz von Kz-Frauen könne zum Wege bereiten und Platten tragen usw. erfolgen.“[39]

In einer weiteren Besprechung mit Baufirmen am 2.9.1944, an der auch Klophaus teilnahm, kündigte Tegeler die sofortige Verlegung von 300 weiblichen Häftlingen aus dem Außenlager Sasel des KZ Neuengamme auf das Heiligengeistfeld zur Trümmerräumung und Betonplattenproduktion an. Bis Anfang Oktober solle das Gebiet bezugsfertig sein.[40] Bei diesen weiblichen Häftlingen handelte es sich vor allem um polnische Jüdinnen, die aus dem KZ Auschwitz Mitte Juli 1944 nach Hamburg zur Zwangsarbeit verschleppt und über das Außenlager Dessauer Ufer im September 1944 in das Außenlager Sasel gebracht worden waren. Dort wurden sie von bewaffneten SS-Einheiten bewacht und mussten vor allem für die Garten- und Landschaftsbaufirma Kowahl & Bruns, die während des Krieges auch allgemeine Bauaufgaben und die Tarnung militärisch relevanter Objekte übernahm, schwere körperliche Arbeit leisten. Nach Hamburg wurden sie mit Sonderzügen gebracht, sowohl im Lager als auch bei der Arbeit mussten sie KZ-Häftlingskleidung und auf der linken Brustseite ein in Form eines „Judensterns“ angeordnetes Kennzeichen tragen.[41] Sie waren also deutlich als KZ-Insassinnen zu erkennen. Firmenchef Emil Bruns inspizierte mehrmals wöchentlich die Baustelle auf dem Heiligengeistfeld und legte eine Norm fest, die für die geschwächten Frauen kaum zu schaffen war. Auch wandte er körperliche Gewalt an, um die „KZ-Frauen“, wie er sie nannte,[42] zu härterer Arbeit zu zwingen. SS-Aufseher und -Aufseherinnen schlugen und misshandelten die Frauen ebenfalls, bedrohten und beschimpften sie.[43]
Im sogenannten Sasel-Case, einem der Prozesse gegen NS-Kriegsverbrecher, die vom 23. April bis zum 10. Juni 1946 in Hamburg im Curiohaus stattfanden, verurteilte das britische Militärgericht Emil Bruns wegen Misshandlung polnischer Zwangsarbeiterinnen aus dem KZ-Außenlager Sasel. Klophaus trat in dem Prozess als Entlastungszeuge für Bruns auf und versuchte dabei gleichzeitig sich selbst zu entlasten:
„Rudolf Klophaus sworn.
I know the accused Bruns. In the spring 1944 the leadership of the building administration was not satisfied with the work. A meeting of contractors was called. I was present also. At this conference the leader of the working site ordered that 200 concentration camp women should be transferred from Poppenbüttel to Heiligen Geist Field. Although Bruns did not want to have these women, he has to give in. When Bruns had to employ these women, he took special care to see that they should get the midday meal. He also had special [unleserlich] constructed in the working site where these women could be billeted. In the middle of November 1944 I became seriously ill and did not return to the working site during the next six months. As far as I remember, Bruns was not present at the conference during which the leader of the building contractors ordered the employment of prisoners. I did protest against their employment, but with no result. I remember Bruns telling me that these women could not work at all as they had no proper clothing. As far as I know Bruns behaved exceptionally well towards workers in general and foreign labourers in particular. Bruns always tried to get additional food for the prisoners, even by illegal means. I have been to see this camp of Bruns at Fühlsbüttel (sic!) and I was surprised to see how clean and tidy it was. I know that German and foreings labourers were billeted together by Bruns. Workers and employees were paid by Bruns very well and he made social arrangements for their welfare.“[44]

(„Rudolf Klophaus, vereidigt:
Ich kenne den Angeklagten Bruns. Im Frühjahr 1944 war die Spitze der Baubehörde mit der Arbeit nicht zufrieden. Ein Treffen der beteiligten Unternehmen wurde einberufen. Ich war ebenfalls anwesend. Bei dieser Konferenz befahl der Leiter der Baustelle, dass 200 Konzentrationslagerfrauen von Poppenbüttel zum Heiligengeistfeld verlegt werden sollten. Obwohl Bruns diese Frauen nicht wollte, musste er einwilligen. Als Bruns diese Frauen beschäftigen musste, bemühte er sich sehr darum, dass sie ein Mittagessen bekommen. Er ließ besondere [Unterstände] auf der Baustelle konstruieren, damit die Frauen untergebracht werden konnten. Mitte November 1944 wurde ich ernsthaft krank und kehrte für sechs Monate nicht auf die Baustelle zurück. Soweit ich mich erinnere, war Bruns nicht anwesend auf der Konferenz, auf der die Leiter der Bauunternehmen die Beschäftigung von Gefangenen anordneten. Ich protestierte gegen deren Beschäftigung, aber ohne Ergebnis. Ich erinnere mich, dass Bruns erklärte, dass diese Frauen nicht gut arbeiten könnten, da sie keine geeignete Kleidung hatten. Soweit ich weiß, hat Bruns sich gegenüber Arbeitern und insbesondere gegenüber Fremdarbeitern außerordentlich gut verhalten. Bruns versuchte immer, zusätzliches Essen für die Gefangenen zu beschaffen, sogar mit illegalen Mitteln. Ich sah das Lager von Bruns in Fuhlsbüttel und war überrascht, wie sauber und ordentlich es war. Ich weiß, dass deutsche und Fremdarbeiter von Bruns gemeinsam einquartiert wurden. Arbeiter und Angestellte wurden von Bruns sehr gut bezahlt und er machte soziale Angebote für ihr Wohlergehen.“)

Das britische Militärgericht folgte nicht Klophaus’ Darstellung über die Zustände auf der Baustelle, sondern den Aussagen früherer Häftlinge. Diese bezeugten mehrere Beispiele von Misshandlungen und wiesen auch darauf hin, dass es nur sehr kurze Zeit eine zusätzliche Suppe gab. Das Gericht verurteilte den Mitinhaber Emil Bruns zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren wegen Misshandlungen.

Klophaus erhielt nach Kriegsende mehrere kleinere Aufträge von Dienststellen der britischen Militärregierung in Hamburg, die er eigenen Angaben zufolge unentgeltlich erledigte, sowie zusammen mit dem Architekten Erich Elingius einen Auftrag für ein größeres Bauvorhaben gegen Honorar. Gegen Letzteres legte die SPD Hamburg durch ihren ersten Vorsitzenden Karl Meitmann am 22.2.1946 Beschwerde bei der Militärregierung ein, denn der BDA hätte, so Meitmann, den Dienststellen verschiedene „antifaschistische zuverlässige Architekten“ für den Auftrag vorgeschlagen. Meitmann weiter:

„Es soll die Begründung gegeben sein, daß die genannten Architekten Klophaus und Elingius deshalb den Auftrag bekommen, weil ihre Büros leistungsfähiger und größer seien als die der antifaschistischen Architekten.
Gerade dieser Umstand wird, wenn es bei dem Entscheid dieser Dienststellen bleibt, großen Entrüstung in der Architektenschaft auslösen; denn die nationalsozialistisch belasteten beiden Architekten werden mit Recht als Nutznießer des Nationalsozialismus angesehen und die Größe ihrer Unternehmungen mit gleichem Recht auf ihre langjährige Mitgliedschaft in der NSDAP zurückführt. Es wird vermutet, daß der Vorschlag, diese beiden Herren mit dem großen Bauauftrag zu betrauen, von deutschen maßgeblichen Stellen ausgegangen ist. Es wurde mir berichtet, daß Herr Elingius in einem sehr nahen Verhältnis zu Herrn Bürgermeister Petersen steht.

Ich wollte sie auf diese Umstände hinweisen und bitte Sie, die genannten beiden führenden Nationalsozialisten sich etwas näher anzusehen. Es handelt sich offensichtlich um zwei Personen, die das nationalsozialistische System durch sofortige Erwerbung der Mitgliedschaft zu ihrer eigenen Bereicherung mit Erfolg benutzt haben.“[45]
Auf der Basis des ersten Entnazifizierungsfragebogens, den Klophaus mit Datum 13.3.1946 unterschrieben hatte, konstatierte dagegen der Beratende Ausschuss: „Außer seiner Mitgliedschaft in der Partei hat Herr K. anscheinend keinerlei Bindungen zur Partei gehabt. Aktiv ist er nicht  hervorgetreten. Die Gründe für die Steigerung seines Einkommens müßten noch näher untersucht werden.“ Der letzte Satz bezieht sich darauf, dass Klophaus’ Einkommen seinen Angaben in dem Fragebogen nach von rund 40.000 Reichsmark (RM) 1935 sprunghaft auf 76.500 RM im Jahr 1936 stieg und 1939 rund 108.000 RM erreichte, er also möglicherweise ein NS-Profiteur war.

Die britische Militärregierung ordnete weitere Untersuchungen durch das Kriminalamt der Polizei Hamburg, Sonderdienststelle Esplanade , an; das Verfahren wurde wieder aufgenommen. Klophaus führte am 23.4.1946 zu seiner Entlastung hinsichtlich seiner „Einstellung und politischen Toleranz“ an, dass er während des NS-Regimes auch Gegner des Nationalsozialismus eingestellt hätte: den Architekten Rudolf Ladewig, ein „grosser Nazi-Gegner“,[46] der ab 1937 für ihn arbeitete und den er 1942 zum Bürochef befördert hätte; den ehemaligen SPD-Bürgerschaftsabgeordneten und 1933 aus politischen Gründen entlassenen Staatsangestellten Rudolf Qualeck 1936, den er als Hausverwalter im Altstädterhof angestellt hätte, bis er 1945 wieder in den Staatsdienst übernommen wurde; und den russischen Architekten Leo Seroff, nachdem dieser auf Veranlassung der Gestapo seine Stelle im Büro Gutschow verlor, „da er sich gegen die Nazis ausgesprochen hatte“, dieser sei „bis heute“ bei ihm angestellt. Rudolf Ladewig sei, so Klophaus außerdem, auf eigenen Wunsch bei ihm ausgeschieden, um sich selbstständig zu machen. Dessen Schwester Charlotte Müller-Spreer dagegen gab 1960 im Rahmen eines Wiedergutmachungsverfahrens an, dass Klophaus ihrem Bruder am 28. Juni 1944 mit „Rücksicht auf die augenblicklichen Zeitverhältnisse“ gekündigt hätte, weshalb dieser sich bedroht gefühlt und nach Ludwigslust abgesetzt hätte, um bei ihr zu arbeiten. Rudolf Ladewig wurde am 22. März 1945 verhaftet und im Arrestbunker des KZ Neuengamme am 21 oder 23. April 1945 hingerichtet.[47]

Im Mai 1946 wiederum sagte Klophaus aus, dass der Nationalsozialismus auch in den Jahren nach dem Eintritt in die NSDAP seine „innere Anerkennung“ fand, als er erkannte, „dass neben der Ordnung, die die Partei, der Führer, brachte, auch die nationalsozialistischen Lehren eine Umformung des deutschen Menschen bewirkte“. Ab 1937 hätte er dann Zweifel an der Parteilehre gehabt, da der Hamburger Gauleiter und Reichsstatthalter Karl Kaufmann ihn wegen seiner früheren Zugehörigkeit zur DDP und zu den Freimaurern ablehnte.[48]

Im Zuge der Untersuchungen wurden zudem zahlreiche Zeugen befragt. Mehrere davon belasteten Klophaus, darunter der Leiter des Bauseminars Dipl.-Ing. Fritz Wolff, der Vorsitzende der Hamburger Bauwirtschaft und des Entnazifizierungsausschusses der Bauindustrie Herbert Thumin sowie der Mitinhaber der Stahlhaus-Baugesellschaft Friedrich Rück. Wolff sagte in einer persönlichen Befragung im Büro des Polizeiinspektors Müllers aus: „In seiner Eigenschaft als Vertreter des Gauwohnungskommisars Hamburg unterzeichnete Klophaus alle offiziellen Schriftstücke.“ Er sei ein „entscheidender Faktor bei dem Gauwohnungskommissar. (...) Klophaus nützte seinen Einfluss auf Gauleiter Kaufmann in rücksichtsloser Weise aus, um überall das zu erhalten, was er wollte. In Architektenkreisen wurde Klophaus gefürchtet auf Grund seines frühzeitigen Eintritts in die Partei und wegen seiner guten Beziehungen zu führenden Nazis. (...) Er ist ein sehr guter Geschäftsmann und wusste seinen Nazi-Einfluss richtig anzuwenden um sein Geschäft zu vergrössern. Klophaus trat wie ein Machthaber im Geschäftsleben auf und, mit Hilfe dieser autoritären Politiker, unterstützt durch die Partei und ihren hohen Wohltäter hatte er den Wunsch, in kurzer Zeit mächtig zu werden. Sein Partei-Einfluss war scheinbar so gross, dass anlässlich meiner Beschwerde über das Benehmen von Klophaus , der Leiter meiner Dienststelle mir seinen Schutz verweigerte wegen der Partei.“[49] Ähnlich äußerte sich Thumin gegenüber Müller: „Klophaus ist mir ebenfalls seit 8–9 Jahren persönlich bekannt. Ich weiss nicht, ob Klophaus der NSDAP angehörte. Klophaus hatte aber beste Verbindungen zu führenden Nazikreisen und ist mit allen grösseren Bauaufgaben in Hamburg beauftragt worden. Klophaus hat ein Einkommen erzielt, das unverhältnismäßig hoch war. Nur durch seine Verbindungen zu den führenden Nazikreisen konnte Klophaus dieses große Einkommen erzielen.
Es ist in letzter Zeit Klophaus und Elingius gelungen, durch die unauffällige Protektion von Bürgermeister Petersen gute Verbindungen zu den englischen Dienststellen herzustellen, worüber die antifaschistischen Kreise sehr enttäuscht sind.“[50]

Insgesamt sieben Befragte bezeugten enge Verbindungen von Klophaus zur NSDAP. Andere – vor allem (ehemalige) Mitarbeiter, Geschäftsfreunde und Mieter*innen – versuchten Klophaus zu entlasten, etwa der Haus- und Hypothekenmakler Johannes Feldkirchner, der bereits erwähnte Rudolf Qualeck und der Architekt Leo Seroff. Wieder andere äußerten sich zurückhaltend wie der stellvertretende Amtsleiters beim Bauaufsichtsamt Arthur Dähn und der Bauleiter der Firma Hinrichs, Ewald Klussmann.[51]

Am 16.5.1946 fasste das Kriminalamt der Polizei Hamburg die Ergebnisse der Untersuchung in einem „Schlussbericht“ zusammen:[52] Klophaus wurde „trotz seiner früheren Mitgliedschaft in der Demokratischen Partei und einer Freimaurerloge bereits am 1. Mai 1933 Pg.“ und „bekannte sich auch innerlich zu der Nazilehre“. Außerdem hätte er die Funktion eines Vertreters des Gau-Wohnungskommissars ausgeübt, „durch seine guten Beziehungen und Stammtischfreundschaften zu prominenten Leuten der NSDAP (Stanik und Tegler (sic!)) geschäftliche und finanzielle Vorteile gehabt und sein Einkommen seit 1933 wesentlich steigern können (etwa um das Siebenfache)“. Schließlich sei er „aufgrund seiner Funktion und Einstellung mehr als nur nominelles Mitglied der Partei gewesen“ und hätte „starke Sympathien für den Nationalsozialismus bewiesen“. Er hätte zudem das Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse erhalten.
Klophaus wurde in Kategorie III, „Minderbelastete“, eingestuft. Das Büro der gewerblichen Fachausschüsse für die Ausschaltung von Nationalsozialisten entließ ihn am 24.6.1946 aus seinem Arbeitsverhältnis bei der Stadt, weil er Stellvertreter des Gauwohnungskommissars sowie aktiver Nationalsozialist gewesen sei. Dagegen legte Klophaus am 11.9.1946 Berufung ein, unter anderem mit der Begründung, dass er nur Abteilungsleiter im Wohnwirtschafts- und Siedlungsamt war. Am 1.11.1946 entzog ihm der Fachausschuss zudem rückwirkend zum 29.6.1946 die Geschäftsführung seines Büros und übergab sie treuhänderisch dem freiberuflichen Architekten Bertram Mielck.[53] Klophaus erweiterte daraufhin seine Berufung vom 11.9.1946 – so sein Rechtsanwalt A. L. Wex am 14.2.1947 in einem ausführlichen Schreiben – auch auf die Entlassung aus seiner eigenen Firma. In dem Schreiben bestritt Wex unter anderem die Zusammenfassung der Vernehmung durch die Kriminalpolizei im Hinblick auf Klophaus’ Äußerungen zum Nationalsozialismus und dessen Wirkung. Der Berufung gegen das Verbot, sein Büro zu führend und als freier Architekt zu arbeiten, wurde im Juli 1947 stattgegeben; Klophaus blieb aber in Kategorie III eingestuft, Konto sowie Vermögen blieben gesperrt.[54]

Am 6.11.1946 füllte Klophaus einen weiteren Entnazifizierungsfragebogen aus, der sich von dem ersten durch höhere Einkommensangaben unterschied. So hatte er nun 1934 rund 30.000 RM verdient, 1935 rund 50.000 RM, 1939 rund 172.000 RM, 1940 rund 188.000 RM und 1944 rund 76.000 RM. Am 10.12.1946 fügte er im Rahmen seines Berufungsverfahrens noch Umsatzzahlen hinzu: „In den Jahren 1920 bis Ende 1932 betrug die Gesamtsumme der von der Firma Klophaus – Schoch – zu Putlitz ausgeführten resp. Projektierten (sic!) Bauwerke RM 176.320.000.00. In den Jahren 1933 bis Ende 1946 betrug die Gesamtbausumme der von mir ausgeführten und projektierten Werke RM 47.960.000.00.“[55]

Am 18.12.1947 beantragte Klophaus’ Anwalt Wex die Wiederaufnahme des Berufungsverfahren; am 3.6.1948 wandte er sich an den Vorsitzenden des Fachausschusses für juristische Berufe, Dr. Curt Wessig, mit der Bitte um Unterstützung des Wiederaufnahmeantrags. Wex begründete diesen nun mit fehlenden Belegen dafür, dass Klophaus Aufträge öffentlicher oder behördlicher Stellen erhalten hätte und dass dessen Beziehungen zu führenden NSDAP-Funktionären „nur in allerflüchtigsten Form“ bestanden hätten. Am 18.11.1948 gab der Leitende Ausschuss dem Antrag statt und akzeptierte am 17.12.1948 die Berufung mit der Begründung, dass die ursprüngliche Entscheidung eine „ausserordentliche Härte“ darstellte. Der Vertreter des Fachausschusses verlangte im Berufungsausschuss, Klophaus in Kategorie V einzustufen, der Berufungsausschuss einigte sich auf Kategorie IV, „Mitläufer“.[56] Klophaus’ Konten und Vermögen wurden freigegeben.[57]

Bereits 1946 hatte sich Klophaus mit dem Architekten Karl Koch zusammengeschlossen, ihre gemeinsame Firma erhielt in Hamburg diverse Wiederaufbau- und Neubauaufträge für Wohnblocks. Trotz Klophaus’ zu der Zeit noch geltenden Konten- und Vermögenssperre machte das Büro 1948 bereits Gewinn und beschäftigte 10 Angestellte, wie aus dem Bericht des Treuhänders Mielck hervorging.[58]

1952/53 übernahm Klophaus den Wiederaufbau des Operettenhauses in Hamburg-St.-Pauli und des Wuppertaler Thalia-Theaters. An der Stelle des 1938 von ihm geplanten Hochbahn-Komplexes zwischen Klosterwall und Johanniswall errichtete er 1955/56 den City-Hof mit vier über 40 Meter hohen Bürohäusern. Zusammen mit sechs anderen Bauherren war er an dem Projekt auch selbst finanziell beteiligt.[59] Seit dem Jahr 2000 etwa wird der Abriss des City-Hofs diskutiert, der seit 2013 unter Denkmalschutz steht; Anfang 2019 wurde er vom Hamburger Senat beschlossen.[60]

Rudolf Klophaus starb 1957 im Alter von 72 Jahren während einer Gerichtsverhandlung.[61]
1979 benannte die Hamburger Senatskommission in Hamburg-Allermöhe eine Straße nach ihm in Klophausring .
Text: Frauke Steinhäuser

Quellen:
1 Jan Lubitz, Rudolf Klophaus, 1885–1957, online: architekten-portrait.de/rudolf_klophaus (Zugriff 4.12.2018); Hans Walden, Klophaus, Rudolf, in: Franklin Kopitzsch/Dirk Brietzke (Hrsg.), Hamburgische Biografie. Personenlexikon, Bd. 6, Göttingen, 2012, S. 164–166, hier S. 164 (Walden datiert Klophaus’ Beginn seiner Arbeit für den Architekten Frings auf 1909).
2 Hamburger Mitglieder der Ortsgruppe Groß-Hamburg des Bundes Deutscher Architekten bzw. Bund Deutscher Architekten, B.D.A., Landesbezirk Nord, in: Hamburger Adressbücher, Branchenverzeichnisse 1923–1933.
3 Lubitz, Klophaus.
4 Walden, Klophaus, S. 164.
5 Lubitz, Klophaus.
6 Hubert Delvos, Geschichte der Düsseldorfer Denkmäler, Gedenktafeln und Brunnen, Düsseldorf, 1938, S. 216–217.
7 Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (Hrsg.), Kriegsdenkmäler als Lernorte friedenspädagogischer Arbeit, Duisburg, 2012, S. 22–29, PDF-Download von:
Richard Kühl, Das 39er Denkmal. in: Düsseldorfer Denkmäler virtuell. Ergebnis der 1. Summer-School 2002 des Historischen Seminars der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, 2002, phil-fak.uni-duesseldorf.de/geschichte/summerschool/kolonial39er/39ertitel.html (Internet Archive, Zugriff 4.12.2018).
8 Erich Ludendorff, Vom Feldherrn zum Weltrevolutionär und Wegbereiter Deutscher Volksschöpfung. Band 2, Meine Lebenserinnerungen von 1926 bis 1933, Stuttgart, 1951. S. 178 ff., zit. nach: Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (Hrsg.), Kriegsdenkmäler als Lernorte, S. 25 f.
9 Delvos, Düsseldorfer Denkmäler, S. 216 f.
10 Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (Hrsg.), Kriegsdenkmäler als Lernorte, S. 29.
11 alle Angaben StaH 221-11 Staatskommissar für Entnazifizierung und Kategorisierung I (B) 8768 (Entnazifizierungsakte Rudolf Klophaus), im Folgenden kurz StaH 221-11_I (B) 8768
12 Jürgen W. Falter, Wer durfte NSDAP-Mitglied werden und wer musste draußen bleiben?, in: ders. (Hrsg.), Junge Kämpfer, alte Opportunisten. Die Mitglieder der NSDAP 1919–1945, Frankfurt/New York, 2016, S. 15–40, hier S. 23.
13 Jörn Düwel, Der BDA ist „neu auferstanden“. 1933: Der Beginn einer lichten Zukunft?, in: Bund deutscher Architekten (Hrsg.), Aufbruch in den Untergang 1933–1945, Berlin, o. J. (2013), S. 4–9, hier S. 5.
14 Bauwelt, Berlin, 1933, H. 19, zit. nach: Werner Durth, Deutsche Architekten. Biographische Verflechtungen 1900–1970, 3., durchges. Aufl., Braunschweig, 1988, S. 89.
15 vgl. Durth, Deutsche Architekten, S. 89.
16 Karl-Heinz Ludwig, Technik und Ingenieure im Dritten Reich, Düsseldorf 1974, S. 91; vgl. ders., „Technik“, in: Wolfgang Benz et al. (Hrsg.), Enzyklopädie des Nationalsozialismus, München, 1997, S. 257–274, hier S. 258 f.
17 StaH 221-11_I (B) 8768.
18 VDI-Zeitschrift, Jg. 79, 1935, Heft 6 v. 9.2.1935, S. 182–186, online zit. nach: www.bochumer-bunker.de/verbande_1935.html (Zugriff 19.10.2018).
19 Durth, Deutsche Architekten. S. 89.
20 § 3 Abs. 1 der Ersten Durchführungsverordnung zum Reichskulturkammergesetz, RGBl 1/1933, S. 797
21 Düwel, Der BDA ist „neu auferstanden“, S. 9.
22 StaH 131-4 Senatskanzlei – Präsidialabteilung, Denkmäler, Gedenktafeln, 1922–1940
1933 A 133 Planungen zur Errichtung eines Denkmals auf der Moorweide für die Gefallenen der nationalsozialistischen Erhebung, 1933-1936.
23 ebd.
24 ebd.
25 Ulrike Jureit, Skripte der Gewalt. Städtischer Raum und kollektive Gewalt in der mittelfränkischen Provinz, in: Wilfried Süß/Malte Thießen (Hrsg.), Städte im Nationalsozialismus. Urbane Räume und soziale Ordnungen, Göttingen, 2017, S. 47–66.
26 Walden, Klophaus, S. 165; StaH 221-11_I (B) 8768.
27 StaH 221-11_I (B) 8768.
28 StaH 221-11_I (B) 8768.
29 BArch, RL 19-11, Luftgaukommando XI (Hannover/Hamburg), Bestand, online: Archivportal Deutsche Digitale Bibliothek, www.archivportal-d.de/item/RY7P6EN32OCQ7JT2U7EXVUA7IBZKSUN7 (Zugriff 10.12.2018).
30 Walden, Klophaus, S. 165.
31 StaH 221-11_I (B) 8768.
32 Walden, Klophaus, S. 165 f.; Beate Meyer, „Goldfasane“ und „Nazissen“. Die NSDAP im ehemals „roten“ Stadtteil Hamburg- Eimsbüttel, Hamburg, 2002, S.66–71.
33 StaH 430-5 Magistrat Harburg-Wilhelmsburg (und Kreis 8 – Hauptregistratur) 66.02 - 02 Deutsches Wohnungshilfswerk und Schnellwohnungsbau, 1943-1945; Andreas Meyhoff, Blohm und Voss im Dritten Reich. Eine Hamburger Großwerft zwischen Geschäft und Politik, Hamburg, 2001, S. 442.
34 StaH 221-11_I (B) 8768.
35 StaH 430-5 Magistrat Harburg-Wilhelmsburg (und Kreis 8 – Hauptregistratur) 66.02 - 02 Deutsches Wohnungshilfswerk und Schnellwohnungsbau, 1943-1945.
36 ebd.; StaH 221-11_I (B) 8768.
37 Meyhoff, Blohm und Voss, S. 443 f.; StaH 621-1/72 Firmenarchive/Blohm + Voss 348, Bd. 8
38 StaH 621-1/72 Firmenarchive/Blohm + Voss 348, Bd. 12; bestätigt ebd. in dem „Lagebericht über den Stand des Wohnungsbaues für die Industrie am 25.8.44“ durch das Mitglied der Industrieabteilung der Gauwirtschaftskammer, Ernst L. Mueller-Dannien, an Rudolf Blohm mit Datum 28.4.1944 (Blohm hatte Mueller-Dannien im Febr. 1944 die Verantwortung für die Verteilung der Baustellen, Kontingente und Arbeitskräfte auf die Industrieblocks übertragen).
39 ebd. (Aufzeichnung Gelsner vom 24.8.1944 über eine Besprechung von Tegeler und Industrievertretern im Rathaus; Rechtschreibfehler im Original).
40 StaH 621-1/72 Firmenarchive/Blohm + Voss 23, Bd. 18; StaH 621-1/72 Firmenarchive/Blohm + Voss 346, Bd. 2, zit. n. Meyhoff, Blohm und Voss, S. 448.
41 Vgl. Heiko Humburg, Der Zwangsarbeitereinsatz im In- und Ausland durch die Hamburger Firma Kowahl & Bruns und sein Beitrag für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens 1939–1945, wissenschaftl. Hausarbeit im Fach Geschichte im Rahmen der Ersten Staatsprüfung Lehramt an der Oberstufe – Allgemeinbildende Schulen, Hamburg, [ 2005], S. 48 ff.
42 Schreiben von Bruns an Anwalt Dr. Henry Neuhaus bezüglich der eingesetzten KZ-Frauen auf dem Heiligengeistfeld vom 25.4.1946, in: Archiv Willi-Bredel-Gesellschaft, Bestand Kowahl und Bruns, Akte Essenszahlungen, Prämienzahlungen K & B an KZ Sasel.
43 The National Archives (TNA), Public Record Office London (PRO), JAG 151, Akten des Curio-Haus-Prozesses, Kriegsverbrecherprozess Sasel-Case (Konzentrations- und Arbeitslager Sasel), Kopien im Bestand der KZ-Gedenkstätte Neuengamme; vgl. Humburg, Zwangsarbeitereinsatz, S. 48 ff.
44 TNA, PRO, JAG 151.
45 StaH 221-11_I (B) 8768.
46 ebd.
47 Maike Bruchmann, Rudolf Ladewig, www.stolpersteine-hamburg.de/?MAIN_ID=7&BIO_ID=1863 (Zugriff 15.12.2018); Johannes Grossmann, Die letzten Toten von Neuengamme, in: Hamburger Abendblatt, 4./5./6.4.2015, Download-PDFs: www.stolpersteine-hamburg.de/?MAIN_ID=16 (Zugriff 20.11.2018).
48 StaH 221-11_I (B) 8768.
49 ebd.
50 ebd.
51 StaH 221-11_I (B) 8768, alle angegebenen Funktionen beziehen sich auf die Zeit der Zeugenaussagen, Mai 1946.
52 Original in Englisch, die Zitate stammen aus der deutschen Übersetzung.
53 StaH 221-11_I (B) 8768.
54 ebd.
55 ebd.
56 ebd.
57 ebd.
58 ebd.
59 Walden, Klophaus, in: Kopitzsch/Brietzke, Hamburgische Biografien, Band 6, S. 166.
60 Marc-Oliver Rehrmann, Senat: City-Hof-Abriss gefährdet Welterbe-Titel nicht, online: www.ndr.de/nachrichten/hamburg/City-Hof-Abriss-gefaehrdet-Welterbe-Titel-nicht,cityhof270.html (Stand: 28.11.2018, 09:20 Uhr, Zugriff: 28.12.2018).
61 Walden, Klophaus, in: Kopitzsch/Brietzke, Hamburgische Biografien, Band 6, S. 166.
 

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NS-Dabeigewesene

Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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