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Felix Warlimont

( Dr. Felix Franz Maria Warlimont )
(6.7.1879 Eupen - 31.10.1950 Hamburg)
Leiter der Norddeutschen Affinerie
Hovestraße 50 (Adressse der Norddeutschen Affinerie)
Grottenstraße 7 (Privatadresse)
Warlimontweg , Veddel (1959)

Felix Warlimont studierte nach dem Abitur an der Technischen Universität Aachen Metallhüttenkunde und wurde anschließend dort zum Dr. ing. promoviert. 1915 trat er in den Dienst der Metallbank und Metallurgischen Gesellschaft. 1918 machte ihn die Metallgesellschaft zum stellvertretenden Vorstandsmitglied. Anfang 1920 entsandte sie ihn nach Hamburg, um ein Gutachten über die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckende Norddeutsche Affinerie (NA, seit 2008 Aurubis) zu erstellen. Bei der NA handelte es sich um einen Betrieb zur Verhüttung von Kupfererzen zu Kupfer, die für die industrielle Produktion von erheblicher Bedeutung waren. Am 1.7.1920 übernahm er dort den Vorstandsvorsitz und reorganisierte das Unternehmen. 1925 gab er den Vorstandposten in der Metallbank und Metallurgischen Gesellschaft auf, den er noch inne hatte, und wechselte in den Aufsichtsrat. Im Jahr darauf verließ er auch den Vorstand der „Berzelius“ Metallhütten-AG. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 expandierte die NA spätestens ab 1936, da sie in den Vierjahresplan zur Erreichung der wirtschaftlichen und militärischen Kriegsfähigkeit durch Autarkie und verstärkte Aufrüstung eingebunden wurde. Infolge dessen stellte das Unternehmen mehr als 500 neue Arbeiter ein.[1]

Mit ihrer Gründung 1933 wurde Warlimont Mitglied in drei an die NSDAP angeschlossenenOrganisationen: in der Deutschen Arbeitsfront (DAF), der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) und dem NS-Bund Deutscher Technik (NSBDT).[2]. Innerhalb des NSBDT war er zudem Mitglied des Senats der Reichsgemeinschaft der technisch-wissenschaftlichen Arbeit (RTA).[3] Präsident des NSBDT wie auch der RTA war seit 1934 SA-Obergruppenführer und ab 1940 Reichsminister für Bewaffnung und Munition Fritz Todt.[4]

Ein Eintritt in die NSDAP selbst war ab dem 19. April 1933 vorübergehend nicht möglich. Die Partei hatte aus Angst vor „Konjunkturrittern“ nach den März-Wahlen eine allgemeine Mitgliederaufnahmesperre verhängt. Diese wurde 1937 gelockert, woraufhin Warlimont am 16. Juli 1937 auch die Aufnahme in die NSDAP beantragte. Als Aufnahmedatum für alle neuen Anwärter wurde unabhängig vom Antragsdatum der 1. Mai 1937 festgelegt.[5]

1939 ernannte das Reichsministerium für Wirtschaft Felix Warlimont zum Wehrwirtschaftsführer [6], ein Ehrentitel, der vor allem an die Leiter rüstungswichtiger Betriebe vergeben wurde. Wehrwirtschaftsführer (Wehrwirtschaft bedeutete Kriegswirtschaft) erhielten innerhalb ihrer Betriebe besondere Vollmachten, um eine schnelle Lieferung ihrer Produkte und Waren garantieren zu können. Außerdem durften sie arbeitsrechtliche Bestimmungen außer Kraft setzten.[7]

Doch nicht nur durch Aufrüstung und Kriegsvorbereitung waren die NA und ihre Veranwtortlichen in die Verbrechen des NS-Regimes verwickelt. Das Unternehmen beschäftigte zudem Zwangsarbeiter und profitierte von der Verfolgung, Beraubung und Massenvernichtung der Juden.

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs lief die Kriegswirtschaft weiter auf Hochtouren, doch nun fehlten ihr die männlichen Arbeitskräfte. So beutete die NA genau wie viele andere Betriebe unzählige Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene aus [8] –worüber Warlimont informiert gewesen sein muss, da die Unternehmen die Zwangsarbeitskräfte anfordern mussten, die zu Tausenden in kalten Hafenspeichern untergebracht waren. Außerdem wurden im Zweiten Weltkrieg Kupfererze zur Verhüttung in den von der Wehrmacht besetzten Ländern abgebaut – beispielsweise in den Kupferbergwerken von Bor in Serbien, wo Tausende von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen starben.[9]

Ebenso war Warlimont mit Sicherheit über die erfolgreichen Bemühungen seines Unternehmens informiert, spätestens ab Mai 1940 einen Teil des von Jüdinnen und Juden in Deutschland und den besetzen Gebieten erpressten sogenannten Judengolds verarbeiten zu dürfen.[10] Die Degussa, deren Aufsichtsrat er zudem von 1933 bis 1945 angehörte,[11] profitierte sogar am meisten von der Ausraubung, Deportation und Ermordung der Jüdinnen und Juden durch die Scheidung des Leihhausgoldes. Auch war sie an der „Arisierung“, also dem Übergang jüdischen Eigentums an „rein deutsche“ Unternehmen und Personen beteiligt. Vor allem aber lieferte eine ihrer Tochterfirmen, die Degesch (Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung mbH), das Pestizid Zyklon B für den fabrikmäßigen Massenmord im Vernichtungslager Auschwitz.[12] Dass die Verantwortlichen der Degussa über die Lieferung von Zyklon B durch ihre Tochterfirma nach Auschwitz informiert waren, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit belegen, es erscheint aber wahrscheinlich.[13]

Felix Warlimont trat zum 31.12.1942 auf eigenen Wunsch als Vorstandsvorsitzender zurück und übernahm ab dem 1.4.1943 den Vorsitz im Aufsichtsrat der NA. Diesen hatte er bis zu seinem Tod inne.[14]

Bei Kriegsende im Mai 1945 arbeitete Warlimont bei der Hamburger Niederlassung der Chemischen Fabrik J. E. Devrient, Alsterterrasse 2, einer Tochterfirma der NA. Dort wurde Warlimont im Zuge des Entnazifizierungsverfahrens durch die Britische Militärregierung am 10. Juni 1946 entlassen. Der Grund waren seine Mitgliedschaften in der NSDAP, der DAF, der NSV und dem NSBDT.[15] Er legte Widerspruch ein und erklärte in einem ausführlichen Schreiben [ursprüngl. auf Englisch, Übers. durch d. Verf.]:

„Ich stamme aus einer katholischen Familie aus dem Rheinland. Meine Vorfahren waren alle Rechtsanwälte, Kaufleute oder Landbesitzer. Die juristische und religiöse Tradition meiner Familie ebenso wie das kulturelle Umfeld, in dem ich aufwuchs, machten mich immun gegen nationalsozialistische Einflüsse. Das Gleiche gilt für alle meine Familienmitglieder. Weder meine Frau, noch meine Geschwister, noch deren Ehefrauen oder Ehemänner waren Parteimitglieder. Mein Schwager Franz van de Loo, Rechtsanwalt in Kleve, wurde aufgrund seiner ausgesprochen ablehnenden Haltung zweimal von der Gestapo verhaftet. Hinzu kommen meine zahlreichen internationalen Kontakte im Zusammenhang mit meiner Position als langjähriger Vorstandsvorsitzender der Norddeutschen Affinerie, durch die ich häufig auch ins Ausland reisen musste, was ebenfalls nicht dazu beitrug, mich den Nationalsozialisten gewogen zu machen. So habe ich stets versucht, meine Familie und mich ebenso wie das Unternehmen, für das ich tätig war, vor nationalsozialistischer Einflussnahme zu bewahren. Vor allem habe ich nie der Entlassung von Firmenangehörigen aus antifaschistischen Gründen zugestimmt. Ich habe meine jüdischen Kollegen so lange wie möglich geschützt. Wenn sie schließlich doch zurücktreten mussten, habe ich sie so gut es ging unterstützt und ihnen durch meine internationalen Kontakte geholfen, im Ausland eine neue Anstellung zu finden. Das betraf beispielsweise Leopold Moller, der jetzt bei Smelting Co., Avonmouth, arbeitet, Julius Levisohn, jetzt bei Rothschild, London, Arthur Ellinger, früher Vorstandmitglied der Metallgesellschaft in Frankfurt/Main, jetzt in England.

Außerdem half ich Dr. ing. Alfred Petersen, Vorstandmitglied der Metallgesellschaft in Frankfurt/Main, der von der Gestapo inhaftiert wurde und jetzt wieder seine frühere Position innehat, und Dr. Richard Merton, jetzt in England.

Ich habe unverzüglich meine Stelle als Aufsichtsratsmitglied des Vereins Deutscher Metallhütten- und Bergleute gekündigt, als meine Bemühungen, die erzwungene Kündigung der jüdischen Mitglieder zu verhindern, scheiterten.

Aus folgenden Gründen wurde ich Mitglied der NSDAP:
1937 besuchte der Kreisleiter die Norddeutsche Affinerie und bedeutet uns, dass sich die Dinge ändern müssten. Dass er – vor allem angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Norddeutsche Affinerie – nicht mehr länger tolerieren könne, dass keiner der Vorstandsmitglieder („Betriebsführer“) in der Partei sei. Um Zeit zu gewinnen und um uns zu erkundigen, antworteten wir ausweichend. Danach erfuhren wir, dass diese Forderung nicht nur an uns herangetragen worden war, dass wir nur ein Glied in der Kette eines Rumdumschlags der Nazis waren, all jene dazu zu bringen, in die Partei einzutreten, die sich bislang fern gehalten hatten, und sie aus Propagandagründen dazu zu zwingen, Mitglied zu werden. Der frühere Ratsherr Ludwig Wirtz, mit dem ich bekannt war und den ich bat, beim Gauleiter in dieser Angelegenheit nachzufragen, berichtete danach, dass ein weiteres Ausweichen unsererseits nicht mehr gestattet würde, und so entschieden unser Geschäftsführer Dr. Brill und ich uns, Ende 1937 die Mitgliedschaft zu beantragen, die dann rückwirkend auf den 1.5.1937 datiert wurde.

Ich erwähnte meine Mitgliedschaft möglichst selten öffentlich, da ich nur im Interesse der Firma Mitglied geworden war. Ich nahm nie an Parteiversammlungen teil und hatte nie Kontakt zu wichtigen oder herausragenden Mitgliedern der nationalsozialistischen Partei. Im Gegenteil, ich vermied möglichst jeden Anlass, bei dem ich solche Leute treffen würde. Ich zahlte lediglich den Mitgliedsbeitrag und spendete ansonsten nichts.

Zusätzlich zu meiner grundsätzlichen, bereits oben erwähnten Einstellung muss ich sicher kaum noch hinzufügen, dass ich niemals irgendwelche militaristischen Neigungen hatte oder den Besatzungsmächten gegenüber feindlich eigenstellt war.

Ich habe nie jemanden ermutigt oder bevorzugt, der Verbindungen zu den Nationalsozialisten oder zum Militarismus hatte, noch habe ich von diesen Bewegungen profitiert.

Schließlich bitte ich darum, das Zeugnis der Witwe meines früheren jüdischen Kollegen Dr. Heinrich Wohlwill, früherer leitender Techniker der Norddeutschen Affinerie, ebenso wie die Zeugnisse früherer Angestellter und Arbeiter der Norddeutschen Affinerie zu berücksichtigen. Außerdem habe ich einen Brief hinzugefügt, den ich im Mai 1946 von Herrn A. Ellinger aus London erhielt, und einen Brief des Hamburger Bürgermeisters Rudolf Petersen.“[16]

Zu den von Felix Warlimont in seinem Schreiben erwähnten Personen:
Über Leopold Moller ist aus seiner Wiedergutmachungsakte bekannt, dass er von 1922 bis 1938 bei der Norddeutschen Affinerie tätig war – erst als Ingenieur, ab 1926 als Betriebsleiter – und im Januar 1939 nach England floh, wenige Wochen später gefolgt von seiner Frau. Die neue Stellung bei der National Smelting Corporation Ltd. in Bristol, so sein Rechtsanwalt, sei in keiner Weise eine Lebensstellung wie bei der Norddeutschen Affinerie gewesen. Auch verdiente er dort deutlich weniger und hatte durch seine erzwungene Ausreise zudem die Pensionsanwartschaft bei der NA verloren. Er hatte sich, um überhaupt die Flucht für sich und seine Frau bezahlen zu können, seine Einzahlungen in die Pensionskasse auszahlen lassen müssen, da sein Sparkassenkonto durch die Nationalsozialisten gesperrt war und er auch seine Wertpapiere nicht mehr frei verkaufen konnte. „Der Antragsteller“, so sein Rechtsanwalt, „hat nach dem 8. Mai 1945 weder auf Versorgungsleistungen gegenüber der Norddeutschen Affinerie verzichtet, noch ist er für diese Leistungen abgefunden worden.“[17]

Julius Levisohn wiederum war zum 13. Februar 1939 aus rassischen Gründen entlassen worden; er hatte bei der NA gelernt, war dann als Kaufmann dort beschäftigt und von 1930 bis 1935 stellvertretendes Vorstandsmitglied gewesen. Nachdem er aus rassischen Gründen aus dem Vorstand ausscheiden musste, arbeitete er bei der NA wieder als Kaufmann. Nach der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 war er, wie Tausende andere jüdische Männer aus Hamburg auch, im KZ Sachsenhausen unter grauenhaften Bedingungen inhaftiert worden. Er wurde am 19.12.1938 entlassen, lag danach monatelang im Krankenhaus und litt seither unter einem Nierenleiden sowie unter chronischer Bronchitis. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus Ende Juni 1939 floh er mit seiner Frau und ihrem sechsjährigen Sohn nach England. Julius Levisohn klagte nach Kriegsende gegen die NA, weil sie seine Pensionsansprüche einbehalten bzw. auf ein Konto eingezahlt hatte, das vom Deutschen Reich nicht in Anspruch genommen wurde. In England konnte er seine Familie jahrelang nur notdürftig ernähren. Erst ab 1949 verdiente er wieder ausreichend. Die gerichtliche Auseinandersetzung endete mit einem Vergleich.[18]

Die Witwe Heinrich Wohlwills, der 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort am 31. Januar 1943 ermordet wurde, stellte Felix Warlimont für sein Entnazifizierungsverfahren ein gutes Leumundszeugnis aus. Sie schrieb, dass ihr Mann Warlimont sehr geschätzt hätte, für seine Professionalität und für seine soziale Einstellung den Mitarbeitern gegenüber. Ihr Mann beschloss 1933 als Jude pro forma aus dem Vorstand der NA auszuscheiden. Gleichwohl führte er die Geschäfte weiter bis zum 1. Januar 1937. Anschließend erfüllte er – für ein nach und nach geringer werdendes Gehalt – beratende Funktionen, bis er schließlich ganz ausschied. Warlimont besuchte sie und ihren Mann bis zu seiner Deportation dann noch mehrmals zu Hause, obwohl dies unter Strafandrohung für ein NSDAP-Mitglied verboten war.[19]

Auch elf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der NA stellten Warlimont ein gutes Zeugnis aus; einige von ihnen gehörten dem Entnazifizierungsausschuss der Firma an, andere waren Betriebsratsmitglieder. Er hätte stets Verständnis für ihre kleinen und großen Sorgen gehabt und hätte alles versucht, den aus politischen und aus rassischen Gründen entlassenen Kolleginnen und Kollegen zu helfen. Auch sei er nur unter Druck in die NSDAP eingetreten und durch seine Haltung und Lebenseinstellung niemals ein Nationalsozialist gewesen. Er sei nur Parteimitglied geworden, um sein Lebenswerk, die NA, zu retten.[20]

Arthur Ellinger wiederum drückt sein Bedauern für den großen Verlust aus, den Warlimont und seine Frau persönlich durch den Krieg erleiden mussten. Warlimont, der so vielen Menschen in der Vergangenheit half, sei nun so schwer geprüft.[21]

Schließlich stellte ihm auch der damalige (Juli 1946) Hamburger Bürgermeister Rudolf Petersen eines der oft als „Persilscheine“ zum Weißwaschen bezeichnete Zeugnisse aus. Sein Bruder, Alfred Petersen, war Vorstandsvorsitzender der Metallgesellschaft gewesen und damit ein Kollege Warlimonts. Er hatte jüdische Großelten, galt damit nach den rassischen Kategorien des NS-Regimes als ”Mischling ersten Grades“ und wurde im September 1938 von der Gestapo verhaftet, weil er angeblich seine Kollegen Richard und Alfred Merton aus dem Vorstand der Metallgesellschaft drängen wollte. Nacht acht Monaten wurde er aus der Haft entlassen und zog sich nach Kronberg im Taunus zurück.[22] Laut Rudolf Petersen hätte Warlimont versucht, seinen Bruder frei zu bekommen und auch andere Personen vor den Nationalsozialisten zu schützen.[23]

Der Fachausschuss, der im Rahmen des Entnazifzierungsverfahrens über Warlimonts Einspruch befinden musste, entschied am 30. Mai 1949: unbedenklich, Einstufung in Kategorie V (Entlastete – Personen der vorstehenden Gruppen I–IV, die vor einer Spruchkammer nachweisen konnten, dass sie nicht schuldig waren).[24]

Text: Frauke Steinhäuser

Fußnoten und Quellen
1 Stefanie Knetsch, Das konzerneigene Bankinstitut der Metallgesellschaft im Zeitraum von 1906 bis 1928. Programmatischer Anspruch und Realisierung, Stuttgart, 1998, S. 143; 1866 – 2006. Sonderheft zum 140 jährigen Bestehen
der Norddeutschen Affinerie AG, Hamburg, 2006, S. 15
2 Staatsarchiv Hamburg 221-11 Staatskommissar für die Entnazifizierung und Kategorisierung J(C) 1505
3 Helmut Maier, Forschung als Waffe. Rüstungsforschung in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallforschung 1900-1945/48, Göttingen, 2007, S. 577 f.
4 ebd.
5 Bundesarchiv, PG - Zum Mitgliedschaftswesen der NSDAP, www.bundesarchiv.de/oeffentlichkeitsarbeit/bilder_dokumente/00757/index-5.html.de (Zugriff 9.4.2017)
6 mk/at, Entschädigung - Das sagen Hamburger Firmen, in: Die Welt v. 10.12.1999, www.welt.de/print-welt/article561795/Entschaedigung-Das-sagen-Hamburger-Firmen.html (Zugriff 9.4.2017)
7 Willi Dreßen, Wehrwirtschaftsführer, in: Wolfgang Benz et al (Hrsg.), Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 800
8 mk/at, Entschädigung - Das sagen Hamburger Firmen, in: Die Welt v. 10.12.1999, www.welt.de/print-welt/article561795/Entschaedigung-Das-sagen-Hamburger-Firmen.html (Zugriff 9.4.2017)
9 Herbert Diercks, Der Hamburger Hafen im Nationalsozialismus. Wirtschaft. Zwangsarbeit und Widerstand, Hamburg, 2008, S. 51
10 Ralf Banken, Edelmetallmangel und Großraubwirtschaft. Die Entwicklung des deutschen Edelmetallsektors im „Dritten Reich“ 1933-1945, Berlin, 2009, S. 352 f.
11 Peter Hayes, Degussa im Dritten Reich: von der Zusammenarbeit zur Mittäterschaft, S. 431
12 Degussa in der NS-Zeit (auf der Basis von Peter Hayes, Die Degussa im Dritten Reich. Von der Zusammenarbeit zur Mittäterschaft, München, 2004), in: Evonik Geschichtsportal, Gesellschaften, http://geschichte.evonik.de/sites/geschichte/de/gesellschaften/degussa-ns/pages/default.aspx (Zugriff 10.5.2017)
13 ebd.
14 Knetsch, ebd.
15 Staatsarchiv Hamburg 221-11 Staatskommissar für die Entnazifizierung und Kategorisierung J(C) 1505
16 ebd.
17 Staatsarchiv Hamburg 351-11 Amt für Wiedergutmachung 19039
18 Staatsarchiv Hamburg 213-13_3895 u. 351-11 Amt für Wiedergutmachung 12207
19 Staatsarchiv Hamburg 221-11 Staatskommissar für die Entnazifizierung und Kategorisierung J(C) 1505
20 ebd.
21 ebd.
22 Martin Münzel, Die jüdischen Mitglieder der deutschen Wirtschaftselite 1927–1955. Verdrängung - Emigration - Rückkehr, Paderborn, 2006, S. 353
23 Staatsarchiv Hamburg 221-11 Staatskommissar für die Entnazifizierung und Kategorisierung J(C) 1505
24 ebd.
 

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Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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