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Hugo Millahn

(23.12.1894 Hamburg – 19.12.1972)
Schulrat
Grenzweg 18 in Hamburg Volksdorf, heute: Volksdorfer Grenzweg (Wohnadesse)

Dr. Hans-Peter de Lorent verfasste dieses Profil für sein Buch „Täterprofile Band 2“.

Ein Fall voller Besonderheiten und Absonderlichkeiten ist die Entnazifizierungsgeschichte des Wandsbeker NSDAP-Schulrats Hugo Millahn, der 1945 einerseits auf Anordnung der britischen Militärregierung nicht nur aus dem Schuldienst entlassen wurde, sondern auch 18 Monate inhaftiert war. Die größten Fürsprecher für Millahn waren ausgerechnet die Vertreter des britischen Army Education Centre, die Hugo Millahn seit 1948 in ihrer Armeeschule beschäftigt hatten. Ein leichtes Spiel später für Rechtsanwalt Oscar Toepffer, der vor seiner Entlassung aus dem Hamburger Staatsdienst in der NS-Zeit für einige Monate als Senator auch für den Schuldienst verantwortlich und nach 1945 ziemlich erfolgreich bei der Entnazifizierung seiner ehemaligen Parteigenossen tätig war. Unter diesen Bedingungen wunderte es nicht, dass Millahn am Ende im Ruhestand die vollen Schulratspensionsbezüge erhielt.

Hugo Millahn wurde am 23.12.1894 in Hamburg geboren. Er besuchte das Lehrerseminar in Eckernförde, wo er am 4.8.1914 die erste Lehrerprüfung ablegte. Danach arbeitete er in Bisdorf bei Oldenburg in Holstein, bis er am 25.1.1915 zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Dort blieb er bis zum 26.4.1917, zuletzt als Sanitätsunteroffizier.

Am 1.10.1918 wechselte Millahn nach Wandsbek, wo er am 4.10.1922 die zweite Seminarprüfung bestand. Später, am 6.2.1931, absolvierte Hugo Millahn noch die Mittelschullehrerprüfung, die ihn für eine Rektorentätigkeit qualifizierte.1

Interessant und brisant zugleich waren die Gutachten nach Schulbesuchen bei Hugo Millahn. Für diese zeichnete der Wandsbeker Schulrat Scheer verantwortlich, der später von den Nationalsozialisten wegen seiner ehemaligen Zugehörigkeit zu einer Freimaurerloge in den Ruhestand versetzt wurde, wodurch die Berufung von Hugo Millahn zum Schulrat möglich wurde. Bei seinem ersten Besuch 1927 bescheinigte Schulrat Scheer dem Lehrer Millahn: „Ist wenig befähigt und ohne rechte Selbsterkenntnis. Seine Leistungen müssen besser werden.“2

Scheers Bericht nach der Besichtigung vom 20.2.1929 war jedoch eine reine Katastrophe. So schrieb Scheer: „Die Klasse macht einen schlafmützigen und toten Eindruck. Der Lehrer versteht nicht, die Kinder anzuregen.“ Zum Rechenunterricht bemerkte er: „Der Lehrer macht den groben Unfug, in einer sechsten Klasse mit dem gedruckten Rechenbuch in der Hand zu unterrichten. Dementsprechend sind auch die Leistungen zu bewerten.“ Zum Thema Schülerhefte notierte Scheer: „Die Diktate sind schlecht durchgesehen. Viele Fehler sind stehen geblieben.“ Und das gesamte Resümee glich einer Drohung. „Lehrer Millahn wird von mir im Laufe des Jahres mehrmals revidiert werden. Wenn er weiter so lässig und bummlig unterrichtet, bestrafe ich ihn disziplinarisch.“3

Dass Schulrat Scheer ein anspruchsvoller und pädagogisch versierter Schulinspektor war, geht auch aus den Beurteilungen von Schulleiter Walter Frahm hervor.4

 Wandsbek gehörte 1933 noch zu Schleswig- Holstein und das Schulwesen wurde vom Regierungspräsidium in Schleswig verwaltet. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten beförderten diese Hugo Millahn am 1.4.1935 zum Mittelschul-Konrektor.5

Millahn war am 1.8.1932 in die NSDAP eingetreten und 1933 in den NSLB. Dort übte er das Amt des Kreiswalters aus, war also ein führender Funktionär der NSDAP in Wandsbek. Zwar steigerte dies möglicherweise nicht seine Leistungen als Pädagoge, zumindest verbesserte sich das Ergebnis bei der Begutachtung seines Unterrichts am 29.1.1936. Der Schulrat hieß nach wie vor Scheer, der bei der NSDAP allerdings umstritten war. Das Ergebnis der Visitation lautete nun: „Konrektor Millahn ist fleißig und gewissenhaft.“6

Hugo Millahn profilierte sich als Kreisleiter des NSLB in Wandsbek. Auf dem Briefpapier der NSDAP, Gau Schleswig- Holstein mit dem Aufdruck: Amt für Erzieher (NS Lehrerbund) schrieb Millahn Erfolgsmeldungen an den Gauamtsleiter des NSLB in Schleswig: „In Verfolg der Anregungen des Gausachbearbeiters habe ich im Stadtkreis Wandsbek mit der Arbeit für die Schullandheimbewegung begonnen, mit dem Erfolg, dass heute 25 Kinder mit einem Lehrer auf vier Wochen in ein Schullandheim bei Büdelsdorf kommen. Finanziell getragen wird dieses Werk von der NSV, der Wandsbeker Lehrerschaft, der Elternschaft und einigen Unternehmungen.“7

Der Erfolg blieb nicht aus. In der Dezernentenbesprechung am 15.10.1937 wurde mitgeteilt, „daß Schulrat Scheer, Studiendirektor Schlemilch und stellvertretender Studiendirektor Schwarz nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.4.1933 in ein anderes Amt versetzt worden sind. Mit der vorläufigen Dezernatswahrnehmung ist Konrektor Millahn beauftragt worden.“8 Da mittlerweile nach dem Groß-Hamburg-Gesetz die Hamburger Schulverwaltung die Verantwortung auch für Wandsbek ausübte, musste Justiziar Dr. Schultz sich mit diesem Fall befassen. Er kam zu dem Ergebnis: „Herr Millahn ist Kreisamtsleiter des Lehrerbundes und hat sich als solcher bewährt. Er ist alter Parteigenosse. Außerdem ist er am 7. Juni 1935, also vor mehr als zwei Jahren, zum Mittelschulkonrektor berufen worden. Der Erlaß des Ministers bestimmt zwar, daß nur Schulleiter zu Schulaufsichtsbeamten ernannt werden sollen. Wenn auch anzunehmen ist, daß Konrektoren damit nicht gemeint sind, so müßte in Anbetracht der besonderen Lage dieses Falles doch festgestellt werden, ob der Minister in diesem Falle geneigt sein wird, eine Berufung Millahns vorzunehmen. Ich halte es für tunlich, diese Frage durch mündliche Besprechungen im Ministerium zu klären, bevor die Ernennung von hier aus schriftlich eingereicht wird.“9

So einfach war das offenbar nicht. Aber die Hamburger Schulverwaltung hielt an der Absicht fest, Hugo Millahn zum Kreisschulrat zu machen. Karl Witt verfügte am 17.12.1937: „Es müßte dort mit Rücksicht auf die ministeriellen Bestimmungen eingefügt werden, daß sich ein staatlicher hamburgischer Schulaufsichtsbeamter durch Besuch im Unterricht von der uneingeschränkten fachlichen Eignung des Millahn überzeugt hat, daß dem Anwärter Gelegenheit zur Beurteilung des Unterrichts anderer Lehrkräfte gegeben ist und daß in persönlichen Besprechungen mit dem Anwärter festgestellt ist, daß sein fachliches Wissen und methodisches Können so tiefgehend begründet ist, daß seine führende Stellung in der Lehrerschaft dadurch gerechtfertigt wird und daß er zur Wahrnehmung der Aufgaben als Mitglied von Kommissionen befähigt ist.“10

OSR Albert Mansfeld nahm die Sache in die Hand und trotz aller zu überwindenden juristischen Schwierigkeiten gelang es, Hugo Millahn am 14.7.1938 zum kommissarischen Schulrat im Wandsbeker Volksschulwesen zu ernennen. Am 1.1.1939 war Millahn dann endgültig zum Schulrat ernannt. Millahn war eine imposante Erscheinung, 1,96 m groß und über 120 Kilo schwer, wurde er in Wandsbek als ein „richtiger alter Parteigenosse“ empfunden und erlebt.11

Hugo Millahn hatte für diesen Karrieresprung nicht nur die Rückendeckung des NSLB, sondern auch der NSDAP. Der Oberbürgermeister von Wandsbek setzte sich in einem Schreiben an Senator Karl Witt nachdrücklich für Millahn ein.12 Da während des Krieges „mehrere Schulaufsichtsbeamte zum Heeresdienst eingezogen sind, steht der Schulverwaltung für Schulrat Millahn eine Ersatzkraft nicht zur Verfügung“, schrieb Senatssyndikus Ernst Schrewe am 8.3.1944 an das Reichsverteidigungsreferat der Staatsverwaltung und reklamierte: „Die Zurückstellung des Schulrats Hugo Millahn vom Heeresdienst ist im öffentlichen Interesse dringend erforderlich.“13

Die persönliche Katastrophe für Millahn ereignete sich 1945. In einem Vermerk für den neuen Schulsenator Heinrich Landahl wurde festgehalten, das Hugo Millahn „kurz nach der Besetzung Hamburgs von der Militärregierung in Haft genommen wurde“.14

Am 18.5.1945 teilte Heinrich Landahl dem internierten Millahn seine sofortige Entlassung mit.15 Als Begründung wurde am 22.5.1945 angegeben: „Alle Beamten, die der NSDAP vor dem 1.4.1933 beigetreten sind, sind bis auf weiteres mit sofortiger Wirkung zu beurlauben.“16

Das Entnazifizierungsverfahren konnte erst nach Millahns Entlassung aus dem Internierungslager am 19.11.1946 stattfinden. Und es offenbarte noch einige absonderliche Wendungen.17

Als Hugo Millahn noch in Neuengamme interniert war, wo ihn starke gesundheitliche Probleme zusetzten, meldete sich Oberschulrat Fritz Köhne bei der britischen Militärregierung am 9.3.1946 und bat um die Entlassung Millahns aus dem Camp wegen seiner schlechten Konstitution. Fritz Köhne bezeugte, dass Hugo Millahn während seiner Schulratstätigkeit niemals Vorurteile gegen Personen gehabt hätte.18 Das in seiner Personalakte vorliegende Gutachten aus dem Lagerlazarett Neuengamme vom 6.8.1946 bestätigte Millahns gesundheitlichen Probleme. Er verzeichnete in den 15 Monaten der Internierung einen Gewichtsverlust von 55 Kilo.19 Nachdem er mit Unterstützung der Schulverwaltung am 19.11.1946 aus der Internierung entlassen worden war20, bereitete er sich auf sein Entnazifizierungsverfahren vor. Sicherlich hatte er dieses im Kreise anderer NS-Belasteter in Neuengamme schon vorbesprechen können.

 Am 2.1.1947 verfasste er eine vierseitige Schrift: „Meine politische Rechtfertigung.“21

Dieses Schreiben war in gewisser Weise typisch für Rechtfertigungen ehemaliger Nationalsozialisten, die im Mai 1945 unter starkem persönlichen Druck standen und sich erklären mussten. Millahn schrieb: „Nach meiner Entlassung aus dem Internierungslager Neuengamme und der Rückkehr in die Heimat habe ich Kenntnis genommen von den Maßnahmen, die gegen mich und meine Familie getroffen worden sind wegen meiner Zugehörigkeit zur NSDAP und wegen meiner Betätigung in derselben. Diese Maßnahmen hatten zur Folge meine Entlassung aus dem Dienst in der Gemeindeverwaltung, die Ausweisung aus meinem Hause und die Blockierung meines Vermögens.“22 Hugo Millahn war also in großer Not, körperlich durch die Internierungshaft schwer angeschlagen. Sein Erklärungsmuster bestand darin, „mit heißem Herzen und gutem Glauben zur Partei“ gekommen zu sein, in seinen Funktionen, in die er stets gegen seinen Willen berufen wurde, nur positiv gewirkt zu haben. Er sei angetreten, „mit dem Willen, durch Mitarbeit zu helfen, die Not des Volkes zu lindern; durch vorbildliche Lebensführung auf allen Gebieten, durch Bescheidenheit in den eigenen Ansprüchen und durch Toleranz den Andersdenkenden und Andersgläubigen gegenüber den unseligen Bruderkampf beseitigen zu wollen.“23 Millahn gab vor, ohne eigene Ambitionen in Parteifunktionen und leitende Tätigkeiten im NSLB gedrängt worden zu sein, immer wieder Anfeindungen ausgesetzt, um Schlimmeres zu verhüten. So argumentierten viele in ihren Entnazifizierungsverfahren. Wobei Hugo Millahn ein paar Leumundszeugnisse beibringen konnte, von Personen, die bestätigten, dass er sie tatsächlich vor drohender Verfolgung geschützt hatte. Dazu etwas später.

Erst einmal beschrieb Millahn seine Parteikarriere:

„Am 1. August 1932 wurde ich in die NSDAP aufgenommen. Die damalige Not unseres Vaterlandes und unseres Volkes, der Bruderkampf im deutschen Volke ließen mich glauben, daß in dem Manne, der unser Volk zu einen und aus der Not herauszuführen versprach, der Retter des Vaterlandes zu sehen sei. Ich wollte mithelfen, aus der gemeinsamen Not zu steuern und ich habe es getan. Meine erste Arbeit galt der Betreuung der Ärmsten in Wensenbalken , einem kleinen Ortsteil von Volksdorf von ungefähr 200 Einwohnern. 1933 wurde ich zum Leiter dieser kleinen Gemeinschaft bestellt. Im Jahre 1933 wurde in Wandsbek der Nat. Soz. Lehrerbund, Kreisgruppe Wandsbek, gegründet, als deren Leiter der Dipl. Handelslehrer Dr. Müller bestellt wurde. Im Herbst desselben Jahres wurde Dr. Müller ins Ministerium berufen und ich wurde sein Nachfolger als Kreiswalter des Lehrerbundes. Die Leitung der Kreisgruppe habe ich bis zu ihrer Stilllegung im Jahre 1942 in Händen gehabt. Von 1942 bis 1944 war ich ohne Parteiamt. Als dann im Oktober 1944 der damalige Ortsgruppenleiter Natskow in Volksdorf verabschiedet wurde, hatte man Schwierigkeiten, einen Nachfolger zu finden. Auch mir wurde neben anderen das Amt angetragen. Ich lehnte ab. Zur Gauleitung bestellt, habe ich noch einmal abgelehnt, wurde aber trotz meiner Ablehnung durch Verfügung des Gauleiters zum stellvertretenden Ortsgruppenleiter bis Kriegsende bestellt.“24 Was Hugo Millahn in diesem Kontext nicht erwähnte, war, dass beide Tätigkeiten ihm die berufliche Karriere ermöglichten, erst zum Konrektor einer Mittelschule, mit ausdrücklichem Hinweis auf seine NSLB-Funktion, und später die Berufung zum Kreisschulrat. Auch bei Hugo Millahn tauchten dann Sätze auf, wie: „Ich hatte mich aber trotz aller Kritik und damit unter stark diffamierender Behandlung entschieden, so lange wie möglich auf meinem Posten zu bleiben, um auf dem mir anvertrauten Sektor des Unterrichts und der Erziehung alles zu tun, um die Schule und die mir unterstellten Lehrpersonen zu schützen und zu bewahren vor Auswirkungen eines Prinzips, das unserer Jugend nicht zum Segen sein konnte. Es war meiner Meinung nach richtiger, Schaden zu verhüten als nachher Schaden zu beklagen. Wäre ich gegangen, ein willfähriges Werkzeug als Nachfolger wäre leicht gefunden worden und der dann entstehende Schaden nicht wieder gut zu machen gewesen.“25 Millahn konstruierte Konflikte über Kritik, die er an Vorgesetzten geübt hätte, so mit dem früheren Ortsgruppenleiter Natskow, dessen Nachfolger er wurde oder mit dem NSLB-Gauamtsleiter und Landesschulrat, Willi Schulz, der Millahn in die Schulverwaltung berufen hatte und zum Zeitpunkt, als er seine Rechtfertigung schrieb, bereits gestorben war.26

Es muss aber auch erwähnt werden: Ernstzunehmende Zeugen bekundeten, dass Hugo Millahn sie in der Zeit des Nationalsozialismus gewarnt und geschützt hatte. So schrieb der Oberstudiendirektor des Matthias-Claudius-Gymnasiums in Wandsbek, Prof. Peter Zylmann, am 23.8.1946 an Frau Millahn noch während der Internierungszeit ihres Mannes, dass er Millahn als „einen sehr toleranten und verstehenden Leiter“ des NSLB empfunden hatte. Millahn hätte ihm gegenüber auch mitgeteilt, dass gegen einen der Freunde Zylmanns, den 1933 von den Nationalsozialisten abgesetzten Schulleiter, Dr. Merck, eine Anzeige „wegen antifaschistischer Äußerungen vor der Öffentlichkeit eingegangen wäre“, und Hugo Millahn Zylmann gebeten hätte, Merck daraufhin zu warnen.27

Schwerwiegend auch das Schreiben von Dr. Hans Maschmann:
„Ohne Ihren persönlichen Einsatz wäre ich heute wahrscheinlich nicht mehr unter den Lebenden. Sie haben mich im Herbst 1943 vor dem Konzentrationslager bewahrt, wenn nicht vor einem schmachvollen Tod. Es lief damals eine Anklage wegen Hochverrats gegen mich, die sich auf Äußerungen stützte, die ich während meines Unterrichts getan hatte. Schüler, von Kollegen aufgehetzt, hatten diese Äußerungen gesammelt und sie zu einer Anklage zusammengestellt, die der Bannführer der HJ der Gauleitung und der Schulbehörde zuleitete. Sie als mein zuständiger Schulrat waren beauftragt, die Voruntersuchung zu führen. Ich weiß, daß Sie mich entgegen ihrer dienstlichen Verpflichtung aus Gründen reiner Menschlichkeit geschützt haben und sich wegen Ihres Verhaltens schwere Vorwürfe von Seiten der Kreis- und Gauführung zuzogen. In diesem wie auch in einem früheren Falle haben Sie die Untersuchung durchaus kameradschaftlich-wohlwollend geführt. Sie haben im letzten Augenblick verhütet, daß die Akte an das Gaugericht weitergegeben wurde. Sie haben den Fall dann so gelöst, daß meine Versetzung von der Schule in Sasel nach Oldenfelde nicht zu einer Strafe wurde.“28

Hier hatte sich Hugo Millahn offenbar nicht nur menschlich sondern auch mutig verhalten. Skeptischer bin ich in Bezug auf einen anderen Fall, wo ich auch das Verhalten des Schulleiters kritisch sehe.

An der Adolf-Hitler-Schule in Farmsen hatte eine unverheiratete Lehrerin am 29.11.1944 bei ihrem Schulleiter, Heinrich Böe, ein Gesuch eingereicht: „Ich bitte um eine vorläufige Beurlaubung aus dem Schuldienst, da ich Ende März 1945 ein Kind erwarte. Laut beiliegender ärztlicher Bescheinigung von Herrn Dr. B. liegt bei mir eine Komplikation vor, es ist mir deshalb größtmögliche Schonung angeraten. Ich bitte höflichst um Berücksichtigung meines Gesuches.“29

Für mich ist dieser Fall erst einmal ein Beleg für die mangelnde Courage des Schulleiters Heinrich Böe, der das Gesuch seiner Lehrerin an Schulrat Hugo Millahn weiterleitete, mit der Bitte um Stellungnahme. Er hätte das Gesuch bei der Sachlage genehmigen können, um eine Gefährdung der Lehrerin seiner Schule zu vermeiden. Hugo Millahn ordnete eine Vorladung der Lehrerin B. in seiner Sprechstunde an und fertigte darüber eine Aktennotiz, in der es hieß: „Fräulein B. weigert sich, den Namen des Vaters des Kindes zu nennen. Nach eingehender Besprechung unter Hinweis auf die entstehenden Schwierigkeiten, bestätigt B., daß der Vater des Kindes der bei ihrem Vater arbeitende jugoslawische Kriegsgefangene ist. Rücksprache mit v.W. ist erfolgt wegen Beurlaubung.“30

Auch Hugo Millahn hatte sich in diesem Fall aus meiner Sicht nicht heldenhaft verhalten. Aus seiner Aktennotiz ist zu ersehen, dass er die Lehrerin genötigt hatte, über die Vaterschaft unter Druck Auskunft zu geben, um sich danach bei dem Justiziar der Schulverwaltung, Hasso von Wedel („Rücksprache mit v. W.“), der in seinen Entscheidungen unberechenbar war, abzusichern. In seinem Entnazifizierungsverfahren erwähnte Millahn diesen Fall als Beispiel für sein untadeliges Verhalten: „Die Lehrerin XY (der Name bleibt aus Gründen der Diskretion in dieser Schrift ungenannt, ist aber auf Anfordern im Originalgesuch durch die urteilende Stelle einzusehen) war 1944 durch einen serbischen Kriegsgefangenen Mutter eines unehelichen Kindes geworden. Sie stand vor Schimpf und Schande und schwerster Bestrafung. Der Kriegsgefangene hätte das schreckliche Los seines Kameraden in Poppenbüttel teilen müssen. Er wäre durch den Strang geendet. Ich habe beide vor einem schrecklichen Schicksal bewahrt. Unter Verletzung meine Amtspflichten und unter Einsatz meines eigenen Lebens und meiner Stellung wurde sie von mir unter Bewahrung des Geheimnisses mit Gehalt beurlaubt, bis sie dem Kinde das Leben gegeben hatte.“31

Hier wurden große Worte gemacht. Faktisch hatten weder Schulleiter Heinrich Böe noch Schulrat Hugo Millahn in diesem besonderen Fall persönlichen Mut gezeigt oder menschliches Verhalten. Sie hatten einen verwaltungsmäßigen Akt daraus gemacht, eine Lehrerin unter schweren persönlichen Druck gesetzt und die Entscheidung über ihr Schicksal an den Justiziar der Schulverwaltung, Hasso von Wedel, delegiert und dabei „Glück gehabt“, dass dieser im Sinne der Lehrerin und des Vaters ihres Kindes entschied.

Dennoch erwies sich Millahns Strategie als erfolgreich. Der Beratende Ausschuss für die Oberbeamten, der aus den Oberschulräten Johannes Schult, Emmy Beckmann und Karl Hoffmann bestand, entschied: „Bei der Abwägung der Belastungs- und Entlastungstatsachen kommt der Beratende Ausschuss zu dem Vorschlag, Millahns Beförderung zum Schulrat rückgängig zu machen, weil sie aus politischen Gründen erfolgte und ihn als Mittelschullehrer in den Ruhestand zu versetzen.“32 Der Beratende Ausschuss hatte festgestellt: „Herr Hugo Millahn ist bereits am 1.8.1932 in die NSDAP eingetreten. Er war Vertreter des Ortsgruppenleiters von Volksdorf, im NSLB Kreisleiter. Zum Schulrat wurde er aus politischen Gründen befördert. Gegen seinen Amtsvorgänger hat er sich in unschöner Weise benommen. Diese Gründe sprechen gegen ihn.“33 Zu seinen Gunsten wurden die Fälle Prof. Zylmann, sowie die beiden Beispiele gewertet, nach denen Hugo Millahn zwei Kollegen vor der Gestapo und dem KZ gerettet haben soll. Auch das Beispiel der Lehrerin B. wurde genannt: „Außerdem hat Millahn eine Lehrerin, die unehelich die Mutter eines Kindes wurde, das von einem jugoslawischen Kriegsgefangenen stammte, vor Verfolgung bewahrt.“34

In der Schulbehörde hatte es auch andere Sichten auf Hugo Millahns Verstrickung in den Nationalsozialismus gegeben. So im Vermerk von Schulrat Hans Brunckhorst vom 19.8.1947, in dem es hieß: „Der frühere Schulrat, Herr Millahn, ist nach Mitteilungen, die ich aus Lehrerkreisen und aus der Bevölkerung seines Wohngebietes bekommen habe, bereits vor 1933 ein aktiver Nationalsozialist gewesen. Er hat damals sich in der SA-Uniform des öfteren öffentlich gezeigt, z. B. auffällig bei einer Beerdigung, während Gesinnungsgenossen von ihm es noch für richtig hielten, im Zivilanzug zu erscheinen. Er galt als führender Nationalsozialist in Volksdorf und ließ seinen Führungsanspruch auch ganz deutlich nach außen in Erscheinung treten. Als Schulrat hat Herr M. auf die seiner Aufsicht unterstellte Lehrerschaft nachdrücklich dahin eingewirkt, daß sie in die NSDAP eintreten sollten und er hatte von den Junglehrern und Junglehrerinnen verlangt, daß sie sich politisch betätigen sollten. Herr M. ist seiner Gesinnung, Haltung und Tätigkeit nach als ausgesprochener Vertreter des Nationalsozialismus in einem üblen Sinne anzusprechen und müßte dementsprechend behandelt werden.“34 Welch ein Widerspruch zu den Erkenntnissen der Oberschulräte im Beratenden Ausschuss einen Monat zuvor.

Am 15.10.1947 beschäftigte sich der Berufungsausschuss für die Ausschaltung von Nationalsozialisten mit dem Fall. Dieses Mal wurden verschiedene Zeugen befragt und deren Aussagen protokolliert. So etwa die des Lehrers Hugo Martens, der in Volksdorf wohnte:
„Schon vor dem Jahre 1933 stellte sich heraus, dass Herr Millahn politisch rechts gerichteten Verbänden angehörte. Diese politische Einstellung führte zu einer gewissen Reserviertheit zwischen uns. Nach der sogenannten Machtübernahme fand eine Veranstaltung in Wensenbalken statt, in der für die NSV geworben wurde. Gleichzeitig wurden Zettel in den Haushaltungen verteilt. Diese Zettel sollten als Beitrittserklärung für die NSV ausgefüllt und nach einer bestimmten Zeit abgeholt werden. Ich hatte diesen Zettel nicht ausgefüllt und nicht die Absicht, auf diese Aufforderung hin der NSV beizutreten. Ich erwartete vielmehr eine solche Aufforderung über den Kollegenkreis. Als Herr Millahn bei mir den ausgefüllten Zettel abholen wollte, erklärte ich ihm, daß ich diesen nicht ausgefüllt hätte und setzte ihm meine Gedanken auseinander. Dies führte zu einem scharfen Disput. Seit diesem Zeitpunkt hörte jeglicher Verkehr zwischen mir und Herrn Millahn auf. Ich stellte fest, daß ich in der Folgezeit auch von den übrigen Nachbarn geschnitten wurde. Inwieweit dies auf Herrn Millahn zurückzuführen ist, weiß ich nicht.“35

Interessant war in diesem Zusammenhang die Befragung von Oberschulrat Fritz Köhne, der erklärte: „Es ist mir nicht ganz erklärlich, wie es zur Ernennung (von Herrn Millahn) zum Schulrat gekommen ist. Nach meiner Auffassung können hierfür politische Erwägungen ausschlaggebend gewesen sein.“ Und zur Frage, welche Spannungen es zwischen Schulrat Kruse und Hugo Millahn gegeben hatte, erklärte Köhne: „Herr Kruse hat sich mir gegenüber verschiedentlich dahin geäußert, dass er sich Herrn Millahn gegenüber bedrückt fühle. Ich konnte mir dies wohl erklären aus der politischen Stellung von Herrn Millahn, insbesondere wegen seines Amtes als Kreisamtsleiter und seiner alten Parteizugehörigkeit.“36

Hugo Millahn war Kruse als Schulrat nachgefolgt, als dieser ausschied, nicht ohne Beteiligung von Millahn, wie vermutet wurde.

Eine andere Zeugin, die Volksschullehrerin Hildegard Junker, sagte aus: „Es ist mir ferner von einer Kollegin, der Lehrerin Magda Rieper, berichtet worden, dass sie zweimal von Herrn Millahn als Kreisamtswalter des Lehrerbundes aufgefordert worden sei, Stellung zu nehmen, warum sie nicht dem NSLB angehöre. Sie sei diesen beiden Aufforderungen nicht nachgekommen und habe daraufhin ein Schreiben erhalten, dass sie nicht würdig sei, deutsche Kinder zu unterrichten. Ihr ist jedoch in ihrer Stellung als Lehrerin nichts geschehen.“37

Der Berufungsausschuss fasste den Beschluss, Hugo Millahn „mit der Pension eines Volksschullehrers in den Ruhestand“ zu versetzen und in Gruppe IV einzustufen.38

Im Weiteren zeigte sich eine völlig unverständliche Absurdität. Hugo Millahn war ja von der britischen Militärregierung interniert und im Namen der britischen Militärregierung aus dem Schuldienst und dem Beamtenverhältnis entlassen worden. Seit 1948, nachdem der nunmehr in deutscher Regie handelnde Entnazifizierungsausschuss ihn mit der Pension eines Volksschullehrers in den Ruhestand versetzt hatte, wurde er ausgerechnet von der britischen Besatzungsmacht an ihrem „Forces College“ als Lehrer beschäftigt und erhielt darüber am 18.8.1948 ein Testat, überschrieben: „To whom it may concern“.39 Darin hieß es:
„Herr Millahn hat seit April 1948 an dieser Schule Physik, Chemie und Mathematik unterrichtet. Er ist ein außerordentlich gewissenhafter und sorgfältiger Lehrer, der sein möglichstes tut, seinen Schülern alles klar zu machen. Es ist besonders bemerkenswert, daß er in englischer Sprache zu unterrichten hatte. Er hat eine lange Erfahrung als Schulrat deutscher Schulen, ist sehr zuverlässig und wird bestens empfohlen für die Übernahme oben genannter Studienfächer bis zum Intermediate Bachelor of Science.“40

Am 3.6.1949 stellte das „Army Education Centre, School of Social Studies“, bei dem Hugo Millahn nunmehr beschäftigt war, fest: „Hiermit wird bescheinigt, daß Herr Hugo Millahn Lehrer an der School of Social Studies ist. Sie ist Teil der Armee und wird von ihr unterhalten, untersteht aber nicht der Kontroll-Kommission für Deutschland (Militärregierung).“41 Das positive Zeugnis der britischen Schule nahm Hugo Millahn zum Anlass, sich an den für die Handelsschulen zuständigen Oberschulrat Walter Gätje aus Volksdorf zu wenden, der mit Hugo Millahn ein im „menschlich warmen Ton“ gehaltenes Gespräch geführt hatte. Millahn bat um Prüfung einer Beschäftigungsmöglichkeit im Handelsschulbereich.42

Aber es kam viel besser. Inzwischen war der in der NS-Zeit kurzfristig für das Schulwesen zuständige Senator Oscar Toepffer, der sich nach seiner Entlassung 1945 als Rechtsanwalt niedergelassen hatte und mit seiner Expertise sehr erfolgreich ehemalige Nationalsozialisten in deren Entnazifizierungsverfahren vertrat, auch für Hugo Millahn tätig geworden. Er forderte „die Beseitigung einer unbilligen Härte im Entnazifizierungsverfahren des Herrn Hugo Millahn“ und benötigte nur eine Schreibmaschinenseite für seinen Antrag, Millahn „die Pension eines Schulrates zuzubilligen.“43 Oscar Toepffer hatte die Akte Millahn genau studiert und monierte die Entscheidung, seinen Mandanten „mit der Pension eines Volksschullehrer in den Ruhestand“ zu versetzen. Denn: „Bereits aus der Begründung der Entscheidung des Berufungsausschusses ergibt sich, dass er, obgleich er der NSDAP im Jahre 1932 beigetreten ist, die Partei nicht aktiv gefördert hat, sondern im Gegenteil sich der politisch Verfolgten auch unter eigener Gefährdung angenommen hat. Seine Stellung als Schulrat verdankt der Gesuchsteller nicht seiner Zugehörigkeit zur NSDAP, sondern seiner Tüchtigkeit. Er hatte bereits vor 1933 die Prüfung als Mittelschullehrer abgelegt. Bereits vor 1933 hatte man ihm die Ernennung zum Mittelschullehrer in sichere Aussicht gestellt.“43

Und, Ex-Senator Oscar Toepffer brachte nun als Zeugen einen anderen Ex-Senator, nämlich Karl Witt, mit einer Aussage in das Verfahren ein. Karl Witt hatte am 17.4.1951 schriftlich erklärt: „Der Schulrat Hugo Millahn ist von der Kultur- und Schulbehörde Hamburg zum Schulrat ernannt, weil er bei der Übernahme der Stadt Wandsbek an Hamburg uns als der geeignete Mann erschien, dieses Amt zu verwalten. Es wurde als Schulaufsichtsbeamter ein Mann benötigt, der die pädagogische und wissenschaftliche Eignung besaß, und mit den Personal- und Rechtsverhältnissen des neuen Gebietes Bescheid wusste. Meiner Erinnerung nach hatte Herr Millahn die Mittelschullehrerprüfung gemacht und nach Auskünften, die ich besonders bei Herrn Schulrat Kruse einholte, wurde er mir als der geeignetste Mann genannt. Herr Schulrat Kruse war im Kreis Stormarn beamtet und kannte Herrn M. seit längerer Zeit. Politische Stellen haben bei der Entscheidung der Behörde nicht mitgewirkt. Ich gebe diese Erklärung nach bestem Wissen und Gewissen und erwähne, dass ich mit Herrn Millahn nicht verwandt bin.“44

So können alte Kameraden auch zusammenhalten, wenn sie nicht direkt miteinander verwandt sind.

Am 2.7.1952 wurde Hugo Millahn mitgeteilt, dass auf Antrag von Rechtsanwalt Oscar Toepffer der Leitende Ausschuss zum Abschluss der Entnazifizierung in seiner Sitzung 27.6.1952 beschlossen hatte, die Vorentscheidung vom 15.10.1947 abzuändern und Hugo Millahn „mit Wirkung vom 1.7.1952 die volle als Schulrat erdiente Pension“ zuzusprechen.

Von Oscar Toepffer weiterhin gut beraten, stellte Hugo Millahn am 19.8.1952 den Antrag, „da ich 70% schwer kriegsbeschädigt bin und ich annehme, daß ich für die Verwendung im Schuldienst nicht mehr dienstfähig bin, mich aus gesundheitlichen Gründen pensionieren zu lassen“.

Nach einigen ärztlichen Gutachten wurde Hugo Millahn am 14.3.1953, 58-jährig, mit dem Ruhegehalt eine Schulrates pensioniert.

Millahn starb am 19.12.1972.

Seine Witwe, Auguste Millahn, geb. am 3.8.1892, mit der er seit 1920 verheiratet war und eine Tochter hatte, lebte noch bis zum 18.4.1984.

Das Profil ist nachzulesen in Hans-Peter de Lorents Buch: Täterprofile, Band 2. Hamburg 2017. Das Buch ist erhältlich in der Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg.

Anmerkungen
1 Alle Angaben laut Personalakte Hugo Millahn, StA HH, 361-3_ A 2207.
2 Ebd.
3 Ebd.
4 Siehe die Biografie Frahm in diesem Band.
5 Personalakte a.a.O.
6 Personalakte a.a.O.
7 Personalakte a.a.O.
8 Personalakte a.a.O.
9 Schreiben vom 12.11.1937, Personalakte a.a.O.
10 Personalakte a.a.O.
11 Zitiert nach Uwe Schmidt: Hamburger Schulen „Dritten Reich“, Hamburg 2010, S. 342.
12 Personalakte a.a.O.
13 Personalakte a.a.O.
14 Personalakte a.a.O.
15 Personalakte a.a.O.
16 Datum laut Personalakte a.a.O.
17 Personalakte a.a.O.
18 Personalakte a.a.O.
19 Personalakte a.a.O.
20 Entnazifizierungsakte Hugo Millahn, StA HH, 221-11_Z 7401
21 Schreiben vom 2.1.1947, ebd.
22 Ebd.
23 Ebd.
24 Ebd.
25 Ebd.
26 Siehe auch die Biografie Willi Schulz, in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd. 1, Hamburg 2016, S. 99ff.
27 Entnazifizierungsakte a.a.O.
28 Ebd.
29 Das Schreiben ist in Abschrift enthalten in der Entnazifizierungsakte Millahn, a.a.O.
30 Vermerk vom 9.12.1944, Entnazifizierungsakte a.a.O. Siehe auch die Biografie Heinrich Böe, S. 573.
31 Hugo Millahns Rechtfertigungsschreiben vom 2.1.1947, Entnazifizierungsakte a.a.O.
32 Entscheidung vom 21.7.1947, Entnazifizierungsakte a.a.O.
33 Ebd.
34 Ebd.
35 Berufungsausschuss vom 15.10.1947.
36 Ebd.
37 Ebd.
38 Ebd.
39 Schreiben des Forces College, W. L. Brown, vom 18.8.1948, Entnazifizierungsakte a.a.O.
40 Ebd.
41 Ebd.
42 Schreiben vom 1.10.1951, Entnazifizierungsakte a.a.O.
43 Schreiben von Oscar Toepffer vom 1.3.1951, Entnazifizierungsakte a.a.O.
44 Ebd. Alles weitere Personalakte a.a.O.
 

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Datenbank online Die Dabeigewesenen

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Von Hamburger NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Zuschauer/innen ... Eine Hamburg Topografie.

NS-Dabeigewesene

Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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