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Walther Machleidt

(15.5.1900 Hamburg – 15.9.1942)
Schulleiter an der Luisenschule in Hamburg Bergedorf
Schäferkampsallee 11 (Wohnadresse 1942)

Dr. Hans-Peter de Lorent hat das Portrait über Walther Machleidt verfasst und in seinem Buch „Täterprofile Band 2“ veröffentlicht.

Eine besonders vielschichtige Persönlichkeit war offenbar Walther Machleidt. Nach früher Mitgliedschaft in der NSDAP 1933 wurde er am 10.7.1933 zum Schulleiter an der Luisenschule in Bergedorf ernannt, zwei Jahre später wieder abgesetzt, wohl wegen seiner christlichen Überzeugung, die er im Einklang mit dem Nationalsozialismus sah. Vorher gehörte er der Kommission an, die Vorschläge zur Säuberung der Hamburger Schülerbüchereien machte. Gerüchte rankten sich um seinen Tod als Oberleutnant bei der Wehrmacht 1942 in Riga.

Eine besondere Sicht auf Walther Machleidt hatte sein ehemaliger Schüler an der Oberschule für Jungen in Eimsbüttel, Kaiser-Friedrich-Ufer , Gerhard Nöthlich, mit dem ich über Machleidt korrespondierte, siehe in diesem Buch unter „Begleitwort“.

Walther Machleidt wurde am 15.5.1900 als Sohn eines Oberzollkontrolleurs in Hamburg geboren. Er besuchte die Hansaschule in Bergedorf, an der er am 29.1.1918 die Reifeprüfung bestand. Das anschließende Studium (Deutsch/Geschichte/Erdkunde) begann er 1918 in Tübingen, nur durch eine kurze Kriegsteilnahme von Juli 1918 bis zum 7.12.1918 in einem Infanterieregiment unterbrochen. Als Freiwilliger in einem Freikorps kämpfte er vom 17.5.1921 bis zum 10.9.1921 gegen den „Polenaufstand“ in Oberschlesien, wie er im „Fragebogen zur Vervollständigung der Personalakte“ am 19.3.1938 vermerkte.1

Seine Promotion erfolgte am 7.7.1923. Thema seiner Doktorarbeit: „Die Naturschilderungen bei Löns“. Das Staatsexamen absolvierte Machleidt am 20.1.1924, sein pädagogisches Assessoren-Examen bestand er 1925, nachdem er im Probejahr an der Oberrealschule St. Georg gearbeitet hatte.2

Zur Prüfungskommission gehörten unter anderem der Psychologieprofessor William Stern, der nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten emigrierte, und der Germanist Prof. Conrad Borchling, der sich den Nationalsozialisten annäherte.3

Walther Machleidt wurde ab September 1925 als wissenschaftlicher Hilfslehrer am Wilhelm-Gymnasium eingestellt. Für die Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum des Wilhelm-Gymnasiums 1931 schrieb er einen Beitrag zum Thema „Studienfahrten im Dienste der Deutschkunde“. Hier wurde bei Machleidt eine Grundhaltung deutlich, die durchaus ideologisch in die neue Zeit ab 1933 passte:
„Die Studienfahrten stehen sämtlich im engsten Zusammenhang insbesondere mit dem deutschkundlichen Unterricht. Seitdem sind sie keine familiären Reisen, sondern Wanderfahrten, die männerbündlerischen Charakter tragen. Der Weg vom Schauen zum Verstehen wird dem Jungen durch deutschkundliche Studienfahrten ganz wesentlich erleichtert und verkürzt. Die täglich wechselnde neue Umgebung regt an und macht in hohem Maße aufnahmebereit. Die Gegenwart eines deutschen Kulturdenkmals, das Hineingestelltsein in eine andere Landschaft übt eine tiefe, rational nicht erfaßbare, ja oft magische Wirkung aus. Aber wirkliches Verstehen ist nur da möglich, wo das Geschaute zur Substanz des Inneren in unmittelbarer Beziehung gesetzt werden kann. Darum kann der Junge Wesen und Kultur seines Volkes und die Struktur des Deutschen Staates schauend begreifen und verstehen. Fahrten ins Ausland gehen aber im allgemeinen über die Aufgaben der Schule hinaus. Erst der Jüngling, für den Volk und Staat fraglose Gegebenheiten sind, wird auch Fremdes einzuordnen vermögen.“4

Am 1.2.1928 wurde Walther Machleidt außerplanmäßiger Beamter am Wilhelm-Gymnasium.5 Bezeichnend für seine Vielseitigkeit war noch, dass Walther Machleidt nach seinem Examen 1925 parallel zu seinem Lehrauftrag am Wilhelm-Gymnasium als Werkstudent in einer Filiale der Deutschen Bank in Hamburg für 15 Monate gearbeitet hatte.6

Zum 1.5.1933 trat Machleidt in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer 3279313)7. Die NS-Schulverwaltung berief ihn in eine „Kommission zur Überprüfung der Schülerbüchereien an den höheren Schulen Hamburgs“, mit dem Auftrag, eine Liste von Autoren zu erstellen, die aus Schülerbibliotheken und Unterricht gesäubert werden sollten. Die Wegbereiter der Bücherverbrennung. Mit Walter Machleidt agierten Alexander Strempel, Bruno Peyn, Otto Ludwig und Erwin Zindler. Im Vorwort zur erstellten Liste hieß es: „Die Kommission schlägt der Landesschulbehörde vor, folgendermaßen zu verfahren: Die Bücher der in Liste A genannten Verfasser sind umgehend an die Landesschulbehörde einzusenden. Diese Schriften werden in nächster Zeit öffentlich verbrannt. Die Bücher der in Liste B genannten Verfasser sind aus der Schülerbücherei zu entfernen und aus den Katalogen zu streichen. Sie können entweder in die Lehrerbücherei oder in die Schüler-Lehrbücherei aufgenommen werden. Jedenfalls sollen sie nur auf besonderen Antrag eines Lehrers in die Hand der Schüler kommen. Die Landesschulbehörde wünscht sich bis zum … Meldung von den Büchereiverwaltern über alle Schriften, die aus ihrer Schülerbücherei ausgeschieden worden sind, mit genauer Angabe von Verfasser, Titel und neuem Aufbewahrungsort. Erst nachdem dies geschehen ist, werden die Büchereien wieder zur Benutzung freigegeben. Die Kommission fasst ihre ausmerzende Tätigkeit nur als den ersten Teil ihres Auftrages auf. Sie wird daher in nächster Zeit der Landesschulbehörde eine Bücherliste einreichen, von deren Schriften sie glaubt, dass sie in einer modernen Schülerbücherei vorhanden sein müssen. Die Kommission bittet, den Büchereiverwaltern von dieser Liste Kenntnis zu geben und sie zu verpflichten, bei nächster Gelegenheit aus ihr Bücher zur Anschaffung auszuwählen.“8

Zu den „auszumerzenden“ Autoren der Liste A gehörten laut Machleidt und seiner Kommission u. a.: Josef Conrad, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Leonhard Frank, Heinrich Heine, Heinrich Mann, Ludwig Marcuse, Arnold Zweig und Stefan Zweig.9

Und in Liste B befanden sich unter anderem die Autoren: Dostojewski, Fallada, Gogol, Gorki, Gandhi, Gerhart Hauptmann, Hofmannsthal, Kollwitz, Thomas Mann, Karl Marx, Puschkin, Stendhal, Rousseau, Zola, Tolstoi, Werfel, Wilde.10

Walther Machleidts nationalsozialistisches Engagement wurde damit belohnt, ihn in Bergedorf an der Luisenschule, einer Realschule und Deutschen Oberschule für Mädchen, am 10.7.1933 zum Schulleiter zu ernennen.11

Machleidt war überzeugter Nationalsozialist und zugleich überzeugter Christ. Gegenüber der NSDAP und der Schulverwaltung machte er daraus keinen Hehl. So beantragte er zum Beispiel für den 14.12.1933 Sonderurlaub, um bei der Einweihung des Kameradschaftshauses des christlich-deutschen Studentenverbandes die Rede zu halten.12

Auch an der Luisenschule in Bergedorf kam die christliche Überzeugung des Schulleiters Walther Machleidt zum Tragen. Die Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des Luisengymnasiums setzte sich damit auseinander, wobei die nationalsozialistische Bindung und Überzeugung Machleidts, mit der und wegen der er als Schulleiter eingesetzt worden war, nicht wirklich benannt wurde: „Er kam aus dem konservativen, deutsch-national eingestellten Bürgertum, hatte Deutsch, Geschichte und Religion studiert, war Freikorpskämpfer geworden und hoffte, daß er seine Vorstellungen eines neuen Deutschlands innerhalb eines nationalsozialistischen Staates verwirklichen könnte.“13

Nach den Konferenzprotokollen der Schule führte Walther Machleidt vermutlich mit Überzeugung die angeordneten Maßnahmen der nationalsozialistischen Umgestaltung der Schulen aus. So wurde in den Protokollen in der Zeit der Leitungstätigkeit Machleidts vermerkt:
„Da die nationalsozialistische Ideologie sich ihrem Inhalt nach am besten mit den geisteswissenschaftlichen Fächern und der Biologie (Rassenkunde, Vererbungslehre) verbinden ließ, gewann im Lehrplan der Komplex ‚deutschkundige Fächer‘ gegenüber den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern und dem fremdsprachlichen Unterricht an Bedeutung. Diese schwerpunktmäßigen Verschiebungen spiegeln sich deutlich im resümierenden Protokoll zu den ‚Fachkonferenzen orientierenden Charakters‘, die im Herbst 1933 an der Luisenschule abgehalten wurden. Hier lesen wir z.B.: ‚Die Naturwissenschaften spielen eine zu weitgehende Rolle und müssen beschnitten werden‘ oder ‚der Sinn der Fremdsprachen ist es, die Gegenwelt aufzuzeigen und die eigene Tiefe zu finden‘. Das Protokoll der Semestereröffnungskonferenz am 10.4.1934 meldete stolz: ‚Die restlose Durchführung der Deutschen Oberschule ist nunmehr erreicht. Mathematik hat in der ganzen Schule nur noch 3 Stunden, Physik nur noch 2 Stunden; in allen Klassen gibt es 5 Stunden Deutsch und 3 Stunden Geschichte.‘“14

Das Führerprinzip in den Schulen wurde eingeführt, die Selbstverwaltung abgeschafft. „Ebenso verlor die Lehrerkonferenz ihr Beschlußrecht und behielt nur eine beratende Funktion. Von jetzt an wurde nicht mehr viel diskutiert, sondern knapp und kategorisch von oben bestimmt. So liest man zum Beispiel im Konferenzprotokoll vom 17.8.1933: ‚Der Schulleiter ist verpflichtet, zu hospitieren, und er wünscht es zur Orientierung.‘ Dasselbe Protokoll zeigt, wie wichtig die äußerlich erkennbare demonstrative Anerkennung des neuen Regimes genommen wurde: ‚Die Beamten grüßen innerhalb des Gebäudes im Dienst und außerhalb des Dienstes mit dem Hitlergruß. Schüler und Schülerinnen ebenfalls. Für die Schule gilt: beim erstmaligen in die Klassekommen grüßen Lehrkraft und Schülerinnen mit Heil Hitler, im Schulhaus nur durch Emporstrecken des Arms.‘ Oder: ‚Am Flaggenhissen am Montag hat die ganze Lehrerschaft teilzunehmen.‘“15

Vermerkt wurde aber auch: „Nun, Erlasse und Vorschriften sind eine Sache, ihre Durchführung eine andere. Mit der Lektüre der Mitteilungsbücher gewinnt man den Eindruck, daß im Laufe der Dreißigerjahre eine gewisse Lässigkeit gegenüber diesen Verordnungen aufkam, denn am 18.1.1936 wurde angeordnet, daß ‚während einer Woche in sämtlichen Klassen in der Turnstunde das Grüßen zu üben ist, wobei besonders zu beachten ist, daß Oberarm, Unterarm und Hand eine gerade Linie bilden und die Hand wiederum bis zur Augenhöhe gehoben wird.‘“16

Zu Recht wird genauer beschrieben, wie Walther Machleidt als gleichzeitig bekennender Christ in Konflikte mit der örtlichen NSDAP geriet.

Machleidts Bekenntnis zum christlichen Glauben in der Arbeit an der Luisenschule hielt das Konferenzprotokoll beim Thema „deutschkundliche Fächergruppe“ fest: „Im Mittelpunkt steht Religion. Möglichst sollen Religion, Deutsch, Geschichte in einer Hand sein.“17

In der Festschrift des Luisengymnasiums wurde weiter notiert:

„Von vornherein war es klar, Religion nahm die erste Stelle bei Herrn Dr. Machleidt ein. Neben der obligatorischen Flaggenhissung am Montagmorgen führte er ganz selbstverständlich die traditionellen Morgenandachten weiterhin durch. Manchmal erwuchsen daraus Jugendgottesdienste, die Dr. Machleidt gemeinsam mit einem Ortsgeistlichen durchführte. Auch die Abschiedsfeiern für Schüler zeigen in der Programmgestaltung neben dem nationalen Einschlag einen ausgesprochen religiösen Charakter mit Choralgesang, Psalmen und Schriftlesungen. ‚Die Welt ist aus dem Glaubensgrund heraus zu erleben, und zwar aus der spannungsvollen Einheit des Deutschen und des Christlichen‘, so wird ein Ausspruch Dr. Machleidts im oben erwähnten Konferenzprotokoll wiedergegeben.“18

Damit schien der Konflikt mit dogmatischen Nationalsozialisten in Bergedorf vorprogrammiert. In der Schulfestschrift aus dem Jahr 1988 liest es sich so: „Als kritisch eingestellter Geist durchschaute Dr. Machleidt sehr bald, daß der neue Staat von keiner christlichen Obrigkeit geführt wurde, und er scheute sich nicht, in der Aula wortgewaltig zu verkünden, daß ‚der Teufel umgeht wie ein brüllender Löwe und suchet, wen er verschlinge‘.“19

Hier ist sicherlich eine verkürzte Interpretation des Textes aus dem Brief an Petrus unangebracht. Tatsache ist allerdings, dass Walther Machleidt mit Schreiben vom 29.3.1935 als Schulleiter der Luisenschule zum 1.4.1935 abberufen wurde.

Die Schulverwaltung nahm eine Rochade vor. Neuer Schulleiter wurde der bisherige Stellvertreter am Realgymnasium an der Curschmannstraße , Otto Ludwig, und Machleidt wurde nach Eppendorf auf Ludwigs bisherige Stellvertreterstelle versetzt. Um Machleidt zumindest finanziell zu entschädigen, erhielt er zusätzlich 600 Reichsmark pro Jahr, „als Studienrat in besonders verantwortlicher Stellung“.20

Eine öffentliche Brisanz erhielt die Angelegenheit durch den Bergedorfer NSDAP-Kreisleiter Fritz Schuster, der dazu eine Erklärung abgab, die zuerst in der „ Bergedorfer Zeitung“ abgedruckt wurde und anschließend auch in anderen Hamburger Tageszeitungen: „Der Fall Dr. Machleidt“. Darin hieß es: „Der Kreisleiter des Kreises I Bergedorf-Geesthacht der NSDAP, Pg. Schuster, teilt uns folgendes mit: ‚Ich sehe mich gezwungen, zu der am 1. April des Jahres erfolgten Abberufung Dr. Machleidts als Leiter der Luisenschule eine Erklärung abzugeben, um aller Gerüchtemacherei die Spitze abzubrechen: Die Abberufung Dr. Machleidt erfolgte auf meine Veranlassung hin, und zwar allein aus politisch-weltanschaulichen Gründen. Die weltanschauliche Haltung Dr. Machleidts bietet der NSDAP keine Gewähr dafür, daß die Jugend von ihm im unbedingten nationalsozialistischen Sinne erzogen wird. – Mit dieser Erklärung dürfte gewissen Gerüchtemachern, die diese Gelegenheit benutzt haben, um ihre wahre Gesinnung an den Tag zu legen, das Handwerk gelegt sein. Sie mögen zugleich für alle Zukunft gewarnt sein.“21

Walther Machleidt war empört: „Sein Abgang entbehrte nicht der Dramatik. Er teilte Mitarbeitern und Schülerinnen, die er zu diesem Zweck in die Aula berufen hatte, in einem dürren Satz die Tatsache mit, daß er vom nächsten Tage an nicht mehr der Schulleiter sein werde, durchmaß dröhnenden Schrittes die Aula, vorbei an den Reihen der Versammelten, die sich wortlos erhoben hatten, und knallte die Tür hinter sich zu.“22

Machleidt reagierte aber auch offiziell und schriftlich. Am 10.5.1935 wandte er sich an Wilhelm von Allwörden, zu diesem Zeitpunkt der Senator für Kulturangelegenheiten, damit auch für den Schulbereich zuständig. Machleidt schrieb:
„Ich muss gegen das sachliche wie gegen das formale Vorgehen der Bergedorfer Kreisleitung Beschwerde einlegen. Ich kann mich aber auch mit der Maßnahme der Landesunterrichtsbehörde nicht einverstanden erklären. Leider bin ich bisher in der ganzen Angelegenheit nur sehr unzureichend gehört worden. Bis heute habe ich nicht die Möglichkeit gehabt, den Beschwerde über mich führenden Parteistellen gegenüberzutreten und mich zu rechtfertigen.

Wenn ich Ihnen gegenüber, Herr Senator, bisher geschwiegen habe, so ist das in dem Willen zu erblicken, zunächst Abstand von den Ereignissen zu gewinnen, in der Sache aber umso entschiedener und klarer zu sein. Wenn ich nunmehr spreche, so geschieht es, weil ich zu diesen Dingen nicht schweigen darf und weil ich Rechenschaft ablegen muß für das, was ich als Leiter der Luisenschule getan und gesagt habe. Und dafür weiß ich mich in letzter Verantwortung stehend vor Gott und dem Führer.“23

Im Einzelnen erklärte Machleidt:
„Ich bin lutherischer Christ und Nationalsozialist. Aus der Tatsache, daß ich in meiner Schule das Wort Gottes verkündigt und gelehrt habe und daß ich die Wirklichkeiten und Ordnungen unserer Zeit, denen ich als politischer Mensch und als alter Kämpfer gegen den Liberalismus mit Leidenschaft zugetan bin, im Lichte des Evangeliums sehe und darstelle, glaubt man folgern zu müssen, ich sei kein Nationalsozialist. Dem muß ich mit aller Energie widersprechen.

Die Landesunterrichtsbehörde hat mir auch bis zur Stunde nicht die geringsten Vorwürfe gemacht, sondern sich wiederholt anerkennend über meine Arbeit geäußert. Herr Präsident Witt hat die Maßnahme meiner Abberufung mir gegenüber ausschließlich mit praktischen Erwägungen erklärt, der Art, daß dem Unfrieden in Bergedorf doch am besten dadurch ein Ende gemacht werde, wenn ich versetzt werde.

Nun erschien aber, nachdem die Bergedorfer Bevölkerung durch die gegen mich getroffene Maßnahme in Erregung versetzt worden war, am Freitag, den 5.April, ein Schriftsatz des Bergedorfer Kreisleiters in der , Bergedorfer Zeitung‘, gegen den ich aufs Energischste Beschwerde führen muß. Hierin wird mir geradezu die Zuverlässigkeit als verantwortlicher Erzieher der Jugend im nationalsozialistischen Staate abgesprochen. Die Erklärung der Kreisleitung ist indessen auch für die Landesunterrichtsbehörde eine Unmöglichkeit. Denn aus ihr geht hervor, daß der Kreisleiter meine Abberufung erwirkt hat. Nach dem bekannten Erlaß des Herrn Reichsinnenministers dürfen aber Parteistellen sich nicht in die inneren Angelegenheiten der einzelnen staatlichen Behörden einmischen.“24

Machleidt benannte drei Aspekte und bat Wilhelm von Allwörden um ein persönliches Gespräch und dessen Unterstützung im weiteren Verfahren:

„1. Die Luisenschule ist aufs schwerste erschüttert und gefährdet worden. Der organische Aufbau, zu dessen Fortführung nach der anerkannt hervorragenden Leitung von Fräulein Popkes ich seit Juli 1933 berufen war, und die Stetigkeit der christlich-nationalsozialistischen Erziehung der Schülerinnen sind in unheilvoller Weise durchbrochen worden.

2. Es ist die Gefahr vorhanden, daß dieser Fall von sehr vielen Menschen für symptomatisch angesehen wird in der Richtung, daß evangelische Christen, die sich zum Evangelium nicht nur persönlich bekennen, sondern die ihnen vertraute Jugend auch mit Entschiedenheit so erziehen, an verantwortlicher Stelle im nationalsozialistischen Staate nicht gewünscht werden.

3. Meine Ehre ist durch meine Abberufung verletzt worden. Mir ist im Jahre 1933 die Leitung einer höheren Schule anvertraut worden, jetzt nimmt man sie mir. In der gedruckten Erklärung des Bergedorfer Kreisleiters wird mir aber darüber hinaus noch die Vollwertigkeit als Erzieher überhaupt abgesprochen.“25

Der leitende Jurist der Schulverwaltung und spätere Senatssyndikus Dr. Hermann Schultz schrieb in einem Vermerk für den Präsidenten der Landesunterrichtsbehörde, Karl Witt: „Herr Senator von Allwörden meint, daß die Anliegen der Eingabe, die sich in der Hauptsache gegen die Veröffentlichung des Kreisleiters richtet, eine Parteiangelegenheit sei, die Herrn Dr. Becker zu überweisen sei.“26

Dr. Hellmuth Becker war Staatsrat und Verbindungsreferent im Hamburger Rathaus. Nach interner Beratung und dem Hinweis von Karl Witt, dass Walther Machleidt keineswegs degradiert worden sondern, wie in anderen Fällen auch, ein Revirement vorgenommen worden wäre, bekam Machleidt die Antwort von Senator von Allwörden: „Ihre mir eingereichte Beschwerde vom 10. Mai des Jahres gegen das sachliche und formale Vorgehen der Bergedorfer Kreisleitung habe ich, da es sich um eine reine Parteiangelegenheit handelt, an Herrn Staatsrat Dr. Becker als Verbindungsreferenten weitergegeben mit der Bitte, einen befriedigenden Ausgleich zu suchen und unter Hinweis darauf, daß Ihre Versetzung von der Landesunterrichtsbehörde lediglich aus dienstlichen Gründen erfolgte und bereits kurz nach Weihnachten in Aussicht genommen war.“27

Nicht ersichtlich ist in der Personalakte, warum Walther Machleidt zum 31.3.1936 als stellvertretender Schulleiter an der Curschmannstraße entpflichtet wurde. Ein Jahr später, am 16.3.1937 wurde ein Vermerk zur Personalakte Machleidt genommen, der die Beleidigung des Bergedorfer Studienrates Dr. Hans-Paul Roloff betraf, der offenbar zu der Gruppe von Bergedorfer NSDAP-Aktivisten gehörte, die gegen Walther Machleidt intrigiert hatten.28

Machleidt wurde dann als Studienrat an die Oberrealschule Eimsbüttel am Kaiser-Friedrich-Ufer versetzt.

Am 12.10.1935 heiratete Walther Machleidt die 20-jährige Dorothea Mittendorf, mit der er bis 1941 vier Kinder bekam.

Seit 1936 unterrichtete Machleidt also an der Oberrealschule in Eimsbüttel. Er war der Klassenlehrer von Gerhard Nöthlich, der ihn als Fachlehrer für Deutsch, Religion, Geschichte und Latein erlebte. Mit Gerhard Nöthlich habe ich über seine Erfahrungen und Erlebnisse mit seinem Lehrer Walther Machleidt korrespondiert, ein Teil davon ist abgedruckt in diesem Buch als „Begleitwort“. Gerhard Nöthlich schrieb mir:

„Ich komme aus einem im damaligen Sinne regimekritischen Elternhaus. Mein Vater hatte Hitlers Pamphlet ‚Mein Kampf‘ gelesen und war nie auch nur irgend einer NS-Organisation beigetreten. Sein häufiger Spruch lautete: ,Den Brüdern traue ich alles zu!‘ Recht sollte er behalten! Für meinen damaligen Freundeskreis und deren Eltern galt Ähnliches. Man kann sich vielleicht vorstellen, dass meine Parentalgeneration auf Elternabenden mit kritisch gespitzten Ohren lauschten, wenn M. redete.

Was hörten sie? Viel über Disziplin – Vorbild: die alten Römer; über Religion – Vorbild: ein Mann vom Schlage Martin Luthers; viel über den Sinn von Erlebnissen in der Natur – Vorbild: Hermann Löns (dessen amouröse Eskapaden M. aus Gründen christlicher Moralvorstellungen verurteilte – so, sinngemäß, in seiner Dissertation vermerkt.).

Meine Eltern waren beruhigt, aus M.’s Mund im Zusammenhang mit irgendwelchen staatlichen Edikten zu hören: ,Ich habe hier ein Amt und keine Meinung.‘ (Schiller, ‚Wallenstein‘) Schon aus dieser Bemerkung leiteten sie eine latent kritische Einstellung ab.

Was ich – fast überdeutlich – aus meiner Schülerzeit im Hinblick auf M. erinnere, sind die folgenden Fakten:

– M. war, was die Engländer ‚a stickler for discipline‘ nennen. Wir minderjährigen Schüler hatten einen heillosen Respekt vor ihm, denn er konnte uns zusammenbrüllen, dass die Wände zitterten.

– Disziplin – das war die Tugend, durch die Rom – nach M. – groß geworden war. Das ‚Imperium Romanum‘, mit nüchterner Konsequenz und Zucht allbeherrschend geworden, erregte M.’s höchste Bewunderung.

– Diese Bewunderung wirkte sich bis in M.’s Unterricht in Latein aus, den er uns fachfremd, aber wirkungsvoll erteilte. Wir sollten, so sein Reden, den Marschtritt der römischen Kohort en durch die lateinische Sprache vermittelt wahrnehmen.

– M. nahm auf unsere christliche Erziehung Einfluss. Was mir an Gesängen und Sprüchen der evangelisch-lutherischen Liturgie in Erinnerung ist, verdanke ich M. Selbst auf Klassenreisen gab es religiöse Unterweisungen.

– M. brachte es auch fertig, im schmucklosen Klassenraum an einem normalen Unterrichtstag uns damals vielleicht 12jährige Schüler zu einem Fürbittegebet für einen tödlich erkrankten Mitschüler zu versammeln. Wir standen in den Bänken, M. betete, keiner von uns muckste. Und das geschah mitten in der Nazizeit! G.W., der erkrankte Mitschüler, genas. Ob durch die Fürbitte, war uns zweifelhaft. Aber wir waren beeindruckt.

Zum Bild jenes Mannes ‚M‘ gehört auch die Erinnerung an eine lutherisch-deftige Sprache, die uns Schüler seinerzeit einerseits beeindruckte, andererseits belustigte. Wenn er uns im Schullandheim Hoisdorf nach abendlicher ,Freizeit am Dorfteich‘ zu Bett schickte, sprach er von ‚Furzmulden‘, in die wir uns zu begeben hatten, wie er andererseits uns, wenn etwas nicht in seinem Sinne ‚klappte‘, als ‚Dünnmänner‘, im Extremfall sogar als ‚Schweinepriester‘ bezeichnete.

Dem gegenüber stand manche Zartheit in seinem Wesen. Er fesselte uns bei der Besprechung des ,Abendlieds‘ von Matthias Claudius und hatte keine Schwierigkeit, uns Adalbert Stifters ‚Bergkristall‘ zu Weihnachten – war es 1937 oder 1938? – bei Kerzenschein vorzulesen, und wir lauschten gebannt. ,Ja, Konrad!‘

,Heil Hitler!‘ habe ich von M. nie, von manchen anderen Lehrern am ‚Kaifu‘ hingegen häufiger gehört. Doch eine Ohrfeige von ihm habe ich kassiert, als ich nämlich lachen musste, weil sich die ‚Fahne‘ – auch für M. ein heiliges Tuch – anlässlich der Flaggenhissung auf einer Klassenreise in einer Birkenkrone verhedderte und weder nach oben noch nach unten wollte. Da kannte M. keinen Spaß, was ich damals nicht verstand, was ich heute aber einordnen kann.“29

Walther Machleidt wurde 1940 zum Kriegsdienst herangezogen und in kurzer Folge befördert zum Feldwebel, Leutnant und am 1.5.1942 zum Oberleutnant. Im September 1942, in den Monaten nach der Geburt des vierten Kindes, insistierte die Schulverwaltung darauf, die noch ausstehenden Papiere für den „Ariernachweis“ von Walther Machleidt nachzureichen. Alexander Strempel, der den ebenfalls im Kriegsdienst befindlichen Schulleiter Ernst Dätz am Kaiser-Friedrich-Ufer vertrat, schrieb an Oberschulrat Walter Behne: „Frau Walther Machleidt hat mir berichtet, die Schulverwaltung verlangte jetzt sehr energisch den arischen Nachweis ihres Gatten von ihr. Da sie vier kleine Kinder und fast keine Hilfe hat, dazu seit vielen Wochen oder Monaten, seit der Geburt des letzten Kindes nämlich, bettlägerig ist oder gewesen ist, kann sie neben der unter diesen Umständen erheblichen Arbeit des täglichen Lebens nicht noch alle Schreibereien erledigen, die der Nachweis vermutlich mit sich bringen wird. Nun haben Sie, Herr Oberschulrat, als alter Mitkämpfer Walther Machleidts aus der Umbruchzeit seiner Frau in diesen Tagen angeboten, sie zu unterstützen und ihr zu helfen.“30

Behne hatte kurz zuvor vermerkt: „Frau Machleidt fernmündlich aufgefordert, die erforderlichen Urkunden der Schulverwaltung vorzulegen. Frau M. hat erneut zugesichert, dies baldmöglichst zu erledigen.“31

Dass es in diesen Zeiten eigentlich ganz andere Probleme gab, wurde in der folgenden Woche deutlich. In einem Vermerk der Personalabteilung der Schulverwaltung stand: „Der Studienrat Dr. Walther Machleidt, O.f.J. in Eimsbüttel, ist am 15.9.1942 an den Folgen eines Unfalls als Oberleutnant im Osten gestorben. Seine Ehefrau Dorothea M. wohnt Hamburg 6, Schäferkampsallee 11. Dr. Machleidt hinterlässt vier Kinder im Alter von 1–6 Jahren.“32

Senator Friedrich Ofterdinger kondolierte am 27.10.1942 und schickte der 26-jährigen Witwe Dorothea Machleidt „einen Abdruck der Sonderausgabe des amtlichen Anzeigers vom 15. Oktober 1942, in dem Ihr Mann, der Studienrat Dr. Walther Machleidt, gestorben als Oberleutnant an den Folgen eines Unfalls im September 1942, aufgeführt ist, und spreche Ihnen und Ihren Angehörigen zu dem schweren Verlust im Namen der Schulverwaltung mein aufrichtiges Beileid aus.“33

Um den Tod Machleidts rankten sich einige Gerüchte, so dass noch einmal rekonstruiert werden soll, was die Ermittlungen der Todesursache ergeben hatten. Machleidts Armeevorgesetzter, Major Daven, schrieb am 17.9.1942 aus Riga an Machleidts Witwe: „Hochverehrte gnädige Frau! Durch Fernschreiben war der Fürsorgeoffizier in Hamburg gebeten worden, Sie, hochverehrte gnädige Frau, von dem plötzlichen Ableben Ihres Gatten persönlich in Kenntnis zu setzen. Herr Oberleutnant Dr. Machleidt, unser lieber und hoch geschätzter Kamerad, hatte am Montagabend mit mehreren anderen Sportgruppenleitern bis zum späten Abend Richtlinien für einen Sportleiterlehrgang in Riga ausgearbeitet. Er hatte kurz vorher eine neue Wohnung im 2. Stock bezogen, da unsere Offiziere aus Beheizungsgründen in zwei Wohnhäuser zusammengelegt sind. Die Fensterbretter seiner neuen Wohnung sind sehr niedrig. Durch einen unglücklichen Zufall muss er das Gleichgewicht verloren haben und ist aus seinem Fenster hinuntergestürzt. Das Bewusstsein hat er nicht wieder erlangt, sondern ist nach mehreren Stunden im Lazarett verschieden. Seine Beisetzung findet morgen im Beisein des Wehrmachtbefehlshabers vieler Wehrmachtabordnungen auf dem Kriegerfriedhof in Riga statt.

Ihr verewigter Gatte hat sich nicht nur als Zensuroffizier, sondern besonders in seiner Eigenschaft als Standortsportoffizier von Riga große Verdienste erworben. Der Aufbau des Wehrmachtssportes im Ostland und die gute sportliche Zusammenarbeit zwischen Wehrmacht und den lettischen Sportvereinen ist seiner Organisationsgabe und seiner Persönlichkeit in erster Linie zu danken. Die Lauterkeit seines Charakters, seine pflichttreue und unermüdliche Arbeitskraft, sein Humor und seine Kameradschaftlichkeit haben ihn weit über den Stab hinaus geschätzt und beliebt gemacht. Die Abteilung 1c beim Wehrmachtbefehlshaber Ostland verliert durch diesen unbegreiflichen Unglücksfall einen ihrer hochwertigsten Offiziere, ich selbst einen meiner engsten und wertvollsten Mitarbeiter.

In der Verbundenheit des gemeinsamen herben Verlustes bitte ich, Ihnen den Ausdruck meines herzlichsten Beileids übermitteln zu dürfen. Möge Ihnen, sehr verehrte gnädige Frau, der Stolz auf die Leistung Ihres verewigten Gatten über die Schwere des Heimgang hinweghelfen!“34

Die Umstände des Unfalls waren noch einmal gesondert untersucht worden mit folgendem Ergebnis:
„1. Oberleutnant Walther Machleidt ist in der Nacht vom 14. zum 15. September 1942 in Riga aus dem Fenster seines Quartiers auf die Straße gestürzt und hat dabei infolge schwerer Verletzung der Schädelbasis den Tod gefunden.

2. Die vorgelegten Untersuchungsakten des Gerichts des Oberbefehlshabers Ostland haben ergeben, daß der Unfall wahrscheinlich auf die ungünstige Beschaffenheit der äußeren sich ungewöhnlich stark nach unten wiegenden Fensterbleche zurückzuführen ist, so daß jemand, der sich im Dunkeln auf sie stützen will, keinen Halt findet.

Ein Selbstmord erscheint nach Zeugenaussagen ausgeschlossen. Es ist vielmehr anzunehmen, daß Oberleutnant M., nachdem er schon einige Zeit im Bett gelegen hat, (Oberleutnant M. war mit einem Schlafanzug bekleidet) schlaftrunken das Fenster geöffnet hat, sich dabei auf das Fensterblech stützen wollte und dabei wegen der ungewöhnlichen Beschaffenheit der Fensterbleche nach vorn übergefallen und abgestürzt ist. Oberleutnant M. war außerdem stark kurzsichtig.“35

Aus meiner Sicht gibt es keinen begründeten Zweifel an dieser Darstellung. Machleidt war mit der Vorbereitung für ein Ereignis der nächsten Tage bis spät am Abend mit anderen Offizieren beschäftigt. Er war bei der Wehrmacht in Riga ein sehr geschätzter Offizier. Für einen Selbstmord oder gar Mord gibt es kein Anzeichen und keinen Beleg. Der Arm der Bergedorfer NSDAP reichte jedenfalls nicht bis nach Riga.

 

Nachtrag:
Selbst nach dem Tod von Walther Machleidt musste der Ariernachweis nachgeliefert werden. Darum hatte sich Alexander Strempel gekümmert. Er schrieb am 12. Oktober 1942 an die Personalabteilung der Schulverwaltung: „Frau Machleidt, die Witwe unseres kürzlich im Osten verunglückten Kollegen Dr. Walther Machleidt, hat mich gebeten und beauftragt, an ihrer Stelle die Papiere für den arischen Nachweis des Verstorbenen wie der Gattin bei Ihnen einzureichen, da der vom rassepolitischen Amt gestempelte Ahnenforschungsbogen nicht ausreicht. Sie finden in der Anlage 20 Papiere, meines Erachtens also alles Erforderliche, mit Ausnahme des Geburtsscheines von Johann Gottlieb Machleidt, Turnlehrer aus Erfurt. Dieser eine Geburtsschein wird nachgeliefert, ich habe ihn bereits bestellt. Die sonstigen Papiere sind mit besonderen Zetteln versehen so zusammengeheftet, dass sie ohne Weiteres ersehen können, um welches Familienmitglied es sich handelt.

Noch einen besonderen Wunsch möchte ich äußern. Bei der verzweifelten Lage, in der sich Frau Dr. Machleidt befindet, ist es erwünscht, dass man sie möglichst nicht unnötig behelligt. Daher habe ich die Bitte, dass sie bei allen Nachfragen, Rückäußerungen usw. sich an mich wenden.“36

Dorothea Machleidt erhielt monatlich 520 Reichsmark Witwen- und Waisengeld. Am 15.1.1946 füllte sie den Entnazifizierungsfragebogen aus. Sie war in keiner NS-Organisation Mitglied gewesen.

Sie überlebte ihren Mann um 68 Jahre und starb am 5.4.2000.37

Das Buch von Hans-Peter der Lorent: „Täterprofile, Band 2, Hamburg 2017“ ist in der Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg erhältlich.

Anmerkungen
1 StA HH, 362-2/30 Wilhelm-Gymnasium_413 Akte Machleidt
2 Personalakte Machleidt, StA HH, 361-3_66974. Alle weiteren Angaben laut Personalakte.
3 Laut Prüfungszeugnis, Personalakte Machleidt, a.a.O.
4 Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum des Wilhelm-Gymnasiums in Hamburg, Hamburg 1931, S. 106f.
5 StA HH, 362-2/30 Wilhelm-Gymnasium_413 Akte Machleidt
6 Personalakte Machleidt, a.a.O.
7 Ebd.
8 in: 100 Jahre Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer , Hamburg 1992, S. 58ff.
9 100 Jahre Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer , Hamburg 1992, S. 59f.
10 100 Jahre Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer , Hamburg 1992, S. 61f.
11 Siehe die Liste der neu ernannten Schulleiter und Stellvertreter an höheren Staatsschulen vom 10.7.1933, abgedruckt in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile, Bd. 1, Hamburg 2016, S. 32.
12 Personalakte Machleidt, a.a.O.
13 100 Jahre Luisen-Gymnasium Bergedorf (1888–1988). Festschrift, Hamburg 1988, S. 133.
14 Festschrift 1988, S. 132.
15 Festschrift 1988, S. 132f.
16 Festschrift 1988, S. 133.
17 Ebd.
18 Ebd.
19 Ebd.
20 Personalakte Machleidt, a.a.O.
21 „ Bergedorfer Zeitung“ vom 5.4.1934.
22 Festschrift 1988, S. 134.
23 Personalakte Machleidt, a.a.O.
24 Ebd.
25 Ebd.
26 Vermerk vom 5.6.1935, ebd.
27 Personalakte Machleidt, a.a.O.
28 Siehe Biografie Roloff in diesem Buch.
29 Gerhard Nöthlich in einem Schreiben an mich vom 24.6.2016.
30 Schreiben vom 12.9.1942, Personalakte Machleidt, a.a.O.
31 Vermerk vom 10.9.1942, Personalakte Machleidt, a.a.O.
32 Vermerk vom 2.10.1942, Personalakte Machleidt, a.a.O.
33 Ebd.
34 Personalakte Machleidt, a.a.O.
35 Aktenvermerk des Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsamtes Hamburg-Nord vom 16.3.1943, Personalakte Machleidt, a.a.O.
36 Personalakte Machleidt, a.a.O.
37 Alle Angaben laut Personalakte Machleidt, a.a.O.
 

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Von Hamburger NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Zuschauer/innen ... Eine Hamburg Topografie.

NS-Dabeigewesene

Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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