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Richard Lüth

(22.5.1890 Hamburg – 16.2.1957)
Schulleiter der Hansaschule Bogenstraße , später Helene-Lange-Gymnasium
Isestraße 47 (Wohnadresse, 1939)

Dr. Hans-Peter de Lorent hat das Portrait über Richard Lüth verfasst und in seinem Buch „Täterprofile Band 2“ veröffentlicht.

Eine relativ typische Karriere dank seiner nationalsozialistischen Aktivitäten machte Richard Lüth. 1933 sowohl Mitglied in der NSDAP und im NSLB geworden, engagierte er sich als Funktionär in beiden Organisationen, wurde 1934 zum stellvertretenden Schulleiter befördert, hielt engen Kontakt insbesondere zum einflussreichen NSDAP-Kreisleiter Gloy in Eimsbüttel. Anfang 1942 erfolgte dann die Beförderung zum Schulleiter der Hansaschule in der Bogenstraße , dem späteren Helene-Lange-Gymnasium. Insbesondere in der Zeit der Kinderlandverschickung erwies sich Richard Lüth als bequemer und nur auf das eigene Wohl und das seiner Familie bedachter Egozentriker, der dafür von den Verantwortlichen der KLV heftig kritisiert wurde.

Richard Lüth wurde am 22.5.1890 als Sohn eines Gastwirtes in Hamburg geboren. Er besuchte von 1897 bis 1901 die Volksschule Repsoldstraße , anschließend die Realschule St.Pauli, um 1907 auf die Oberrealschule Eimsbüttel zu wechseln, an der er 1910 das Abitur ablegte. Danach studierte er in Marburg, Leipzig und Greifswald und schloss sich Burschenschaften an, in Leipzig der Sängerschaft Arion, in Marburg der Sängerschaft Chattia. Die Prüfung für das höhere Lehramt absolvierte Richard Lüth am 27.10.1917. Mit Unterbrechungen war er seit dem 15.8.1914 im Kriegsdienst, wo er als Vizefeldwebel am 20.10.1917 in englische Kriegsgefangenschaft geriet und diese bis zum 20.11.1919 im Kriegsgefangenlager, dem Camp Isle of Jersey verbrachte.1

Anschließend ging Lüth für den Vorbereitungsdienst an die Oberrealschule Eppendorf, am 1.11.1923 wurde er zum Oberlehrer in Eppendorf befördert, wo er bis 1934 als Studienrat arbeitete.2

Zum 1.5.1933 trat Richard Lüth sowohl der NSDAP als auch dem NSLB bei. In der NSDAP übernahm er die Ämter des Ortsgruppenleiters und schon 1934 die Kreisamtsleitung. Am 3. Januar 1934 besuchte er für drei Wochen die Gauführerschule der NSDAP, im NSLB fungierte er bereits 1933 als Kreisschulungsleiter, 1937 wurde er Hauptstellenleiter. Zum 22.4.1937 übernahm Richard Lüth die stellvertretende Schulleitung der Hansa-Oberrealschule in der Bogenstraße , heute Helene-Lange-Gymnasium. Dass Lüth mit den wahrgenommenen NS-Funktionen erst am 30.1.1942 Oberstudiendirektor und somit Leiter einer höheren Schule in Hamburg wurde, lässt ahnen, dass nicht alle Verantwortlichen von seinen Kompetenzen als Führungskraft im Hamburger Schulwesen überzeugt waren. Die Schulleiterstelle hatte Lüth bekommen, weil der Schulleiter der Hansaschule in Eimsbüttel, Victor Grüber, als Offizier in den Krieg gezogen war, aus dem er nicht wieder zurückkehrte.

Richard Lüth war also ein williger Parteisoldat, als Kriegsbeschädigter des Ersten Weltkriegs (Gehör zumindest auf einem Ohr völlig eingeschränkt), ohne große Kompetenzen und öffentliche Beiträge.

Richard Lüth und seine Frau hatten drei Töchter, deren älteste, Utta, geboren 1921, Jungmädel-Gruppenführerin war, wie Richard Lüth der Schulverwaltung stolz mitteilte.

Bezeichnend für Richard Lüths Berufsauffassung und seinen pädagogischen Einsatz waren Auseinandersetzungen, die er während der Kinderlandverschickung hatte. Am 20.2.1944 teilte er Oberschulrat Karl Züge mit, dass der Kreisleiter der NSDAP in Eimsbüttel, „Staatsrat Walter Gloy, mich mit einer Reise von 10–12 Tagen in die Heime der Hamburger Kinder in der bayerischen Ostmark und in Sachsen beauftragt“ hatte. „Ich bitte um den entsprechenden Urlaub, und wenn es statthaft ist, um zwei Tage darüber hinaus zur Aufarbeitung des gewonnenen Materials.“3

Lüth hatte offenbar Gefallen an der Tätigkeit als Inspekteur bzw. Lagerleiter bei der Kinderlandverschickung gefunden. Die Begeisterung blieb aber einseitig. Vernichtend war die Kritik an Lüth, die der Vertraute des Hamburger Schulbeauftragten für die KLV, Heinrich Sahrhage, schriftlich festhielt. Jürgen Früchtenicht, selbst Rektor einer Hauptschule, begründete, warum es notwendig gewesen war, Richard Lüth von allen seinen KLV-Funktionen zu entbinden. Das Schreiben vom 26.3.1945 enthielt so viele konkrete Vorhaltungen, die tiefe Einblicke in Dienstauffassung und Charakter von Richard Lüth gaben, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu dienstrechtlichen Konsequenzen geführt hätte, wäre mit Ende des Krieges nicht kurze Zeit später auch die Naziherrschaft beendet gewesen.

Richard Lüth war Hauptlager- und Unterrichtsleiter in dem KLV-Lager der Hansa-Schule aus Eimsbüttel in Egloffstein, wohin die gesamte Schule verlagert worden war. Jürgen Früchtenicht beschrieb die Vorgeschichte und die einzelnen Vorhaltungen:
„Oberstudiendirektor Lüth verstand es, gleich nach Eröffnung seiner Lager in Egloffstein bei den verschiedenen Parteistellen allein durch Worte, die durch Taten noch nicht belegt werden konnten, den Eindruck eines wirklich brauchbaren, einsatzbereiten, tatkräftigen Nationalsozialisten zu erwecken. Auf diese Weise erreichte er auch vom ehemaligen gebietsbeauftragten Bannführer Schäffler gewisse Sonderzugeständnisse aufgrund seiner von ihm vorgebrachten Kriegsbeschädigung (angebliche Schwerhörigkeit). Die Kreisleitung Forchheim begrüßte sein Angebot, sich in die politische Arbeit des Kreises einzuschalten. Er beteiligte sich an der Gestaltung von Parteifeiern, hielt einige Vorträge bei der Wehrmacht und wurde Schulungsleiter beim Volkssturm.“4

Richard Lüth hielt jedoch nicht, was er versprochen hatte, im Gegenteil. Die Vorwurfsliste war lang. Der Beauftragte des Reichsschatzmeisters der NSDAP in Bayreuth, Niebler, fasste zusammen:
„Ich möchte mit Herrn Lüth nichts zu tun haben. Er kann unter Ausnutzung harter notwendiger Kriegsgesetze Partnern, die sich nicht von ihm missbrauchen lassen, sehr gefährlich werden durch Verdrehung selbst einfachster Gespräche und durch willkürliche Entnahme aus Zusammenhängen. Er sucht Kumpane für seine Interessen, aber nicht Dienststellen und Kameraden, die ehrlich auftretende Schwierigkeiten bereinigen wollen.“5

Jürgen Früchtenicht schrieb einen sechsseitigen Bericht, in dem alle Einzelheiten aufgelistet waren: „Oberstudiendirektor Lüth führte kein Lager, wie die KLV-Vorschrift es verlangt, weil er als Kriegsversehrter, ‚es nicht hören würde, wenn nachts im Lager etwas los wäre‘. Er spielte die eingesetzten Kolleginnen gegeneinander aus und gab Aussagen von ihnen völlig verdreht wieder. ‚Studienrätin Reimpell habe Oberstudiendirektor Lüth gegenüber erklärt, daß er sie nicht zur natiosalsozialistischen Weltanschauung bekehren könne. Bei der Gegenüberstellung behauptete er, daß er gesagt habe, sie wolle sich nicht zu seiner Anschauung bekehren. Studienrätin Reimpell berichtete, daß sie als glühende Hindenburgverehrerin in einem Gegensatz zu Oberstudiendirektor Lüth gestanden habe und ihm bei einem Gespräch im Anschluß an eine Feier vor einer Reihe von Jahren die Äußerung getan habe, das Oberstudiendirektor Lüth sie nicht zu seiner Anschauung (in Bezug auf Hindenburg) bekehren könne.‘“

Früchtenicht monierte auch: „Oberstudiendirektor Lüth erledigte seine Arbeiten als Hauptlagerleiter von seinem stets gut geheizten Büro aus. Er hat nach seiner Auffassung mehr als genug zu tun mit der Beschaffung von Kohlen, der Erledigung der Lagerkorrespondenz und des Schriftwechsels mit den Eltern, der Kontrolle der ein- und ausgehenden Post und der Überwachung der Lagerleiterinnen. Er zeigt sich und sein Lager in der Öffentlichkeit durch Übernahme von Feiergestaltungen, indem er die Ansprache hält und Angehörige der Lagerbelegschaften Umrahmung gestalten.“ Ein Beispiel für einen zensierten Brief: „So hatte eine Mutter zur Beruhigung ihrer Tochter geschrieben, daß sie gehört habe, daß die Russen nicht jeden Deutschen töteten. Der Brief wurde von Oberstudiendirektor Lüth unterschlagen, um die Stimmung unter den Mädchen nicht verderben zu lassen.“6

Auch als Unterrichtsleiter sei Lüth untragbar, schrieb Früchtenicht: „Oberstudiendirektor Lüth scheint kaum ernstlich Unterricht erteilt zu haben, obgleich er sich selbst in seiner Unterrichtsmeldung mit 12 Stunden eingesetzt hatte. Er erklärte, daß er selbst ebenso wie die übrigen Lehrkräfte während der Kälteperiode an der Erteilung von Unterricht behindert gewesen sei. Über Ausfall und Einschränkungen des Unterrichts waren keine Meldungen von ihm erstattet worden. Obgleich in jedem Lager ein Tagesraum und auch Lehrerzimmer geheizt waren, wurden die Ferien verlängert und der Unterricht stark eingeschränkt.“7

Auch die BDM-Führerin klagte über Richard Lüth: „Er halte zwar nationalsozialistische Reden, lebt aber selbst nicht danach. Gier nach Zigaretten, unpünktlich, hält keinen Unterricht, die Frau des Dr. Lüth führe ein Leben des Nichtstuns. Mein persönlicher Eindruck: Dr. Lüth tritt als vornehmer Mann auf, ist sehr von sich eingenommen, hat eine außerordentlich geschickte Art zu reden und sich zu bewegen.“8

Als der Schulleitungskollege von Lüth aus Hamburg von der Caspar-Vogt-Oberschule, Dr. Gustav Schmidt, nicht zu verwechseln mit dem namensgleichen Schulrat für den Volksschulbereich, als Inspekteur des von Lüth geleiteten Lagers eingesetzt wurde, Lüth folglich mit einem negativen Bericht rechnen musste, war er zu einem diffamierenden präventiven Gegenschlag angetreten. So schrieb er am 27.2.1945 an den Gebietsführer der KLV in Bayreuth:
„Herr Oberstudiendirektor Dr. Schmidt erzählte unter anderem: ‚Wir haben keine Lokomotiven mehr, die sind alle kaputt geschossen. In den Zügen sitzen nur noch Soldaten, die alle ihren Urlaub überschreiten. Es ist genau wie 1918, genau wie 1918. Sie reisen von einer Stadt in die andere und lassen sich überall einen Stempel drauf drücken.‘ Es ist klar, dass durch solche Worte der Glaube an den Sieg untergraben wird. Zwei Lehrkräfte waren empört über die Äußerung, bei anderen Personen beobachtete ich lähmendes Entsetzen.“9

Dieses Schreiben von Lüth richtete sich nicht nur präventiv gegen eine schlechte Beurteilung, sondern war in höchstem Maße denunziatorisch. Es hätte Lüth klar sein müssen, dass er mit einer solchen Aussage den Kollegen Gustav Schmidt in absolute Lebensgefahr bringen konnte. Er verwies sogar am Ende seines Briefes noch auf den Aufsatz „Gegen alle Verräter und Saboteure“. Somit wollte er, dass gegen Schmidt gravierende Maßnahmen ergriffen wurden.

Schmidts Bericht wurde am folgenden Tag geschrieben. Er stellte fest, dass Lüth „zur Zeit überhaupt keinen Unterricht“ erteilte. Und dem Hamburger Schulleiterkollegen war auch ein anderer Missstand negativ aufgefallen: „Als einen unmöglichen Zustand muss ich es bezeichnen, daß der Direktor täglich zwei Schülerinnen vom Unterricht fernhält, die als sogenannte Ordonanzen für ihn persönlich zur Verfügung stehen müssen. Da er sein Büro im Lager Mostvill eingerichtet hat, so müsse ihm die Post und anderes dorthin gebracht werden. Dabei wohnt er nicht im Lager, ist auch selbst nicht Lagerleiter, hat seine Frau, die nicht weiter mit besonderen Verpflichtungen beschäftigt ist, ständig zu seiner Seite, also Hilfe genug.“ Da die Ordonanzen auch noch für den Nachmittag eingeteilt waren, monierte Schmidt, dass diese beiden Mädchen nicht einmal Zeit zum Anfertigen ihrer Schulaufgaben hätten. „Ich habe Kollegen Lüth im Interesse seiner Schulkinder gebeten, diese Ordonanzen abzuschaffen.“ Sowohl alle vier Lehrerkollegen als auch die BDM-Führerin hatten sich bei Gustav Schmidt negativ über den Hauptlagerleiter geäußert, „daß neben den Charaktergründen und dem Fernwohnen und -essen von der Lagergemeinschaft der Einfluß der Gattin des Direktors die Atmosphäre so unerfreulich beeinflußt hat“.10

Gustav Schmidt hatte sich am 2.3.1945 auch zu den Vorwürfen, die Lüth ihm in seinem Denunziationsschreiben gemacht hatte („mir Defaitismus vorgeworfen“), gegenüber dem KLV-Gebietsbeauftragten geäußert. Neben der Bemerkung, dass Lüth „Wendungen aus einem zwanglosen Tischgespräch herausgerissen oder verändert“ hatte, und unter Hinweis darauf, dass Richard Lüth selbst keinen Unterricht erteilen würde, weil er als Kriegsversehrter des ersten Weltkrieges das Gehör auf einem Ohr verloren hatte, stellte er den Zusammenhang folgendermaßen dar:
„Während des Mittagessens wurde von der Kreisamtsleitung angerufen und Pg. Lüth gebeten, einige Kinder zum Abholen von Sachen nach Forchheim zu senden. Da die nach Forchheim führende Bahn in letzter Zeit beschossen, eine Maschine zerstört worden war, da ich selbst auf dieser Bahn nicht nur stundenlange Verspätungen, später auch wegen des Fehlens der Maschinen den Ausfall eines Zuges erleben mußte, hielt ich es für meine Pflicht, Pg. Lüth darauf hinzuweisen und ihn zu bitten, möglichst wenig Kinder auf Reisen zu schicken. Aus meinen Erfahrungen auf vielen Eisenbahnfahrten der letzten Monate habe ich die Schwierigkeiten illustriert. Ich habe dabei nicht gesagt, daß alle Lokomotiven kaputtgeschossen sind, das ist ja absurd, sondern daß ich selbst gesehen habe, daß in Regensburg der Maschinenschuppen mit allen Loks zerstört war. Ich bin der Ansicht, daß man unter zuverlässigen Parteigenossen wohl über solche Tatsachen einmal sprechen kann. Denn nur die rechtzeitige Kenntnis drohender Gefahren setzt uns in den Stand, ihnen wirksam zu begegnen. 1918 ließen wir schließlich alles in stumpfer Resignation über uns ergehen. Das wird heute nicht wieder passieren, aber wir wollen auch nicht den Kopf in den Sand stecken.“ Gustav Schmidt schloss: „Da ich aber leider, wie aus meinem Bericht am 28. Februar zu entnehmen ist, bei der mir aufgetragenen Schulrevision einige für Pg. Lüth unerfreuliche Beobachtungen melden mußte, so geht meine Annahme wohl nicht fehl, das Pg. Lüth mit seinem telefonisch durchgegebenen Brief meinem Bericht zuvorkommen und den unbequemen Berichter vorher abschießen wollte, ehe er ihm schaden konnte.“11

Der Schulbeauftragte für die KLV, Heinrich Sahrhage, wusste richtig einzuschätzen, was der Hintergrund für diese so unterschiedlichen Versionen war. Hinzu kam das Fehlverhalten von Richard Lüth zum Ende der Kinderlandverschickung. So musste Sahrhage am 24.4.1945, als die Schulverwaltung intensiv damit zu tun hatte, alle Hamburger Kinder aus den verschiedenen Lagern wieder heil nach Hamburg zurückzuholen, an Richard Lüth über die Adresse von dessen Mutter in einem kleinen Ort bei Ludwigslust in Mecklenburg einen kurzen Brief aufsetzen: „Von der KLV-Dienststelle in Bayreuth wird hierher mitgeteilt, dass Sie mit dem 22. März 1945 aus der KLV ausgeschieden sind und den Auftrag hatten, sich alsbald nach Hamburg zurückzubegeben und sich hier in der Schulverwaltung zu melden. Letzteres ist leider bisher nicht geschehen, obwohl inzwischen ein Monat vergangen ist und man in den ersten Wochen durchaus noch die Möglichkeit hatte, hierher durchzukommen. Durch Eltern von inzwischen heimgekehrten Schülerinnen Ihres Lagers erfahren wir, dass Sie angeblich mit einer Gruppe Mädeln abgereist seien, die sie dann später verloren hätten. Zu irgendjemand sollen Sie die Absicht geäußert haben, nach Mecklenburg zu reisen. Daher schreibe ich an die Anschrift Ihrer Mutter mit der Bitte um sofortige Nachricht, falls Sie dort anwesend sind.“12

Und für die Akte vermerkte Heinrich Sahrhage am 11.6.1945:
„Herr Ob.Dir. Lüth meldet sich als am Sonnabend 9.6.1945 in Hamburg eingetroffen. Er berichtet, daß er am 8. April mit einer Gruppe von 19 Mädels (vergl. Liste der Schule) aus Egloffstein abgereist sei. Er hat diese bis Marktredwitz begleitet, wo sie in den Zug nach Berlin gesetzt wurden, während Herr Lüth mit seinem Gepäck und seiner Frau und Tochter in den Zug nicht hineinkam. Alle Mädel sind inzwischen in Hamburg eingetroffen, wie seitens der Schule festgestellt sein soll. Herr Lüth ist selbst in Personenzügen strecken- und tageweise von Marktredwitz nach Hof-Köthen–Brandenburg–Ludwigslust nach Jasnitz zu seiner Mutter gefahren. Er ist dort am 13. April 1945 eingetroffen. Hier wurde Herr Lüth krank und der Arzt verbot ihm die Weiterreise. Der Ort wurde später erst amerikanisch, dann englisch besetzt. Abreise am 1. Mai 1945 und Eintreffen in Hamburg am 9.6.1945. Für die Zwischenzeit wird Bericht an die Schulverwaltung eingereicht.“12

Laut Vermerken in seiner Personalakte war Richard Lüth 1945 als Mitglied des Korps der politischen Leiter verhaftet und interniert worden13, nachdem er am 15.6.1945 seinen Entnazifizierungsfragebogen eingereicht hatte und seine politischen Mitgliedschaften und Funktionen damit dokumentiert waren.14

Richard Lüth war offenbar bis 1947 interniert, am 7.7.1947 hatte der öffentliche Ankläger beim Spruchgericht Bergedorf bei der Hamburger Schulverwaltung noch nachgefragt, ob die Angaben Lüths stimmen würden, nur bis Oktober 1935 Kreisschulungsleiter gewesen zu sein und danach nur noch als „gelegentlicher Mitarbeiter im Kreisschulungsamt“ tätig gewesen zu sein, was offenkundig nicht der Fall war.15

Auf Anordnung der britischen Militärregierung war Richard Lüth am 26.10. 1945 aus dem Hamburger Schuldienst entlassen worden.16

Die Charakterlosigkeit von Richard Lüth wurde auch in dem von ihm 1947 ausgefüllten langen Entnazifizierungsfragebogen deutlich. So beantwortete er die Frage 113: „Wurden Sie jemals aus rassischen oder religiösen Gründen oder weil Sie aktiv oder passiv den Nationalsozialisten Widerstand leisteten in Haft genommen oder in Ihrer Bewegungs- oder Niederlassungsfreiheit oder sonstwie in Ihrer gewerblichen oder beruflichen Freiheit beschränkt?“ mit „Ja.“17 Und als Begründung trug er ein: „Nachdem ich Anklage gegen Personen, die an Lebensmittelunterschlagungen teilgenommen hatten, erhoben hatte, wurde ich durch HJ-Gebietsführung und KLV-Schulbeauftragten unter nichtigem Vorwand als KLV-Lagerleiter und Schulleiter abgesetzt und öffentlich diffamiert.“18

Man hätte vermuten können, dass Richard Lüth die Reaktionen auf sein egoistisches und inkompetentes Verhalten in den letzten Monaten der Kinderlandverschickung als Maßregelung durch „nationalsozialistische Stellen“ bezeichnen würde. Und so war es auch: „Am 9. Januar wurde ich zu einer Besprechung mit dem Reichsrevisor in Bayreuth aufgefordert, an deren Schluß ich erklärte, daß andere Leute strafbare Handlungen begangen hätten, ich mich nach der Besprechung aber als der Angeklagte fühlen müßte. Der Reichsrevisor teilte darauf den mir vorgesetzten Dienststellen mit, daß ich einen ‚schlechten Eindruck‘ gemacht hätte, und es begann dann gegen mich ein zermürbendes Treiben, welches meine berufliche Tätigkeit behinderte und mit meiner Absetzung und Abschiebung aus dem KLV-Lager nach Hamburg endete.“19 Den tatsächlichen Ablauf habe ich ausführlich dargestellt.

Und auch seine Tätigkeiten als Kreisschulungsleiter verharmloste Lüth: „Es wurden die vom Gauschulungsamt gegebenen Stoffe besprochen mit Ausnahme der Wirtschafts-, Juden- und Freimaurerfrage: Die Wirtschaftsfragen beherrschte ich als Schulmann nicht gründlich genug, um sie vor Kaufleuten behandeln zu können; die gegebenen Stoffe über die Judenfrage waren mir nicht gründlich genug aufgebaut; die Freimaurerfrage behandelte ich nicht, wegen meiner Jugendfreunde, die durchweg Freimaurer sind.“20 Was immer es hieß, wenn er „die Judenfrage“ als „nicht gründlich genug aufgebaut“ bezeichnete.

Alle Verharmlosungen seiner Tätigkeit nutzten Richard Lüth erst einmal nichts. Der Beratende Ausschuss für die Entnazifizierung im höheren Schulwesen stellte am 21.12.1948 fest:
„Er ist seit 1933 der gesamten Oberlehrerschaft Hamburgs als einer der führenden Männer im NS-Lehrerbund bekannt. Er selbst macht keinen Hehl daraus, daß er bis zuletzt kritiklos den Behauptungen der Partei Glauben beigemessen hat. Er ist daher für den Unterricht nicht mehr tragbar. Rücksprache mit den Kollegien der Schulen Eppendorf, Heinrich Hertz und Helene-Lange hat allerdings ergeben, daß er keinen Terror ausgeübt hat, so daß die Kollegen nicht etwa in Angst vor ihm lebten. Es ist kein Fall bekannt, in dem er einem Kollegen wegen seiner politischen Einstellung Schaden zugefügt hätte. Da seine Beförderungen zum Oberstudienrat und Oberstudiendirektor nur wegen seiner Zugehörigkeit zur NSDAP erfolgt sind, müssen sie aber aberkannt werden. Der Ausschuss schlägt vor, ihn mit dem Gehalt eines Studienrates in den Ruhestand zu versetzen.“21

Auch Richard Lüth vermochte es, einige Leumundszeugnisse einzubringen, die ihn in einem günstigen Licht zeichneten. Wie wenig aussagekräftig solche „Persilscheine“ waren, zeigte das Schreiben des Oberfinanzpräsidenten Walter Münch, der am 25.11.1948 bescheinigte:
„Herrn Richard Lüth, mit dem mich Erinnerungen an die gemeinsam verlebte Studentenzeit verbinden, lernte ich durch öfteres Zusammensein näher kennen, als ich 1922 nach Hamburg kam und bis 1926 im selben Stadtteil wohnte. In den späteren Jahren, so insbesondere ab 1933, war ich nur noch seltener in Gaststätten oder gelegentlich in meinem Dienstzimmer mit ihm zusammen. Herr Lüth ist ein aufrechter gerader Charakter, zum Idealismus neigend, ein Mann von großer Lauterkeit der Gesinnung, der alles Unsaubere und moralisch Anfechtbare verabscheut. Besonders ausgeprägt war seine Liebe zum Vaterlande, dessen Stärkung er mit Befriedigung verfolgte. Seiner idealistischen Auffassung entsprechend wollte er als geborener und begeisterter Lehrer diese Auffassung der Jugend vermitteln. Diese Absicht kam in unseren Gesprächen wiederholt zum Ausdruck, ohne daß Herr Lüth hierbei der Politik irgend welchen Raum gab. In seinen gelegentlichen politischen Äußerungen war er stets maßvoll und zurückhaltend. Er zeigte niemals eine irgendwie aktiv geartete Einstellung zur Ideologie des Nationalsozialismus.

Im übrigen handelte es sich in unseren Unterhaltungen meist um den Austausch von Jugenderinnerungen, bei denen die Politik von selbst ausschied.“22

Richard Lüth legte gegen seine Entlassung Berufung ein. Der Berufungsausschuss entschied am 23.2.1949, Lüth mit der Pension eine Studienrats in den Ruhestand zu schicken und in Kategorie IV einzustufen, mit Wirkung vom 1.1.1950 in die Kategorie V. In der Begründung wurde auf seine vielen Ämter in der NSDAP und im NSLB hingewiesen und darauf, dass seine Beförderungen zum Oberstudienrat 1934 und zum Oberstudiendirektor 1942 eng damit zusammenhingen. Weiter hieß es: „Ludwig bestreitet nicht, sich stark für die NSDAP eingesetzt zu haben. Es wird ihm jedoch vom BA bestätigt, dass er keinen Terror ausgeübt hat, so dass die Kollegen keine Angst vor ihm hatten.“ Der Berufungsausschuss meinte, bei Lüth von einer „menschlich einwandfreien und lauteren Haltung“ sprechen zu können.23

Wie schon in anderen Fällen, melde ich auch hier in Bezug auf die Gründlichkeit der Entscheidungen des von Rechtsanwalt Soll geleiteten Berufungsausschusses Bedenken an. Dass dieser Ausschuss in kurzer Zeit massenhaft Verfahren durchführen musste, um zu Urteilen zu kommen, führte offensichtlich dazu, häufig sehr formal zu entscheiden, ohne in die Tiefe zu gehen. Symptomatisch in diesem Fall erscheint, dass Lüth in der Begründung des Ausschusses zweimal fälschlicherweise „Ludwig“ genannt wurde. Die Frage stellt sich also, ob dieser Berufungsausschuss immer wirklich wusste, mit wem er sich jeweils zu befassen hatte.24

Richard Lüth gab sich mit der Entscheidung, lediglich das Ruhegehalt eines Studienrats zu erhalten, nicht zufrieden. Er stellte den Antrag auf Neufestsetzung seiner Pension und wies dabei hin auf das „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 Grundgesetz fallenden Personen“, also derjenigen öffentlich Bediensteten, die beim Entnazifizierungsverfahren nicht als Hauptschuldige oder Belastete eingestuft worden waren. Hier war die Schulverwaltung allerdings nicht bereit, Richard Lüth ein Angebot zu machen. Oberschulrat Hans Reimers, der gegenüber ehemaligen NS-Aktivisten durchaus milde gestimmt war25, schrieb in dieser Sache an das Personalamt:
„Die Beförderung des Herrn Lüth zum Oberstudiendirektor ist seinerzeit auf Betreiben der NSDAP erfolgt. Die Schulbehörde (Senator und Dezernenten) sollen sich entschieden gegen diese Maßnahme gesträubt haben. Die Beförderung ist offenbar von dem damaligen Reichsstatthalter verfügt worden und ist deshalb als eine einseitige Maßnahme der NSDAP anzusehen. Diese Angaben wurden der Schulbehörde gemacht von Oberschulrat a. D. Dr. K. Züge, damals Dezernent der Schulbehörde, und von Studienleiter Professor Kleeberg, der mit dem damaligen Personalreferenten, dem verstorbenen Oberschulrat Behne, über diese Angelegenheit gesprochen hat. Beide Herren sind bereit, ihre Aussagen auch andernorts zu wiederholen. In der Personalakte festgehaltene Vorgänge aus den Jahren 1945 dürften einen weiteren Beweis dafür liefern, daß Herr Lüth die Voraussetzungen für eine Beförderung sachlich kaum erfüllte. Die Schulbehörde ist immer wieder darauf hingewiesen worden, daß die damalige Ernennung Lüths starkes Befremden hervorgerufen hat.“26

Ein entsprechendes Schreiben schickte das Personalamt am 11.12.1952 an Richard Lüth, worauf dieser beim Verwaltungsgericht Hamburg Klage gegen diese Entscheidung einreichte.27

Es ergab sich daraus der interessante Auftrag für die Schulverwaltung, zu belegen, dass in Parallelfällen von Schulleitern, die zu vergleichbaren Zeitpunkten ebenso wie Richard Lüth zu Oberstudiendirektoren befördert wurden, die Parteiaktivitäten keine Rolle gespielt hatten, es vielmehr „im normalen Verlauf der Dienstlaufbahnen“ zur jeweiligen Beförderung gekommen war. Das Personalamt forderte die Schulbehörde auf, in jedem einzelnen Fall zu überprüfen, ob fachliche Eignung oder NS-Aktivitäten die ausschlaggebende Rolle gespielt hatten.28

Es erwies sich 1953 für die Verwaltungsjuristen als kaum zu bewältigende Aufgabe, anhand der Personalakten schlüssige Aussagen zu machen. Aus meiner Sicht war die am 29.9.1953 vorgelegte Aufstellung deutlich fehlerhaft, da alle zwischen 1938 und 1942 zu Oberstudiendirektoren Beförderten dieses ihren Aktivitäten als Mitglieder der NSDAP und des NSLB zu verdanken hatten, auch wenn dafür in den Personalakten nicht immer eindeutige Belege vorhanden waren. So kam die Verwaltung zu der Auffassung, dass Dr. Gerhard Rösch, Dr. Walter Lohse, Dr. Richard Ackermann, Dr. Gerhard Eckmann, Dr. Hans Lüthje und Erwin Zindler aufgrund ihrer pädagogischen Fähigkeiten als Schulleiter berufen worden waren, im Gegensatz zu Richard Lüth und Wilhelm Bartels.29

Hiermit waren die Regierungsrätin Miething sowie die Oberschulräte Wagner und Dr. Reimers befasst und zumindest überfordert gewesen.30

Von den Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht gibt es zwei aufschlussreiche Unterlagen. Einmal einen „Terminsbericht“ für das Personalamt, in dem es hieß:

„In obiger Sache wurde am 5.11.1953 vor dem Landesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsdirektor Dr. Sieveking, Verwaltungsgerichtsrat Schröder) verhandelt. Die Kammer ließ keinen Zweifel darüber, daß die Position des Senats schwach sei, weil der Kläger erst nach dem 30.1.1933 der NSDAP beigetreten und bisher in keiner Weise nachweisbar sei, daß er seine Beförderung zum Oberstudiendirektor einer engen Verbindung zum Nationalsozialismus verdanke. Die Personalakte gebe hierüber nicht den geringsten Aufschluß. Insbesondere sei es eigenartig, daß sich in der Personalakte keine Beurteilung des Klägers befinde. Üblicherweise werde doch vor einer Beförderung eine Beurteilung angefordert.

Ich habe demgegenüber ausgeführt, daß gerade die Tatsache, daß bei der Beförderung des Klägers zum Oberstudiendirektor offenbar keine Beurteilung angefordert sei, für die Ansicht des Beklagten, daß nämlich die Beförderung des Klägers zum Oberstudiendirektor ausschließlich auf seine enge Verbindung zum Nationalsozialismus zurückzuführen sei, spreche. Dies würden auch die beiden vom Beklagten benannten Zeugen bekunden. Das Gericht beschloß alsdann, daß eine schriftliche Entscheidung ergehen soll.“31

In der nächsten Verhandlung erfolgten dann zwei für Richard Lüth nicht günstige Zeugenaussagen, von den beiden ebenfalls mit Schwierigkeiten entnazifizierten Karl Züge und Alfred Kleeberg:
„Die Zeugen Dr. Züge und Prof. Kleeberg gaben übereinstimmend an, daß L. ausschließlich infolge seiner guten Bekanntschaft mit dem damaligen Kreisleiter Gloy gegen den Willen des Senators Dr. Ofterdinger und des Personalreferenten, Oberschulrat Behne, zum Oberstudiendirektor ernannt worden ist. Gloy war seinerzeit Mitglied der Deputation in der Schulbehörde und hat aufgrund dieser Stellung sehr weitgehende Einfluss auf die Ernennung von L. zum Oberstudiendirektor ausgeübt. Nach Angabe von Dr. Züge herrschte innerhalb der Schulbehörde seinerzeit einhellig die Auffassung, daß L. die für die Ernennung zum Oberstudiendirektor erforderliche fachliche Befähigung nicht besaß. Senator a.D. Witt konnte zu dem Beweisthema nichts Sachdienliches aussagen, weil er im Zeitpunkt der Ernennung von L. zum Oberstudiendirektor bereits mehrere Jahre lang im Feld war.“32

Die Aussage von Karl Züge, der als Schulleiter der Bismarck-Oberrealschule jahrelang in Konkurrenz zur Hansaschule in der Bogenstraße gestanden hatte und im NSLB mit Richard Lüth um die Vorherrschaft in der Fachgruppe höhere Schulen konkurrierte, ist von daher mit Vorsicht zu genießen, wenngleich sie offenbar den damaligen Gegebenheiten entsprach.

Nach diesen Zeugenaussagen entschied das Gericht gegen Richard Lüth. Im Urteil bezog es sich auf die Zeugenaussagen von Karl Züge und Alfred Kleeberg und es hieß: „Zur Beförderung des Klägers ist es dann trotz der von den Fachleuten geäußerten Bedenken deshalb gekommen, weil der Kreisleiter Gloy, der seit 1938 als Ratsherr Mitglied der Deputation der Schulbehörde war, die Beförderung des Klägers durchsetzte. Gloy hat nach den Bekundungen des Zeugen Witt schon in der Zeit vor dem Kriege dessen Aufmerksamkeit auf den Kläger mit dem Hinweis gelenkt, daß dieser wohl einmal für eine Beförderung infrage käme. Nach den Äußerungen des Zeugen Züge ist der Einfluß der Partei auf die Besetzung der Lehrerstellen sehr stark gewesen. Es habe nicht nur der Kreisleiter, sondern auch die HJ gehört werden müssen.“33

Auch die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht wurde zurückgewiesen, wobei es schon merkwürdig war, wie ehemalige Nationalsozialisten, die selbst aufgrund ihrer Aktivitäten in der NS-Zeit befördert worden waren, sich in diesem Verfahren als Richter gegen Richard Lüth wandten und sich dabei auf Walter Behne, der als Kriegsverbrecher in Serbien 1947 hingerichtet worden war, und den ebenfalls im Internierungslager verstorbenen ehemaligen Senator Ofterdinger beriefen.34

Richard Lüth starb am 16.2.1957.35

Das Buch von Hans-Peter der Lorent: „Täterprofile, Band 2, Hamburg 2017“ ist in der Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg erhältlich.

Anmerkungen
1 Alle Angaben laut Personalakte Richard Lüth, StA HH, 361-3_A 1397
2 Ebd.
3 Schreiben vom 20.2.1944, Personalakte a.a.O.
4 Personalakte a.a.O.
5 Schreiben vom 9.3.1945, Personalakte a.a.O.
6 Schreiben vom 26.3.1945, Personalakte a.a.O.
7 Ebd.
8 Bericht der Hauptgefolgschaftsführerin Köhler vom 9.2.1945, Personalakte a.a.O.
9 Schreiben vom 27.2.1945, Personalakte a.a.O.
10 Bericht vom 28.2.1945, Personalakte a.a.O.
11 Schreiben vom 24.4.1945, Personalakte a.a.O.
12 Aktenvermerk vom 11.6.1940, Personalakte a.a.O.
13 Personalakte a.a.O.
14 Entnazifizierungsakte Lüth, StA HH, 221-11_Ed 6943
15 Schreiben vom 7.7.1947, Personalakte a.a.O.
16 Entnazifizierungsakte a.a.O.
17 Ebd.
18 Ebd.
19 Anmerkung 3 zum Entnazifizierungsfragebogen, Entnazifizierungsakte a.a.O.
20 Anmerkung 2 zum Entnazifizierungsfragebogen, Entnazifizierungsakte a.a.O.
21 Entnazifizierungsakte a.a.O.
22 Entnazifizierungsakte a.a.O.
23 Entscheidung vom 23.2.1949, Entnazifizierungsakte a.a.O.
24 Entnazifizierungsakte a.a.O.
25 Siehe die Biografie Hans Reimers in diesem Buch.
26 Schreiben vom 24.11.1952, Personalakte a.a.O. Siehe auch die Biografien Karl Züge (S. 385ff.) und Walter Behne (S. 457ff.), in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd. 1, Hamburg 2016.
27 Schreiben des Personalamtes vom 10.9.1953, beantwortet am 29.9.1953, Personalakte a.a.O.
28 Ebd.
29 Ebd. Siehe dazu die Biografien von Hans Lüthje und Richard Ackermann in diesem Band, sowie die Biografie von Erwin Zindler in: de Lorent 2016, S. 538ff.
30 Was in einem dritten Band der Täterprofile nachzuweisen sein wird.
31 Terminsbericht von Regierungsassessor Bonnet vom 9.9.1953, Personalakte a.a.O.
32 Terminsbericht von Regierungsassessor Bonnet vom 2.12.1953, Personalakte a.a.O.
33 Urteilsbegründung, Personalakte a.a.O.
34 StA HH, 131-11_4077
35 Personalakte a.a.O.
 

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Datenbank online Die Dabeigewesenen

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Von Hamburger NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Zuschauer/innen ... Eine Hamburg Topografie.

NS-Dabeigewesene

Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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