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Anton Christian Andersen

(10.07.1887 Berlin – 10.09.1954 Kropp)
Pastor
Wirkungsstätte: Luther-Kirchengemeinde, Lutherhöhe 22, Hamburg-Bahrenfeld

Anton Christian Andersen wurde am 10.07.1887 in Berlin als Sohn eines Lehrers geboren. Er studierte in Berlin, Erlangen und Kiel Theologie. Seine Ordination erfolgte am 14.05.1915 in Süderbrarup. Danach war er als Provinzialvikar im Nordschleswig beschäftigt. Seine erste Station war Tyrstrup-Hjerntrup und danach Lügumkloster, wo er ab12.12.1915 als Pastor tätig war. Diese Stellung hatte er bis Anfang 1922 inne. Danach erfolgte am 29.01.1922 die Versetzung nach Grömitz. Schon früh zeigte er Bestrebungen, wieder in den nördlichen Landesteil versetzt zu werden, aber dies wurde aufgrund der Regelung, dass ein Pastor fünf Jahre in einer Pfarrstelle bleiben solle, zurückgewiesen. In einem Visitationsbericht wurde er durchweg gelobt, obwohl es ihm in der Auseinandersetzung mit Andersdenkenden an Zurückhaltung mangele und er sich zu schnell zu unnötiger Schärfe hinreißen ließe. Diplomatie sei für ihn „Leisetreterei“ (LKAK, 12.03 Nr. 12, Blatt 13).

Der Wunsch nach einer Versetzung in den schleswigschen Landesteil wurde auch nach fünf Jahren nicht entsprochen. Am 27.11.1927 wurde er Pastor in der Luthergemeinde in Altona. Trotzdem blieb er Nordschleswig verbunden. Schließlich war er Schriftführer und Schatzmeister des Vereins für die Förderung der kirchlichen Versorgung der deutschen Minderheit in Nordschleswig.

Der im Zuge des so genannten „ Altonaer Blutsonntags“ vom 17.07.1932, an dem es infolge von Auseinandersetzungen zwischen SA-Leuten und Kommunisten bei einem SA-Marsch durch Altona zu mehreren Toten und Verletzten gekommen war, zusammentretende Pastorenschaft Altonas gehörte er an und beteiligte sich in der Folge an der Diskussion und dem Verfassen des Altonaer Bekenntnisses (im Original: Wort und Bekenntnis Altonaer Pastoren in der Not und Verwirrung des öffentlichen Lebens), einer Kanzelabkündigung als Reaktion auf den „Blutsonntag“ vom 17.07.1932. Diese Erklärung gilt als Vorläufer der Barmer Theologischen Erklärung, dem theologischen Fundament der Bekennenden Kirche. Gleichzeitig war er Mitglied des Bruderrates junger Theologen. Während der Arbeit am Bekenntnis hat Andersen immer wieder Informationen über die Kommission an Christian Kinder, dem späteren Kirchenamtspräsenten und Reichsleiter der Deutschen Christen, der zu diesem Zeitpunkt Konsistorialrat im Landeskirchenamt Kiel, Mitglied in der NSDAP und SA war, weiter. Im November gab Andersen vermutlich den 6. Entwurf des Bekenntnisses an Kinder und den damaligen Bischof für Holstein, Mordhorst. Besonders in der Endphase der Erarbeitung zeigte sich Andersen als eifriger Mitarbeiter am Bekenntnis und ließ ein Rundschreiben an Mitglieder des Landesverbandes der ev.-luth. Jungmännervereine, deren Vorsitzender er war, verfassen, in dem er geschlossen zum Gang zum Gottesdienst am 11.01.1933 aufrief. An diesem Tag sollte das Bekenntnis von allen Kanzeln Altonas verlesen werden. Außerdem bat er um zahlreiche Teilnahme an den vier Folgeveranstaltungen, die im Hotel Kaiserhof stattfanden. An diesem Ort organisierte er auch eine professionelle Pressekonferenz zum Bekenntnis, zu dem 20 Pressevertreter kamen.

Für die Folgeveranstaltungen erreichte es Andersen zusammen mit Propst Sieveking, dass der Bischof zur Veranstaltung am 24.01.1933 ein Eingangsreferat hielt. Dieser verhielt sich aber weder sonderlich ablehnend noch positiv zum Bekenntnis. In der Diskussion um das Bekenntnis erklärten die 21 Unterzeichner des Bekenntnisses, dass sie vom Wort Gottes ausgehen, für ihr Volk kämpfen, den Opfertod fürs Vaterland für das Ehrenvollste hielten und den Nationalsozialismus nicht angreifen würden. Man begrüße sogar die Haltung Hitlers. So schnell wie sich die 21 Pastoren zusammengefunden hatten, so schnell hatte auch die Gemeinschaft geendet. Es fand nach Juni 1933 kein weiteres Treffen mehr statt, weil keine Einladung mehr versendet wurde. Andersen hatte schon früh offensichtlich berechtigterweise Zweifel an der Einheit der 21 Pastoren erkannt. 1937 wechselte er als „Hilfsarbeiter“ ins Kirchenamt und machte dort Karriere. 1938 wurde er Oberkonsistorialrat und blieb es bis 1945.

Nach Kriegende wurde er von der Vorläufigen Kirchenleitung nicht im Amt bestätigt und zum 01.01.1946 in den Ruhestand versetzt. Daraufhin stellte er einen Antrag auf Weiterverwendung als Pastor im Raum Schleswig. Diesem wurde zum 14.12.1947 stattgegeben, als er die Pfarrstelle in Kropp erhielt. Spätestens seit 1950 wurde ihm ein Pastor vertretungsweise zur Seite gestellt. Andersen war gesundheitlich stark angeschlagen, so dass er sein Amt nicht vollends ausüben konnte. Seine Emeritierung zum 01.03.1952 erfolgte demnach auf eigenen Wunsch.

Christian Andersen starb am 10.09.1954 in Kropp.

Text: Benjamin Hein M.A.

Verwendete Quellen und Literatur:
Landeskirchliches Archiv Kiel, 12.03 (Nordelbische Kirche-Kirchenamt/Personalakten) Nr. 12.
Jürgensen, Claus: Das Altonaer Bekenntnis vom 11. Januar 1933, Husum 2013.
Wilhelmi, Heinrich: Die Hamburger Kirche in der nationalsozialistischen Zeit 1933-1945, Göttingen 1968.
 

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Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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