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Otto Thode

(25.4.1887 Wetterndorf bei St. Margarethen/ Holstein – 1.9.1972)
Schulleiter der Hansaschule in Hamburg- Bergedorf
Am Baum 28 in Hamburg- Bergedorf (Wohnadresse, 1939)

Dr. Hans-Peter de Lorent verfasste das Portrait über Otto Thode und veröffentlichte es in seinem Buch „Täterprofile, Band 2“.

Eine schillernde Person während der NS-Zeit war Otto Thode. Er gehörte zur Generation der in den 1880er-Jahren Geborenen, die während ihres Studiums in den Krieg zogen, Offiziere wurden und danach anfällig für die Ideologie der Nationalsozialisten waren. Thode war seit 1934 Schulleiter der Hansaschule in Bergedorf, an der schon vor 1933 ein äußerst konservativer Geist herrschte. Zu Thodes Lebensgeschichte gehörte auch, mit einer Frau verheiratet gewesen zu sein, die einen „jüdischen Großvater hatte“. ­Thode musste die NSDAP 1938 verlassen, wurde aber mit Unterstützung des Bergedorfer ­Kreisleiters 1941 auf „dem Gnadenwege“ wieder in die Partei aufgenommen, anders als einige Schulleiter in ähnlicher Situation.

Otto Thode wurde am 25.4.1887 in Wetterndorf bei St. Margarethen in Holstein geboren. Sein Vater war Landwirt und Hofbesitzer. Otto Thode besuchte die Volksschule in Landscheide bei St. Margarethen bis zu seinem zehnten Lebensjahr, seit 1898 die Realschule in Eilbeck, danach seit Ostern 1901 das Realgymnasium des Johanneums in Hamburg, wo er 1907 die Reifeprüfung bestand. Danach studierte er Deutsch und Geschichte, daneben Englisch und Kunstgeschichte, in Marburg, Kiel, München und wieder in Kiel, wo er am 27.2.1915 das Doktorexamen bestand mit einer Arbeit: „Untersuchungen zu Klaus Groth’s Quickborn. Die Abweichungen vom Dithmarscher Platt unter Einfluß des Volksliedes.“1

Nach seiner Promotion wurde Otto Thode am 15.4.1915 eingezogen und „war vom 13.7.1915 bis November 1918 im Felde“.2 1916 wurde er zum Leutnant befördert, im August 1916 erhielt er das EK II, im Juli 1918 das EK I. Bis zum Kriegende wurde Thode zweimal verwundet.

Vor Kriegseintritt heiratete Otto Thode am 16.1.1915 Mary Meves, Tochter des Rittergutsbesitzers Conrad Meves, mit der er vier Kinder bekam (geboren 1915, 1917, 1920 und 1923).

Nach Rückkehr aus dem Krieg und Heilung seiner letzten Verwundung bereitete er sich auf das philologische Staatsexamen vor, das er im Juni 1919 bestand und die Lehrbefähigung für Geschichte in der Oberstufe und Deutsch und Englisch in der Mittelstufe erlangte. Am 2. und 3. Oktober 1919 bestand er auch die Ergänzungsprüfung für Deutsch in der Oberstufe und Kunstgeschichte als Zusatzfach.3

Das Anleitungsjahr absolvierte Otto Thode an der Realschule Rothenburgsort, wo er nach der pädagogischen Prüfung außerplanmäßiger Beamter wurde und am 1.6.1923 Oberlehrer.

Zum 1.4.1924 wechselte Thode von Rothenburgsort an die Hansaschule nach Bergedorf.4

Um die Familie ernähren zu können, übte Thode zumindest in den Jahren von 1928 bis 1931 zusätzliche Nebentätigkeiten an der Fichte-Hochschule aus. Als eine Tochter und seine Frau längere Zeit ernsthaft erkrankten und eine Kur notwendig wurde, prüfte das städtische Wohlfahrtsamt Bergedorf „eine Beihilfe aus dem Notstandsfonds“.5

Vermerkt wurde in diesem Zusammenhang, „daß in der Familie viel Krankheit besteht“.6

Während der Weimarer Republik war Otto Thode Mitglied der Deutschen Volkspartei (DVP) gewesen. Am 1.5.1933 trat er in die NSDAP ein, ebenso in den NSLB und die NSV.7

Als der Schulleiter der Hansaschule, Prof. Eduard Rüther in den Ruhestand versetzt wurde, berief die Schulverwaltung Otto Thode am 7.4.1934 zu seinem Nachfolger.8

Die Festschrift zur 50-Jahr-Feier der Hansa-Schule leitete Schulleiter Prof. Eduard Rüther mit Worten ein, die „in ihrer hoffnungsvollen blinden Ahnungslosigkeit so symptomatisch sind für einen großen Teil des deutschen Volkes“9, wie die Herausgeber der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum es benannten. Rüther sagte 1933:

„Der Anbruch einer neuen Zeit erfüllt die Herzen aller Deutschen, darunter der Hanseaten, mit großer Freude; er fällt mit dem 50jährigen Jubiläum der Bergedorfer Hansa-Schule zusammen und führt aus der Verzagtheit, die eine ältere Generation während der letzten 14 Jahre zu erfassen drohte, zu hoffnungsvollem Schauen in die Zukunft. Was seit dem 30. Januar dieses Jahres mit der Bildung der nationalen Regierung Hitler–Hugenberg–Papen–Seldte begonnen und zur Revolutionierung deutschen Geistes durch die fortreißende Redekraft dieser Männer geleistet hat, steht in der neuesten Geschichte einzig da und ist nur mit der Erhebung nach der Franzosenzeit und mit der Geistesbewegung vor den Einigungskriegen vergleichbar. Es scheint so, als ob erst die 14jährige äußere und innere Not die starken Kräfte in uns Deutschen hätte wecken und die Hemmungen, die der ehrvergessene und pazifistische Marxismus einer baldigen Selbstbesinnung nach dem Zusammenbruch entgegenstellte, hätte beseitigen müssen. Nur langsam bereitete sich der seelische und willensmäßige Aufschwung der deutschen Nation vor, um dann urplötzlich in der großen und einzig bedeutsamen Reichstagswahl der letzten Jahre gewaltsam hervorzubrechen. Der 5. März und seine Folgen sind der Wendepunkt in der deutschen Geschichte und bedeuten für die Jugend, die unsere letzte wirtschaftliche Blüte während der Kaiserzeit, die Hochstimmung beim Kriegsausbruch und die großen Siege nicht miterlebte, ein kaum faßbares Wunder … Der Geist von Potsdam, der in der Eröffnung des Reichstages in der dortigen Garnisonskirche symbolisch sich offenbaren soll, wird den falschen Geist von Weimar im ganzen Reich verdrängen helfen.“10

Eduard Rüther, der 1927 die Schulleitung als Nachfolger von Prof. Ferdinand Ohly übernommen hatte, der 27 Jahre lang Schulleiter der Hansa-Schule gewesen war, beschrieb, in welcher Tradition er sich sah: „Er knüpfte an den ‚vaterländischen Geist Ohlys für die Erziehung der Jugend‘ an und lobte ihn, daß er seinen Dienst ‚wie einen heiligen Dienst am Vaterlande … versah‘ und ‚in den Stürmern der Revolutionszeit alle Anfechtungen von links unerschrocken über sich ergehen‘ ließ. Er konstatierte ganz im Sinne der nationalsozialistischen Propaganda einen nahtlosen Übergang von Ohlys zweifelsohne sehr im Kaiserreich verhaftetem Patriotismus zu dem Ungeist der neuen Machthaber.“11 Die Redakteure der 100-Jahres-Festschrift bemerkten dazu: „Eine Inanspruchnahme des erzkonservativen, in Bezug auf die Weimarer Republik sogar wohl mit Recht reaktionär zu nennenden Ohly für den Nationalsozialismus erscheint dem Chronisten aber ungerecht, wenn man seinem überlieferten Ruf und den Erzählungen seiner ehemaligen Schüler Glauben schenken darf. Die neue Zeit zeigte bald ihre pervertierende Umdeutung der Ohlyschen Begriffe von Humanität, Gerechtigkeit und Disziplin.“12

Eduard Rüther hatte zum Thema „Höhere Schule und Nationalsozialismus“ auf zwei Elternversammlungen am 6. und 9.11.1933 gesprochen:
„Als Hauptzweck der höheren Schule nannte er die Aufgabe, tüchtige Führer für den neuen Staat zu erziehen, die jenen hohen Anforderungen genügen, die unser Kanzler schon vor zehn Jahren in seinem Buche ‚Mein Kampf‘ aufstellte. Zu solchen Führern taugen nicht die Menschen, die bloß intellektuell begabt sind und die bloßes Wissen eingepumpt bekommen haben, sondern der völkische Staat stellt sich in erster Linie auf das Heranzüchten kerngesunder Körper, auf Entwicklung des Charakters ein, besonders auf die Förderung der Willens- und Entschlußkraft, verbunden mit der Erziehung zur Verantwortungsfreudigkeit. Dann kommt erst die wissenschaftliche Schulung.“13

In dieser Tradition stand nun Otto Thode. Der ehemalige Schüler, Peter Lemmersdorf, schrieb über ihn:
„Inzwischen vollzog sich in der Schule ein erstaunlicher Wandel. 1934 wurde Dr. Thode Direktor. Dieser, ein an sich sensibler und gebildeter künstlerischer Mensch, verwandelte sich bald in einen ‚Möchtegern-Hitler‘, nicht nur durch Stakkatieren in martialischer Sprache, durch Schnurrbart und Haartracht, sondern auch in seinem gesamten Auftreten. Vielleicht glaubte er, es tun zu müssen, um seine Stellung oder vielleicht sogar seine schöne Frau zu retten, von der man sagte, daß sie ‚nicht-arisch‘ wäre. Was das hieß, kann nur der begreifen, der die damalige Zeit miterlebt hat.“14 Wie Thodes Verwandlung aussah, beschrieb Lemmersdorf an einem konkreten Beispiel:

„Die Morgenandachten, die Dr. Thode noch als Kollege geleitet hatte, verschwanden zwischen 1933 und 1934 plötzlich aus dem Stundenplan. Stattdessen gab es montags morgens eine Flaggenparade. War dabei ein besonderes Ereignis zu begehen, so erschien die ganze Schule in Uniform. Wir mussten in U-Form um den großen Flaggenmast antreten, der am Nordrand des Schulhofes stand: rechts vorne die Lehrer, die je nach Gesinnung und Partei-Engagement verschiedenfarbig uniformiert waren, schwarz die von der SS, braun die von der SA, die weniger Engagierten in etwas unauffälligeren Farben, wie die vom NS-Fliegerkorps, NS-Kraftfahrerkorps und ähnlichen mehr an der Sache als an der Partei orientierten ,Vereinen‘. Es gab sicher auch den einen oder anderen ‚Zivilisten‘ darunter. Ich weiß es nicht mehr genau. Dann folgte quer aufgestellt der Block der HJ-Führer, die HJ-Mitglieder in braun, dann die Jungvolkführer links den Lehrern gegenüber und die ‚Pimpfe‘ in schwarz und ganz am Ende, links neben dem Fahnenmast, ein Häufchen von fünf nicht uniformierten ‚Aussätzigen‘: Drei Schüler aus Aumühle (davon zwei jüdischer Abstammung und ein Sohn eines Freimaurers) und zwei Bergedorfer, deren Väter ihre Kinder vor dem bewahren wollten, was sie von Anfang an kommen sahen. Dann trat ‚Toldi‘ nach vorne, jeder Zoll ein Führer, hob den Arm zum deutschen Gruß und kommandierte: ‚Heiß Flagge!‘ Und alle Hände erhoben sich. Anstatt Worte der Andacht wie bisher, kamen aus seinem Munde ein paar markige Sprüche, dann sangen wir das Deutschland- und Horst-Wessel-Lied und zogen in die Klasse.“15

Und er benannte auch ein von Otto Thode „häufig gehörtes Kernwort“: „Jungs, freut euch, daß ihr in so einer großen Zeit Leben dürft!“16

Ein anderer ehemaliger Schüler schrieb: „Als erster erscheint dann natürlich der Schulleiter Dr. Thode, für mich damals eine Respekt einflößende Persönlichkeit von unbedingter Autorität. Die Pflege der Schultradition lag ihm am Herzen. Sicherlich war er mit Leib und Seele Schulleiter. Oft stand er nach Ende der großen Pause mitten auf der Eingangstreppe und ließ wie ein Fels in der Brandung den Strom der in die Schule zurückdrängenden Schüler an sich vorbeifließen. Offensichtlich genoß er das Bad in der Menge der ihm anvertrauten jungen Menschen.“17 Und über den Geschichtsunterricht des Direktors: „Im Geschichtsunterricht erwies sich Dr. Thode als ein vorbehaltsloser Bejaher des Nationalsozialismus. Er unterrichtete stramm nach dem ‚Gehl‘, dem reichseinheitlich verordneten Geschichtswerk. Aus heutiger Sicht stellt sich sein Geschichtsunterricht als ein einziges nationalsozialistisches ­Weltanschauungsprogramm dar. Damals glaubte ich ihm alles. Der Führer war der Retter und Erneuerer Deutschlands usw. usw. … Nach dem Zusammenbruch mußte Dr. Thode gehen, und er wurde von vielen angefeindet. Ich mochte keinen Stein auf ihn werfen, denn ich war von seiner Integrität überzeugt. Seine fast sentimentale Hingegebenheit an den ‚Führer und sein Werk‘ schien mir idealistisch. Ich glaube, er war selbst ein Verführter.“18

Ein anderer Schüler erinnerte sich an beide Schulleiter seinerzeit an der Hansa-Schule von 1933 bis 1938:
„Im ersten Jahr erlebte ich noch Prof. Dr. Eduard Rüther als Schulleiter. Er war sehr ruhig und vornehm. Zu seinem Spitznamen ‚Alo‘ war er in früheren Zeiten gekommen, weil er die Angewohnheit hatte, viele Sätze mit dem Wort ‚also‘ zu beginnen, er aber dabei das ‚s‘ verschluckte. 1934 folgte Dr. Otto Thode (‚Talo‘), der Kreisamtsleiter der NSDAP für Schulung war. Auch er erschien bei Schulfeiern in Naziuniform.“19

Als die Hitler-Jugend während des Krieges einerseits von der NSDAP benötigt wurde für die Rekrutierung von zukünftigen Soldaten und gleichzeitig die Organisation in den Lagern der Kinderlandverschickung mit übernahm, erhielt sie auch in den Schulen mehr Verantwortung und Privilegien, sehr zum Ärger insbesondere der Leiter an höheren Schulen. Nachdem der zwischenzeitliche Leiter der Schulverwaltung, Albert Henze, die Kompetenzverteilung zwischen Schule und HJ neu ordnete und die HJ ein Mitspracherecht bei Prüfungen, Zeugnissen und Disziplinarfragen erhielt, wandte sich auch Otto Thode an die Behörde und gab „zu bedenken, die Beauftragung eines Schülers mit den von der Schulverwaltung genannten disziplinarischen Aufgaben sei unverantwortlich, weil ein Schüler das gar nicht leisten könne. Die Schüler seien immer zu Erziehende, auch die Primaner.“ Henze, dem diese Stellungnahme am 24. Juni 1941 vorgelegt wurde, ließ durch rote Randglossen erkennen, dass sein diesbezügliches Rundschreiben undurchdacht gewesen war: ‚Verantwortlich bleibt selbstverständlich stets der Schulleiter‘, aber er müsse die Ansprüche der HJ berücksichtigen. Gegen Übergriffe der HJ würden die Schuldienststelle und die Gebietsführung ‚energisch einschreiten‘. An die Beteiligung des Schulführers bei allen Strafen sei gar nicht gedacht worden.“20

Das Leben und die Schulleitertätigkeit Otto Thodes während der NS-Zeit unterschied sich von anderen Schulleitern dadurch, dass Otto Thode 1937 bei der Zusammenstellung aller Dokumente für den Ariernachweis feststellen musste, dass seine Ehefrau einen jüdischen Großvater mütterlicherseits hatte, den Kaufmann Martin Albrecht. Otto Thode musste 1938 die NSDAP verlassen, in der er bis dahin dem Korps der politischen Leiter angehört hatte. Über wie viel Rückhalt in der NSDAP Otto Thode verfügte, zeigte sich darin, dass er trotzdem Schulleiter bleiben konnte, anders als seine Schulleitungskollegen Cäsar Iburg, Ernst Hüttmann und Bruno Peyn, die, in der Sprache der Nationalsozialisten, ebenfalls „jüdisch versippt waren“.21

Otto Thode hatte insbesondere die vehemente Unterstützung des Bergedorfer NSDAP-Kreisleiters Schuster, der 1935 den Nationalsozialisten und Christen, Walther Machleidt, aus dem Schulleitungsamt der Nachbarschule, der Luisenschule, 1935 gedrängt hatte. Thode wurde sogar nach seinem Ausscheiden aus der NSDAP am 1.7.1938 noch zum Oberstudiendirektor befördert und, „auf dem Gnadenwege“ 1941 wieder in die NSDAP aufgenommen.22

Interessantes Material liegt vor aus dem Entnazifizierungsverfahren und darin gab es ungewöhnlich viele Aussagen und Beschreibungen, die das Wirken Otto Thodes als Schulleiter der Hansaschule beleuchten.

Am 27.6.1945 war Thode „bis auf weiteres beurlaubt worden“, am 13.8.1945 bekam er die Mitteilung der Schulverwaltung, er „solle mit mindestens 6 Stunden außerhalb des Unterrichts eingesetzt werden“ an der Hansaschule, „mit Aufräumen, Sammlungen etc.“23

Am 12.9.1945 erfolgte dann die Entlassung mit Schreiben von Senator Landahl.24

Der Beratende Ausschuss für das höhere Schulwesen im Entnazifizierungsverfahren entschied am 11.10.1946 eindeutig: „Unser Zeuge, Studienrat Reimers von der Hansaschule in Bergedorf, berichtete uns, wie Thode als Leiter jener Schule dort als nationalsozialistischer Tyrann gewütet hat. Eine Wiedereinstellung kommt auf keinen Fall in Frage.“25

Das weitere Verfahren erstreckte sich über einen langen Zeitraum. Persönlich war es eine schwierige Zeit für Otto Thode. Seine Frau Mary war am 8.4.1946 gestorben. Thodes Rechtsanwalt, Dr. Gunther Bruch, schrieb am 24.9.1946, wie Thode und seine Frau reagiert hatten, als die nichtarische Herkunft von Mary Thode dokumentiert worden war:

„Seine Frau hat ihm damals verschiedentlich angeboten, in eine Scheidung einzuwilligen und sie und die Kinder nach England gehen zu lassen, um dadurch die ihm entstandenen Schwierigkeiten zu beseitigen. Hierzu hat sich Herr Dr. Thode aber keineswegs bereit gefunden im Gegensatz zu vielen anderen Personen, die in ähnlich gelagerten Fällen durch eine Scheidung alle diesbezüglichen Schwierigkeiten beseitigt haben. Er hat sich in seiner Haltung seiner Frau gegenüber auch jetzt nicht beeinflussen lassen und hat ihr erklärt, dass er alles andere auf sich nehmen würde, als diesen Weg zu beschreiten.“26

Dies zielte, im Entnazifizierungsverfahren eingebracht, darauf ab, Sympathiepunkte für Otto Thode zu gewinnen. Zweifellos war es aber auch eine schwierige Situation gewesen.

Rechtsanwalt Bruch schrieb weiter: „Da die Schulverwaltung, und insbesondere auch die Kreisleitung Herrn Dr. Thode auf jeden Fall als Leiter der Hansaschule in Bergedorf nicht verlieren wollte, hatte sich ganz besonders die Letztere sehr für seine Wiederaufnahme eingesetzt. Vor allem auf ihr Betreiben hin ist Herr Dr. Thode 1941 wieder in die Partei aufgenommen worden. Er hat sich den diesbezüglichen Bemühungen nicht wiedersetzt, da ihm seine Tätigkeit als Schulleiter der Hansaschule sehr am Herzen lag. Er hat es weiter nicht getan, um sich und seine Familie die wirtschaftliche Existenz zu erhalten. Er hatte vier Kinder. Eine Tochter war bereits vor 1938 gestorben, der älteste Sohn ist im Krieg gefallen. Drei seiner Kinder standen also zu dieser Zeit noch in der Berufsausbildung. Wenn Dr. Thode sich der Wiederaufnahme in die Partei widersetzt hätte, hätte er damit seine wirtschaftliche Existenz aufgegeben und als Auswirkung dieser Tatsache insbesondere die weitere Berufsausbildung seiner Kinder infrage stellen müssen.“27

Nach dieser Einleitung begründete Bruch dann allerdings, dass Otto Thode ein überzeugter Nationalsozialist gewesen war, aus „drei idealistischen Gründe“ wie es in solchen Schreiben hieß:
„Herr Dr. Thode ist aus idealistischen Gründen im Mai 1933 in die Partei eingetreten. Er hielt es damals für seine Pflicht mitzuhelfen, dass das drohende ­Chaos und die enorm anwachsende Arbeitslosigkeit eingedämmt würden. Nach den Zielen, die propagandistisch von der NSDAP verkündet wurden, war er der Überzeugung, dass diese Parteirichtung in der Lage und festen Willens sein würde, die Verhältnisse in Deutschland zu bessern und Deutschland vor dem geistigen und wirtschaftlichen Ruin zu bewahren.“28

Und an anderer Stelle: „Da Herr Dr. Thode 1933 der Überzeugung war, dass die NSDAP das Schicksal des deutschen Volkes nach der guten Seite wenden würde, hat er auch aus rein idealistischen Gründen, einzig und allein getrieben von der Überzeugung, hier nicht untätig beiseite stehen zu dürfen, der Partei seine Mitarbeit nicht versagt; er wurde zunächst Blockleiter. Da Herr Dr. Thode bereits vor 1933 verschiedentlich in Bergedorf kulturelle und historische Vorträge gehalten hatte, entsann man sich im Herbst 1933 bei der Partei dieser Tatsache und der von ihm dabei gezeigten Rednergabe und übertrug ihm innerhalb der Ortsgruppe das Amt des Schulungsleiters. Als dann in der Folgezeit einige Ortsgruppen zu einem Kreis zusammengeschlossen wurden, erhielt Herr Dr. Thode in diesem Zusammenschluss ebenfalls wieder das Amt des Schulungsleiters.“29

Der fanatische NSDAP-Kreisleiter Fritz Schuster hatte Otto Thode also zum Schulungsleiter des Kreises Bergedorf gemacht und sich für dessen Verbleib in der Partei und Wiederaufnahme auf dem „Gnadenweg“ eingesetzt, trotz der „jüdischen Versippung“ von dessen Ehefrau. Zumindest nach 1938 erklärte dies möglicherweise die entschieden nationalsozialistische Haltung Thodes an der Hansaschule, die aber seit 1933 auch schon vorhanden war, wie einige Beteiligte im Berufungsverfahren für die Ausschaltung von Nationalsozialisten aussagten.

Ein zentraler Zeuge war Dr. Julius Reimers, der schon den Beratenden Ausschuss 1946 zu der Feststellung veranlasst hatte, Thode hätte als Leiter der Hansaschule „als nationalsozialistischer Tyrann gewütet“.30

Julius Reimers Aussage vor dem Berufungsausschuss für die Ausschaltung von Nationalsozialisten am 2.6.1948 belastete Thode schwer:
„Ich bin von 1924–1945 mit Herrn Dr. Thode zusammen an der Hansaschule tätig gewesen. Soweit ich mich erinnere, ist Herr Dr. Thode vor 1933 ein Gegner der Nazis gewesen. Wir haben uns gelegentlich über politische Fragen unterhalten. Ich meinte, aus diesen Gesprächen seine Gegeneinstellung entnehmen zu können. Nach der Umwälzung wurde Dr. Thode ein 100-prozentiger Nationalsozialist. Ich habe dies aus einzelnen Gesprächen entnommen. Ich erinnere, dass wir zusammen einen Vortrag aufsuchten. Ich äußerte mich hierüber negativ, da der Vortrag nationalsozialistisch ausgerichtet war. Herr Dr. Thode erklärte mir daraufhin sehr schroff, ich verstünde den Vortrag nicht. Dr. Thode war Nichtnationalsozialisten gegenüber im höchsten Grade unduldsam, jedenfalls was meine eigene Person betrifft. Bis Herr Dr. Thode Schulleiter wurde, wurden die Andachten rein kirchlich gehalten. Dies änderte sich mit dem Amtsantritt Dr. Thodes als Schulleiter. Die Andachten wurden nationalsozialistisch ausgerichtet. Ich habe mich im Anschluss an eine bestimmte Andacht bei Herrn Dr. Thode schriftlich über die Abhaltung der Andacht durch den betreffenden Kollegen beschwert und mich geweigert, solche Andachten abzuhalten. Dr. Thode wies mich darauf hin, dass er meinen Brief in Händen habe und forderte mich auf, bei dem betreffenden Kollegen Abbitte zu leisten. Ich habe dies im Interesse meiner Familie getan. Etwa ein Jahr später hielt ein Schüler von mir einen Vortrag über Stein und schloss den Vortrag mit den Worten des Bedauerns, dass Stein kein Nationalsozialist gewesen wäre. Ich verwies ihm eine solche törichte Ansicht. Einige Tage später benahm der betreffende Schüler sich ungebührlich, sodass ich ihn ins Klassenbuch eintragen musste. Dr. Thode ließ mich in seine Privatwohnung am Sonntagabend kommen und kanzelte mich herunter, wie ich dazu käme, einen HJ-Führer ins Klassenbuch einzutragen. Er habe dies doch ausdrücklich verboten. In einem anderen Falle hatte sich ein HJ-Führer im Unterricht ungebührlich verhalten, sodass er eine schlechtere Betragens-Zensur verdiente. In der Konferenz waren die Kollegen sich darüber einig. Dr. Thode widersetzte sich jedoch dieser Maßnahme, da es sich um einen HJ-Führer handelte. Ich trat dafür ein, dass das Kollegium hierüber entscheiden sollte. Tatsächlich hat der Schüler dann die Note 1–2 erhalten. Herr Dr. Thode äußerte mir gegenüber: ‚Herr Dr. Reimers, wenn Sie mir noch einmal Opposition machen …‘ Er vollendete den Satz nicht; das übrige konnte ich mir denken. – In einem anderen Fall hatte ein Schüler englische Schallplatten gehört. Dr. Thode wollte den Schüler deswegen zur Meldung bringen. Ich bat ihn, davon Abstand zu nehmen und riet ihm, lieber dem Jungen einige Ohrfeigen zu geben und an das Los der Eltern zu denken. Dr. Thode erklärte mir am nächsten Tage, dass er keine Rücksicht nehmen wolle. Er habe gar keine Hemmungen in diesem Fall. – Als im Jahre 1937 die Partei wieder aufgemacht wurde, war ein Kollege, Dr. Mottelsell, krank und hatte daher keinen Aufnahme-Antrag gestellt. Dr. Thode schickte daraufhin den Schuldiener zu dem Kollegen und verlangte von ihm, er solle ihm melden, ob er in die NSDAP eintrete oder nicht. Dr. Thode war aus der Kirche ausgetreten und legte auch den Kollegen nahe, den gleichen Schritt zu tun. – Dr. Thode hat auch in seinen Ansprachen gegen das Judentum gesprochen, wenn er auch dieses Wort vermied. Er sprach davon, dass wir eine reine Rasse haben müssten. Mir war dies besonders zuwider, weil Dr. Thode ja selbst jüdisch versippt war. Nach dem 20.7.1944 hielt Dr. Thode eine Rede in der Schule, in der er der Vorsehung dafür dankte, dass sie uns den Führer erhalten hatte.“31

Auf Nachfrage der Ausschussmitglieder hatte Reimers noch festgestellt, „dass ein Schüler in einem 1947 herausgegebenen Band von Briefen Vorwürfe gegen das Wirken von Dr. Thode als Schulleiter erhoben hat“.32

Reimers war eine geschätzte Autorität unter den Lehrern, während der NS-Zeit offenbar eine Art Gegenentwurf zu Otto Thode. So schrieb Peter Lemmersdorf:
„Auch der Unterricht bekam ein anderes Gesicht. Man konnte die Lehrer in mehr oder weniger begeisterte Nazis, vorsichtig taktierende und zögernde Mitläufer, in die schweigende Opposition und in die tollkühnen Gegner einteilen. Zu den letzteren gehörte ‚Jule‘ Reimers. Dr. Reimers war äußerlich das Gegenteil heldenhafter Erscheinung: zierlich, schlank, schüchtern und gehemmt wirkend, mit einem etwas schief gehaltenen Kopf wegen einer tiefen Narbe am Hals, wohl einer Kriegsverletzung, die er stets hinter einem hohen steifen ‚Vatermörder‘ verbarg. Er gab einen ausgezeichneten Deutschunterricht und legte in jedem Aufsatz großen Wert auf klare und strenge Disposition, die am Anfang aufzustellen war. Er war außerordentlich gerecht, und man spürte bei aller Zurückhaltung, wie er seine Klasse liebte. Dieser Mann, den man im damaligen Sprachgebrauch als typischen ‚krummen Zivilisten‘ hätte bezeichnen können, war der einzige Lehrer, der unerschütterlich und mit geradezu tollkühnem Mut aus seiner Meinung über den Nationalsozialismus keinen Hehl machte. Mit schneidender Ironie übte er Kritik an dem, was viele ahnten, aber keiner auszusprechen wagte. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er seinen Kopf schief hielt, den Zeigefinger an der Wange abstüzte, uns ansah und dann in seiner stockenden Sprechweise zu uns sagte: „Jungs, der Führer und sein Tausendjähriges Reich, wir werden ihr Ende alle noch erleben!“33

Und von einem anderen Schüler, Eberhard Lohss, wurde eine Episode mit Reimers übermittelt: „Als ich 1939 in der Unter- oder Oberprima war, wurde mein Vater eines Tages zum Schulleiter gebeten, der ihm eröffnete, dass ich nicht zum Abitur zugelassen werden könnte, da ich nicht der HJ oder einer anderen Formation der Partei angehörte. Wir hielten daraufhin zu Haus Familienrat und kamen zu dem Ergebnis, daß ich meinen Zukunftsaussichten zu Liebe den Wiedereintritt in die HJ in Kauf nehmen sollte (ich war vor Jahren einmal ausgetreten). Wegen ‚Vorbereitung aufs Abitur‘ konnte ich mich dann dringend vom Dienst beurlauben lassen!

Inzwischen brach der Krieg aus, und wer sich freiwillig zur Wehrmacht meldete, bekam das Abitur ‚geschenkt‘, während ich mit dem kärglichen Rest im Februar 1940 Abitur machte. Während des Deutschaufsatzes (bei Thode) traf ich zufällig Dr. Reimers auf dem Gang, der mich nach dem Aufsatzthema fragte. Ich nannte das Moltke-Wort: ‚Der ewige Friede der Menschheit ist ein Traum und nicht einmal ein schöner‘, worauf Reimers den Kopf schief legte und, den Finger an der Backe, sagte: ‚So, das soll Moltke gesagt haben? War doch sonst so ein kluger Mensch.‘“35

Und Rudolf Schmidt, Schüler der Hansa-Schule von 1933–1942, erinnerte:
„Politische Diskussionen habe ich im Unterricht nie erlebt. Politische Differenzen wurden in dieser Zeit auf andere Weise, aber immer mit Terror, ausgetragen. Das wußte man, darüber sprach man nicht und suchte es zu verdrängen. Und dennoch habe ich nie empfunden, daß dies auf den Unterricht und das Unterrichtsklima Auswirkungen hatte. Das ist insofern erstaunlich, als ich nur sehr wenige Lehrer als überzeugte und aktive Mitglieder von NS-Formationen erlebt habe. Von vielen hatten wir den Eindruck, daß sie der NS-Partei gegenüber Abstand hielten. Natürlich hatten nicht alle das Format von Herrn Dr. Reimers, unseres verehrten Klassenlehrers in den letzten drei Schuljahren. Wir hatten bei ihm Deutsch und Geschichte; und wir genossen seinen Unterricht, dem wir alle viel, viel verdanken. Seine großen wissenschaftlichen Kenntnisse, sein pädagogisches Geschick und seine Menschlichkeit ließen diesen Mann, der in seiner äußeren Erscheinung und in seiner distanzierenden Art eher einem Antihelden glich, für uns zur unumschränkten Autorität werden, dessen Mut wir bewunderten. Er konnte in dieser Zeit Dinge sagen, auch vor HJ-Führern seiner Klasse, die für andere gefährlich waren.“36

Gerd Fuhlendorf, der den Geschichtsunterricht von Otto Thode erlebt hatte und diesen als „ein einziges nationalsozialistisches Weltanschauungsprogramm“ darstellte, erlebte auch Julius Reimers:
„Nach Dr. Thode hatte ich Dr. Reimers in Deutsch und Geschichte. Das gab Gelegenheit zu aufschlussreichen Vergleichen. Beide waren geistig im Konservativismus beheimatet, beide waren zum Beispiel Bismarck-Verehrer, doch machte Dr. Reimers keinen Hehl aus seiner distanzierten Haltung zum Nationalsozialismus. Wir wurden damals vor Beginn des Unterrichts von den Lehrern mit dem Hitler-Gruß begrüßt. Bei Dr. Reimers wurde daraus eine nichtssagende Geste. Das Wort ,Heil Hitler‘ habe ich nie von ihm gehört. Er ging auch nicht nach dem ‚Gehl‘ vor, sondern unterrichtete nach eigenen Konzepten. Auf die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ging er überhaupt nicht ein, da sie, wie er meinte, erst von einer späteren Generation kritisch gewürdigt werden könnte. Ich bin aus ihm politisch damals nie so richtig schlau geworden. Er erschien mir als ein ewiggestriger, als ein an provinzieller Verspätung Leidender, der für die zukünftigen Neuerungen der Gegenwart kein Verständnis hatte. Gleichwohl verehrte ich ihn als Lehrer. Seine Art zu unterrichten war fesselnd interessant und war gekennzeichnet von Vorbereitung, Fleiss sowie nie nachlassender Qualitätsverantwortung. Am Schluss jeder Stunde diktierte er uns den behandelten Stoff. Richtig schätzen gelernt habe ich ihn erst nach dem Zusammenbruch. So mancher Nutznießer und Mitläufer der Hitler-Zeit, der den Arm nicht hoch genug hatte reißen können, gebärdete sich plötzlich als geheimer Widerständler. Dr. Reimers blieb sich selbst treu. Zu einer Zeit, da viele einen weiten Bogen machten um Begriffe wie Nationalgefühl, Vaterland usw., beklagte er die Zerschlagung Preußens und das Verschwinden der deutschen Tugend, der preußischen Tugenden.“37 Julius Reimers, der auch nach 1945 weiter an der Hansaschule unterrichtete, dort noch bis 1952 blieb, wurde in der 100-jährigen Festschrift als „der am meisten geachtete Lehrer der Hansaschule der Nachkriegszeit“ bezeichnet“.38 Fürwahr ein gewichtiger Zeuge im Verfahren des Otto Thode.

Ein anderer ehemaliger Lehrer der Hansaschule, Heinrich Harders, schilderte nicht weniger gravierende Vorfälle:
„Ich kenne den Berufungskläger seit dem Jahre 1924. Wir haben in demselben Kollegium bis zum Jahre 1935 gemeinsam gewirkt. Als Dr. Thode 1934 die Leitung der Schule übernahm, waren wir aus dem Kollegium zwar einigermaßen darüber erstaunt, jedoch der Ansicht, dass Dr. Thode nicht der schlechteste Schulleiter sein würde, nach den Erfahrungen, die wir bis dahin mit ihm gemacht hatten. Nach der Übernahme der Schulleitung habe ich verschiedentlich in einigen Angelegenheiten versucht, auf Dr. Thode einzuwirken, da ich mit seinen Maßnahmen nicht einverstanden war. Es handelte sich hier um Angelegenheiten, die hauptsächlich die Schuldisziplin betrafen. Sie hatten teils auch politischen Hintergrund, wie es seinerzeit häufiger der Fall war. Ich bin mit meiner Anregung nicht durchgedrungen und hatte auch das Gefühl, dass Dr. Thode sich meine Einmischung nicht gefallen lassen wollte. Ich bin dann nach einer Auseinandersetzung mit Dr. Thode aus der Schule fort gekommen. Dies geschah auf Veranlassung von Dr. Thode. Ich bin allerdings der Ansicht, dass Dr. Thode nicht die treibende Kraft hierbei war, sondern dass er lediglich vorgeschoben wurde und dass hinter meiner Versetzung der seinerzeitige gleichgeschaltete stellvertretende Schulleiter Dr. Roloff stand, der zugleich Ortsgruppenleiter in Bergedorf war. Der letzten Auseinandersetzung lag folgender Vorfall zugrunde: Ein Unterprimaner hatte mich während des Unterrichts bemogelt. Ich hatte dies einwandfrei festgestellt und der betreffende Schüler hatte mir dies auch eingestanden. Infolge einer Anordnung von Dr. Thode mussten sämtliche disziplinarischen Angelegenheiten von Schülern, die NS-Organisationen, wie der SA und HJ angehörten, ihm zur Entscheidung unterbreitet werden. Die Disziplinar-Gewalt des einzelnen Lehrers war insofern ausgeschaltet. Da dieser Unterprimaner der SA angehörte, habe ich dementsprechend den Fall Dr. Thode unterbreitet, der sich dann unmittelbar mit dem Schüler in Verbindung setzte. Nach einer Erklärung von Dr. Thode soll der Schüler dann in dem Gespräch mit ihm sein Geständnis und die Tat verleugnet haben. Auf meinen Wunsch einer Gegenüberstellung ging Dr. Thode nicht ein. Er überließ es vielmehr mir, die Angelegenheit mit dem Schüler zu ordnen. Er hielt mir vor, dass dies bereits der zweite Fall einer disziplinarischen Auseinandersetzung zwischen mir und Schülern wäre, die der Partei respektive der SA angehörten. – Ich bin daraufhin in die Wohnung des betreffenden Schülers gegangen und habe mit ihm in Gegenwart seiner Mutter gesprochen. In diesem Gespräch bekannte der Schüler, dass er mich bemogelt hatte und wiederholte in Gegenwart seiner Mutter sein mir bereits früher abgelegtes Geständnis. Daraufhin bin ich mit dem Schüler zu Dr. Thode in die Privatwohnung gegangen und habe ihm den Sachverhalt dargelegt. In Gegenwart von Dr. Thode hat der betreffende Schüler dann sein Geständnis auch wiederholt. Dr. Thode erklärte dann, in dem er uns beiden die Hand auf die Schulter legte, ,nun sei alles in Ordnung‘. Ich habe dann darauf bestanden, dass nunmehr die disziplinarischen Maßnahmen gegen den Schüler getroffen werden sollten, insbesondere, dass eine Klassen-Konferenz einberufen würde. Dies hat Dr. Thode aber verweigert. Über sein Verhalten habe ich mich beim Oberschulrat beschwert. Dieser sagte mir zu, dass eine Untersuchung erfolgen würde. Diese Angelegenheit fand kurz vor den Weihnachtsferien statt. Während der Weihnachtsferien ging in den Bergedorfer Kreisen bereits das Gerücht, dass ich von der Schule versetzt werden würde. Ein Kollege Meyer erzählte dies anderen Kollegen. Wie ich später in Erfahrung gebracht habe, hatte der Kollege Meyer den Auftrag bekommen, von Partei wegen die Angelegenheit in der Schulverwaltung zu bereinigen. Ich bin, als ich hiervon Kenntnis erhielt, direkt zu dem Kollegen Meyer gegangen und habe ihn deswegen zur Rede gestellt. Meyer warnte mich bei diesem Gespräch, riet mir, an meine Familie zu denken und bestätigte, dass die Versetzungsabsichten beständen, die nach seiner Auffassung auch zur Durchführung kommen würden, bevor überhaupt ein Verfahren gegen mich respektive Dr. Thode vor der Schulverwaltung durchgeführt würde. Tatsächlich ist dann nach den Weihnachtsferien der Oberschulrat nach Bergedorf gekommen. Es ist jedoch nicht zu einem Verfahren gegen den Schüler, sondern zu einem Verfahren gegen mich gekommen. Der Hauptwortführer in dieser Angelegenheit war der stellvertretende Schuldirektor Dr. Roloff, unterstützt von dem Kollegen Meyer. In dieser Verhandlung wurde beleuchtet, dass ich noch bis zum März 1933 als Redner gegen die Nationalsozialisten aufgetreten sei und dass ich überhaupt der NSDAP gegenüber feindlich eingestellt wäre. Am Spätabend desselben Tages rief mich der Oberschulrat Behne selbst an und erklärte mir, dass das Ergebnis der Verhandlung für mich nicht sehr schön sei. Ich fragte ihn bei dieser Gelegenheit, was aus dieser Angelegenheit herauskommen könnte. Er glaubte, dass bei dem Widerstand der Partei gegen mich der Gauleiter mich zwangsweise an eine andere Schule versetzen würde. Ich fragte darauf, ob ich nicht von mir aus diese Versetzung beantragen könnte. Als er dies bejahte, habe ich ihn sofort gebeten, meine telefonische Erklärung zur Kenntnis zu nehmen, dass ich um eine Versetzung von mir aus bäte. Von diesem Antrag habe ich dann schriftlich Dr. Thode Kenntnis gegeben.“39

Auf Nachfragen ergänzte Harders noch: „Es war seinerzeit in Bergedorf bekannt, dass die inzwischen verstorbene Ehefrau des Berufungsklägers nichtarischer Abstammung war. Wir haben uns deshalb vom Kollegium gewundert, dass Dr. Thode den Parteistandpunkt hinsichtlich der Arierfrage einnahm und vertrat. Dies war nach unserer Auffassung eine Unmöglichkeit, da in dem kleinen Bergedorf ja jeder über die persönlichen Verhältnisse des anderen unterrichtet war.“40 Der dritte Zeuge, der Otto Thode belastete, war Hermann Bünemann, der vor 1933 deutscher Konsul und Handelsrat in Oslo gewesen war. Als Julius Reimers dessen Namen vor dem Berufungsausschuss erwähnte, hatte Otto Thode dazu erklärt: „Bünemann und ein weiterer Schüler waren die einzigen, die nicht in der HJ waren. Ich habe es an sich für meine Pflicht gehalten, sie anzuhalten, mit den übrigen Schülern gemeinsam in die HJ zu gehen. Als sie sich dem jedoch widersetzten, habe ich von mir aus nichts unternommen. Beide Schüler haben auch das Abitur gemacht und eine Schulgeldermäßigung weiter bezogen. Als Bünemann sein Abitur gemacht hatte, besuchte er die Universität Kopenhagen und studierte dort Medizin. Hierüber herrschte eine allgemeine Erregung in Bergedorf, da die übrigen Schüler zunächst in den Arbeitsdienst und ihrer Wehrpflicht genügen mussten. Ich habe mich deswegen an die Polizei gewandt, die hierüber Erkundigungen einzog. Die Gestapo hat sich in dieser Angelegenheit nicht eingemischt. Eine Gestapo gab es damals in Bergedorf überhaupt noch nicht.“41

Hermann Bünemann machte vor dem Berufungsausschuss am 23.2.1949 folgende Aussage: „Mein ältester Sohn ist 1935 von der Hansaschule abgegangen. Er gehörte nicht der HJ an, in die Wehrmachtsrolle wurde er seinerzeit eingetragen und studierte in Kopenhagen. Die Ableistung seines Wehrdienstes wurde von Jahr zu Jahr aufgeschoben. Dies ging gut bis zum Jahre 1942. 1942 musste er sich bei der Wehrmacht stellen. Ich selbst bin dann beim Wehrbezirks-Kommando vorstellig geworden und habe erreicht, dass er bis zum Abschluss seines Examens zurückgestellt wurde. Mein ältester Sohn hat unter Dr. Thode gelitten. Es ist nach meiner Auffassung gerade auf das Verhalten von Dr. Thode zurückzuführen gewesen, dass ihm der Aufenthalt in Deutschland verbittert war. Selbstverständlich soll das nicht heißen, dass das persönliche Vorgehen von Dr. Thode allein ihm den Aufenthalt verbitterte, sondern das gesamte NS-Regime von dem Dr. Thode nur ein Exempel war. Mein zweiter Sohn hat ebenfalls die Hansaschule besucht. Er wollte der HJ nicht beitreten und hat auch alle Angebote dieser Richtung ausgeschlagen. Ich erhielt dann von Dr. Thode am 29.1.1938 ein Schreiben, in dem er mich darauf aufmerksam machte, dass mein Sohn Dietrich bisher der HJ beigetreten sei, obgleich er durch die Schule öfters darauf hingewiesen sei, dass eine Mitarbeit in der Jugendorganisation für jeden deutschen Jungen heute selbstverständliche Pflicht sei. Da er sein Verhalten in höchstem Maße als unkameradschaftlich auffasse, würde er eine Entscheidung herbeiführen, ob mein Sohn auf der Schule bleiben könne oder zu Ostern die Schule verlassen müsse. Ich habe das Schreiben von Dr. Thode nicht beantwortet, jedoch hat mich diese ganze Angelegenheit außerordentlich beschäftigt und belastet. Ich habe seinerzeit mit dem Leiter des Wilhelm-Gymnasiums wegen der Umschulung meines Sohnes verhandelt, der auch, soweit ich unterrichtet bin, mein Gesuch an die Schulverwaltung weitergeleitet hat. Voraussetzung war die Zustimmung des bisherigen Schulleiters, wie mir der Direktor des Wilhelm-Gymnasiums erklärte. Ich habe etwa am 1.4.1938 die Mitteilung bekommen, dass meinem Umschulungsgesuch nicht stattgegeben werden könne. Am 13.5.1938 wurde ich dann zur Gestapo geladen und einem eineinhalbstündigen Verhör unterworfen. Der wesentliche Gegenstand der Vernehmung war das Fernbleiben meines Sohnes aus der HJ.“42

Auf Nachfrage im Ausschuss erklärte Otto Thode: „Von dieser Vorladung durch die Gestapo weiß ich nichts. Ich habe kein Verfahren in dieser Angelegenheit ausgelöst.“ Und Bünemann erwiderte: „Der Name Dr. Thode ist bei der Verhandlung gefallen, jedoch kann ich nicht behaupten, dass er das Verfahren beantragt hat.“43

Fünf Tage später lieferte Hermann Bünemann Dokumente nach, die seine Ausführungen erhärteten. Die Umschulung seines Sohnes Dietrich war von dem altnationalsozialistischen OSR Walter Behne am 2.4.1938 lapidar abgelehnt worden: „Ihrem Antrag kann nicht entsprochen werden.“44

Bünemann wies in seinem Schreiben darauf hin, dass er selbst mit Entnazifizierungsverfahren betraut wäre: „Ich wurde 1945 Mitglied des Denazification Adivisory Committee für den Großhandel und habe mich da und auch außerhalb dessen wiederholt auch für ‚alte Kämpfer‘, versöhnend und verstehend eingesetzt. Aber was für einen Sinn hätte die Entnazifizierung, wenn die Erziehung unserer Jugend wieder Leuten anvertraut wird, die sie mit solcher Gesinnungsknechtung zur Heuchelei treiben. Wir brauchen Erzieher von Charakter, die nicht, wie Dr. Thode, vor 1933 vor den Schülern mit Begeisterung von der Kunst zum Beispiel Noldes oder Rottluffs sprachen und ab 1933 die Arbeiten solcher Künstler als ‚entartete Kunst‘ vor den Schülern in Misskredit brachten.“45

Bünemann hatte für sich den ganzen Fall seit 1938 sorgsam dokumentiert: „Es ist das einzige Mal, dass ich mit der Gestapo zu tun hatte. Mehr als drei Jahre später wurde die damalige Anklage durch eine Vernehmung durch den Bergedorfer Kreisleiter Schuster wieder aufgewärmt (29.7.41), der auch gut orientiert zu sein schien und vor dem ich auch bestand, ohne umzufallen. Es überrascht mich, dass Dr. Thode angab, nichts von meinem Gestapo-Verhör zu wissen. Dass er aber Material zur Sache geliefert hat, scheint mir ziemlich außer Zweifel zu sein, wenn ich meine Aufzeichnung nachlese, die ich 1938, immer für den Fall einer Haussuchung sehr vorsichtig redigierend, streng wahrheitsgetreu zu Papier brachte.“46

Auch die eineinhalbstündige Vernehmung bei dem Kriminalsekretär Burkhardt bei der Gestapo und das von diesem angefertigte Protokoll hatte Bünemann noch präsent und vorliegen. Das Gespräch mit Gestapo-Mann Burkhardt nach den Notizen von Hermann Bünemann: „Der Eintritt in die HJ sei eine Selbstverständlichkeit; die Förderung eines Jungen, der nicht mitmache, sei für den Staat nicht tragbar. Wir stehen noch am Anfang; in 10–20 Jahren können Leute nichts werden, die nicht mitmachen. Beamter könne mein Junge nicht werden, wenn er nicht mitmache. Auf Befragen des Schulleiters habe mein Junge erwidert, er hätte kein Interesse für die HJ, er brauche seine freie Zeit für die Musik, und als der Schulleiter ihn darauf hingewiesen, er könne dann nie Beamter werden, habe er geantwortet, dann werde er eben Kaufmann.“

Seine eigenen Aussagen in der Gestapo-Vernehmung gab Bünemann so wieder: „Ich erwiderte auf die Frage des Flaggens und Grüßens, ich sei nicht Nationalsozialist, erblicke in diesen Dingen ein Bekenntnis und wolle nicht heucheln, auch vor dem Umbruch habe ich nie geflaggt. Derselbe Beweggrund liege in der Frage des Eintritts meines Jungen in die HJ vor: ich wolle nicht seinen Charakter brechen. Diesen Ausdruck, an dem sich Burkhardt zu stoßen schien, musste ich näher erklären; er sagte es sei unnatürlich, wenn ein Junge nicht mit heller Begeisterung in der HJ mitarbeite, und müsse auf Einwirkung vom Elternhause beruhen; er wollte mal sehen wie unglücklich sein Junge wäre, wenn er dem eines Tages sagte, er solle nicht mehr in der HJ sein! Ich hätte meinen Jungen jedenfalls vom Beitritt abgehalten. Ich erwiderte, ich habe dem Jungen sogar nahegelegt, er müsse wegen seiner späteren Existenz doch eintreten. Ich wolle aber, dass er das freiwillig tue nicht unter Brechung seines Charakters, nicht auf eine Drohung von Dr. Thode hin. Antwort: Ich solle mich nicht in meinen Worten vergreifen, das sei keine Drohung, sondern ein Hinweis, für den ich Dr. Thode dankbar sein müsse.“47

Auch das Schreiben von Otto Thode an ihn vom 29.1.1938 konnte Bünemann dem Ausschuss vorlegen. „Sehr geehrter Herr Bünemann! Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Ihr Sohn Dietrich bisher nicht der Hitlerjugend beigetreten ist, obgleich er durch die Schule öfters darauf hingewiesen ist, daß eine Mitarbeit in der Jugendorganisation für jeden deutschen Jungen heute selbstverständliche Pflicht ist. Da ich sein Verhalten im höchsten Maße als unkameradschaftlich auffasse, werde ich eine Entscheidung herbeiführen, ob Ihr Sohn auf der Schule bleiben kann oder zu Ostern die Schule zu verlassen hat. Heil Hitler! Der Leiter der Hansaschule in Bergedorf gez. Thode.“48

Abschließend schrieb Bünemann an den Berufungsausschuss: „Ob ein Mann, der zu solchen – im Grunde wahrscheinlich selbst damalige Vorschriften übersteigende – Daumenschrauben greift, geeignet ist, wieder Erzieher unserer Jugend zu sein, ist das, was meines Erachtens allein zur Diskussion steht. Selbst wenn Druck von oben hinter der Drohung gestanden haben sollte, musste ein Rektor Manns genug sein, solche Druckmittel zu verschmähen und lieber mündliche Vorstellungen zu erheben.“49

Rechtsanwalt Bruch ging in ausführlichen Schreiben insbesondere auf die formalen Belastungen ein, die Mitgliedschaften und Funktionen Thodes. Die Mitgliedschaft im Korps der Politischen Leiter und seine Funktion als Schulungsleiter der Bergedorfer Ortsgruppen wurde, wie in ähnlichen Fällen auch, verharmlost. Zu Julius Reimers bemerkte Rechtsanwalt Bruch im Namen seines Mandanten: „Da er sich aber seiner stets einwandfreien, korrekten und gerechten Haltung bewusst war und andererseits den Zeugen Dr. Reimers nach wie vor als einwandfreien und wahrheitsliebenden Menschen schätzte, war er der Überzeugung, dass sich die bisherigen Mitteilungen des Dr. Reimers als Missverständnisse erweisen und sehr schnell aufklären und richtigstellen lassen würden. Dr. Thode ist sehr wohl erinnerlich, dass er in den ersten Jahren nach Amtsantritt verschiedene Differenzen mit Dr. Reimers gehabt hatte. Wenn ihm auch die Einzelheiten dieser Differenzen nicht mehr in Erinnerung sind, so weiß er doch ganz genau, dass sie ausgesprochen innerdienstlicher Art waren und keinerlei politischen Hintergrund hatten. Er hat in der Folgezeit seiner Auffassung nach mit Dr. Reimers gut zusammengearbeitet und ihn vor allem in seinen beruflichen Leistungen äußerst geschätzt.“50

An anderer Stelle desselben Schreibens behauptete Bruch dann allerdings: „Dr. Reimers ist ein sehr eigenartiger, verschlossener und zurückhaltender Mensch. Er scheint gerade aufgrund dieser Verschlossenheit mimosenhaft überempfindlich zu sein und Dinge anders zu sehen, als sie tatsächlich waren.“51

Der Berufungsausschuss urteilte über Otto Thode am 27.8.1949. Einerseits stellte er fest, „daß Dr. Thode sich über eine rein materielle Mitgliedschaft hinaus für die Ziele des NS eingesetzt hat. Sowohl nach den Erklärungen des Zeugen Harders wie nach den Bekundungen des Zeugen Bünemann hat Dr. Thode sich in nationalsozialistischem Sinne betätigt.“52

Andererseits hätten Zeugen auch bekundet, dass Thode politisch Andersdenkenden gegenüber „loyales Verhalten bewiesen“ hätte. Thode sollte in den Ruhestand versetzt werden mit der Pension eines Studienrates. Er wurde in Kategorie IV eingruppiert und „mit Wirkung vom 1.1.1950 in die Kategorie V, als Entlasteter“. „Über das Ruhegehalt eines Studienrates hinaus Bezüge zuzubilligen, bestand nach der Gesamthaltung von Dr. Thode und auch unter Berücksichtigung, dass seine Ernennung zum Schulleiter, bzw., zum Oberstudiendirektor zu einer Zeit erfolgte, als er noch Mitglied der NSDAP war und Ämter in ihr bekleidete, kein Anlass“, schloss der Berufungsausschuss.53

Aber schon am 22.7.1951 wurde Otto Thode die Pension eines Oberstudiendirektors zuerkannt. Erschreckend für mich die dürftige damalige Stellungnahme der Schulbehörde: „In Hinblick auf die Laufbahn des Dr. Thode kann nicht beweiskräftig angenommen werden, dass seine Ernennung zum Oberstudiendirektor lediglich mit Rücksicht auf enge Verbindung zum Nationalsozialismus vorgenommen worden ist, zumal Dr. Thode nach seinen Angaben 1938 aus der NSDAP wegen nicht rein arischer Abstammung seiner Ehefrau ausgeschieden ist.“54

Ein bisschen intensivere Beschäftigung mit Personalunterlagen kann der Verwaltung doch zugemutet werden.

Als Otto Thode seinen 80. Geburtstag feierte, würdigte ihn die „ Bergedorfer Zeitung“, und dabei blieb die politische Verstrickung in die Zeit von 1933 bis 1945 schlicht unerwähnt: „Nach dem Abgang des damaligen Schulleiters, des Professors Herrn Dr. Eduard Rüther, wurde 1934 Dr. Otto Thode zum Leiter der Hansaschule bestellt. Bis zum Kriegsende 1945 führte er die Leitung unter schwierigen Verhältnissen durch und trat am 1. Mai 1949 in den verdienten Ruhestand.“55 Und über sein weiteres Leben vermeldete das Blatt am 29.2.1967: „Nach seiner Entlassung aus dem Schuldienst brach der alte Wunsch, zu zeichnen und zu malen, wieder durch. Bis dahin hatte er bereits in weitem Umfange Silhouetten hergestellt. Jetzt nahm er Unterricht bei dem bekannten Maler Walter Siebelist. Dr. Thode wurde unter Siebelists Förderung so produktiv, daß 1962 eine Ausstellung seiner Werke im Museum für Völkerkunde an der Rothenbaumchaussee in Hamburg erfolgen konnte, die starke Beachtung fand. Wir wünschen dem verdienten Lehrer und Künstler noch manches Jahr in erfolgreichem Schaffensdrang und gesundheitlicher Frische. Er liebt die Lüneburger Heide und wird dort seinen 80. Geburtstag feiern im Kreise seiner Familie.“56

Otto Thode starb am 1.9.1972. Seine zweite Frau, Bertha, 1899 geboren, lebte noch bis zum 11.3.1993.57

Das Buch von Hans-Peter de Lorent: Täterprofile, Band 2, Hamburg 2017 ist in der Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg erhältlich.

Anmerkungen
1 Handgeschriebener Lebenslauf von Otto Thode in seiner Personalakte, StA HH, 361 – 3_A 3055
2 Ebd.
3 Ebd.
4 Personalakte a.a.O.
5 Schreiben vom 11.4.1927, Personalakte a.a.O.
6 Ebd.
7 Entnazifizierungsakte Thode, StA HH, 221-11_X 3391
8 Personalakte a.a.O.
9 Festschrift 100 Jahre Hansa-Gymnasium, Hamburg- Bergedorf 1983, S. 45.
10 Ebd.
11 Festschrift 100 Jahre Hansa-Gymnasium a.a.O., S.43.
12 Ebd.
13 Festschrift 100 Jahre Hansa-Gymnasium a.a.O., S. 56.
14 Festschrift 100 Jahre Hansa-Gymnasium a.a.O., S. 72.
15 Ebd.
16 Ebd.
17 Festschrift 100 Jahre Hansa-Gymnasium a.a.O., S. 80.
18 Ebd.
19 Festschrift 100 Jahre Hansa-Gymnasium a.a.O., S. 74.
20 Uwe Schmidt: Hamburg im „Dritten Reich, Hamburg 2010, S. 442. Siehe auch die Biografien von Albert Henze und Hans Einfeldt, in Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd.1, Hamburg 2016, S. 162ff. und S. 450ff.
21 Siehe deren Biografien in: de Lorent 2016. Wobei Bruno Peyn seine jüdische Abstammung in den Kirchenbüchern zu verwischen versucht hatte.
22 Personalakte a.a.O.
23 Ebd.
24 Ebd.
25 Entnazifizierungsakte a.a.O.
26 Schreiben von Rechtsanwalt Dr. Bruch v. 24.9.1946, Entnazifizierungsakte a.a.O.
27 Ebd.
28 Ebd.
29 Ebd.
30 Vermerk v. 11.10.1945, Entnazifizierungsakte a.a.O.
31 Verhandlung vor dem Berufungsausschuss vom 2.6.1948, Entnazifizierungsakte a.a.O.
32 Ebd.
33 Festschrift 100 Jahre Hansa-Gymnasium a.a.O., S. 72.
34 Ebd.
35 Festschrift 100 Jahre Hansa-Gymnasium a.a.O., S. 73.
36 Festschrift 100 Jahre Hansa-Gymnasium a.a.O., S. 77.
37 Festschrift 100 Jahre Hansa-Gymnasium a.a.O., S. 80.
38 Festschrift 100 Jahre Hansa-Gymnasium a.a.O., S. 89.
39 Verhandlung des Berufungsausschusses in der Sache Dr. Otto Thode vom 23.2.1949, Entnazifizierungsakte a.a.O. H. Wilhelm Meyer war Altparteigenosse und Schulungsleiter der NSDAP in Bergedorf. Da er nach 1945 in keinem Lehrerverzeichnis mehr auftauchte, hatte er dieses Jahr offenbar nicht überlebt.
40 Ebd.
41 Berufungsausschuss vom 2.6.1948, Entnazifizierungsakte a.a.O.
42 Berufungsausschuss vom 23.2.1949, Entnazifizierungsakte a.a.O.
43 Ebd.
44 Schreiben von Hermann Bünemann vom 28.2.1949, Entnazifizierungsakte a.a.O.
45 Ebd.
46 Ebd.
47 Ebd.
48 Ebd.
49 Ebd.
50 Schreiben vom 16.8.1948, Entnazifizierungsakte a.a.O.
51 Ebd.
52 Entscheidung des Berufungsausschusses vom 27.8.1949, Entnazifizierungsakte a.a.O.
53 Entnazifizierungsakte a.a.O.
54 Ebd.
55 „ Bergedorfer Zeitung“ vom 29.4.1967.
56 Ebd.
57 Personalakte a.a.O.
 

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NS-Dabeigewesene

Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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