Suche nach Namen, Straßen, Bezirken etc.

Drucken

Konrad Groth

(11.6.1893 Lübeck – 18.2.1955)
kommissarischer Schulleiter der Oberschule für Mädchen in Altona, Lehrer am Christianeum
Zöllnerstraße 5 (Wohnadresse 1955)

Dr. Hans-Peter de Lorent hat über Konrad Groth ein Portrait verfasst, das in Hans-Peter de Lorents Buch: Täterprofile. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz. Band. 3. Hamburg 2019 erschienen und im Infoladen der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg erhältlich ist. Hier der Text:

„Von Herrn Groth habe ich den Eindruck, dass es ihm mit seinem zur Schau getragenen Nationalsozialismus nicht sehr ernst war.“
Ein Beispiel für die Anpassung und die Bereitschaft, durch Mitgliedschaft und Aktivitäten in nationalsozialistischen Organisationen auch einen beruflichen Karriereschritt zu machen, liefert Konrad Groth.
Von ihm liegt keine Personalakte vor, dafür aber die Auslassungen im Entnazifizierungsverfahren. Konrad Groth war offenbar kein Nationalsozialist der persönlich üblen Sorte, kein Aktivist der allerersten Reihe. Aber dennoch gelang es ihm, als Schulungsbeauftragter des NSLB im Kreis Altona Aufmerksamkeit zu erringen und im System von Oberschulrat Hermann Saß während des Krieges als Schulleiter beauftragt zu werden. Die Karriere eines Dabeigewesenen.
Konrad Groth wurde am 11.6.1893 in Lübeck geboren. Da es von ihm keine Personalakte gibt, kann über seinen eigenen Bildungsgang nichts gesagt werden. Vermutlich wird er nach einem Studium mit dem Abschluss für das höhere Lehramt in Schleswig- Holstein gearbeitet haben und dann nach Altona gekommen sein. Im Hamburgischen Lehrerverzeichnis des Schuljahres 1938/1939 wird als Eintrittsdatum in den Schuldienst, bzw. feste Anstellung der 1.4.1918 genannt.[1]
In seinem Entnazifizierungsfragebogen, den Konrad Groth am 3.8.1945 abgab, vermerkte er, von 1914 bis 1918 im Kriegsdienst gewesen zu sein und sich dabei eine Verwundung zugezogen zu haben, die dazu führte, im Zweiten Weltkrieg nicht wieder mobilisiert worden zu sein.[2]
Er gab an, seit dem 1.5.1933 Mitglied im NSLB, dort als AG-Leiter und als Schulungsbeauftragter sowie Verbindungsmann Schule-NSLB tätig gewesen zu sein, als sogenannter Schulwalter. 1934 war er Zellenleiter im NSV. NSDAP-Mitglied wurde er am 1.5.1937 (Mitgliedsnummer 4.228.865).[3]
Konrad Groth, der an der Schlee-Schule in Altona gearbeitet hatte und nach langjähriger Tätigkeit an der Oberschule für Jungen in Blankenese, am 1.5.1943 zum kommissarischen Schulleiter der Oberschule für Mädchen in Altona ernannt worden war, wurde am 12.9.1945 auf Anordnung der Britischen Militärregierung von Schulsenator Heinrich Landahl entlassen.[4]
Da er im Fragebogen bei Mitgliedschaft in der SS „Nein“ geschrieben hatte, fühlte er sich am 30.10.1945 in einem kurzen handschriftlichen Schreiben genötigt, dies zu präzisieren:
„Aufgrund der Verordnung über Meldepflicht ehemaliger Nationalsozialisten habe ich am 30. Oktober 1945 bei der Polizei-Meldestelle Hamburg Dammtorwall 39 gemeldet, dass ich von 1934–1936 förderndes Mitglied der SS gewesen bin.“[5]
Konrad Groth fühlte sich auch genötigt, eine Anlage zu seinem Fragebogen abzugeben und insbesondere zu erklären, worin seine Arbeit als Schulungsbeauftragter des NSLB bestanden hatte. Er schrieb:
„Im Rahmen von Veranstaltungen der Schulverwaltung und des NS-Lehrerbundes wurden folgende Vorträge meist geschichtlichen Inhalts mit der Absicht, Anregungen für den Geschichtsunterricht zu geben, gehalten:
1. Änderungen in der Struktur des Reiches seit 1933 (vor einer Zuhörerschaft von Mitgliedern des NSLB von Bahrenfeld, Flottbek und Steenkamp 1934).
2. Moderne deutsche Dichtung 1934 vor derselben Zuhörerschaft.
3. Der Kampf um die Einheit des Reiches während des 19. Jahrhunderts, April 1939 während eines Wochenendkurses von Mitgliedern des NSLB Altona, 1942 vor verschiedenen Mitgliedern des NSLB.
4. Deutschlands Kampf um seine Existenz im Osten, Mai 1943 vor Hamburger Lehrern in einer Veranstaltung der Schulverwaltung.“[6]
Angesichts der Themen und der jeweiligen Zeitpunkte kann vermutet werden, dass Konrad Groth als Propagandist der Nationalsozialisten aufgetreten ist. Wenn man weiß, dass der ehemalige Altonaer Schulsenator und spätere Oberschulrat, Hermann Saß[7], in Altona Kreisschulungsverantwortlicher gewesen war, fand sich hier auch ein Profilierungsfeld für Konrad Groth. Den Zusammenhang machte Konrad Groth am Ende dieser Anlage deutlich:
„Auf Anordnung der Ortsgruppe Bahrenfeld und auf Wunsch des damaligen Oberschulrats Saß ist dieser Vortrag auch gehalten worden vor Mitgliedern der Ortsgruppe Bahrenfeld und Blankenese. Im Januar 1944 wurde die Oberschule für Mädchen Altona, deren kommissarischer Leiter ich war, in den Gau Bayreuth verlegt. Seit dieser Zeit habe ich keine Vorträge gehalten. Außerdem habe ich keinerlei Veröffentlichungen herausgegeben.“[8]
Es hatte aber noch dazu gereicht, dass Oberschulrat Hermann Saß Konrad Groth zum kommissarischen Schulleiter ernennen konnte. So einfach waren manchmal die Zusammenhänge.
Nach seiner Entlassung wandte sich Konrad Groth am 11.10.1945 über die Schulverwaltung an die Britische Militärregierung. Er war natürlich schwer getroffen, weil ihm mitgeteilt worden war, dass seine Entlassung aus dem öffentlichen Dienst auch mit dem „Verlust aller Ansprüche auf Gehalt und Pension“ verbunden war. Darum musste er Entlastungsgründe anführen. Er erklärte, in die NSDAP am 1.5.1937 eingetreten zu sein, „weil der damalige Reichsstatthalter von Hamburg es als Pflicht der Beamten ansah, Mitglieder der Partei zu werden“.[9]
Es ist schwer vorstellbar, dass zum Thema „Deutschlands Kampf um seine Existenz im Osten“ 1943 von ihm keine Propaganda- und Durchhalteparolen verbreitet wurden. Groth behauptete hingegen:
„Mit Bezug auf die von mir vor Kollegen gehaltenen Vorträge über historische Themen erlaube ich mir zu bemerken, dass es sich nicht um Propaganda handelt. Diese Vorträge sollten auf wissenschaftlicher Grundlage Stoff zur Diskussion liefern, um den Geschichtsunterricht an unseren Schulen zu fördern. Schon vor 1933 habe ich Vorträge solcher Art im Philologenverein gehalten, die ich später im NS-Lehrerbund wieder aufnahm.“[10]
Konrad Groth äußerte sich auch dazu, wie er seine Leitungstätigkeit verstanden und ausgeübt hatte:
„Im Jahre 1942 wurde ich zum kommissarischen Schulleiter an der Oberschule für Mädchen, Altona, ernannt. Ich führte mein Amt in humaner Weise, was mich im Gegensatz zur Partei und der Hitlerjugend brachte. Ich erwähne nur, dass ich die jetzige Schulleiterin der Oberschule für Mädchen, Altona, Fräulein Räthling, gegen die Angriffe des damaligen Ortsgruppenleiters von Blankenese, Dierks, schützte. Ich setzte die feste Anstellung von Fräulein Athen durch, deren Beförderung die Partei nicht bewilligen wollte, weil Fräulein Athen eine fromme Christin war.“[11]
Die Abwehrmuster in den Schreiben zur Verteidigung der eigenen Tätigkeiten ähnelten sich. Nie Propaganda betrieben zu haben, ausschließlich sachliche Informationen. In der Leitungsfunktion Leute geschützt und stets im Konflikt mit anderen Nationalsozialisten gestanden zu haben, mit der NSDAP und als Schulleiter mit der Hitlerjugend. Und so äußerte sich Konrad Groth auch zu diesem Punkt:
„Mein Gegensatz zur NSDAP und zur Hitlerjugend verschärfte sich, als unsere Schule nach Hohenberg/Oberfranken verlagert wurde, weil ich bewusst dem Einfluss der Hitlerjugend entgegentrat zugunsten von Schule und Familie. Diese Haltung trug mir eine Anklage von Seiten des Sicherheitsdienstes und schließlich die Drohung der Amtsentsetzung ein.“[12]
Dies konnte ihm der KLV-Beauftragte Jürgen Früchtenicht am 11.10.1945 bestätigen, der selbst Schulleiter war und sich auch als NS-Belasteter gegen seine Entlassung wehren musste. Er bescheinigte, „dass mir Ende Februar 1945 eine Anklage des Sicherheitsdienstes (SD) gegen Herrn Konrad Groth zugestellt wurde, weil durch die Schul- und Lagerführung des Herrn Groth in dem Lager der Oberschule für Mädchen, Altona, in Hohenberg-Bayern der Einfluss der HJ-Führerinnen ausgeschaltet würde“.[13]
Konrad Groth war auch davon überzeugt, dass das Kollegium der Oberschule für Mädchen bereitwillig seine Angaben über seine Amtsführung bezeugen würde. Mit einiger Verzögerung gab seine Nachfolgerin an der Oberschule für Mädchen in Altona in der Schulleitung, die von ihm erwähnte Johanna Räthling, ein eher zurückhaltendes Urteil ab:
„Von Herrn Groth habe ich den Eindruck, dass es ihm mit seinem zur Schau getragenen Nationalsozialismus nicht sehr ernst war. Er ist niemals uns gegenüber als strenger Nationalsozialist aufgetreten. Verschiedene Male hat er sich sehr warm für mich eingesetzt, als ich angezeigt war. Ich habe stets im besten Einvernehmen mit ihm gestanden.“[14]
Der Beratende Ausschuss für die höheren Schulen Hamburg beschäftigte sich mit dem Einspruch von Konrad Groth und stellte fest:
„Groth war überzeugter Nationalsozialist und hat die nationalsozialistische Doktrin auch in seinem Unterricht gelehrt. Aufgrund seiner nationalsozialistischen Gesinnung und nicht aus fachlichen Gründen wurde er von der nationalsozialistischen Schulverwaltung zum kommissarischen Schulleiter ernannt und zum Oberstudienrat befördert. Auch an nationalsozialistischen Schulungskursen der Lehrer hatte er aktiven Anteil. Der Beratende Ausschuss kann eine Wiederbeschäftigung zur Zeit nicht befürworten.“[15]
Konrad Groth hatte in den 1920er Jahren an der Schlee-Schule in Altona gearbeitet und dort auch den damaligen Studienrat Hermann Saß kennengelernt. Nach seiner Versetzung an die Oberschule für Jungen in Blankenese saß er unter anderem mit den fanatischen Intriganten und Nationalsozialisten Kurt Eitzen und Horst Kanitz in einem Kollegium, deren Biografien ich im ersten Band der Täterprofile veröffentlicht habe.[16]
Konrad Groth erhielt ein Leumundszeugnis von Prof. Peter Zylmann, der nach seiner Absetzung als Schulleiter der Matthias-Claudius-Schule nach Blankenese versetzt worden war und Groth in positiver Erinnerung hatte:
„1933 wurde ich nach Weigerung, der NSDAP beizutreten, in das Amt eines Studienrats zurückversetzt und zur weiteren Dienstleistung an das damalige Real-Gymnasium Blankenese versetzt. Bis auf einige Ausnahmen, die mir in unangenehmster Erinnerung geblieben sind, fand ich dort ein Kollegium vor, das mich durchaus kollegial und freundlich aufnahm und mit dem ich im besten Einvernehmen habe arbeiten können. Im positiven Gedächtnis habe ich in diesem Zusammenhang Herrn Groth behalten. In der Unterhaltung des Kollegiums war im allgemeinen von politischen Dingen überhaupt keine Rede. Mit Herrn Groth kam ich insofern etwas näher zusammen, als wir sehr oft eine gemeinsame Eisenbahnfahrt zwischen Schule und Haus zurücklegten. Aus dem Verhalten von Groth habe ich damals überhaupt nicht entnehmen können, dass er Parteimitglied war oder irgendwelche Funktionen in der Partei ausübte. Ich erwähne das ausdrücklich um damit anzudeuten, dass Herr Groth neben manchen anderen Kollegen dieser Schule, wie ich nachträglich anerkennend hervorheben muss, trotz meiner durch die Zurückversetzung geschwächten dienstlichen und politischen Stellung stets in politischer Hinsicht sich mit großem Takt gegen mich verhalten hat und niemals etwas durch Wort oder Handlung getan hat, was mich jemals hätte verletzen können. Ganz ohne Frage gehörte Herr Groth zu denjenigen Pädagogen, die sich durch gewissenhafte Pflichterfüllung und durch ein umfangreiches Wissen auszeichneten.“[17]
Dieses wenig konkrete Schreiben bekam im weiteren Verfahren noch ein gewisses Gewicht. Bedauerlicherweise hat Prof. Zylmann einige solcher „Persilscheine“ auch für Personen geschrieben, die ich für deutlich belastet halte, wie etwa den Heimatforscher Walter Frahm.[18]
Dem Einspruch von Konrad Groth gegen seine Entlassung wurde vom Berufungsausschuss 3 für die Ausschaltung von Nationalsozialisten unter Leitung des Vorsitzenden Dr. Wilhelm Kiesselbach, der äußerst milde Entscheidungen traf, stattgegeben, mit der Maßgabe, Groth in Kategorie V einzustufen. Der Ausschuss berief sich dabei auf die Aussagen von Prof. Zylmann, der als Zeuge geladen war, und auch auf das Schreiben von Frau Räthling, das für den Ausschuss belege, Konrad Groth sei kein Aktivist gewesen.[19]
Mit einer scharfen Stellungnahme an den Fachausschuss 6 b reagierte daraufhin OSR Heinrich Schröder, der über detaillierte Kenntnisse gerade über die Situation der Lehrerschaft während des Nationalsozialismus im Kreis Altona verfügte, da er in dieser Zeit und schon davor als Studienrat am Christianeum gearbeitet hatte. Schröder wies auf Groths Aktivitäten als Schulungsleiter im NSLB hin:
„Groth hat unter anderem teilgenommen an der in der Gauführerschule Ritterstraße durchgeführten Schulungsaktion unter Leitung der Herren Henze[20] und Russack und hat in diesem Kreis eine Gruppe geführt. Er ist auch dort als Schulungsredner herausgestellt worden. Wenn Groth 1944 zum Oberstudienrat ernannt wurde und ihm die Leitung der O. f. M. in Altona übertragen wurde, so geschah das nur, weil Groths nationalsozialistische Zuverlässigkeit der Behörde bekannt war. Auch bei den Kollegen galt Groth als Nationalsozialist infolge dieser aktivistischen Tätigkeit als Schulungsbeauftragter. Diese aktivistische Tätigkeit geht auch hervor aus den von Groth gehaltenen Vorträgen in den Kreisgruppen des NSLB und in den Ortsgruppen der Partei in Bahrenfeld, Blankenese und in besonderen Wochenendschulungen. Die Themen der Vorträge: ‚Deutschlands Schicksalskampf im Osten‘, ‚Das Ringen um die Einheit des Deutschen Reiches‘, ‚Die Änderungen im staatlichen Aufbau des Reiches seit 1933‘, geben keinen Zweifel über den Inhalt und die Tendenz der Vorträge. Auch sein Unterricht wurde von den Schülern der Oberklassen als durchaus nationalsozialistisch empfunden. Ich halte es infolgedessen für nicht tragbar, dass Groth, der seit Mai 1933 Schulungsleiter im NSLB und seit dem 1.6.1937 Zellwalter in der NSV war, in die Kategorie V eingestuft wird und seine Beförderungsstelle beibehält. Meines Erachtens muss in diesem Falle ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt werden. Ich bitte um Mitteilung, ob der Fachausschuss als solcher diesen Antrag beim Leitenden Ausschuss stellen wird, andernfalls muss die Schulbehörde einen solchen Antrag stellen.“[21]
Der Fachausschuss 6 b schloss sich der Stellungnahme von Heinrich Schröder an und wies darauf hin, dass er sich gegen die Wiedereinsetzung von Konrad Groth als Oberstudienrat ausgesprochen hatte und auch die Einstufung in die Kategorie V nicht als gerechtfertigt ansehe. Es wurde Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt.[22]
Nunmehr ließ sich Konrad Groth vom Altonaer Rechtsanwalt Werner Grotefend vertreten, der die Vorträge von Konrad Groth als von dessen Vorgesetzten eingeforderte sachliche und nicht propagandistische Tätigkeit bezeichnete. Im Übrigen stützte sich der Rechtsanwalt auch auf die Aussage von Prof. Zylmann.[23]
Konrad Groth war 1949 an einer privaten Schule der Erwachsenenbildung stundenweise tätig und wurde von dem dortigen Schulleiter Ernst Hessenauer sehr positiv beschrieben:
„Herr Oberstudienrat Groth zeichnete sich während seiner gesamten bisherigen Tätigkeit durch sehr solides und umfassendes Wissen aus, das ihn in die Lage versetzte, Unterrichtsthemen zu gestalten, die die Hörer sehr interessierten. Er gewann menschlich viel Sympathien durch immerwährende Höflichkeit und Hilfsbereitschaft.“[24]
Am 6.5.1949 schrieb Heinrich Schröder an den Vorsitzenden des Berufungsausschusses 17, der endgültig über Konrad Groth entscheiden sollte:
„Die Übertragung der Leitung der Oberschule für Mädchen in Altona an Studienrat Groth im August 1942 und die darauf folgende Beförderung zum Oberstudienrat rief in den Kreisen der Lehrer der höheren Schulen in Altona lebhaftes Erstaunen hervor, da nach übereinstimmender Meinung der Kollegen, die Groth kannten, und auch der damaligen Leiter, zum Beispiel des Oberstudienrats Koch, der in den Kriegsjahren die Blankeneser Oberschule leitete, an der Groth tätig war, besondere pädagogische Fähigkeiten Groths nicht bekannt waren, mit denen eine solche Beförderung hätte begründet werden können. Es war nur die nationalsozialistische Haltung Groths, bewiesen durch Teilnahme an Schulungsleiterkursen in der Ritterstraße , zu denen niemand gezwungen war, und durch nationalsozialistische Vorträge in Ortsgruppen der NSDAP, den Kreisgruppen des NSLB, die den pädagogisch bekanntlich völlig unfähigen und nur nach nationalsozialistischer Gesinnung fragenden Oberschulrat Saß veranlasst hat, Groth für eine solche Beförderungsstelle vorzuschlagen.
Die Schulbehörde ist überzeugt, dass Groth heute gelernt hat und in der Lage und bereit ist, im demokratischen Sinne zu unterrichten. Sie ist aber der Meinung, dass, wie in anderen Fällen, wo Beamte aufgrund ihrer nationalsozialistischen Einstellung befördert worden sind, so auch in diesem Falle, die Beibehaltung der Beförderungsstelle nicht verantwortet werden kann.“[25]
Es ging Heinrich Schröder jetzt nicht mehr darum, die Wiedereinstellung von Konrad Groth zu verhindern, sondern darum, ihm die Beförderung zum Oberstudienrat zu streichen.
Am 20.8.1949 entschied der Berufungsausschuss 17 unter Vorsitz von Rechtsanwalt Soll, der zahllose Berufungsverfahren leitete und in vielen Fällen aus meiner Sicht sich nicht immer genügend mit den Details beschäftigt hatte und milde Urteile fällte. Der Ausschuss entschied, dass die „formale Belastung von Groth nur gering sei und dass eine Aberkennung des Oberstudienrates nicht angebracht erscheine“.[26]
Hiermit enden die Dokumente der Entnazifizierung von Konrad Groth. Die Entscheidung des Berufungsausschusses war somit endgültig und es ist davon auszugehen, dass Groth als Oberstudienrat wieder an einem Hamburger Gymnasium tätig wurde.
Es gehört wohl zu den Ironien der Geschichte, dass Konrad Groth wieder als Oberstudienrat arbeitete, ausgerechnet an der ehemaligen Schule von Heinrich Schröder, dem Christianeum.[27]
Konrad Groth starb am 18.2.1955.[28]
Text: Hans-Peter de Lorent

Anmerkungen
1 Hamburgisches Lehrerverzeichnis für das gesamte Stadt- und Landgebiet Schuljahr 1938/1939, herausgegeben vom NS-Lehrerbund, Gauwaltung Hamburg.
2 Entnazifizierungsfragebogen Groth, StA HH, 221-11_Ed 1189
3 Ebd.
4 Entnazifizierungsakte a. a. O.
5 Schreiben vom 30.10.1945, Entnazifizierungsakte a. a. O.
6 Anlage zum Fragebogen, Entnazifizierungsakte a. a. O.
7 Siehe die Biografie Hermann Saß, in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz Bd. 1, Hamburg 2016, S. 178 ff.
8 Anlage zum Fragebogen, Entnazifizierungsakte a. a. O.
9 Schreiben vom 11.10.1945, Entnazifizierungsakte a. a. O.
10 Ebd.
11 Ebd.
12 Ebd.
13 Bestätigung vom 11.10.1945, Entnazifizierungsakte a. a. O.
14 Schreiben vom 23.9.1947, Entnazifizierungsakte a. a. O.
15 Beratender Ausschuss vom 13.8.1946, Entnazifizierungsakte a. a. O.
16 de Lorent 2016, S. 298 ff. und S. 292 ff.
17 Schreiben vom 26.8.1947, Entnazifizierungsakte a. a. O.
18 Siehe dazu die Biografie Frahm, in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd. 2, Hamburg 2017, S. 564 ff.
19 Berufungsausschuss vom 6.10.1947, Entnazifizierungsakte a. a. O.
20 Siehe die Biografie Albert Henze, in: de Lorent 2016, S. 162ff.
21 Schreiben vom 21.11.1947, Entnazifizierungsakte a. a. O.
22 Erklärung vom 16.12.1947, Entnazifizierungsakte a. a. O.
23 Schreiben vom 23.6.1948, Entnazifizierungsakte a. a. O.
24 Schreiben vom 26.4.1949, Entnazifizierungsakte a. a. O.
25 Schreiben von Oberschulrat Schröder vom 6.5.1949, Entnazifizierungsakte a. a. O.
26 Entscheidung des Berufungsausschuss 17 vom 20.8.1949, Entnazifizierungsakte a. a. O.
27 Laut Hamburgisches Lehrerverzeichnis für das Schuljahr 1953/54, herausgegeben vom Verlag der Gesellschaft der Freunde.
28 Laut Information der Altregistratur der BSB Hamburg vom 11.12.2017.
 

Namen

Personensuche

  • (am besten nur Vor- ODER Nachname. Sie können aber auch nach Gebäuden, Firmen, Behörden, Lagern, NS-Orgnaisationen suchen.)

Je nach Suchfeld, können Sie entweder freie Suchbegriffe eingeben oder aus einer Liste auswählen.
Bitte beachten Sie, dass über das Suchfeld "Freier Suchbegriff" nach Übereinstimmungen im Namen, Kurztext und Langtext sowie zugeordneten Schlagwörtern gesucht wird.
 

Geografische Spuren

Meine Straße

Geografisch

 

Schlagwörter und freie Suche

Schlagwörter und Kategorien

Einträge in dieser Datenbank sind verschiedenen Schlagwörtern zugeordnet. Diese sind als Vorschläge zu verstehen. Mehrfachzuordnunegn sind dabei möglich.
Nutzen Sie auch gern die freie Suche. Dabei werden Übereinstimmungen im Namen, Kurztext und Langtext sowie in der Verschlagwortung gesucht.
Die Auswahl eines Schlagwortes überprüft dagegen nur Verknüfungen mit dem Schlagwortregister.

Thematische Suche

  • (z.B. Berufe, Gebäude, spezielle Orte)

Leichte Sprache
Gebärden­sprache
Ich wünsche eine Übersetzung in:

Datenbank online Die Dabeigewesenen

Leichte Sprache
Gebärden­sprache
Ich wünsche eine Übersetzung in:

Von Hamburger NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Zuschauer/innen ... Eine Hamburg Topografie.

NS-Dabeigewesene

Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

rechte spalte

Themenübersicht auf hamburg.de

Service-Angebote im Überblick