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Robert Köster

(8.1.1896 Groß-Lobke, Kreis Hildesheim – 15.6.1979)
Schulleiter der Oberschule für Mädchenschule In Blankenese
Richardstraße 13 (Wohnadresse 1955)

Hans-Peter de Lorent hat über Robert Köster ein Portrait verfasst, das in Hans-Peter de Lorents Buch: Täterprofile. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz. Band. 3. Hamburg 2019 erschienen und im Infoladen der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg erhältlich ist. Hier der Text:  
„Er hat viel dazu beigetragen, die nationalsozialistische Weltanschauung in Altona durchzusetzen.“

Es gab eine ganze Reihe von Männern im Hamburger Schulwesen, die nationalsozialistische Aktivisten waren und auch der SS angehörten. Zu ihnen zählte Robert Köster, der seit 1936 die Oberschule für Mädchen in Blankenese leitete. Im Krieg war Köster, der Deutsch, Erdkunde und Französisch studiert hatte, im Einsatzstab Rosenberg tätig gewesen. Nach Ende der NS-Herrschaft bemühte sich Köster darum, wieder in den Schuldienst zu gelangen und sogar, wieder als „Oberstudiendirektor zur Wiederverwendung“ besoldet zu werden. Da Hamburg ihn nicht erneut in den Schuldienst kommen ließ, arbeitete er als Studienrat seit 1951 bis zu seiner Pensionierung in Elmshorn.
Robert Köster wurde am 8.1.1896 als Sohn des Lehrers August Köster in Groß-Lobke, Kreis Hildesheim, geboren. Er besuchte vom sechsten Lebensjahr an die Vorschule und das Realgymnasium in Peine und bestand dort Ostern 1914 die Reifeprüfung. Danach studierte er Deutsch, Erdkunde und Französisch an den Universitäten Kiel und Berlin. Vom 5.3.1917 bis zum 13.1.1919 hatte er als Gefreiter am Ersten Weltkrieg teilgenommen.[1]
Robert Köster beendete anschließend sein Studium an der Universität Kiel und bestand die wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen am 12.8.1921. Als Studienreferendar arbeitete er vom 1.10.1921 zuerst am Realgymnasium in Peine, danach an der Oberrealschule in Kiel. Er bestand am 30.9.1922 die pädagogische Prüfung und wurde anschließend als Studienassessor am Gymnasium in Neumünster beschäftigt. Vom 1.10.1923 arbeitete Robert Köster ein halbes Jahr am Realgymnasium in Blankenese, anschließend am Lyzeum in Elmshorn, dort seit dem 1.4.1926 als Studienrat. Dies ist insofern interessant, als mit diesen Schulen sein zukünftiges Arbeitsfeld abgesteckt wurde und entsprechende Kontakte geknüpft werden konnten.[2]
Ein Bericht über die Kompetenzen des Studienassessors Robert Köster vom 7.8.1925 vom Lyzeum Elmshorn, schilderte ihn als vielseitige Lehrerpersönlichkeit. So wurde vermerkt, dass er neben seinen Fächern Erdkunde, Französisch und Deutsch auch eine „Arbeitsgemeinschaft in Musikinterpretation und Lautenspiel, ferner in Spanisch“ übernahm. Und über seine Entwicklung hieß es:
„Es gelang ihm, nachdem er gewisse Schwierigkeiten überwunden hatte, sich auf die Anlagen der Mädchennatur und die Aufgaben der Mädchenschule einzustellen. Mit Ernst und Eifer arbeitete er daran, sich die Methode des Arbeitsunterrichts zu eigen zu machen, wenn dieser bei ihm auch noch darunter leidet, dass er sich mit gefühlsmäßigen Vorstellungen und halb richtigen Ausdrucksweisen bei der Schlusssynthese zufrieden gibt, wozu freilich die weibliche Natur der Schülerin verleitet. Er will noch kein Fertiger sein und sucht deshalb Kritik und Rat bei geeigneten Kollegen. Die Schülerinnen folgen mit Freude seinem Unterricht, der durch eigenes Interesse, durch Erlebnisstoff und durch Wechsel der Methoden belebt ist; daher entsprachen seine Unterrichtsresultate seinem Eifer.“[3]
Am 1.4.1929 ließ sich Robert Köster an das Oberlyzeum nach Altona, in der Allee, versetzen. Seit dem 23.3.1931 war Robert Köster mit Charlotte Stahl verheiratet, mit der er zwei Kinder hatte (geboren 1933 und 1935).
Köster engagierte sich schon früh in nationalsozialistischen Organisationen. Seit dem 1.4.1932 war er Mitglied des NSLB, im August 1932 beantragte er die Aufnahme in die NSDAP, die am 1.2.1933 erfolgte. Nebenamtlich leitete Robert Köster seit dem 1.4.1933 die Volkshochschule Altona.[4]
Bei diesem Engagement fand Robert Köster zwangsläufig die Aufmerksamkeit des Altonaer Schulsenators Hermann Saß, der nach Eingemeindung Altonas in Hamburg weiter als Oberschulrat tätig war.[5] Hermann Saß betrieb eine gezielte Personalpolitik und berief Robert Köster am 1.4.1936 als Studiendirektor an die Oberschule für Mädchen in Blankenese.[6]
In dem Entwurf für die Begründung der Beförderung Kösters vom 21.2.1936, die an das Reichsministerium in Berlin gehen musste, hieß es:
„Köster ist 40 Jahre alt und von guter Gesundheit, verfügt über ein gründliches Wissen und ist ein lebhafter, allseitig interessierter Mensch, der genau beobachtet, scharf kritisiert und treffend beurteilt. Allen Anregungen und jedem Problem steht sein beweglicher Geist offen. Er ist auch fähig, selbst von sich aus Mittel und Wege von einer klaren Erkenntnis zur Erreichung eines Ziels oder der praktischen Lösung eines Problems zu erkennen und zu benutzen. Zudem steht ihm eine gute Rednergabe zur Verfügung. Er besitzt gutes Lehrgeschick und hat bei seinen Schülerinnen, die seinem anregenden Unterricht gern folgen, achtenswerte Lehrerfolge erreicht. Sehr gut bewährt hat er sich auch bei der Anleitung des Lehrernachwuchses.“[7]
Schwerpunktmäßig wurde natürlich Kösters nationalsozialistisches Wirken dargestellt, die frühe Mitgliedschaft im NSLB und der NSDAP. Weiter hieß es:
„Seine gute Befähigung konnte allerdings bei seiner umfangreichen Tätigkeit in der Partei für die Schule nicht völlig ausgenutzt werden. Seit Februar 1933 leitete er den ‚Kampfbund für deutsche Kultur‘ und nach seiner Auflösung den ‚Reichsbund Volkstum und Heimat‘. Daneben führte er die Geschäfte der Schleswig- Holsteinischen Universitätsgesellschaft, Ortsgruppe Altona. Anfang April 1933 wurde ihm vom Oberbürgermeister die Leitung der städtischen Volkshochschule (heute nationalpolitische Volksbildungsstätte der Stadt Altona) übertragen, deren Arbeitsplan er dreimal im Jahr herausgibt und deren Kurse und Vorträge jetzt jährlich von etwa 4000 Volksgenossen besucht werden. Im Jahr 1934 organisierte er im Auftrage des Oberbürgermeisters das Vortragswesen der Stadt Altona, das er heute im Rahmen der NS-Kulturgemeinde betreut. In der Partei bekleidet er ferner das Amt eines Abteilungsleiters für Volksbildung und Volkserziehung im Kreisschulungssamt. Im Januar 1935 wurde er vom Kreisleiter der NSDAP Altona mit der weltanschaulichen Schulung der Gliederungen und angeschlossenen Organisationen der NSDAP beauftragt und zum Kreisredner ernannt. Alle diese Aufträge hat er mit vollem Einsatz seiner Kräfte und besonderem organisatorischen Geschick durchgeführt und dadurch viel dazu beigetragen, die nationalsozialistische Weltanschauung in Altona durchzusetzen.“[8]
Im Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass Köster von seinen vielen Parteiaufgaben entlastet werden müsse, wenn er die Schulleitertätigkeit aufnehmen würde. Und es wurde auch konstatiert:
„An seiner politischen Zuverlässigkeit ist nicht zu zweifeln; bei seinem scharfen Eintreten für die Partei ist er gelegentlichen Konflikten mit dem einen oder anderen seiner Mitarbeiter nicht ausgewichen. Es steht aber fest, dass sein Direktor sowie alle sachlich unvoreingenommenen und unbelastet mitarbeitenden Kollegen ein durchaus positives Verhältnis zu ihm gefunden haben.“[9]
Andere Dokumente in der Personalakte von Robert Köster machen deutlich, wie der Weg zu Kösters Berufung tatsächlich verlaufen war. Nachdem der vormalige Leiter des Lyzeums in Blankenese pensioniert worden war, hatte Hermann Saß dem zuständigen Oberschulrat beim Oberpräsidenten der Provinz Schleswig- Holstein, Abteilung für das höhere Schulwesen, Oberschulrat Dr. Schmidt, den Vorschlag zur Berufung von Robert Köster gemacht. Schmidt wiederum hatte nun den Schulleiter des Altonaer städtischen Oberlyzeums, Bernhard Müller, um einen ausführlichen Bericht über Köster gebeten.[10]
Vergleicht man den Bericht von Bernhard Müller vom 20.1.1936 mit dem Entwurf für das Reichsministerium, wird deutlich, dass vieles davon zum Teil wörtlich übernommen worden war. Es gibt aber auch Abweichungen. So schrieb Müller durchaus kritisch:
„Für die Feststellung, ob er Tiefe und Charakter genug besitzt, Schwierigkeiten auf dem Wege zäh, offen und unerschrocken anzufassen, war seine Tätigkeit am O. L. zu begrenzt und damit auch die Möglichkeiten meiner Urteilsbildung. Ich weiß dabei sehr wohl, dass K.’s Charakter im Kollegium und auch im Schulamt sehr umstritten ist, und K. ist wiederholt bei mir verdächtigt worden. Mögen K.’s Wege zuweilen vielleicht als diplomatisch und verschlungen erscheinen, einen Beweis für etwaige Umtriebe, Verrätereien oder Hinterhältigkeit mir oder anderen gegenüber hat mir niemand bisher bringen können. Wohl aber habe ich wiederholt erfahren, dass K. wegen seines einseitigen, oft harten Eintretens für die Partei manchem unbequem wurde. Für das Kollegium habe ich den Eindruck, dass alle sachlich, unvoreingenommenen und unbelastet mitarbeitenden Kollegen gleich mir ein positives Verhältnis zu K. gefunden haben.“[11]
Schulleiter Müller schien in seiner Beurteilung hin- und hergerissen und berücksichtigte dabei durchaus, dass Robert Köster durch seine Parteitätigkeit sehr stark beansprucht war, wenngleich er dafür mit 12 Stunden entlastet wurde, dadurch aber auch weniger präsent in der Schularbeit war. Müller schloss:
„Und hier hat er (ich kann mich da ganz auf mein eigenes Urteil verlassen) ganz im Sinne des Führers gewirkt und viel dazu beigetragen, die nationalsozialistische Weltanschauung in Altona durchzusetzen. Das bedeutet gewiss sehr viel! Ich habe das begründete Vertrauen, dass K. immer bemüht bleiben wird, in allen Fällen als Nationalsozialist zu handeln.“[12]
Am 6.9.1935 war Oberstudiendirektor Müller von der NSDAP-Kreisleitung in Altona noch mitgeteilt worden:
„Der Kreisabteilungsleiter Pg. Köster ist als Marschteilnehmer zur Teilnahme am Reichsparteitag 1935 bestimmt. Ich bitte, den Pg. Köster für die Zeit vom 12. bis 18.9.1935 einschließlich zu beurlauben.“[13]
Robert Köster hatte am 15.4.1936 die kommissarische Leitung des städtischen Lyzeums in Blankenese übernommen und bereits ein halbes Jahr später, am 3.11.1936, wurde ein Bewährungsbericht an das Reichsministerium geschickt, in dem er hieß, „dass er fähig und willens ist, das ihm übertragene Amt gewissenhaft, tatkräftig und im Sinne des nationalsozialistischen Staates zu verwalten. Gemäß der Weisung des o. a. Erlasses vom 12.3.1936 ist er für die Zeit des Einarbeitens in sein neues Amt von seiner Tätigkeit in der Kreisleitung der NSDAP, Altona, weitgehend entlastet gewesen und hat sich daher ganz der neuen Aufgabe widmen können. Vermöge seiner überlegenen Persönlichkeit ist es ihm nicht schwer gefallen, sich durchzusetzen und sein Kollegium in gemeinsamer Erziehungsarbeit und weltanschaulicher Ausrichtung zusammenzufassen und anzuregen. Mit der Erziehung seiner Mädchen im nationalsozialistischen Geist nimmt er es sehr ernst und arbeitet hier im besten Einvernehmen mit der Leitung des BDM. Köster verfügt über eine beachtliche Allgemeinbildung und eine gute rednerische Begabung, Eigenschaften, die ihn instand setzen, auch über den Rahmen seiner schulischen Tätigkeit hinaus auf das geistige und kulturelle Leben der Stadt Altona befruchtend und anregend einzuwirken. Seine Beziehungen zum städtischen Schulamt sind die denkbar besten, so dass von dort aus der dringende Wunsch ausgesprochen worden ist, Köster als Leiter der ihm unterstellten Schule zu behalten.“[14]
Paraphiert ist dieses Schreiben von dem NSDAP-Gauleiter Hinrich Lohse, der seit 1933 gleichzeitig Oberpräsident der Provinz Schleswig- Holstein war.
Am 20.4.1939, dem Geburtstag Adolf Hitlers, erhielt Robert Köster die Ernennungsurkunde zum Oberstudiendirektor, unterzeichnet von Reichsstatthalter Karl Kaufmann.[15]
Kurz danach, am 26.8.1939, wurde Robert Köster zur Wehrmacht einberufen. Am 23.11.1938 hatte Robert Köster mit seiner Frau Charlotte umfangreich deren Stammbaum für das Rasse- und Siedlungshauptamt der SS dargestellt, bei der Robert Köster die Mitgliedschaft beantragt hatte.[16]
Kösters Tätigkeiten im Krieg sind nicht im Detail rekonstruierbar. Aus seiner Entnazifizierungsakte und der Personalakte geht hervor, dass Köster beim Einsatzstab Rosenberg vom 2.9.1940 bis zum 25.8.1944 mit einer kurzen Unterbrechung tätig war, wie er beschönigend schrieb, „als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Belgien, Holland und Berlin“.[17]
Der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) war eine Rauborganisation der NSDAP für Kulturgüter aus den besetzten Ländern während des Zweiten Weltkrieges, die unter der Leitung des NS-Parteiideologen Alfred Rosenberg und des von ihm geführten Außenpolitischen Amtes der NSDAP stand. Nach dem Frankreichfeldzug stießen die Mitarbeiter des ERR bei der Suche nach Büchern und Archivmaterial vor allem in Frankreich und in den Benelux-Ländern auf riesige Bestände von Kunstgegenständen, die sich im Besitz von Menschen jüdischer Herkunft befanden. Die deutsche Botschaft in Paris und SS-Einsatzkommandos in der Geheimen Feldpolizei begannen sofort nach der Besetzung, aus bekannten Sammlungen und Galerien die wertvollsten Bilder zu rauben. Dafür war sicherlich ein vielseitig interessierter Kunstliebhaber, der Französisch studiert hatte, wie Robert Köster, SS-Untersturmführer, eine geeignete Person. Und der von ihm angeführte Begriff, er wäre „Wissenschaftlicher Mitarbeiter in Belgien, Holland und Berlin gewesen“ stellt mehr als eine zynische Verniedlichung seiner Kriegstätigkeit dar. Auffällig ist übrigens, dass noch zahlreiche andere aktive Nationalsozialisten aus dem Lehrerbereich während des Krieges dem Einsatzstab Rosenberg angehörten.[18]
Robert Köster gab in seinem Entnazifizierungsfragebogen darüber hinaus an, vom 26.8.1944 bis zum 24.3.1945 Untersturmführer in der SS-Ausbildungs-Abteilung Konitz gewesen zu sein.[19] In seiner Personalakte gibt es zusätzlich den Hinweis, dass Köster im März 1945 Inspekteur der Sicherheitspolizei (Sipo) und des Sicherheitsdienstes (SD) gewesen war.[20]
Am 24.5.1945 wurde Robert Köster als Schulleiter in Hamburg beurlaubt, am 20.6.1945 im Auftrag der Britischen Militärregierung entlassen.[21]
Man sollte meinen, dass Robert Köster in Kenntnis seiner Biografie und seiner starken Belastung, nicht davon ausging, in Hamburg eine Chance auf Wiedereinstellung zu haben. In der Tat zeigte Hamburg keine Bereitschaft, Köster in irgendeiner Weise wieder in den Schuldienst zu übernehmen. Immerhin erreichte Köster, dass der Berufungsausschuss vom 20.7.1949 ihm zubilligte, ihn mit 50 Prozent der ihm zustehenden Bezüge als Studienrat zu pensionieren. Gleichzeitig wurde Köster in Kategorie IV eingestuft.[22]
Auch danach erhielt Köster keine Möglichkeit, wieder in den Hamburger Schuldienst zu gelangen. Aber er verfügte aufgrund seiner früheren Tätigkeit am Lyzeum in Elmshorn offenbar noch über funktionierende Kontakte. Am 17.3.1951 teilte der Elmshorner Bürgermeister der Hamburger Schulbehörde mit, dass sich Robert Köster an der Oberschule für Mädchen in Elmshorn als Studienrat beworben und darauf hingewiesen habe, dass er von der Stadt Hamburg eine jährliche Pension von 3684 DM beziehe, auf die er nicht verzichten wolle. Seine Absicht sei, als Ruhestandsbeamter im öffentlichen Dienst in Elmshorn verwendet zu werden. Elmshorns Bürgermeister bat um Zustimmung zu diesem Verfahren.[23]
Oberregierungsrat von Zerssen teilte mit, dass Hamburg dagegen keine Bedenken habe und so wurde Robert Köster in Elmshorn als Studienrat im Angestelltenverhältnis an der Oberschule für Mädchen eingestellt.[24]
1953, als sich die Gesetzeslage verändert hatte und das Gesetz zum Abschluss der Entnazifizierung die Möglichkeit bot, die Versorgungsbezüge neu festzusetzen und Ansprüche auf die Wiederverwendung in alten Ämtern zu beantragen, ging es um die Rekonstruktion des Werdegangs von Robert Köster. Der Personalreferent für die Gymnasien in der Hamburger Schulbehörde, Dr. Hans Reimers[25], machte dazu die überraschende Mitteilung:
„Die Denazifizierungsakte weist eine große Anzahl ungeklärter Punkte auf, deren Klarstellung auch gegenwärtig wegen der Vernichtung von Akten in Kiel nicht mehr möglich sein dürfte. Die Vorgänge, die bei der Ernennung des Herrn Köster zum Oberstudiendirektor eine Rolle gespielt haben, sind auch jetzt noch durchaus undurchsichtig und widerspruchsvoll.“[26] Da kann man aber in Kenntnis derselben Unterlagen zu ganz anderen Ergebnissen kommen, wie ich dargestellt habe.
Robert Köster, der in weiteren Schreiben an die Hamburger Schulbehörde jeweils unter seinen Namen setzte: Oberstudiendirektor zur Wiederverwendung, stellte am 24.8.1959 den Antrag, in den Ruhestand versetzt zu werden, da die tägliche Fahrerei seine Kräfte im Alter von 63 ½ Jahren übersteigen würde.[27]
Die Pensionierung erfolgte, Köster war danach aber noch bis 1964 im privaten Institut Dr. Brechtefeld tätig.[28]
Robert Köster starb am 15.6.1979.[29]
Text: Hans-Peter de Lorent

Anmerkungen
1 Personalakte Robert Köster, StA HH, 361-3_A 2591
2 Angaben laut Personalakte a. a. O. und handgeschriebener Lebenslauf in seiner SS-Akte, Bundesarchiv, RS D 3100, Bl. 933
3 Bericht des Lyzeums Elmshorn vom 7.8.1925, Personalakte a. a. O.
4 Lebenslauf, SS-Akte, a. a. O.
5 Siehe die Biografie Hermann Saß, in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd. 1, Hamburg 2016, S. 178 ff.
6 Berufungsurkunde vom 6.12.1935, Personalakte a. a. O.
7 Entwurf eines Schreibens an das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 21.2.1936, Personalakte a. a. O.
8 Ebd.
9 Ebd.
10 Mit Schreiben vom 14.1.1936, Personalakte a. a. O.
11 Ebd.
12 Ebd.
13 Schreiben vom 6.9.1935, Personalakte a. a. O.
14 Ebd.
15 Ernennungsurkunde zum Oberstudiendirektor vom 20.4.1939, Personalakte a. a. O.
16 Siehe Kösters SS-Akte, a. a. O.
17 Entnazifizierungsakte Köster, StA HH, 221-11_Ed 1041
18 Siehe dazu: Jacob Kurz: Kunstraub in Europa 1938–1945. Hamburg 1989; Peter M. Manasse: Verschleppte Archive und Bibliotheken. Die Tätigkeit des Einsatzstabes Rosenberg während des Zweiten Weltkrieges, St. Ingbert 1997. Siehe auch die Biografien von Horst Kanitz, in: de Lorent 2016, S. 292 ff. und Hans Muchow sowie Dr. Adolf Vogel in diesem Band.
19 Entnazifizierungsakte a. a. O.
20 Personalakte a. a. O.
21 Personalakte a. a. O.
22 Zentralstelle für Berufungsausschüsse vom 20.7.1949, Personalakte a. a. O.
23 Schreiben vom 17.3.1951, Personalakte a. a. O.
24 Laut Hinweis in seiner Hamburger Personalakte, a. a. O.
25 Siehe die Biografie Hans Reimers in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd. 2, S. 249 ff.
26 Vermerk vom 21.12.1953, Personalakte a. a. O.
27 Schreiben vom 24.8.1959, Personalakte a. a. O.
28 Personalakte a. a. O.
29 Personalakte a. a. O.
 

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Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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