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Hermann Schmidt

(29.3.1894 Hamburg – 13.7.1974)
Schulleiter der Bismarck-Oberrealschule in Eimsbüttel
Rothenbaumchaussee 181 (Wohnadresse 1945)

Hans-Peter de Lorent hat über Hermann Schmidt ein Portrait verfasst, das in Hans-Peter de Lorents Buch: Täterprofile. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz. Band. 3. Hamburg 2019 erschienen und im Infoladen der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg erhältlich ist. Hier der Text:  
„Möge es Ihnen vergönnt sein, an dem großen Aufbauwerk unseres Führers in der Erziehung und Formung der kommenden Generation den deutschen Menschen mit prägen zu helfen.“
Eine schwierige Person war der zeitweilige Schulleiter der Bismarck-Oberrealschule in Eimsbüttel, der den Unterricht in seiner Hauptmanns-Uniform aus dem Ersten Weltkrieg führte und suggerierte, ein „hoch ausgezeichneter kaiserlicher Offizier“ gewesen zu sein. Trotz Eintritts in die NSDAP zum 1.5.1933 wurde Hermann Schmidt aufgrund seines schwierigen Charakters von den Nationalsozialisten nur bedingt gefördert. Als der Schulleiter, Karl Züge, Oberschulrat in der Schulverwaltung wurde, betraute man Hermann Schmidt mit der kommissarischen Leitungs-Aufgabe, ohne ihn zu befördern. Deswegen behauptete er später, in Konflikten mit den Nationalsozialisten gestanden zu haben.
„Wir haben einen Helden in der Schule, ein ehemaliger Bismarck-Schüler, der in einer Feierstunde in der Aula, eingerahmt von Schillerbüste links und Goethebüste rechts, als ‚leuchtendes Vorbild‘ präsentiert wird. Er sitzt auf einem Ehrenstuhl: Ein junger Panzerleutnant, um den Hals das Ritterkreuz. Er soll uns erzählen, für welche Heldentat ihm der Führer diesen hohen Orden verliehen hat. Die Kleinen, die Pimpfe aus der Sexta, Quinta, Quarta, die ‚Stoppelhopser‘, wie Nicolaysen sie zu bezeichnen pflegt, staunen mit Glanzaugen auf das Prachtstück unter dem Adamsapfel des ‚Ehemaligen‘ – außer ein paar Faxenmacher, die immer aus der Rolle kaspern müssen. Sie werden von Doktor Dannies, der die Aufsicht führte, mit ‚kalten und warmen Umschlägen‘ zurechtgestaucht. Für Nicht-Bismarck-Schüler: das sind Backpfeifen der ersten und zweiten Ordnung. Bismarck-Hausmarke trocken und Bismarck-Hausmarke brutal. Der feierliche Ernst der Stunde muss schließlich gewahrt bleiben.
Im Lehrerkollegium hat man die Führergeburtstagsgesichter aufgesetzt. Es herrscht andachtsvolle Stille in der Aula – und dann ertönt, in die Stille hinein, ein uns wohlvertrautes Geräusch: Tack – Tack – Tack – Tack. Es ist das Holzbein unseres Direktors, der gemessenen Schrittes zum Rednerpult hinaufsteigt, um die Begrüßungsansprache zu halten. Er gehört zu der Sorte Mensch, die auch in zivil immer Soldat ist. Reservehauptmann. Weltkrieg eins, nach eigenem Bekunden ‚harter Preuße‘ und glühender Verehrer des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelms I. Er ist für mich ein Albtraum – und ich bin für ihn der Typ, den er am wenigsten verknusen kann: ein unsoldatischer Kunstschwärmer. Er weiß, ich gehe häufig ins Theater, das er verachtet. Sein größtes Vergnügen: So einem wie mir vor versammelter Klasse eigenhändig die Frisur auf Militärlänge zu stutzen. Es gibt da etliche, die Beifall klatschen, die sich mit ihm freuen, wenn er mir mit seiner Nagelschere langsam Haarsträhne für Haarsträhne vom Kopf schnippelt, und ich in ohnmächtiger Wut mit den Tränen kämpfe. Die Wut ist immer da, wenn ich ihn sehe, zugleich der feste Wille, ihm und seinesgleichen nicht den Gefallen zu tun, einmal wirklich loszuheulen. Nun spricht er freundlich, väterlich, dankbar für die Ehre, die der Ritterkreuzträger seiner Bismarck-Schule erwiesen hat. Er nennt ihn ‚einen wahren deutschen Soldaten, würdig der Helden von Langemarck‘ und spart auch sonst nicht mit großen Worten. Der Stolz, der ihn erfüllt, ist echt. Er kommt vom Herzen. Am Schluss die Mahnung an uns, ‚die Schüler von heute und Waffenträger von morgen‘: ‚Möge euch allen hier der Mut, die Tapferkeit, die Vaterlandsliebe und vorbildliche Pflichterfüllung dieses Helden unserer Schule ein leuchtendes Beispiel sein …“[1]
So beschrieb der ehemalige Schüler Uwe Storjohann eine Szene an der Bismarck-Oberrealschule im Dezember 1941, als Hermann Schmidt die Schulleitungsaufgabe übernommen hatte, nachdem der bisherige Schulleiter, Karl Züge, als Oberschulrat für die höheren Schulen in die Landesunterrichtsbehörde gewechselt war.
In einem Gespräch am 13.9.2012 erklärte Uwe Storjohann:
„Zu bestimmten Anlässen mussten Lehrer und Schüler ihre Uniformen tragen. Höchster Feiertag war der 20.4. – Hitlers Geburtstag. Einige ältere Lehrer wollten wohl deutlich lieber die alten Uniformen der Kaiserzeit tragen. Zu jenen gehört Herr Dr. Schmidt. Er kam stets in seiner Hauptmannsuniform aus dem Ersten Weltkrieg. Zudem war sein Hauptmannstitel ein höherer Rang als der des Studienrats. So wollte Schmidt auch stets mit ‚Herr Hauptmann‘ angesprochen werden.“[2]
Und weiter sagte Uwe Storjohann:
„Hermann Schmidt hatte bei den Schülern den Eindruck hinterlassen, ‚ein im Ersten Weltkrieg hochausgezeichneter kaiserlicher Offizier aus Überzeugung‘ gewesen zu sein. Auch sein Unterricht sei von eben dieser Überzeugung geprägt gewesen. Für die Schüler sei der Unterricht sehr anstrengend gewesen, da stets das ‚große Preußen‘ thematisiert worden sei.“[3]
Auf die Frage nach dem Unterschied zwischen Hermann Schmidt und Karl Züge erklärte Storjohann:
„Schmidt war cholerischer und als gemein und hinterhältig zu bezeichnen, während Züge zwar besonders korrekt war, jedoch nicht als gemein und sadistisch zu charakterisieren sei. Zucht und Ordnung waren bei Schmidt deutlich stärker ausgeprägt als bei Züge. Schmidt sei eher wie Lehrer Löden[4] gewesen. Schmidt habe die Jungen in der Klasse 5 bis 9 von der Pause in die Klassen kommandiert – stets im Gleichschritt und wehe jemand fiel aus der Reihe. Die Schulführer übernahmen später diese Aufgabe. Der Schulführer war meist auch in der HJ. Schmidt habe es sich zur Aufgabe gemacht, die Schüler dabei zu beobachten, wie sie in die Klassen kommandiert und geführt worden. Dazu habe er sich unter dem Treppengeländer versteckt und nahezu darauf gelauert, dass einer der Schüler auffiel durch einen falschen Schritt. Ein Fehler wurde direkt bestraft. Zur Strafe geschlagen werden durften Schüler bis zur Obertertia. Schmidt hatte diese Anweisung bei einem Schüler missachtet und bekam ein Disziplinarverfahren.“[5] Schmidt fungierte auch ein halbes Jahr als Klassenlehrer von Uwe Storjohann.
Hermann Schmidt war als Sohn des Kapitäns Adolph Schmidt in Hamburg am 29.3.1894 geboren. Er besuchte von Ostern 1900 bis 1909 die Realschule in St. Pauli und anschließend die Oberrealschule in Eimsbüttel, die er mit dem Zeugnis der Reife verließ. Anschließend begann er ein Studium an der Universität Rostock, das er in Gießen fortsetze. In dem von ihm handgeschriebenen Lebenslauf in seiner Personalakte wird sehr deutlich, welche besondere Rolle der Militärdienst für ihn gespielt hatte:
„Zu Beginn des Krieges wurde ich am dritten Mobilmachungstage eingezogen. Ich hatte vom 1. April 1912 bis zum 1. April 1913 meiner Dienstpflicht als Einjährig-Freiwilliger im Füsilier-Regiment Nr. 90, Kaiser Wilhelm, genügt und trat am 4. August 1914 als Offiziersstellenvertreter in das Res. Inf. Regiment 76 ein. Nachdem ich den Feldzug in Belgien und Frankreich mitgemacht hatte, wurde ich am 23. September 1914 als Bataillonsadjutant bei Thiescourt durch Granatsplitter am linken Fuß verwundet. Die Verwundung führte zur Amputation des Fußes. Am 31. Januar 1916 wurde ich als Leutnant der Reserve aus dem Heeresdienst entlassen.“[6]
Hier würde die Tragik „des glühenden Verehrers des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I“, der in der Schule bei den Schülern und möglicherweise auch bei den Lehrern den Eindruck hinterlassen hatte, ein hochdekorierter Offizier des ersten Weltkrieges gewesen zu sein. In Wahrheit war er schon nach kurzer Kriegsteilnahme mit einer schweren Verwundung, die ihn sein Leben lang stark beeinträchtigte, aus dem Krieg „als dauernd feld- und garnisonsdienstunfähig“ ausgeschieden.[7] Laut seiner Personalakte musste er sich am 17.1.1920 einer Nachamputation unterziehen und später vermerkten die ihn behandelnden Ärzte, dass Hermann Schmidt unter tiefgreifenden Beschwerden zu leiden hatte.[8]
Aus dem Kriegsdienst ausgemustert konnte Hermann Schmidt sein Studium fortsetzen und am 24.2.1917 die Prüfung für das höhere Lehramt ablegen.[9]
1918 heiratete Hermann Schmidt und begann nach dem Anleitungsjahr am Heinrich Hertz-Realgymnasium das Probejahr an derselben Schule. Das Gutachten über sein Probejahr machte deutlich, wo seine Primärtugenden und seine Defizite lagen:
„Der Bericht des Kandidaten Hermann Schmidt über seine Tätigkeit, den ich beigehend überreiche, betont meines Erachtens hier und da, besonders beim Unterricht im Deutschen, doch wohl zu stark die Erledigung von Stoffen, die bei der geringen Stundenzahl gewiss nur nebensächlich berührt sein könnten. Gegen die im Bericht ausgesprochenen pädagogischen Anschauungen ist nichts einzuwenden; der Stil ist flüssig.
Der Kandidat hat seinen Unterricht pünktlich erteilt und in den Klassen, in denen er unterrichtete, gute Zucht und Ordnung gehalten. Der Erfolg seines Unterrichtes war genügend, und seine sonstigen Obliegenheiten hat er gewissenhaft erfüllt. Im allgemeinen ist es als wünschenswert zu bezeichnen, dass es dem Herrn Kandidaten in seinen späteren Stellungen gelingen möge, sich mehr als bisher in die Schulgemeinschaft einzuordnen.“[10]
Hermann Schmidt wohnte zu diesem Zeitpunkt in der Parkallee 1 und stellte bei der Oberschulbehörde am 25.2.1919 den Antrag, einer Schule zugewiesen zu werden, die wegen der Fußamputation in 10-15 Minuten von seiner Wohnung zu erreichen sei.[11]
Dem wurde entsprochen, Hermann Schmidt kam an die Bismarck-Oberrealschule in der Bogenstraße als Oberlehrer. Mit seinem amputierten Bein hatte er immer wieder gesundheitliche Probleme, die ihn aber nicht daran hinderten, zumindest in den Jahren von 1925 bis 1928 eine Nebentätigkeit an der Polizeischule anzunehmen und auch nicht, Protektor der Schüler-Ruderriege zu sein.[12]
Hermann Schmidt trat am 1.5.1933 in die NSDAP ein. Er war Mitglied des NSLB seit 1934, in der NSV seit 1937. Dem Reichsbund deutscher Beamter gehörte er schon seit 1918 an.[13] Bei aller Differenz, die er zu Karl Züge hatte, wurde er von diesem dennoch ins Vertrauen gezogen, als Züge als letzter Vorsitzender des Hamburger Philologenvereins am 6.5.1935 in einer Sitzung in der Bismarck-Oberrealschule den Verband auflöste. Neben Karl Züge und dem Schatzmeister des Philologenvereins, Berthold Ohm[14], waren nur noch Walther Witthöft und Hermann Schmidt bei dieser Verbandsauflösung anwesend.[15]
Über Hermann Schmidts Haltung als Schulleiter habe ich die Erfahrungen Uwe Storjohanns zitiert. In der Folgezeit, insbesondere in den Jahren seit 1943, als in Hamburg kein durchweg geregelter Unterricht stattfand und viele Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrkräften in der Kinderlandverschickung (KLV) waren, führte der als Schulleiter eingesetzte Hermann Schmidt merkwürdige Kämpfe um die Wahrung seiner Autorität. Nicht zum ersten Mal, wie der Blick in seine Personalakte zeigt. Schon 1928 hatte er sich gemeinsam mit dem Studienrat Dr. Walter Behne beim sozialdemokratischen Schulsenator Emil Krause darüber beschwert, dass die Oberschulbehörde sie und die Oberrealschule an … der Bogenstraße nicht vor einer Kritik von dem „Nichtbeamten Matthias“ geschützt hatte, der offenbar „Vorhaltungen gegen die Schule und einige Lehrkräfte“ formuliert hatte. Die konkreten Anwürfe sind nicht dokumentiert, aber interessant an dem Konflikt ist, dass Schmidt ihn gemeinsam mit Walter Behne führte, der kurz später, schon 1931 in die NSDAP eintrat und 1933 zum Oberschulrat für den Bereich der höheren Schulen benannt worden war.[16]
Walter Behne war somit auch in der Zeit eine wichtige Person für Hermann Schmidt, als dieser die Schulleiter-Aufgabe an Behnes alter Schule kommissarisch übernommen hatte.
Am 19. Mai 1942 gratulierte der zwischenzeitliche starke Mann in der Schulverwaltung, Oberschulrat Albert Henze[17], Schmidt zu seiner 25-jährigen Tätigkeit im Hamburger Schuldienst:
„Als Personalreferent der Schulverwaltung möchte ich Ihnen die herzlichsten Glückwünsche übermitteln und Ihnen danken für alle Arbeit, für alle Opfer- und Einsatzbereitschaft und für alle Treue, die sie in diesen langen Jahren den Hamburger Schulen gebracht haben. Seit vielen Jahren haben Sie neben Ihrer unterrichtlichen und erzieherischen Tätigkeit als stellvertretender Schulleiter keine Sorgen und Mühen gescheut, auch an dieser Stelle in vorbildlicher Weise gewissenhaft und verantwortungsfreudig Ihre Pflicht zu tun. Wenn auch der Krieg nun schon seit Jahren immer stärkere Anforderungen stellt und immer größere Belastung bringt, so weiß ich mich doch eins mit Ihnen in der festen Überzeugung, dem unerschütterlichen Wollen, Sie auch in den kommenden Jahren als Lehrer und Erzieher unsere deutschen Jugend in dem gewaltigen Kampf um eine neue Weltanschauung in vorderster Linie zu sehen. Möge es Ihnen vergönnt sein, an dem großen Aufbauwerk unseres Führers in der Erziehung und Formung der kommenden Generation den deutschen Menschen mit prägen zu helfen, der einmal das begonnene Werk unserer Tage weiter gestalten und tragen kann, das am Ende dieses gigantischen Ringens von heute der größte Sieg aller Zeiten krönen soll: das neue großdeutsche Reich Adolf Hitlers.“[18]
Solche Schreiben gab es noch 1942 und Hermann Schmidt wird es sich vermutlich eingerahmt haben.
Weniger froh war er sicher über die Antwort von dem Justiziar der Schulverwaltung, Hasso von Wedel, der ihm am 27.9.1944 mitteilte, dass er nicht damit einverstanden sei, wie Hermann Schmidt die Arbeitszeit definiere. Hermann Schmidt wollte den sechs Stunden Unterrichtsverpflichtung, die er neben seiner Leitungstätigkeit hatte, nicht weiter nachkommen. Darüber hatte er eine Korrespondenz mit der Sozialverwaltung geführt. Offensichtlich war von Wedel mit der gesamten Diskussion zu diesem Zeitpunkt nicht einverstanden, weil „Dr. Schmidt als stellvertretender Leiter eine Schule führt, die infolge der Ereignisse im Juli 1943 nur noch in beschränktem Umfange Schüler hat und an der daher auch die Verwaltungstätigkeit gegenüber der Tätigkeit an einer voll laufenden Schule eingeschränkt ist“.[19]
Es war dann Hermann Schmidts ehemaliger Kollege und jetzige Oberschulrat, Walter Behne, der einen Vermerk zeichnen musste, nach dem Hermann Schmidt in Zukunft 14 Unterrichtsstunden erteilen solle und „von einem außerschulischen Einsatz abzusehen“ sei.[20]
Ein solcher Vermerk, zu einem Zeitpunkt, wo Hamburg und die Welt in Trümmern lag, ein geregelter Unterricht ohnehin nicht mehr stattfinden konnte, war schon einigermaßen absurd. Aber Hermann Schmidt zeigte, dass er andere Felder der Auseinandersetzung und der Pflege seines Egos finden konnte.
Am 10.1.1945 beschwerte sich der Werfttechniker Erich Witt, wohnhaft in der Nähe der Bismarck-Schule, Bogenstraße / Hohe Weide . Witt, ein Schwerbeschädigter des Krieges, hatte erfolgreich versucht, bei Fliegeralarm den Bunker in der von Hermann Schmidt geleiteten Schule aufzusuchen. Es war der 2.1.1945, als Schmidt den Luftschutzraum betrat, nachdem Erich Witt dort auch gerade angekommen war und hinter sich die Tür geschlossen hatte. Schmidt herrschte ihn an und schrie: „Sie haben hier gar nichts zu suchen, scheren Sie sich in den Raum nebenan.“ Und Witt erklärte dazu schriftlich:
„Herr Dr. Schmidt ist immer zu den Volksgenossen recht überheblich und unfreundlich, so dass sich schon oft die Volksgenossen darüber bitter beklagt haben. Es ist zeitweise der reine Exerzierton, in welchem Dr. Schmidt und auch der Schuldiener mit den schutzsuchenden Volksgenossen verkehrt.“[21]
Daraus ergab sich im Januar 1945 (!) fast eine Posse zum Thema: „Wer hat das Hausrecht in einem Luftschutzkeller einer Schule?“
Offenbar war Alwin Benecke als Referent in der Schulverwaltung damit beauftragt worden, diesen Fall zu klären. Er schrieb am 19.1.1945:
„Im Jahre 1940 traf die Schulverwaltung mit dem Polizeipräsidium die Abmachung, dass die Luftschutzräume in allen Schulen außerhalb der Schulzeit den Volksgenossen der benachbarten nicht unterkellerten Häuser zur Verfügung stehen. Um eine Überfüllung zu verhüten, sollten in der Regel die Schul-Luftschutzräume nur den Volksgenossen Aufnahme gewähren, die von der Polizei eingewiesen wurden. Als später stärkere Angriffsmittel des Feindes einen besseren Ausbau der Schul-Luftschutzräume notwendig machten, wurden die Kosten dieser Bauten von der Polizei übernommen. Auch der Keller der Bismarck-Oberschule ist nicht auf Kosten der Schulverwaltung, sondern der Polizei ausgebaut worden. Der Hausverwalter der Schule dürfte daher kaum berechtigt sein, einem Volksgenossen den weiteren Zutritt zum Luftschutzraum der Schule zu untersagen. Das würde auch für den Fall gelten, dass der Beschwerdeführer nicht von der Polizei ausdrücklich in diesem Luftschutzraum eingewiesen worden ist; denn wegen der zahlreichen Zerstörungen in der Umgebung kann die Polizei, da eine Überfüllung des Luftschutzraumes nicht zu befürchten ist, von der sonst notwendigen schriftlichen Einweisung absehen. Im vorliegenden Falle dürfte eine Rücksichtnahme umso mehr angebracht sein, als die nächsten guten Luftschutzräume verhältnismäßig weit entfernt sind und daher für einen schwer Kriegsbeschädigten besonders nachts schwierig zu erreichen sind.“[22]
Nun sollte man eigentlich vermuten, dass der beinamputierte Hermann Schmidt für einen Leidensgenossen größtes Verständnis haben müsste. Das war aber nicht der Fall, wie die umfangreichen Schriftsätze, die er in der nächsten Zeit anfertigte, dokumentieren. Sie zeigen, womit Bürokraten und Rechthaber sich in Katastrophenzeiten beschäftigen konnten. Hermann Schmidt hatte neben dem „Volksgenossen Witt“ einen weiteren Gegner gefunden, nämlich Alwin Benecke:
„Es muss befremden, dass ein im Januar 1940 mit dem Polizeipräsidium abgeschlossenes Abkommen über eine einschneidende Beschränkung des Hausrechtes der Schulleiter diesem als Hausverwalter ganz beiläufig im Januar 1945 zur Kenntnis kommt. Im Übrigen bekundet das Gutachten eine Einstellung, die die Direktoren als berufene Statthalter der Schulverwaltung nicht gerade ermuntert, die Belange der Behörde dem Publikum gegenüber mit dem nötigen Nachdruck zu vertreten. Da der Referent es unterlassen hat, sich im Vorwege mit mir in Verbindung zu setzen, ist es nicht verwunderlich, dass seine Auffassung den bestehenden Tatsachen nicht gerecht wird.“[23]
Im Weiteren behauptete Schmidt, der geschilderte Vorfall sei ganz anders gewesen, er habe „ganz ruhig die Bitte“ geäußert, Witt möge in den Raum für die Volksgenossen und nicht für die Lehrerkollegen der Schule gehen und hätte nicht das Recht, sich als Türschließer zu betätigen. Witt habe angefangen zu randalieren und wurde dann von Schmidt aufgefordert, seine Personalien zu nennen: „Die besondere Unverschämtheit seines Auftretens wurde jedoch offenbar, als sich bei der Feststellung seiner Personalien herausstellte, dass ihm meine Person und mein Amt sehr wohl bekannt war. Nimmt man seine ungehörigen Auslassungen über die Lehrer hinzu, so gewinnt sein Verhalten den Anstrich bewusster Provokation, um eine Machtprobe herbeizuführen. Sein Verhalten ist geeignet, die Grundlagen autoritärer Staatsführung und damit die Luftschutzdisziplin und öffentliche Sicherheit unseres Schutzraumes zu erschüttern. Es ist für die Aufsicht führenden Herren nicht zumutbar, sich im eigenen Raume Flegeleien bieten zu lassen.“[24]
Zwei Lehrerkollegen der Schule bestätigten die Version von Hermann Schmidt per Unterschrift.[25]
Dann war es bald wieder an Alwin Benecke, zu klären, ob Personen dauerhaft aus dem Luftschutzkeller verwiesen werden können:
„Der Betriebsluftschutzleiter oder Stellvertreter hat das Recht, Volksgenossen, die sich im Luftschutzraum ungebührlich betragen, hinauszuweisen, auch während des Alarms. Eine dauernde Ausweisung ist aber, da der Polizei das Recht der Belegung des Luftschutzkellers zuerkannt worden ist, nicht allein durch den Hausverwalter, sondern nur mit Zustimmung der Polizei möglich. Es leuchtet ein, dass Personen, die von der Polizei in den Schulluftschutzraum eingewiesen werden, nicht einseitig vom Hausverwalter dauernd der Zutritt verwehrt werden kann. Diese Auffassung vertritt auch das Kommando S 3 der Polizei (Hauptmann Bollenbach).“[26]
Erich Witt fragte am 16.2.1945 nach, was aus seiner Eingabe erfolgt wäre.
Schulleiter Schmidt habe ihm „kraft seines Amtes als Direktor der Schule durch einen Brief das Betreten des Luftschutzraumes untersagt“. Witt ergänzte: „Ich kann namentlich bei Spätalarm des Nachts nicht in den weiten Bunker laufen und bin dringend auf die Schule angewiesen, denn ich habe außerdem durch Verwunderung der Lunge eine schwere Gasbrust.“[27]
Einen Schriftwechsel von Alwin Benecke und Oberschulrat Behne bekam Hasso von Wedel zur Kenntnis, der sich darüber aufregte, nicht schon einmal vorher damit befasst worden zu sein. Er entschied:
„Witt ist sofort wieder das Betreten des Luftschutzraumes zu gestatten. Eine Verfolgung des W. wegen Beamtenbeleidigung halte ich nicht für angebracht. Ich bitte Witt hier vorzuladen und ihm mitzuteilen, dass die Schule im Luftschutzraum nur das Hausrecht hatte, dass seine Ausweisung wegen Ungebühr berechtigt war, dass diese Ausweisung aber nunmehr wieder aufgehoben wird mit Rücksicht auf W.’s Kriegsbeschädigung. Ich bitte Dr. Schmidt mitzuteilen, dass es nicht zulässig ist, dauernd Volksgenossen aus den Luftschutzraum auszuweisen, sondern nur bei Ungebühr für die Zeit, die erforderlich ist, um augenblickliche Störung im Luftschutzraum zu verhindern, also für eine Nacht höchstens, dass W. also wieder zuzulassen sei. Hausrecht liege beim Schulleiter, schließe aber nicht das Recht in sich, dauernd schutzsuchende Volksgenossen auszuschließen.“[28]
Dieses wurde Hermann Schmidt am 3.3.1945 mitgeteilt, mit einer Ergänzung von Alwin Benecke: „Herr Witt ist heute belehrt und verwarnt worden. Er ist schwer kriegsbeschädigt, hat ein Auge verloren, die rechte Hand kann nicht gebraucht werden. Dreifache Brustdurchschüsse und eine schwere Wunde am Oberschenkel. Er ist durch Atemnot und Beinverletzung auch am Gehen behindert. Eine besondere Rücksichtnahme erscheint angebracht. Herr Witt hat die Ermahnung mit Ruhe und ohne Widerspruch entgegengenommen.“[29]
Hermann Schmidt ließ nicht locker. Am 10.3.1945 (!) schrieb er an die Schulverwaltung:
„Es wird um Entscheid gebeten, ob Volksgenossen, die sich im Luftschutzraum ungebührlich benehmen, auch während der Dauer des Alarms des Luftschutzraumes verwiesen werden dürfen. Falls ‚nein‘, besteht keine Möglichkeit, gegen störende Elemente vorzugehen, da sie beim Alarm im Raum verbleiben müssen und ihnen nach Schlusssatz von Abs. 1 Ihres Schreibens der Luftschutzraum für folgende Nächte nicht verwehrt werden darf. Es wird um Belehrung gebeten, welche Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung gegen Störenfriede angewandt werden können. Es wird um verbindliche Entscheidung gebeten, ob im Luftschutzraum der Bismarck-Schule außerhalb der Schulzeit der Schulleiter bzw. sein Vertreter oder die Polizeibehörde das Hausrecht hat.“[30]
Daraufhin platzte auch dem ehemaligen Leistungssportler und Turmspringer Alwin Benecke, der an einer Olympiade teilgenommen hatte und für einige Zeit Direktor des Instituts für Leibesübungen gewesen war, der Kragen. Er antwortete für die Schulverwaltung am 15.3.1945:
„Ich möchte diesen Auftrag erledigen, in dem ich vor allem darauf hinweise, dass seit fast sechs Jahren in weit mehr als 100 Schulen Volksgenossen bei Alarm aufgenommen werden, dass es aber noch niemals nötig wurde, ähnliche Fragen an die Schulverwaltung zu richten. Alle Dienststellen haben wiederholt die auch in der Tagespresse veröffentlichte Anweisung erhalten, die Volksgenossen mit viel Takt und Rücksicht zu behandeln, um Zusammenstöße zu vermeiden. Da man nicht annehmen kann, dass die Volksgenossen, die früher in Hammerbrook und Barmbek, oder heute noch auf St. Pauli bei Alarm in die Schulschutzräume strömen, sanftere Naturen sind als die der Bismarck- und Bogenstraße , darf wohl geschlossen werden, dass man anderswo besser verstanden hat, unliebsame Zusammenstöße mit aufgeregten und unerzogenen Volksgenossen zu vermeiden. Wer glaubt, dass es ihm infolge Veranlagung oder kriegsbedingter Nervosität an Takt und Ruhe mangelt, unbequeme Volksgenossen ohne erregte Auseinandersetzung zur Ordnung zu weisen, sollte im eigenen Interesse zum mindesten im Luftschutzkeller die Ausübung des Hausrechts an eine besser geeignete Person übertragen.
Nach diesem Hinweis halte ich die Beantwortung Ihrer Fragen für wenig wichtig, zumal ich mich weder für berechtigt, noch befähigt halte, eine juristische Belehrung über den Hausrecht-Paragrafen zu erteilen. Es dürfte aber selbstverständlich sein, dass niemand das Recht hat, einen Volksgenossen dadurch in Lebensgefahr zu bringen, dass er ihn während eines Alarms vor die Tür setzt. Im schlimmsten Fall muss polizeiliche Hilfe erbeten werden.
Zu der zweiten Frage möchte ich nur bemerken, das es im Grunde ziemlich gleichgültig ist, wer das Hausrecht ausübt, ob der Schulleiter, oder die Schulverwaltung durch den Schulleiter, oder die Polizei durch die Schulverwaltung. Wichtig ist nur, dass derjenige, der es übernimmt, für die Ordnung im Hause zu sorgen, das Maß an Takt, Besonnenheit und guten Willen aufbringt, das nötig ist, um innerhalb der Volksgemeinschaft die Kameradschaft aufrecht zu erhalten, ohne die wir diese Zeit schwerer Prüfungen nicht überstehen können.“[31]
Hermann Schmidt antwortete darauf: „Mit einer privaten Meinungsäußerung des Herrn Studienrates A. Benecke, der nach seiner eigenen Angabe sich weder für berechtigt noch befähigt hält, auf die Fragen seines Ressorts zu antworten, ist uns nicht gedient. Ich bitte um sachliche Beantwortung meiner sachlichen Fragen.“[32]
Hermann Schmidt hatte in diesen Jahren Probleme auf verschiedenen Ebenen, wie er im Entnazifizierungsverfahren behauptete. Am 12.10.1942 wurde überdies seine Ehe geschieden.[33]
Am Ende der NS-Herrschaft war von Hermann Schmidt erst einmal nichts zu hören. Er meldete sich über seinen Arzt, Dr. Kroetz, für mehrere Monate krank.[34]
Am 17.7.1945 hatte Hermann Schmidt noch einen Bericht verfasst, in dem er von einer „geradlinigen Entwicklung der Bismarck-Schule von 1919 bis 1945“ schrieb, und:
„Mit viel Idealismus und einem leisen Druck behördlicherseits trat ein Teil des Kollegiums der NSDAP bei. Das hinderte nicht, dass die Auswüchse des Nationalsozialismus, besonders die Anmaßung der HJ in Bezug auf schulische Dinge von vornherein schärfste Ablehnung erfuhren. Niemals ist es der HJ gelungen, schulisch irgendwelchen Einfluss an der Bismarck-Schule auszuüben. Unsere Schulzucht wusste die wildesten HJ-Führer klein zu halten.“[35]
Hermann Schmidt behauptete gar: „Hatte die vermittelnde Persönlichkeit Herrn Dr. Züges eine offene Opposition vermieden, so brachten seit Beginn des Krieges uneinheitliche Linienführung, unklare Befehlsverhältnisse und sich überschneidende Kompetenzen seitens Partei und Behörde eine solche Fülle von Unzuträglichkeiten auf dem Gebiete des Schullebens, dass Schulleitung und Kollegium sich zu energischem Widerstand zusammenfanden. Im Jahre 1940 ging die Leitung der Schule auf den bisherigen stellvertretenden Schulleiter über. Es kam nun zu Beschwerden seitens der Partei beim Reichsstatthalter und nach der Katastrophe zu Kontroversen mit der Schulverwaltung, die sich von diesem Zeitpunkt ab vollkommen im Schlepptau der KLV befand.“[36]
Perfide und charakterlos, wie der sich in eine Krankschreibung geflüchtete Hermann Schmidt denunziatorisch den Kollegen Hans Unbehaun beschrieb, den die Schulbehörde im Juli 1945 nach Schmidts Beurlaubung mit der Leitung der Schule betraut hatte:
„Es besteht durchaus Verständnis dafür, dass ein neues Regime neue, unbelastete Männer in die leitenden Stellungen bringt. Unverständlich ist es sowohl dem Unterzeichneten wie auch dem Kollegium der Bismarck-Schule, dass bei seinem Nachfolger im Amte anscheinend ein anderer Maßstab bezüglich seines Eintritts in die NSDAP angelegt worden ist. Dem Kollegium, dessen Stellung zum Nationalsozialismus stets reserviert und kritisch war, sind verschiedene Vorkommnisse aus der politischen Vergangenheit Herrn Unbehauns unvergessen. Seine ersten Amtshandlungen nach Übernahme der Schulleitung, wie die sofortige Einsichtnahme in die Personalakten, kleine Eitelkeiten und persönliche Schikane, erinnern lebhaft an 1933 und bedürfen für die Eingeweihten keines Kommentars. Dabei ist Herr Unbehaun ein sehr verträglicher Kollege, solange ihm keine Machtbefugnisse übertragen werden. Ich muss es anderen Instanzen überlassen zu beurteilen, ob die Leitung einer verdienten Schule mit Rückgrat in den rechten Händen liegt. Der für die Prägung der Bismarck-Schule verantwortliche Teil des Kollegiums lehnt Herrn Unbehaun als Leiter ab.“[37]
Ich kenne kein vergleichbares Schreiben von jemandem, der sich gegen seine Suspendierung wehrte und dabei versuchte, den eingesetzten Nachfolger in dieser Form zu diskreditieren.
Hans Unbehaun, am 10.1.1891 in Hamburg geboren, war tatsächlich 1933 für ein paar Tage Mitglied in der NSDAP gewesen und auch 21 Tage Mitglied der SA. In seinem Entnazifizierungsverfahren konnte er ein Attest des Amtes für Sippenforschung vorlegen, das ihm bescheinigte, dass seine Ehefrau einen jüdischen Hintergrund hatte und die NSDAP ihn gezwungen hatte, seine Frau „einer erbbiologischen Untersuchung in der Universität Kiel aus rassischen Gründen zuzuführen (1937)“. Es ist davon auszugehen, dass Unbehaun den Versuch der Mitgliedschaft einging, um seine Frau und sich zu schützen. Er wurde auch nach Ende der NS-Herrschaft unmittelbar in Kategorie V bei der Entnazifizierung eingestuft.[38]
In den Gesprächen mit Uwe Storjohann habe ich auch über Hans Unbehaun mit ihm geredet, der diesen Lehrer äußerst geschätzt hatte:
„Unbehaun habe seine äußerlichen Attitüden stets gepflegt, habe große Hüte und elegante Anzüge getragen und achtete immer auf eine glamouröse Eleganz. Er habe innerhalb des Kollegiums einen besonderen Stand gehabt, da er nicht nur Studienrat sondern auch Mediziner gewesen sei. So war er neben seinem Lehrerdasein auch Schularzt des Bezirks. Storjohann beschreibt Unbehaun als einen sehr netten Lehrer. Neben seinen beiden beruflichen Facetten zeichnete ihn aus Sicht der Schüler besonders aus, dass er Besitzer des Kinos am Müggenkamp war und sofern man sich gut mit ihm verstand, umsonst ins Kino gehen konnte. Privat wurde Unbehaun vor das Problem gestellt, dass er für seine Frau keinen Ariernachweis erbringen konnte.“[39]
Jenseits seiner Krankschreibung entwickelte Hermann Schmidt intensive schriftliche Aktivitäten, um seine endgültige Entlassung aus dem Schuldienst zu verhindern. Vorerst wurde der Krankgeschriebene am 12.11.1945 an die Oberschule für Jungen Eppendorf versetzt. Am 6.12.1945 teilte man ihm die Beschlagnahmung seiner Wohnung in der Rothenbaumchaussee 181 mit.[40]
Aus einem Schreiben von Hermann Schmidt an die Schulleitung in Eppendorf sowie einem Gutachten aus der Orthopädischen Universitätsklinik in Eppendorf geht hervor, dass seine Krankschreibung keine Simulation war, sondern auf operativen Eingriffen am amputierten Bein beruhte.[41]
Am 13.8.1946 wies OSR Heinrich Schröder allerdings darauf hin, dass Hermann Schmidt mehrfach Erholungsaufenthalte und Kuren angekündigt hatte, die er im Laufe des vergangenen Jahres nicht angetreten hätte und fragte an, ob Schmidt mit der Versetzung in den Ruhestand zum 30.9.1946 einverstanden sei.[42]
Schmidt bat um eine Fristgewährung, da es nach wie vor schwierig sei, einen geeigneten Kurplatz zu finden. Zwischenzeitlich entschied der Beratende Ausschuss unter Vorsitz von Johann Helbig am 25.10.1946 und plädierte dafür, Schmidt als Studienrat weiter zu beschäftigen.[43]
Hermann Schmidt, der zum 1.5.1933 in die NSDAP eingetreten war, fiel damit in die Gruppe der Schulleiter, die aufgrund des frühen Parteieintritts nicht wieder in eine Leitungsfunktion zugelassen werden sollten und deren Beförderungsamt abgesenkt wurde.
Nun brachte Hermann Schmidt Leumundszeugnisse bei, weitestgehend von Personen, die mit ihm an der Bismarck-Schule gearbeitet hatten und die alle ebenfalls Parteimitglieder gewesen waren. Auch der nach 1945 als Schulleiter an dieser Schule eingesetzte Dr. Otto Nicolai, der als Freimaurer niemals NSDAP-Mitglied werden konnte, schrieb ein Gutachten über Schmidt, wie er es auch für viele andere ehemalige, schwer belastete Kollegen getan hatte. Er bescheinigte ihm, „sich niemals zu Konzessionen an Partei und HJ im Interesse der Schule herbeigelassen zu haben“. Und: „Er duldete als Leiter der Schule freie Meinungsäußerung der Kollegen und hat niemals irgendwelche Bespitzelung im Interesse der Partei zugelassen. Der Unterricht wurde zu keiner Zeit von ihm im Sinne nationalsozialistischer Weltanschauung beeinflusst. Für jeden einzelnen Kollegen trat er, sobald er eine Sache für richtig erkannt hatte, rücksichtslos gegen jedermann ein, sodass diese Einstellung Dr. Schmidts als Schulleiter bei dem Kollegium das Gefühl der Sicherheit hervorrief. Der größte Teil der Kollegen lehnte innerlich der Nationalsozialismus ab, was zu einer festen Solidarität zwischen Schulleitung und Kollegium führte. Das Gefühl dieser Ablehnung des Nationalsozialismus rief starke Anfeindungen von Seiten der Partei hervor, sodass Beschwerden gegen Dr. Schmidt wegen seiner Einstellung vom Kreisleiter in den Jahren 1942/1943 an den Reichsstatthalter eingereicht wurden. Die Wirkung war schließlich so, dass der Kreisleiter zu jeder feierlichen Veranstaltung der Schule einen Vertrauensmann im braunen Rock in die Aula schickte, um die Ansprachen Dr. Schmidts zu überwachen.“[44]
Es gibt viele Beispiele, wo autokratische Schulleiter sich gegen äußere Einflüsse insbesondere der HJ aber auch von Parteistellen gewehrt haben, ohne dass sie damit Gegner des Nationalsozialismus waren.
Hermann Schmidt konnte zwei Dokumente beibringen, die einen Konflikt illustrieren, bei dem es um eine Schulfeier an der Bismarck-Schule ging. So schrieb der mächtige Eimsbütteler Kreisleiter der NSDAP, Walter Gloy, dass der Ortsgruppenleiter der NSDAP die Schulfeier an Schmidts Schule besucht hatte und dabei deutlich geworden war, „dass der Schulleiter dieser Schule, Dr. Schmidt, auch in diesem Jahre nichts hinzugelernt hat. Schon im vorigen Jahr vertrat der Herr komische Ansichten bezüglich der Durchführung der Schulfeiern. Mir scheint, dass in der Oberschule Bogenstraße der nötige Wille fehlt.“[45]
Der Ortsgruppenleiter hatte moniert: „Das Podium in der Aula war mit einer großen Hakenkreuzfahne bedeckt. Da es sich um eine alte Fahne handelte, konnte von einem Schmuck keine Rede sein.“ Über die mitwirkenden Schüler der HJ äußerte der Besucher sich sehr positiv. Und: „Der Schulleiter Dr. Schmidt hielt eine kurze, kernige Ansprache.“[46]
Wo lag also das Problem: „Ich betone, dass die NSDAP von dieser Feier durch die Schule nicht in Kenntnis gesetzt war. Von der Feier und dem Zeitpunkt erfuhr ich durch Nachfrage. Der Empfang durch den Schulleiter Dr. Schmidt war sehr korrekt aber überaus kühl. Die Unterhaltung beschränkte sich nur auf das Notwendigste und hatte ich den Eindruck, als Eindringling angesehen zu werden. Dieses machte sich besonders in der Aula bemerkbar. Ich wurde völlig exponiert allein auf die vorderste Bank komplimentiert. Der Schulleiter zog es vor, sich auf eine Nebenbank zu setzen. Es ist wohl allgemein üblich, dass man einem Gast Höflichkeit erweist. Aus der Haltung mir gegenüber muss ich annehmen, dass man sich über die Korrektheit zur Höflichkeit gegenüber der NSDAP nicht entschließen wollte.“[47]
Hermann Schmidt hatte in einem Schreiben an seinen ehemaligen Kollegen und jetzigen Oberschulrat Walter Behne eine längere Stellungnahme zu der Feier vom 20.4.1943 abgegeben. Darin hieß es:
„In der Aula wurde der Ortsgruppenleiter Lobsien auf die stets für Gäste reservierte erste Bank geleitet. Da die Gestaltung der Feier in meiner Hand lag, nahm ich bei den Darbietungen auf der anderen Bankseite Platz. Außerdem führte nur von dieser Seite ein Weg auf das Podium, das vom Orchester besetzt war. Es ist gute Tradition der Bismarck-Schule, den Dienst in der Schule und die Erziehung der Schüler nicht in militärischem, sondern in soldatischem Geiste aufzufassen. Diese Tradition, begründet 1919, fortgeführt bis 1933 und bestätigt im Zweiten Weltkrieg wird auch unbeirrbar weiter in Arbeit und Feier fortgeführt werden, selbst wenn sie gelegentlich Missdeutungen ausgesetzt werden sollte. Es kann nicht die Aufgabe eines Schulleiters sein, seine dienstliche Handlungsweise von den jeweiligen subjektiven Eindrücken eines Ortsgruppenleiters abhängig zu machen. Es würde sich für den Kreisleiter empfehlen, sich von der Linie der Bismarck-Schule nicht nur durch zufällige Beobachter bei Feiern, sondern in ihrer Arbeit zu überzeugen. Um alle persönlichen Gekränktheiten in Zukunft zu vermeiden, bitte ich zu erwägen, ob es nicht richtiger wäre, anstatt überraschend zu kommen, den Besuch von Vertretern des Kreisleiters kurz vorher zu annoncieren, damit es möglich ist, aus dem Lehrkörper einen Komplimentier-Offizier abzuordnen, der die gesellschaftlichen Verpflichtungen übernimmt.“[48]
Es wird deutlich, dass es hier überhaupt nicht um politische Gegensätzlichkeiten ging.
Ein Wort noch zu der Grundhaltung des ehemaligen Freimaurers und Nicht- NSDAP-Mitglied, Otto Nicolai, der nach Ende der NS-Herrschaft als Schulleiter an dieser Schule bestellt wurde. Er hatte im März 1943 einen „kurzen Abriss der Geschichte der Schule“ geschrieben, in dem er u. a. notierte, dass 1931 ein Antrag des Kollegiums, die Schule durch den Namen „Bismarck-Oberrealschule“ zu ehren, von der damaligen Behörde abgelehnt worden war. Weiter hieß es dann bei Nicolai:
„Dieser Wunsch wurde erst im Jahre 1933 erfüllt, als die nationalsozialistische Revolution gewaltige Umwälzungen brachte. Die Selbstverwaltung wurde eingeschränkt bzw. abgeschafft, die Schulleiter wurden ernannt, und Dr. Züge wurde auch der Leiter unserer Anstalt jetzt. Die Lehrkräfte wurden auf Fachschaftsversammlungen geschult zur Aneignung nationalsozialistischen Gedankengutes, der Hitlergruß wurde eingeführt und die Schülerschaft durch Wehrausflüge zum Wehrgedanken erzogen. Am 16.9.1941 trat Dr. Züge als kommissarischer Oberschulrat zur Schulverwaltung über und verließ die Schule, die er so lange Zeit mit großem Erfolg geleitet hatte. Dr. Schmidt wurde mit der Leitung der Bismarck-Schule beauftragt. Seit dem 3. September 1939 steht unser Vaterland wohl in dem schwersten Kampfe, den es je erlebt hat. Es geht um Sein oder Nicht-sein, und alle Kräfte sind auf das äußerste angespannt, um diesen totalen Krieg, den die Heimat ebenso stark wie die Front erfasst, zu einem glücklichen Ende zu bringen. Die Jugend erlebte die Siege der ersten Jahre, die fast ganz Europa schließlich um die Fahnen des Reiches scharte, voll Dankbarkeit für die Helden der Front mit und lernte in den harten Abwehrkämpfen der Jahre 1942 und 43 die ganze Schwere der Zeit verstehen. Einige Lehrer mussten gleich zu Anfang des Krieges zu den Fahnen eilen oder wurden an andere Schulen versetzt, und der Lehrkörper schrumpfte sehr zusammen. Eine ganze Reihe von ehemaligen Schülern hat schon den Opfertod für uns alle erlitten. Immer neue Schüler verlassen vorzeitig die Schule, um sich im höchsten Einsatz, den es gibt, zu bewähren.“[49]
Auch das sagt etwas über den Geist der Schule aus und über die Kontinuität über das Jahr 1945 hinaus.
Hermann Schmidt hatte am 9.9.1946 den Antrag auf Versetzung in den Ruhestand gestellt und wurde am 12.12.1946 pensioniert.[50]
Es war zu erwarten, dass er die nächsten Jahre darum streiten würde, wieder als Oberstudienrat anerkannt zu werden und eine entsprechende Pension zu erhalten.
Am 3.7.1947 legte Schmidt eine ausführliche Stellungnahme vor, in der er seine Kämpfe gegen die HJ und gegen die Partei darstellte, wenngleich er auch anfänglich einräumen musste:
„Wie bei den meisten meiner Kollegen an der Bismarck-Schule erfolgte mein Eintritt in die Partei 1933 mit viel Idealismus und einem leisen Drucke von Seiten der Behörde. Trotzdem blieb meine Haltung kritisch, und wurde ich im Laufe der Jahre nach Erkenntnis des waren Charakters der Partei ein ausgesprochener Gegner.“[51]
Und er schrieb: „Mit meiner Amtsübernahme gewann die Haltung der Schule, die bis dahin wohl konservativ, aber nicht nationalsozialistisch war, ein einheitliches Gesicht. Hatte die vermittelnde Persönlichkeit des bisherigen Direktors eine offene Opposition vermieden, so wurde jetzt unter meiner Führung eine scharfe Kampf- und Abwehrstellung bezogen.“[52]
Der Fachausschuss 6 b unter Vorsitz von Friedrich Wilhelm Licht wies am 6.1.1948 daraufhin, dass er den Grundsatz verfolgte, Beförderungen während der Zeit des Nationalsozialismus bei NSDAP-Mitgliedern des Jahres 1933 grundsätzlich rückgängig zu machen. Auf Hermann Schmidt bezogen stellte er fest:
„Der Fachausschuss hält ihm zugute, dass er nicht immer ein willfähriges Werkzeug der Partei gewesen ist, und hat dies dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er gegen seine weitere Tätigkeit als Studienrat keine politischen Bedenken erhoben hat. Den Behauptungen, die immer wieder von den durch die Zurückstufung Betroffenen aufgestellt werden und nach denen die meisten von ihnen als Parteigenossen gegen den Willen der Partei befördert sein wollen, steht er jedoch aufgrund seiner Kenntnis der Verhältnisse, wie sie damals in der Abteilung Höheres Schulwesen der Schulverwaltung herrschten, durchaus ablehnend gegenüber.“[53]
Auch der Beratende Ausschuss für die höheren Schulen Hamburg hatte am 8.9.1947 festgestellt, keine Veranlassung zu sehen, seine bisherige Entscheidung, Schmidt lediglich als Studienrat beschäftigt oder pensioniert zu sehen, zu verändern.[54]
Hermann Schmidt blieb hartnäckig und führte einen jahrelangen juristischen Streit.
Am 20.8.1949 wurde ihm vom Berufungsausschuss 17 der Titel Oberstudienrat und die Ruhegehaltsansprüche eines solchen zuerkannt.[55]
Hermann Schmidt stellte danach einen Wiedergutmachungsantrag, mit der Behauptung, aus politischen Gründen nicht zum Oberstudiendirektor befördert worden zu sein. Die Schulbehörde lehnte dies ab. Schmidt klagte dagegen beim Hanseatischen Oberlandesgericht, weiterhin erfolglos. Die juristische Auseinandersetzung ging dann bis zum Bundesgerichtshof, der am 28.3.1955 die Klage abwies, dass Schmidt aus politischen Gründen nicht zum Oberstudiendirektor befördert worden sei.[56]
Entscheidende Argumente gegen Hermann Schmidt kamen von den ehemaligen Oberschulräten Züge und Oberdörffer, deren Aussagen von dem 1951 für die höheren Schulen verantwortlichen Oberschulrat Dr. Hans Reimers in einem Vermerk notiert worden waren. Darin hieß es:
„Ich habe in dieser Angelegenheit mit dem Oberschulrat a.D. Dr. Oberdörffer und dem Oberschulrat a. D. Dr. Züge gesprochen. Dr. Oberdörffer erklärte, dass eine Ernennung Dr. Schmidts zum Leiter einer Schule während seiner Amtszeit niemals ins Auge gefasst worden sei. Politische Erwägungen hätten dabei keine Rolle gespielt. Dr. Züge hat sich dazu erklärt, dass nach seiner Berufung in die Schulbehörde und vor allen Dingen nach seiner Ernennung zum Oberschulrat nicht erwogen worden wäre, Dr. Schmidt zum Schulleiter der Bismarck-Schule zu machen. Er betont, dass politische Erwägungen in diesem Falle keine Rolle gespielt hätten. Die Frage ob Dr. Schmidt Schulleiter werden sollte, ist niemals aufgeworfen worden. Diese Tatsache ist auf rein sachliche Erwägungen zurückzuführen.“[57]
Hermann Schmidt ließ das Klagen auch später nicht. So klagte er 1964 und 1969 noch einmal gegen die Nichtüberleitung seiner Versorgungsbezüge.[58]
Er starb am 13.7.1974.[59]
Text: Hans-Peter de Lorent

Anmerkungen
1 Uwe Storjohann: „Hauptsache: Überleben“, Hamburg 1993, S. 109 f.
2 Gespräch mit Uwe Storjohann vom 13.9.2012, protokolliert von Lena Griem.
3 Ebd. Siehe die Biografie Karl Züge, in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd. 1, Hamburg 2016, S. 385 ff.
4 Siehe die Biografie Paul Löden, in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd. 2, Hamburg 2017, S. 409 f.
5 Gespräch mit Uwe Storjohann vom 13.9.2012.
6 Lebenslauf von Hermann Schmidt in seiner Personalakte, StA HH, 361-3_3703 (Ablieferung 2005/1)
7 Personalakte a. a. O.
8 Personalakte a. a. O.
9 Personalakte a. a. O.
10 Bericht vom 22.4.1919, Personalakte a. a. O.
11 Antrag vom 25.2.1919, Personalakte a. a. O.
12 Personalakte a. a. O.
13 Entnazifizierungsakte Hermann Schmidt, StA HH, 221-11_Ed 1357
14 Siehe die Biografie Karl Züge, in: de Lorent 2016, S. 385 ff. und die Biografie Berthold Ohm, ebd., S. 575 f.
15 Uwe Schmidt: Aktiv für das Gymnasium. Hamburgs Gymnasien und die Berufsvertretung ihrer Lehrerinnen und Lehrer bis heute, Hamburg 1999, S. 334.
16 Siehe die Biografie Walter Behne, in: de Lorent 2016, S. 457 ff.
17 Siehe die Biografie Albert Henze, in: de Lorent 2016, S. 162 ff.
18 Schreiben vom 19.5.1942, Personalakte a. a. O.
19 Hasso von Wedel am 27.9.1944, Personalakte a. a. O. Siehe auch die Biografie von Wedel, in: de Lorent 2017, S. 120 ff.
20 Vermerk vom 13.11.1944, Personalakte a. a. O.
21 Schreiben von Erich Witt an den Reichsstatthalter vom 10.1.1945, Personalakte a. a. O.
22 Vermerk von Alwin Benecke an OSR Dr. Behne vom 19.1.1945,
23 Schreiben von Hermann Schmidt vom 30.1.1945, Personalakte a. a. O. Siehe dazu auch die Biografie Benecke in diesem Band.
24 Ebd.
25 Zu der Beschwerde von Erich Witt über Hermann Schmidt, Aussagen von Paul Fiebig und Robert Pomfrett vom 28.1. und 29.1.1945, Personalakte a. a. O.
26 Vermerk von Alwin Benecke an OSR Dr. Behne vom 6.2.1945, Personalakte a. a. O.
27 Schreiben von Erich Witt vom 16.2.1945, Personalakte a. a. O.
28 Vermerk von Hasso von Wedel vom 2.3.1945, Personalakte a. a. O.
29 Vermerk vom 3.3.1945, Personalakte a. a. O.
30 Schreiben vom 10.3.1945, Personalakte a. a. O.
31 Schreiben vom 15.3.1945, Personalakte a. a. O. Siehe auch die Biografie Benecke in diesem Band.
32 Schreiben vom 21.3.1945, Personalakte a. a. O.
33 Personalakte a. a. O.
34 Mitteilung Dr. Kroetz vom 7.11.1945, Personalakte a. a. O.
35 Bericht vom 17.7.1945, Personalakte a. a. O.
36 Ebd.
37 Ebd.
38 Entnazifizierungsakte Hans Unbehaun, StA HH, 221-11_Ed 5194
39 Gespräch mit Uwe Storjohann vom 13.9.2012.
40 Personalakte a. a. O.
41 Schreiben von Hermann Schmidt vom 23.4.1946 und Zusatzgutachten von Prof. Wollenberg vom 13.5.1946, Personalakte a. a. O.
42 Schreiben vom 13.8.1946, Personalakte a. a. O.
43 Beratender Ausschuss vom 25.10.1946, Entnazifizierungsakte a. a. O.
44 Gutachten von Dr. Otto Nicolai vom 16.5.1947, Entnazifizierungsakte a. a. O.
45 Abschrift des Schreibens von Walter Gloy, Entnazifizierungsakte a. a. O.
46 Bericht von Ortsgruppenleiter Lobsien, Entnazifizierungsakte a. a. O.
47 Ebd.
48 Schreiben von Hermann Schmidt an OSR Walter Behne vom 20.5.1943, Entnazifizierungsakte a. a. O.
49 Otto Nicolai: Die Bismarck-Schule (Oberschule für Jungen), Kurzer Abriss der Geschichte der Schule, abgeschlossen März 1943, in: StA HH, 361-2 VI_2224 Band 2
50 Personalakte a. a. O.
51 Stellungnahme von Hermann Schmidt vom 3.7.1947, Entnazifizierungsakte a. a. O.
52 Ebd.
53 Fachausschuss 6b vom 6.1.1948, Entnazifizierungsakte a. a. O.
54 Beratender Ausschuss für die höheren Schulen Hamburgs vom 8.9.1947, Entnazifizierungsakte a. a. O.
55 Personalakte a. a. O.
56 Personalakte a. a. O.
57 Personalakte a. a. O.
58 Personalakte a. a. O.
59 Personalakte a. a. O.
 

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Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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