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Paul Heitmann

(15.11.1892 - 4.10.1973)
Lehrer
Kirchdeich 16 (Wohnadresse; ehemalige Straßenbezeichnung, heute: Ochsenwerder Kirchdeich)

„1933 konnte sehr wohl ein politischer und menschlich rechtschaffend denkender und handelnder Beamter der Täuschung zum Opfer fallen und guten Glaubens der NSDAP beitreten.“
Eine vielseitige Person war der in Ochsenwerder geborene Paul Heitmann. Er gehörte zur Gruppe der in den Vier- und Marschlanden ansässigen Lehrer, die schon am 1.5.1933 der NSDAP beitraten und an den kleinen Schulen im Landkreis mit nur ein oder zwei Lehrkräften in der NS-Zeit auch die Schulleitungsfunktion übernahmen. Da Heitmann gleichzeitig die Funktion des Organisten und Kantors in der Kirche Ochsenwerder innehatte, geriet er in Konflikte mit der NSDAP, der er angehörte. Dies sollte dann nach 1945 eine Rolle in seinem Entnazifizierungsverfahren spielen.
Paul Heitmann wurde als Sohn eines Lehrers am 15.11.1892 in Ochsenwerder geboren. Nach der Volksschule besuchte er seit Ostern 1907 die Präparandenanstalt in Oldesloe. Am 1.4.1910 wechselte er auf das Lehrerseminar Rendsburg, wo er am 8.2.1913 die Abschlussprüfung bestand. Danach wurde er Hilfslehrer in Allermöhe und war an verschiedenen Schulen tätig, bis er zum 1.1.1919 fest angestellter Lehrer in Ochsenwerder wurde, wo er auch am 25.8.1920 die zweite Lehrerprüfung bestand. Heitmann wechselte 1924 für einige Jahre an die Knaben-Volksschule Holstenwall 14.[1]
Zwischenzeitlich hatte er sich freiwillig als Soldat gemeldet, um am Ersten Weltkrieg teilzunehmen. Er wurde in der Armee bis zum Leutnant befördert und beendete den Krieg am 1.12.1918, dekoriert mit dem EK I und II.[2]
Zu den vielfältigen Interessen Heitmanns gehörte es, am 6.6.1919 an die Oberschulbehörde das Gesuch zu stellen, in den deutschen Auslandsschuldienst zu wechseln. Seine Präferenz war es, „nach Südamerika (Argentinien oder Chile)“ zu gehen.[3] Dem Gesuch fügte er ein kurzes Gutachten von Landesschulinspektor Hollburg bei, in dem es hieß: „Heitmann ist von ehrenhaftem Charakter, ein Lehrer der seine Amtspflichten gewissenhaft erfüllt, mit Geschick unterrichtet, gute Disziplin hält und in unterrichtlicher und erziehlicher Hinsicht wohl befriedigende Ergebnisse erzielt. Über sein außeramtliches Verhalten ist nie etwas Nachteiliges bekannt geworden.“[4]
Paul Heitmann blieb dem Hamburger Schulwesen erhalten. Er heiratete am 23.2.1928.[5]
Am 1.5.1933 wurde Heitmann Mitglied der NSDAP, gleichzeitig gehörte er dem NSLB und der NSV an, sowie dem NS Reichskriegerbund.[6]
1933 wurde Paul Heitmann Schulleiter der Schule Ochsenwerder-Kirchendeich, deren kleines Kollegium noch aus zwei Lehrern und zwei Lehrerinnen bestand.[7] Der Hintergrund für diese Schulleiterbestellung sollte im Entnazifizierungsverfahren noch eine Rolle spielen. Augenscheinlich hatte es aber auch etwas mit dem gleichzeitigen NSDAP-Beitritt von Paul Heitmann zu tun.
Die Personalakte von Paul Heitmann dokumentiert, dass er neben seiner Schulleiter- und Lehrertätigkeit in Ochsenwerder als Organist und Kantor der dortigen Kirche tätig war und in dem Spar- und Darlehenskassenverein als Geschäfts- und Rechnungsführer. Somit war er in Ochsenwerder eine zentrale Persönlichkeit.[8]
Deutlich wird aber auch, dass Paul Heitmann regelmäßig zu Wehrübungen herangezogen wurde. Vom 5. bis zum 24.4.1937 nahm er an einer Einweisungsübung bei der Flak teil, 1938 war er für eine Woche abermals beim Flakregiment Oldenburg, für das er im September 1938 erneut vom Schuldienst befreit wurde. Vorher hatte er noch eine Pflichtübung als Oberleutnant absolvieren müssen. Vom 16.8. bis zum 12.9.1939 nahm er an einer Schießübung teil.[9]
Am 25.2.1939 war er zum Hauptlehrer befördert worden.[10]
Zum Kriegsdienst zog die Wehrmacht Paul Heitmann am 12.10.1939 ein, am 1.12.1943 wurde er zum Major befördert, durchaus ungewöhnlich für einen Volksschullehrer.[11] Aber Paul Heitmann hatte ja bereits den Ersten Weltkrieg vier Jahre mitgemacht und war am Ende als Leutnant in die Schule zurückgekehrt.
Am 9.5.1945 wurde Paul Heitmann aus der Wehrmacht entlassen, er hatte nach seiner Beförderung zum Hauptlehrer lediglich knapp acht Monate in diesem Amte gearbeitet.[12]
Über seine Arbeit an der Schule Ochsenwerder liegt nur ein Bericht von Schulrat Dietrich Ossenbrügge vom 16.6.1936 vor, auf Anforderung der Wehrmacht geschrieben, in dem es heißt:
„Leutnant der Reserve Heitmann ist Schulleiter der Gemeindeschule in Ochsenwerder bei der Kirche. Schon diese Stellung bürgt dafür, dass politische Bedenken gegen ihn nicht bestehen. In seiner Schulgemeinde besitzt er größtes Vertrauen. Sein Verhalten in und außer Dienst kann nur als korrekt und tadellos bezeichnet werden. Die wirtschaftlichen Verhältnisse dürfen nach Ansicht der Landesunterrichtsbehörde als gut bezeichnet werden. Nachteiliges über seine Ehefrau ist nicht bekannt geworden.“[13]
Paul Heitmann war von der Britischen Militärregierung am 1.10.1945 als Lehrer bestätigt worden.[14] Man setzte ihn aber nicht wieder als Hauptlehrer, d. h. als Schulleiter ein, wobei es merkwürdig war, dass Heitmann als Lehrer ausgerechnet an der Schule in Ochsenwerder Bei der Kirche weiterbeschäftigt wurde, an der er vorher als Schulleiter tätig gewesen war.
Paul Heitmann legte Einspruch gegen die Entscheidung ein und machte Bemerkungen zu dem von ihm ausgefüllten Entnazifizierungsfragebogen:
„Im Jahre 1935 musste ich in der Ortsgruppe in der NSV tätig sein, obwohl ich mich aus gesundheitlichen Gründen dagegen wehrte (Verschüttung in der Flandernschlacht 1917). Ich wurde nicht als politischer Leiter verpflichtet und war ein Jahr in der NSV tätig. Im NSLB war ich Vertrauensmann meiner Schule. Als solcher zog ich die Beiträge für den NSLB ein, d. h. für zwei Lehrer.
Im März 1939 stellte der Ortsgruppenleiter an mich das Ansinnen, das Amt des Organisten, welches ich nebenamtlich an der St. Pankratiuskirche in Ochsenwerder seit 1933 ausübte, niederzulegen. Ich weigerte mich. Die Gründe für meine Weigerung waren folgende: Der Kirche stand ich von jeher positiv gegenüber. Das Amt war seit 1890 von meiner Familie ausgeübt worden. Mir selbst war es Herzenssache und in meinem Bestreben, den Gottesdienst durch mein Spiel zu verschönern, erhielt ich durch meinen Bruder, den Professor Fritz Heitmann aus Berlin, der wohl zu den größten Orgelkünstlern gerechnet werden kann, wertvolle Anweisung. Der Ortsgruppenleiter setzte mich unter Druck und meldete mich beim Kreis. Ich blieb bei meiner Weigerung. Darauf wurde mir das Tragen des Parteiabzeichens verboten. Außerdem hielt man mich nicht mehr für würdig, das Amt des Vertrauensmanns im NSLB (Einziehen der Beiträge) zu bekleiden. Sehr erschwert wurde mir die Arbeit im Kinderchor, der zum Gottesdienst sang und den ich leitete, durch die HJ.“[15]
Diese Aussage wurde von Pastor Fritz Schade aus Ochsenwerder mit dem Amtssiegel der Kirche bestätigt. Die Bemerkungen erinnern an das Muster von Erklärungen von NS-Belasteten, die damit argumentierten, in Auseinandersetzungen mit Gliederungen der Nationalsozialisten geraten zu sein. Schulleiter hatten zumeist Konflikte mit der HJ gestanden. Paul Heitmann jedoch muss die Unterstützung der Schulverwaltung und der NSDAP gehabt haben, sonst wäre er nicht am 25.2.1939 zum Hauptschullehrer befördert worden.
Paul Heitmann nahm sich jetzt einen Rechtsanwalt, Fritz Grabbe, dessen Hauptargumentation darin bestand, den Ablauf bei der Schulleiterernennung von Paul Heitmann zu rekonstruieren. Er schrieb am 15.7.1948:
„Die Herunterstufung ist als politische Maßregelung anzusehen. Diese Regelung findet jedoch in dem politischen Verhalten und der gesamtpolitischen Belastung keinen Anhalt. Offenbar ist man bei der Maßnahme von der Annahme ausgegangen, dass Heitmann aufgrund seiner politischen Tätigkeit zu dieser Dienststellung gekommen ist. Dieser Irrtum ergibt sich zweifellos daraus, dass Heitmann im Jahre 1933 nach Ochsenwerder versetzt ist. Diese Annahme ist jedoch irrig. Heitmann ist gebürtig aus Ochsenwerder. Er ist seit 1913 Lehrer. Im Jahre 1933 wurde er damals Schulleiter in Ochsenwerder. Karl Schwemer ist aus politischen Gründen seines Postens enthoben und es wurde ihm nahegelegt, einen Kollegen zu suchen, der mit ihm nach Ochsenwerder tauscht. Dieser wandte sich an den ihm bekannten Heitmann, mit der Bitte, diesen Tausch vorzunehmen. Heitmann, der wie gesagt selbst aus Ochsenwerder stammt und aus seiner damaligen Tätigkeit sehr beliebt war, kam diesem Wunsche nach.“[16]
Laut Hamburgischem Wählerverzeichnis des Schuljahres 1935/36 war Karl Schwemer nach 1933 tatsächlich an Heitmanns ehemaliger Schule Holstenwall 14 tätig, sie hatten also die Schulen getauscht.[17] Aber es ist natürlich völlig undenkbar, dass dieser Wechsel nicht im Einvernehmen mit der Schulverwaltung und der NSDAP vonstatten ging und Paul Heitmann war zum 1.5.1933 in die NSDAP eingetreten.
Paul Heitmann bekam am 30.6.1948 ein Unterstützungsschreiben, das von Pastor Fritz Schade organisiert und von 19 anderen Mitgliedern des Pfarramtes Ochsenwerder unterschrieben worden war. Darin wurde verwiesen auf die Weigerung Heitmanns, 1939 das Organistenamt aufzugeben. Und es wurde auch darauf verwiesen: „Wir stellen in unserer Umgebung fest, dass Beamte sich wieder im Amte befinden, die fraglos nach dem Urteil der Bevölkerung nicht weniger ‚belastet‘ sind als Herr Lehrer Heitmann.“[18]
Dafür gab es sicherlich mehrere Beispiele, das entlastete aber den am 1.5.1933 in die NSDAP eingetretenen Paul Heitmann nicht.
Paul Heitmann bekam auch noch ein Leumundsschreiben von dem Hamburger FDP-Vorsitzenden 1948, Willy Max Rademacher:
„Von September 1939 bis Januar 1940 waren Sie und ich bei einer Flakabteilung auf der Veddel eingezogen. Sie bekleideten damals den Rang eines Oberleutnants und ich war Ihnen als Unteroffizier unterstellt. Sehr bald stellte sich zwischen uns beiden eine menschliche persönliche Beziehung her, die wohltuend von dem üblichen preußischen Vorgesetztenverhältnis abwich. Dadurch hatte ich auch Gelegenheit, mich mit Ihnen freimütig sehr häufig über die politische und militärische Situation zu unterhalten. Es bestand keine Meinungsverschiedenheit darüber, dass Hitlers verbrecherisches Abenteuer nur einen schlechten Ausgang für das deutsche Volk nehmen könne.“[19]
Der Berufungsausschuss 17 unter Vorsitz von Rechtsanwalt Soll, der in vielen Fällen milde urteilte, wies die Berufung ab, „insoweit sie auf die Bestätigung als Hauptlehrer gerichtet ist“. Heitmann wurde in Kategorie IV eingestuft und mit Wirkung vom 1.10.1949 in die Kategorie V. Es wurde zwar festgestellt: „Nach den glaubwürdigen Leumundszeugnissen hat er es abgelehnt, ein Amt zu übernehmen und als Organist auszuscheiden, so dass er deswegen als Vertrauensmann abgesetzt und ihm das Tragen des Parteiabzeichens verboten wurde. Seine formale politische Belastung ist gering.“ Aber: „Als 1933er Pg. ist er jedoch aus grundsätzlichen Erwägungen als Hauptlehrer nicht tragbar. Hinzu kommt, dass Heitmann 1933 das Amt des Hauptlehrers nur deswegen erhielt, weil er das Vertrauen der NSDAP genoss.“[20]
Sicherlich ist der Fall Paul Heitmann nicht von größter Bedeutung und die Argumentation der Schulbehörde und auch des Berufungsausschusses ist aus meiner Sicht stringent und nachvollziehbar. Andererseits war die Entnazifizierungspraxis insgesamt nicht konsistent und nicht alle Entscheidungen transparent und nachvollziehbar. Ich verweise auf den Fall von Wilhelm von Bergen, den ich im Anschluss beschreibe. Das war möglicherweise ein Beispiel, was die Unterzeichner des Schreibens des Pfarramtes Ochsenwerder vor Augen hatten.[21]
Rechtsanwalt Fritz Grabbe mühte sich im Weiteren mit Schriftsätzen, ohne Erfolg. In einem Schreiben vom 16.6.1949 zeigte er durchaus Schwächen der Argumentation in den Entnazifizierungsverfahren auf:
„Der Beschwerdeführer wurde darauf hingewiesen, dass die Schulbehörde grundsätzlich ehemalige Mitglieder der NSDAP nicht in der Stellung eines Schulleiters beschäftigt. Wie der Unterzeichnete feststellen konnte, ist diese Behauptung nicht richtig, denn entgegengesetzte Fälle hat, wie gesagt, der Unterzeichnete feststellen können. Demgegenüber mag vielleicht nunmehr eingewandt werden, dass die Betreffenden viel später in die Partei eingetreten sind. Diese Erklärung kann eigentlich nur für, nicht aber gegen den Beschwerdeführer angeführt werden. 1933 konnte sehr wohl ein politisch und menschlich rechtschaffend denkender und handelnder Beamter der Täuschung zum Opfer fallen und guten Glaubens der NSDAP beitreten. 1937 kann man gegen den guten Glauben schon schwere Bedenken haben. Wenn einer noch der NSDAP beitrat, nachdem die Judengesetze und das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums erlassen waren, so musste er schon ein erheblich weiteres Gewissen haben, als jemand der diesen Schritt im Mai 33 tat.“[22]
So konnte man auch mit einer gewissen Berechtigung argumentieren. Wobei die meisten Rechtsanwälte bei den 1937 in die NSDAP Eingetretenen geltend machten, dass es in der Lehrerschaft von dem stellvertretenden Gauamtsleiter des NSLB und Oberschulrat für den Volkschulbereich, Albert Mansfeld, ein als bedrohlich angesehenes Schreiben gegeben hatte, in dem die Lehrer ultimativ zum Eintritt in die NSDAP aufgefordert worden waren. Dies Schreiben hatte tatsächlich dazu geführt, dass ängstliche Personen in Kenntnis des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums die Mitgliedschaft in der NSDAP beantragten, um sich und ihre Familie nicht der Entlassung auszusetzen. Schwierige Zeiten.
Paul Heitmann bekam am 1.4.1953 Glückwünsche zum 40-jährigen Dienstjubiläum. Sein 20-jähriger Sohn Peter besuchte ab dem 1.10.1948 in Hermannsburg, Kreis Celle, ein Missionsseminar mit dem Ziel, Missionar zu werden.[23]
Paul Heitmann trat am 31. März 1958 in den Ruhestand, er unterschrieb seine Korrespondenz mit der Schulbehörde konsequent als Hauptlehrer z. Wv., zur Wiederverwendung.[24]
Heitmann starb am 4.10.1973.[25]
Text: Hans-Peter de Lorent

Anmerkungen
1 Alle Angaben laut Personalakte , StA HH, 361-3_A 1846
2 Personalakte a. a. O.
3 Schreiben vom 6.6.1919, Personalakte a. a. O.
4 Ebd.
5 Personalakte a. a. O.
6 Entnazifizierungsakte Heitmann, StA HH, 221_Ed 5750
7 Siehe Hamburgisches Lehrerverzeichnis für das gesamte Stadt- und Landgebiet, Schuljahr 1935/36, bearbeitet vom NSLB, Gau Hamburg, Hamburg 1935, S. 121. Siehe dazu auch die Biografie Wilhelm von Bergen in diesem Band.
8 Personalakte a. a. O.
9 Personalakte a. a. O.
10 Personalakte a. a. O.
11 Personalakte a. a. O.
12 Personalakte a. a. O.
13 Schreiben vom 16.6.1936, Personalakte a. a. O. Siehe auch die Biografie Dietrich Ossenbrügge, in: Hans-Peter de Lorent, Täterprofile Bd. 2, S. 186 ff.
14 Entnazifizierungsakte a. a. O.
15 Bemerkungen zum Fragebogen vom 2.7.1945, Entnazifizierungsakte a. a. O.
16 Schreiben vom 15.7.1948, Personalakte a. a. O.
17 Hamburgisches Lehrerverzeichnis für das gesamte Stadt- und Landgebiet, Schuljahr 1935/36, bearbeitet vom NSLB, Gau Hamburg, Hamburg 1935, S. 50.
18 Gutachten und Bitte vom Pfarramt und Kirchenvorstand Ochsenwerder vom 30.6.1948, Entnazifizierungsakte a. a. O.
19 Schreiben vom 6.7.1948, Entnazifizierungsakte a. a. O.
20 Entscheidung vom 29.6.1949, Entnazifizierungsakte a. a. O.
21 Siehe die Biografie Wilhelm von Bergen in diesem Band.
22 Schreiben vom 16.6.1949, Entnazifizierungsakte a. a. O.
23 Laut Personalakte a. a. O.
24 Personalakte a. a. O.
25 Personalakte a. a. O.
 

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Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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