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Hermann Saß

( Dr. Hermann Saß )
(17. Mai 1891 Elmshorn – 22. Mai 1959)
Lehrer, Schulsenator, Stadtrat für die Altonaer Schulen, Oberschulrat für das Höhere Schulwesen
Adresse: Hohenzollernring 31 (1934-1941), Umzug nach Bernstedt/ Pinneberg
Wirkungsstätte: Dammtorstraße 25 (Unterrichtsbehörde)
Wirkungsstätte: Rathaus Altona (heute: Platz der Republik )

Saß studierte Deutsch und Französisch für das höhere Lehramt, promovierte und war ab 1921 im Schuldienst in Altona als Studienrat am Realgymnasium tätig. Im Rahmen der „Personalabbauverordnung“ wurde er 1924 in den Ruhestand versetzt, was Saß nicht protestlos hinnahm. Er war der Meinung, er sei wegen seiner antidemokratischen, antimarxistischen und völkischen Gesinnung entlassen worden. Von Seiten der Schulbehörde schienen die mangelhaften fachlichen Qualitäten Saß ausschlaggebend gewesen zu sein. Nach seiner Pensionierung studierte er Nationalökonomie und trat 1927 der NSDAP bei. Zudem schrieb er Artikel für den „Völkischen Beobachter“ und für weitere Parteiorgane. Anfang der 1930er Jahre war Saß NSDAP Ortsgruppenleiter in Barmstedt.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Saß 1933 Schulsenator und Stadtrat in Altona. Er machte alle reformpädagogischen Ansätze der Altonaer Schulpolitik rückgängig und meinte die Vorgängerregierung habe Schulen zu „Brutstätten weltzerstörerischer Theorien“ gemacht. Mit Hilfe von nationalsozialistisch eingestellten Lehrern baute Saß ein Spitzelsystem in den Altonaer Schulen auf. Regelmäßig wurden ihm Mitteilungen oder Dossiers mit Berichten von Lehrerkonferenzen, Äußerungen von kritisch eingestellten Lehrkräften im Unterricht oder im Lehrerzimmer etc. zugestellt. Zu den Denunzianten, die eng mit Saß zusammen arbeiteten gehörten Adolf de Bruyker, Joachim Carstens, [ Kurt-Hilmar Eitzen und Horst Kanitz. Saß reagierte auf die Berichte mit Entlassungen, Versetzungen oder schaltete die Gestapo ein. Nach dem Groß-Hamburg-Gesetz im Jahr 1937 wurde Saß als Oberschulrat für das Höhere Schulwesen in die Hamburger Schulbehörde mit Dienstsitz in Altona übernommen. Seitdem kristallisierte sich mehr und mehr heraus, dass Saß seinem Aufgabenfeld nicht gewachsen schien. Dienstliche Beurteilungen fielen äußerst negativ aus und Saß meldete sich für längere Zeit krank. 1943 wurde er versetzt und mit der kommissarischen Leitung des Ortsamtes Altona beauftragt, trat diese Stelle aber nie an, da er sich in psychiatrische Behandlung begeben hatte. Im Juni 1944 wurde Saß das zweite Mal pensioniert.

Vor den Entnazifizierungsausschüssen kämpfte Saß 1948/49 für das vollständige Pensionsgehalt. Nach viel Schriftverkehr wurde ihm die Hälfte der Pension, die er vor 1933 bezogen hatte genehmigt. Vom 1.5.1951 bis zum 31.3.1953 war Saß wieder als Lehrer an der Mittelschule in Barmstedt tätig.

Text: Katharina Tenti

 

„Vorne SA, hinten SS.“

Hermann Saß, Schülerjargon „vorne SA, hinten SS" (1), Träger des goldenen Parteiabzeichens, war seit dem 16.3.1933 erst als Senator, dann als Stadtrat und später als Oberschulrat verantwortlich für die Schulen Altonas. Wohl auch vor dem Hintergrund seines eigenen Erlebnisses, 1925, als Lehrer wegen „mäßiger Unterrichtserfolge" entlassen worden zu sein, führte Saß eine Art Rachefeldzug, als er selbst über Macht verfügte. Er beförderte seine Getreuen und Parteifreunde zu Schulleitern und Schulräten im Altonaer Schulwesen und nutzte willfährige Nationalsozialisten in den Altonaer Lehrerkollegien als Zuträger und Spitzel, die Äußerungen von Lehrern, Schülern und Schulleitern an ihn weiterleiteten, ja, geheime Protokolle in Lehrerkonferenzen schrieben.

Hermann Saß wurde am 17.5.1891 in Elmshorn geboren. Er besuchte die Oberrealschule in Altona, studierte danach in Freiburg, München und Kiel, unterbrochen durch den Kriegsdienst vom 19.3.1915 bis zum 9.12.1918, in dem er zum Vize-Feldwebel befördert wurde.

Am 9.10.1918 promovierte er in Kiel („Die Stellung des Adverbs bei Roger Ascham“) und am 29.7.1920 bestand er die wissenschaftliche Prüfung für das höhere Lehramt mit den Hauptfächern Deutsch und Französisch. Die pädagogische Prüfung absolvierte er am 16.3.1921. Er fand Anstellung als Studienrat am Realgymnasium in Altona. Dort arbeitete er bis zum 30.4.1924. Saß wurde dann nach der Personalabbauverordnung in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten wurde Hermann Saß am 16.4.1933 kommissarischer Senator für das Schulwesen und am 21.10.1933 als Stadtrat für die Altonaer Schulen verantwortlich. Am 4.1.1934 schrieb Stadtrat Dr. Hermann Saß an den neuen Oberbürgermeister Daniel und lieferte seine Version seiner Versetzung in den Ruhestand 1924. Er wies darauf hin, dass die „wirklichen Gründe für meine damalige Verabschiedung auf politischem Gebiete gesucht werden“ müssen. (3)

Offiziell war Saß nach einem mit „genügend“ bestandenen Staatsexamen und nach einer Beurteilung durch den Schulleiter der Schlee-Reformschule, später Realgymnasium in Altona, Gohde, der ihm nur mäßige Unterrichtserfolge bescheinigt hatte, pensioniert worden.

Darüber hinaus hatte das Provinzialkollegium Schleswig am 8.12.1925 die Pensionierung von Hermann Saß auch damit begründet, dass er „einen bedenklichen Hang zur Bequemlichkeit habe“. (4)

Laut Saß gab es ganz andere Gründe:

„Anfang 1924 rollte unter dem Eindruck der Ereignisse in München die erste völkische Welle durch Norddeutschland und erzeugte auch hier bei den marxistischen Machthabern eine gewisse Nervosität und Beunruhigung. Zweifellos ist meine völkische Einstellung (Anlage 2) damals dem roten Magistrat der Stadt Altona, in dem zu jener Zeit der sozialdemokratische Oberbürgermeister Brauer (z.Z. in China) und der sozialdemokratische Senator Kirch (z.Z. im Zuchthaus) dominierten, bekannt geworden, und der letztere hat als Schuldezernent und Vorsitzender des Kuratoriums für die höheren Schulen seinen Einfluß dahin geltend gemacht, daß ich dem ‚Abbau‘ verfiel. Zwar war es nach den damals geltenden Bestimmungen des Personalabbaugesetzes unstatthaft, einen Berufsbeamten wegen seiner politischen Überzeugung in den Wartestand zu versetzen (‚abzubauen‘). Doch war man bekanntlich, wenn es galt, einen politisch unangenehmen Beamten zu erledigen, um sogenannte ‚sachliche‘ Gründe nicht sehr verlegen.“ (5) Eine ähnliche Aussage machte auf Veranlassung von Hermann Saß das gleichgeschaltete „Hamburger Tageblatt“: „Als völkisch gesonnener Lehrer wurde er unter der Aera Kirch frühzeitiges Opfer der damaligen Schulpolitik.“ (6)

Gohde hätte in Kollegenkreisen, „die seine mangelnde direktoriale und charakterliche Eignung treffende Bezeichnung ‚Der Schuster‘ geführt. Saß bezeichnet ihn als die ‚beamtete Kreatur‘, welche den höheren Orts erwünschten dienstlichen ‚Abbaubericht‘ lieferte“ und nennt es „ein starkes Stück“, dass „ausgerechnet dieser Flachmann-Typ und Karikatur eines deutschen Erziehers über meine methodischen und pädagogischen Fähigkeiten den Stab zu brechen wagte.“(7)

Gegen den „Abbau“ von Hermann Saß hätte der Schleswig- Holsteinische Philologenverein protestiert. Saß legte zwei Erklärungen von Paul Dittmer und Erich Grabke bei, die dieses bestätigten.(8)

Dittmer war im Schuljahr 1923/24 Studienassessor an derselben Anstalt gewesen, habe mit Saß in derselben Klasse unterrichtet und am „gemeinsamen Mittagstisch“ gegessen. „Besonders am Mittagstisch haben wir uns in einem Kreise von 4 Kollegen des Reform- Realgymnasiums sehr häufig über die politische Lage unterhalten. Im Laufe dieser Unterhaltungen betonte Herr Dr. Saß stets seine unbedingt völkische Einstellung und brachte Gedankengänge in unsere täglichen Gespräche hinein, die den größten Teil des Kollegiums der damaligen Zeit noch völlig fremd waren.“ (9)

Und der kommissarische Leiter des Philologenvereins   Altona, Erich Grabke, bestätigte als ehemaliger Referendar der Schlee-Reformschule, dass Schulleiter Gohde bei Schülern und Lehrern den Spitznamen „Uns Schuster“ führte. Beide, Dittmer und Grabke, aktive Nationalsozialisten, werden später von Saß zu Schulleitern in Altona befördert, Dittmar war zeitweise in Altona auch als Stadtschulrat tätig.

Im selben Schreiben beschrieb Hermann Saß seine persönlichen Konsequenzen aus seiner Versetzung in den Ruhestand.

„Es mag noch erwähnt werden, daß, als ich von dem Widerstand Kirch’s gegen meine Wiedereinstellung erfuhr, ich keinesfalls meine antimarxistische und antidemokratische Gesinnung verleugnete. Meine Rückkehr in den Schuldienst, die ich unter Preisgabe meiner politischen Überzeugung wohl hätte erkaufen können, wurde damit zur Unmöglichkeit. Ich zog vor, Nationalökonomie zu studieren, wurde Diplomvolkswirt und trat im Jahre 1927 der N.S.D.A.P als Mitglied Nr. 67 846 bei.“ Mit seinem frühen Beitritt zur NSDAP, Mitgliedsnummer unter 100.000, reihte sich Saß ein in die Gruppe der „alten Kämpfer“, die später das goldene Parteiabzeichen erhielten. (10)

Saß schrieb regelmäßig Artikel für den „Völkischen Beobachter“ und andere NS-Zeitungen. 1930 bestand er an der Hamburger Universität die Prüfung zum Diplom-Volkswirt. Vom 1.5.1931 bis zum 31.3.1933 fungierte er als Ortsgruppenleiter der NSDAP in Barmstedt. Dann begann seine Karriere als Senator und Stadtrat in Altona. Nach dem Groß-Hamburg-Gesetz vom 26.1.1937 wurde Hermann Saß zum 1.4.1938 als Oberschulrat für das Höhere Schulwesen eingesetzt.

Der erste Akt des neuen Senators für die Altonaer Schulen, Hermann Saß, war die massive Intervention gegen zwei 1930 eingerichtete überkonfessionelle Sammelschulen. Diese waren von dem Altonaer Schuldezernenten Hermann Leo Köster in schulreformerischer Intention etabliert worden. (11)

Saß hatte die Schulleiter und Lehrer beider Schulen zum 29.4.1933 ins Altonaer Rathaus zitiert und die Ausrichtung dieser Schulen als „besonders unerfreulich“ bezeichnet. Die sozialdemokratische vormalige Regierung mit Schulsenator Kirch hätte in Altona „die Schule zur Brutstätte weltfremder und zerstörerischer Theorien gemacht, in einem Geist, der alles andere als deutsch gewesen sei“. Und den Lehrern, die er als „willige und törichte Helfer“ bezeichnete, rief er zu:

„Wer etwa glaubt, fürderhin die ihm anvertraute Jugend zur Ablagerungsstätte veralteter international-marxistischer Gedankengänge machen zu können, hat seinen Beruf als deutscher Lehrer, als deutscher Erzieher verfehlt.“(12)

Hatte Saß sich noch 1934 mit scharfen Worten darüber beklagt und behauptet, als Lehrer aus politischen Gründen in den Ruhestand versetzt worden zu sein, führte er selbst als verantwortlicher Vorgesetzter ein gnadenloses Regime. Dazu gehörte ein ausgeprägtes System der Bespitzelung und Denunziation. Sowohl am Christianeum, an der Oberrealschule für Jungen in Altona ( Hohenzollernring ) und der Oberschule für Jungen in Blankenese hatte Hermann Saß nationalsozialistische Lehrer, die aus eigenem Antrieb und auf Anforderung kleine Dossiers über andere Kollegen schrieben. Im Fokus von Hermann Saß stand insbesondere Robert Grosse, der seit 1932  Schulleiter des Johanneums gewesen war. Grosse war von Hermann Saß 1934 abgesetzt und als Lehrer an die Oberrealschule für Jungen zum Hohenzollernring versetzt worden. Der Lehrer Joachim Carstens lieferte mit anderen Lehrerkollegen kleine denunziatorische Dossiers über angebliche Aussagen von Grosse im Unterricht und im Lehrerzimmer. Am Christianeum bespitzelte der Kunsterzieher Adolf de Bruyker Kollegium und Schulleitung und belieferte Saß mit geheimen Mitschriften von Lehrerkonferenzen und Dossiers.

In Blankenese waren es Kurt Eitzen und Horst Kanitz, die Äußerungen des Kollegen Hermann Reimers im Lehrerzimmer und in persönlichen Gesprächen an Saß weitergaben, woraufhin die Gestapo eingeschaltet wurde. Über das Spitzelnetz des Hermann Saß soll im Weiteren noch ausführlicher berichtet werden.

Obwohl der HJ-Organisationsgrad der Schüler des Christianeums 1936 bei 97% lag, gab es gerade dort, wie auch am Johanneum eine aktive Gruppe der Swing-Jugend, die bespitzelt und verfolgt wurde. Schüler des Christianeums waren es auch, die Saß im Schülerjargon „vorne SA und hinten SS“ nannten. (13) Saß verlangte von allen Abiturienten, in HJ-Uniform zur Prüfung anzutreten.

Nach dem Groß-Hamburg-Gesetz wurde Altona wie auch Harburg- Wilhelmsburg und Wandsbek zum 1.4.1938 zusammen mit Bergedorf Teil der Einheitsgemeinde Hamburg.

Am 3.5.1938 informierte der für die höheren Schulen verantwortliche Oberschulrat Wilhelm Oberdörffer die Schulleiterkonferenz, dass Hermann Saß jetzt als Oberschulrat in die Hamburger Schulverwaltung versetzt worden sei, unter Beibehaltung seines Amtssitzes in Altona. Saß, der ideologisch wie kaum ein  zweiter Schulaufsichtsbeamter einen erbitterten Kampf gegen alle Anzeichen nichtnationalsozialistischer Aktivitäten führte, versagt als Vorgesetzter und Repräsentant der Schulverwaltung immer deutlicher.

Nachdem Saß die Direktorenkonferenz leitete, mehrten sich seine augenscheinlichen Defizite. Im Februar 1941 beklagte der Schulleiter der Oberrealschule für Jungen in Altona, Peter Meyer, „das personelle Chaos in der Behörde“ und gibt zu erkennen, dass er „den Saß für einen ausgemachten Wichtigtuer  hält“. (14)  Und an anderer Stelle machte sich Meyer lustig über Oberschulrat Saß, der im Januar den missliebigen Robert Grosse im Unterricht an der Oberschule für Jungen in Altona hospitieren wollte und von Schulleiter Peter Meyer angekündigt wurde, da „kommt so ein kleiner Schulrat“. (15)

Als Nationalsozialist entschied Saß Einzelfälle von HJ-Funktionären. Der Schulbeauftragte der HJ im Gebiet Hamburg, Gefolgschaftsführer Bahrs, hatte am 19.2.1942 die Schulen aufgefordert, bewährte HJ- Führer, die nicht versetzt worden waren, nachträglich zu versetzen. Hermann Saß folgte dem am 7.10.1942 nach einem politischen Gutachten des Oberstammführers vom Bann 11 in Altona und versetzte einen Schüler der 11. Klasse der Schlee-Schule, der in Deutsch mit „mangelhaft“ und in Französisch mit „ungenügend“ beurteilt worden war. (16)

Eine Beurteilung, die von Senator Dr. Ofterdinger am 10.5.1943 unterschrieben wurde, offenbarte die Unfähigkeit des Hermann Saß, der offenbar auch mit Krankheit auf diese Situation reagierte. 1940 war er mehrere Monate gar nicht im Amt erschienen.

In der dienstlichen Beurteilung hieß es, dass „von einem Arbeitseinsatz oder auch nur interessierter Mitarbeit nichts zu spüren“ sei. Über seinen Einsatz wurde vermerkt: „Nimmt in der Regel seine zweimal wöchentliche Sprechstunden wahr (11-12 Uhr)“ und: „Zu den allgemeinen angesetzten Sitzungen erscheint er nur, wenn Benachrichtigung möglich ist.“

Eingereichte Anfragen von Eltern „werden von ihm oft nach Gutdünken oder ganz persönlicher Einstellung“ entschieden. (17) Und über seine Beurteilungskriterien von Lehrern wurde festgestellt: „Bei der Beurteilung der in seinem Schulkreis vorhandenen Lehrkräfte läßt Dr. Saß sich leicht nach der günstigen Seite hin beeinflussen, wenn die betr. Lehrkräfte es verstehen, sich im Unterricht der nationalsozialistischen Ausdrucksweise zu bedienen, ohne aber in ihrer Haltung und ihrem Charakter auch Nationalsozialisten zu sein.“ Welch Offenbarungseid.

Positiv wurde vermerkt: „Menschlich und charakterlich ist Dr. Saß durchaus angesehen.“

Das Gesamtresümee stellte allerdings fest, dass er kein Interesse an seiner Arbeit und kein inneres wissenschaftlich-pädagogisches Interesse habe. „Mitarbeiter sagen, daß nur ein Beamter als Träger des goldenen Parteiabzeichens sich das erlauben könne.“ (18)

Am 21. 5.1943 bekräftigte Ofterdinger noch einmal in einem Schreiben an Bürgermeister Krogmann, dass Saß „für meine Bemühungen ein Hemmniss darstellt“. Er hoffe, dass für Saß ein Arbeitsfeld gefunden werde, „auf dem OSR Dr. Saß seinen Fähigkeiten entsprechend - und die hat er wirklich - für sich und die Allgemeinheit befriedigend eingesetzt werden kann.“ (19)

Reichsstatthalter Karl Kaufmann griff die Frage nach einer anderweitigen Verwendung von Hermann Saß am 12.7.1943 auf und bat um einen Vorschlag. Falls es keine geeignete Verwendung in Hamburg gebe, müsse auch eine Abordnung nach außerhalb erwogen werden. Der NSDAP-Kreisleiter von Altona solle einbezogen werden. Der NSDAP-Kreisleiter in Altona, Piwitt, war offenbar selbst unter Handlungsdruck geraten. Am 3.9.1943 hatte ein Mitarbeiter von Bürgermeister Carl Vincent Krogmann dem Leiter der Schulverwaltung handschriftlich und vertraulich mitgeteilt: „Kreisleiter Piwitt soll Dr. S. Vorhaltungen gemacht haben, er habe sich nicht genügend eingesetzt. Daraufhin hat Dr. S. sich das Leben nehmen wollen.“ Der Umgang mit unfähigen Inhabern des goldenen Parteiabzeichens war eine heikle Angekegenheit, wie schon das Beispiel Heinrich Haselmayer gezeigt hatte.

Hermann Saß’ Ehefrau, die mit ihm nach Barmstedt gezogen war, wo ihr Vater eine Molkerei besaß, schrieb an die Schulverwaltung, dass ihr Mann „schon seit längerer Zeit an nervösen Störungen und Schlaflosigkeit litt und dieser Zustand sich besonders seit den Terrorangriffen in Hamburg erheblich vermehrte“. Saß sei zu einem längeren Aufenthalt in der Nervenklinik und benötige einen längeren Urlaub. (20)

Die Schulverwaltung ersuchte Bürgermeister Krogmann, Saß im Bereich der Verwaltung anderweitig unterzubringen. (21)

Am 3.11.1943 wurde er mit der kommissarischen Leitung des Ortsamtes Altona beauftragt, ein Amt, das er nie antrat.

Parallel dazu bereitete man die Pensionierung von Hermann Saß vorbereitet. „Nach den mit Herrn Oberschulrat Dr. Saß in der Schulaufsicht in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen ist damit sowohl Herrn Dr. Saß als auch den Interessen der Schulen am besten gedient“ schrieb Senator Ofterdinger an Bürgermeister Krogmann am 10.9.1943.

Nach Korrespondenz des neuen Leiters der Schulverwaltung, Prof. Ernst Schrewe, mit Saß-Schwiegervater Rathjens wurde die Pensionierung eingeleitet. Schrewe teilte dem Meierei- Direktor mit, dass Saß nahezu den Höchstsatz der Pensionsbezüge erhalte. Auf die Pension angerechnet  wurden am Ende auch die zwei Jahre als Ortsgruppenleiter der NSDAP in Barmstedt.

Der Schwiegervater zeigte sich einverstanden und auch der behandelnde Arzt der Psychiatrischen und Nervenklinik in Kiel, der Saß seit dem 3.10.1943 stationär behandelt hatte, erklärte im Januar 1944 die Krankheitsdauer für nicht absehbar.

Am 27.5.1944 schrieb Schrewe erneut dem Meierei-Direktor und bat diesen, den immer noch kranken Schwiegersohn zu veranlassen, ein Pensionierungsgesuch einzureichen. So behutsam verfuhr man mit Trägern der goldenen Parteiabzeichens.

Am 1.6.1944 stellte Saß einen entsprechenden Antrag.

Das amtsärztliche Gutachten fiel eindeutig aus. Der Amtsarzt des Kreises Pinneberg war aufgefordert worden, Saß auf „seinen Geisteszustand“ zu untersuchen. Saß habe seit 1941 deutlich depressive Phasen, fühle sich matt und habe schlecht geschlafen. „Anfang 1943 sei eine wesentliche Verschlechterung eingetreten, er sei vor allem niedergeschlagen gewesen. Die Ursache sieht der Amtsarzt z.T. in den dienstlichen Verhältnissen, er sei mit seiner Tätigkeit nicht recht fertig geworden.“ (22)

Unter dem Eindruck der Fliegerangriffe auf Hamburg habe sich sein Zustand weiter verschlechtert. Im August habe er „eine große Menge Phariodom eingenommen, wodurch er längere Zeit bewusstlos gewesen sei“. Kurz: Er sei in die Psychiatrische- und Nervenklinik Kiel eingeliefert worden. Dort habe sich sein Zustand verschlechtert und „infolge großer Erregung“ sei er dort „ohne jede Überlegung eines Tages aus dem Fenster des ersten Stockes hinausgesprungen“. Eine Wiederherstellung aus Sicht des Arztes sei bei „Depressionszuständen der Rückbildungsjahre“ nicht zu erwarten. (23 )

Hermann Saß wurde zum 1.6.1944 in den Ruhestand versetzt. Eine Pikanterie am Rande. Damit wurde eine Planstelle frei für die Beförderung von Fritz Köhne zum Oberschulrat für das Volksschulwesen, „eine Funktion, die er seitdem Oberschulrat Mansfeld sich im Felde befindet, wahrnimmt“. Laut Schrewe führte Köhne die Geschäfte ausgezeichnet. „Er ist eine Persönlichkeit von hohem pädagogischem Rang, die sich einer ganz ungewöhnlichen Verehrung der gesamten Hamburger Lehrerschaft erfreut“. (24)

Gleichwohl fiel das Abschiedsschreiben zu seiner Pensionierung milde aus. Der Leiter der Schulverwaltung, Prof. Ernst Schrewe, schrieb: „Ich weiß aus meiner persönlichen Bekanntschaft mit Ihnen, wieviel Aufregungen, Umstellungen, Auseinandersetzungen und Schwierigkeiten die letzten Jahre für Sie mit sich brachten. Davor liegt eine lange Zeit unermüdlichen Einsatzes und Kampfes. Es ist verständlich, daß bei einer derartigen Inanspruchnahme schließlich eine physische und psychische Grenze der Widerstandsfähigkeit erreicht wird.“ (25)

Die Vorlage für das Dankesschreiben hatte offenbar Fritz Köhne formuliert. Walter Behne, Oberschulrat für höhere Schulen und nationalsozialistischer Hardliner, hatte sich geweigert. Er habe Saß „nur vorübergehend im Gebäude gesehen“. Und in der Personalakte befände sich „nichts Greifbares“. (26) So unterschiedlich kann man Personalakten lesen.

Die Kraft bei Hermann Saß kehrte zurück, als es darum ging, das Entnazifizierungsverfahren zu bestehen. Wobei Saß am 21.6.1948 noch defensiv bemerkte: „Die Ersparnisse reichten aus, das Leben zu fristen.“ Er habe „mit Rücksicht auf die finanzielle Lage Hamburgs davon abgesehen, rechtliche Ansprüche geltend zu mache“. (27)

Handschriftlich führte Hermann Saß seine Reden und Schriften auf. Im „Völkischen Beobachter“ hatte er schon 1927 veröffentlicht. Nach seiner Erinnerung nur geschichtsphilosophische und wirtschaftspolitische Inhalte, er sei für eine „geordnete, d.h. sozialistische Wirtschaft“ eingetreten. Das Ziel von Hermann Saß erschien deutlich. Bagatellisieren und umdeuten seiner Schriften und Reden: „Mögen auch meine Ausführungen von nationalistischem Geist getragen gewesen sein – wie konnte es damals anders sein! – so möchte ich doch bemerken, dass ich nach März 1933, als der Nationalsozialismus die ‚totale‘ Macht besaß, in Wort und Tat ständig eine sehr tolerante und humane Richtung vertreten habe, die damals von so manchen Parteigenossen abfällig kritisiert wurde und mir 1934 eine ernste Verwarnung von Seiten des Gauleiters und Oberpräsidenten in Schleswig- Holstein Lohse eintrug.“ (28)

Die Leumundszeugnisse, die Saß organisierte und anregte fielen dürftig aus. So behauptete der ehemalige Parteigenosse Wilhelm Keidel: „Dr. Saß ist der einzige mir bekannte, leitende Beamte in der Altonaer Stadtverwaltung gewesen, der immer aufrecht und verständig, nur gehalten von seinem Sauberkeitsgefühl und seinem Gerechtigkeitssinn für politisch gefährdetes ihm unterstelltes Personal eintrat.“ (29)

Merkwürdig, warum Peter Meyer, wiederernannter Schulleiter der Oberschule für Jungen in Altona sich bemüßigt fühlte, für den „kleinen Schulrat“ einzutreten, der ihn als Schulleiter abgesetzt hatte. Meyer schrieb: „Auf Wunsch von Herrn Dr. Hermann S a ß bescheinige ich ihm wahrheitsgemäß, daß er im Jahre 1933 oder 1934 als damaliger Senator der Stadt Altona auf meinen begründeten Vorschlag den Zeichenlehrer meiner Anstalt, Herrn Hugo S c h n ü g e, pensioniert hat, obgleich er wußte, daß Letzterer altes Parteimitglied der NSDAP war. Man hat Herrn Dr. Saß diese Entscheidung in Parteikreisen sehr verdacht, weil gleichzeitig der andere Zeichenlehrer, der nicht Pg. war, im Amte verblieb“. Und Saß vermerkte unter dem Persilschein des Peter Meyer, den er am 12.11.1947 einreichte: „P. Meyer war der einzige von den 1945 amtierenden Oberstudiendirektoren in Hamburg, der von 1933-45 nicht Pg. war.“ (30)

Peter Meyer hatte sich auch in anderen Fällen für ehemalige Nationalsozialisten eingesetzt und sich auch vor 1945 z.T. ambivalent verhalten. Er war aus meiner Sicht nicht die so eindeutig positive Persönlichkeit, wie sie Uwe Schmidt zeichnete. (31) Der von Meyer genannte Schnüge war frühzeitiges NSDAP-Mitglied gewesen, aber auch Zeit seines Lebens für die Verwaltung ein permanent anstrengender Querulant. (32)

Als wäre die Entscheidung von Hermann Saß im Fall Schnüge ein Beweis für eine liberale Amtsführung. Was immer Saß im Fall Schnüge zu seinem Handeln bewegt haben mag, bemerkenswert ist, dass Hugo Schnüge bei der Reifeprüfung des Abiturienten Hermann Saß im Jahre 1908 Mitglied der Prüfungskommission gewesen war.

Am 22.7.1948 richtete Hermann Saß ein Schreiben an den Berufungsausschuss für die Ausschaltung von Nationalsozialisten in Hamburg. Er habe das Entnazifizierungsverfahren in Pinneberg betrieben und somit die Berufungsfrist in Hamburg versäumt. Diesen Weg hatten auch einige andere NS- Belastete in Hamburg versucht, wie etwa Albert Henze und Hinrich von der Lieth. Nicht dort zur Entnazifizierung anzutreten, wo dienstliche Expertise vorlag, sondern in Heimatdörfern und Gemeinden, wo es in der Regel familiäre, nachbarschaftliche Netzwerke gab und es z.T. Bezüge und Erinnerungen aus der Vornazizeit gab.

Der Pinneberger Ausschuss hatte allerdings das Verfahren nach Hamburg delegiert.

Die Argumentation von Hermann Saß erschien kühn. Er, der alles dafür getan hatte, den sozialdemokratischen Schulleiter des Christianeums, Robert Grosse, seines Amtes zu entheben und ihn, nachdem er zur Oberschule für Jungen am Hohenzollernring als Lehrer versetzt worden war, bespitzeln zu lassen, um Material für dessen Frühpensionierung oder Entlassung zu sammeln, dieser Saß gerierte sich am 22.6.1948 als Mann mit sozialistischen Neigungen: „Als Mitglied der Freien Studentenschaft (der am weitesten links stehenden Studentenorganisation vor 1914) und Leser und Abonnent der von Eduard Bernstein herausgegebenen „Sozialistischen Monatshefte“ war ich in jüngeren Jahren mit dem Problemkreis des „Sozialismus“ in Berührung gekommen und stand z.T. auch durch meine Herkunft bedingt den Zielen der Sozialdemokratie sympathisch gegenüber. Von der Entwicklung nach 1918 enttäuscht, schien mir das Programm der NSDAP zur Verwirklichung einer „sozialistischen“, d.h. nach gemeinnützigen Gesichtspunkten „geordneten“ Wirtschaft auf nationaler Grundlage und damit zur Lösung der sozialen Frage in Deutschland beizutragen. So trat ich im September 1927 der NSDAP als Mitglied bei. Dass der damit beschrittene Weg letzten Endes zu einer Katastrophe von geschichtlichem Ausmaß führen würde, war nicht von mir vorauszusehen. Wenn ich auch zugebe, dass die spätere Wirklichkeit, zumal nach 1938/39, allmählich zu einer Parodie auf die von mir vertretenen Ideale wurde, möchte ich doch zu meiner persönlichen Entschuldigung und Entlastung anführen, dass ich mich in meiner Haltung und meinen Handlungen stets von dem Gedanken der Humanität und Toleranz leiten ließ, auch nach 1933, als diese Ideale fast ganz aus dem öffentlichen Bewusstsein schwanden.“ (33)

Oberschulrat Saß beschrieb seine Tätigkeit ab 1938 als vollständig überflüssig, auf einer „Nachtwächterstelle“. Und: „Gewissenskonflikte, die sich aus kritischer Einstellung zu der 1938/39 deutlicher zu Tage tretenden doktrinären Entwicklung von Staat und Partei ergaben, führten seit 1940/41 zu einer schweren Nervenkrankheit. Im Juli 1944 erfolgte ein totaler Nervenzusammenbruch, der meine Überführung in die Universitäts- u. Nervenklinik Kiel notwendig machte.“ (34)

Seine Erklärungen verfingen nicht. Oberschulrat Schult stellte am 13. 12.1948 nüchtern fest: „Im Jahre 1924 ist er in Altona im Verfolg von Sparmaßnahmen abgebaut worden. Die dortige Schulverwaltung hielt ihn für entbehrlich, offenbar wegen unbefriedigender Leistungen. Seine Leistungsfähigkeit hat sich seitdem nicht gebessert. Die Schulbehörde kann ihn nirgends mit gutem Gewissen einsetzen. Sie empfiehlt, ihn im Ruhestande zu belassen.“ (35)

Und der Entnazifizierungsausschuss folgte dem und empfahl: „Wegen seiner politischen Belastung rechtfertigt es sich nicht, ihm das volle Ruhegehalt zu gewähren. Der Beratende Ausschuß empfiehlt, ihm die Hälfte des Ruhegehaltes als Studienrat unter Anrechnung der im Staatsdienst geleisteten Dienstjahre zuzuerkennen.“ (36)

Der Berufungsausschuss unter dem Vorsitz von Dr. Kiesselbach, der für Milde bekannt war, billigte ihm am 9.3.1949 die Hälfte der Pension zu, die er vor 1933 bezogen hat. „Ein Mitglied des Ausschusses hat darüber hinaus bestätigt, daß Dr. Saß als durchaus aktiver Nationalsozialist in Altona hervorgetreten und bekannt geworden ist und zu dem engeren Kreis um den Kreisleiter Piwitt und den Bürgermeister Brix gehörte. Auf der anderen Seite ergeben die bei der Akte befindlichen Entlastungszeugnisse, daß er sich auch Andersdenkenden gegenüber menschlich anständig und neutral verhalten und in seinerPersonalpolitik keine Rücksicht auf politische Einstellungen und Überzeugungen genommen hat.“ (37)

Saß forderte, ihm die volle Pension zuzubilligen und nannte Beispiele seiner „toleranten und humanen Haltung“. So habe er sich 1934 für die Haftentlassung seines sozialdemokratischen Vorgängers als Senator in Altona, August Kirch, eingesetzt. (38)

Es half nicht. Der Antrag wurde abgelehnt, eine „unbillige Härte“ bestehe nicht. Die Antwort von Hermann Saß klang schon verzweifelt. Er bestand darauf, 1927 die Entwicklung der NSDAP nicht habe voraussehen zu können. Und schließlich sei er damals in eine legale politische Partei eingetreten.

Seine Behandlung durch den Entnazifizierungsausschuss bezeichnete er als „Hass- und Vernehmungspolitik“. (39)

Interessant ist, dass Saß vom 1.5.1951 bis zum 31.3.1953 sogar wieder als Lehrer an der Mittelschule in Barmstedt Beschäftigung fand. Kein Einzelfall. In Schleswig- Holstein tickten die Uhren eben anders.

Saß führte noch einen mehrjährigen Kampf um die Anerkennung von ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten.

Er starb am 22.5.1959.

Text: Hans-Peter de Lorent

Quellen:
Hans-Peter de Lorent: Hermann Sass – „vorne SA, hinten SS“ (Teil 1), in: hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 9-10/ 2014 ( www.gew-hamburg.de/sites/default/files/hlz/artikel/9-10-2014/magazin-nazibiographien25.pdf, 18.4.2015); Hans-Peter de Lorent: Hermann Sass – „vorne SA, hinten SS“ (Teil 2), in: hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 11/ 2014 ( www.gew-hamburg.de/sites/default/files/hlz/artikel/11-2014/magazin-nazibiographien-26.pdf, 18.4.2015).


Anmerkungen de Lorent
1. Die Schreibweise ist laut Personalakte „Saß“, zuweilen aber auch „Sass“. Personalakte Saß, StA HH, A 361-3_A1065
2. Alle Angaben nach Personalakte, a.a.O.
3. Alle Dokumente in seiner Personalakte, ebd.
4. Ebd.
5. Schreiben an Oberbürgermeister Daniel vom 4.1.1934, daraus wird auch weiter zitiert. Personalakte Saß a.a.O.
6. Ebd.
7. Ebd.
8. Siehe Biografie Dittmer in diesem Buch.
9. Personalakte Saß a.a.O.
10. Diese und weitere Daten Personalakte Saß a.a.O.
11. Köster war Sozialdemokrat und Vorsitzender des in der Novemberrevolution in Hamburg 1919 gegründeten Lehrerrates gewesen. Siehe seine Biografie: Hans-Peter de Lorent: Hermann Leo Köster, Pädagogischer Lehrerfunktionär, in: Hans-Peter de Lorent und Volker Ullrich: Der Traum von der freien Schule, Hamburg 1988, S.335 ff.
12. StA HH, 421-5 Regierung Schleswig: S b 1 Band 53 (Schulen in Altona 1932-1935). Zitiert nach Uwe Schmidt: Hamburger Schulen im „Dritten Reich“, Hamburg 2010, S. 217.
13. Ulf Andersen: Das Christianeum im Dritten Reich, in: 250 Jahre Christianeum 1738-1988, Festschrift, hrsg. von Ulf Andersen, Hamburg 1988, S. 138.
14. Reinhard Dargel/Dierk Joachim: „Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen!“ Zur Geschichte der Oberrealschule für Jungen Altona (OJA) im Faschismus, in: Festschrift 1882-1982 Gymnasium Altona, Hamburg 1982, S. 34. Der Aufsatz von Dargel und Joachim ist gekürzt auch abgedruckt in: Ursel Hochmuth/Hans-Peter de Lorent (Hrsg.): Hamburg-Schule unterm Hakenkreuz, Hamburg 1985, S, 68 ff.
15. Ebd.
16. Zitiert nach Uwe Schmidt, 2010, S. 423 f.
17. Alle Zitate aus: StA HH, Senatskommission für den höheren Verwaltungsdienst, 131-8_ G 8 c HV 1943 VII/2
18. Alle Zitate aus der Personalakte von Hermann Saß, a.a.O.
19. StA HH, 131-8_G 8 c HV 1943 VII/5
20. Personalakte Saß a.a.O.
21. Alle weiteren Dokumente ebd.
22. Gutachten vom 22.3.1944 in der Personalakte, a.a.O.
23. Ebd.
24. Ebd.
25. Schreiben Schrewes an Hermann Saß vom 29.6.1944, ebd.
26. Ebd.
27. Entnazifizierungsakte von Hermann Saß, StA HH, 221-11_ Z 10469
28. Ebd.
29. Ebd.
30. Ebd. Siehe dazu auch die Biografien Peter Meyer und Hugo Schnüge.
31. Uwe Schmidt: Peter Meyer, in: Hamburgische Biografie Band 4, Personenlexikon, herausgegeben von Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke, Göttingen 2008, S. 240.
32. Siehe Personalakte Schnüge, StA HH, 361-3_A1667 sowie seinen Streit mit Paul Dittmer in: StA HH, 421-3_Provinzial-Schulkollegium III a 2. Siehe dazu auch die Biografien Schnüge und Dittmer in diesem Buch.
33. Entnazifizierungsakte Saß a.a.O.
34. Ebd.
35. Ebd.
36. Ebd.
37. Ebd.
38. Ebd.
 

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Von Hamburger NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Zuschauer/innen ... Eine Hamburg Topografie.

NS-Dabeigewesene

Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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