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Dr. Ernst Finder

(16.2.1865 – 11.7.1940)
Lehrer (Realschule Hamburg-Eilbeck)
und niederdeutscher Volkskundler,
seit 1918 wohnhaft in Hamburg-Hamm;
Ernst-Finder-Weg “ (Lohbrügge)

Ernst Finder (geboren am 16. Februar 1865 in Moorfleet bei Hamburg, gestorben am 11. Juli 1940 in Hamburg) war der Sohn des in Billwärder (damalige Schreibweise) ansässigen, „nicht unbetugten [sic!] Milchbauern“[1] Eggert Finder (1834-1914). Nach Schulbesuch, kaufmännischer Lehre und nachgeholtem Abitur studierte er von 1889 an in Berlin, Heidelberg und Göttingen. Ab 1896 absolvierte er sein Anleitungs- und ein Probejahr an Hamburger Schulen und promovierte 1898 an der Universität Rostock mit einem Beitrag zur niederdeutschen Geschichte: „Der Anteil des Grafen Anton I. von Oldenburg am Schmalkaldischen Kriege und die Eroberung von Delmenhorst 1547“. Ab Oktober 1899 war er Oberlehrer (seit 1915 „Professor“) an der Realschule Eilbeck (damalige Schreibweise) – bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1930. Seine Hauptfächer waren Geschichte, Erdkunde, Deutsch und Französisch. In Hamburg ließ er sich schließlich in Hamm nieder; seine Wohnung befand sich seit 1918 lange Jahre in der Meridianstraße 5, von 1933 bis 1940 im Dimpfelsweg 14.[2]

Der Dimpfelsweg wurde im Bombardement der „Operation Gomorrha“ 1943 vollständig zerstört.[3] Als Finder dort zu Beginn des „Dritten Reichs“ einzog, galt die Straße als „gutbürgerliche“ Wohnadresse. Die Hammer Landstraße mit der Eiffestraße verbindend, lag sie „auf der Grenze zwischen 'Oben' und 'Unten Hamm', dem Hamm der 'Bürger' und dem der Arbeiter.“[4]Im Dimpfelsweg Nr. 1 befand sich (bis 1936) zum Beispiel die Praxis des Hausarztes Dr. Max Besser[5], das gleiche Haus war die Adresse des Kinderarztes Dr. Moritz Heidemann und seiner Frau, der Frauen- und Kinderärztin Dr. Charlotte Heidemann (bis 1938). Im Haus Nummer 5 wohnte Professor Dr. Reinhold Mayer, Oberregierungsrat a.D., Landestierarzt in Hamburg[6], ebenso Professor Dr. Erich Titschak, Kustos am Zoologischen Museum[7]. Bis 1943 wohnte in dieser Straße auch Pastor Walther Hunzinger, in der NS-Zeit für die Bekennende Kirche engagiert. (1930 erschien seine Dissertationsschrift „Der Begriff des Gefühls und seine Wandlungen in Schleiermachers Religionsauffassung“ zunächst im Eigenverlag im Dimpfelsweg 22.)[8] Wenige Häuser weiter, Nr. 26, hatte bis 1943 ein Ex- und Importkaufmann, F. S. Hockenheimer, seine Wohnung.[9]

Moritz Heidemann und seiner Frau Charlotte gelang es noch, 1938 nach Argentinien zu emigrieren; Max Besser beging vor der Deportation nach Minsk 1941 mit seiner Frau Käthe Selbstmord; Fred Sally Hockenheimer, nachdem seine Frau Helene und ihr Sohn Karl-Heinz im Feuersturm 1943 umgekommen waren, wurde 1944 nach Theresienstadt und von da nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Dr. Ernst Finder hatte kein solches Schicksal zu befürchten. Seit seiner Promotion, während seiner Zeit als Lehrer in Eilbeck , aber auch in den Jahren nach seiner Pensionierung konnte er sich unbeirrbar dem einem Thema widmen, das ihn umtrieb: dem niederdeutschen „Volkstum“. Ausgehend von seiner „Heimat“, Billwärder und die Vierlande, entwickelte er eine rege volkskundliche Tätigkeit. Grundlegend war für ihn das Verständnis seiner engeren und weiteren „Heimat“ als Teil einer großen „niedersächsischen“ (oder „niederdeutschen“) Region, die nach Ansicht der Niederdeutschen Bewegung von Flandern bis über Ostpreußen hinaus ins Baltikum reichte. Es ging um die Verteidigung und Stärkung der plattdeutschen Sprache, einer angeblich damit verbundenen „niederdeutsche Wesensart“ und eines entsprechenden „Volkstums“. Dieses sollte letztendlich dem „Germanentum“ und, wie es später auch hieß, einer vermeintlichen „nordischen Rasse“ verpflichtet sein. „Wesentlicher Antrieb Finders war seine Auffassung, dass die kulturellen Zeugnisse der alten Zeit mehr und mehr durch die Veränderungen der Moderne verloren gingen. Er sah sich daher dazu berufen, die noch vorhandenen Spuren der urständigen Kultur jener Gebiete für die Nachwelt zu sichern.“[10]

So begann er zunächst, sich mit den Vierlanden zu beschäftigen. 1907 erschien als „wissenschaftliche Beilage zum Bericht über das Schuljahr 1906/07“ seiner Eilbecker Schule die Schrift „Die Vierlande um die Wende des 16. und 17. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte Niedersachsens.“[11]Kurz danach ergänzte er dies um ein Heft mit dem Titel „Kirche und Schule in den Vierlanden von 1550 bis 1650“.[12] Als er 1910 ein Buch über „Tracht, Haus und Hof der Vierländer“ für den „Verein für Hamburgische Geschichte“ rezensierte (er gehörte dem Verein seit 1905 an), sprach er zwar von einem „einzigartigen Werke“, breitete dann aber eine ausführliche Liste kritischer Einwände aus eigener Detailkenntnis aus.[13] 1914 veröffentlichte die „Pädagogische Vereinigung von 1905 in Hamburg“ ein „Heimatbuch“ mit Beiträgen verschiedener Autoren. Im Vorwort wurde als „großes Ziel“ genannt: „Liebe zu wecken zur Heimat!“ Dort hieß es: „Wer kann die hehre Erhabenheit, das tiefstinnere Wesen seiner Heimat ganz erfassen? Aber versuchen, ihr näherzukommen, die vielen feinen Fäden, die ins Innere führen, zu verfolgen, die reichen Schätze, die vielfach verborgen liegen, zu heben, den innigen Zusammenhang zwischen der mütterlichen Erde und unserer Wesensart zu ergründen – versuchen sollten es alle (…).“[14] Was konnte Finder zu einer solchen Ergründung des „Zusammenhangs zwischen mütterlicher Erde und Wesensart“ beisteuern? Er schrieb über „Die Vierlande“.[15]

Zur gleichen Zeit, kurz vor Kriegsbeginn, lag dem „Verein für Hamburgische Geschichte“ Finders Manuskript für ein Vierlande-Buch vor. (Der Druck verzögerte sich aber durch den Krieg und die nachfolgenden politischen und finanziellen Turbulenzen.) Zwei Jahre später, 1916, hielt Finder bei der „Deutschen Gesellschaft in Hamburg“, initiiert von dem Germanistik- und speziell Niederdeutsch-Professor Conrad Borchling vom „Allgemeinen Vorlesungswesen“, dem Vorläufer der Hamburger Universität, einen Vortrag über „Das Jahr und seine Feste in den Vierlanden“. Im „Verein für Hamburgische Geschichte“ sprach er im Juni 1918. Mochte außerhalb der Vereinsmauern auch die wilhelminische Welt ihrem Ende gerade rasant entgegengehen, Finder referierte über „Die Reformation und evangelisches Kirchenleben in den Vierlanden“.[16]

Erst 1922, nachdem eine private Spende die Drucklegung ermöglicht hatte, war es dann so weit: In zwei Bänden erschienen Finders langjährig und vielfältig zusammengetragenen Vierlandensien unter dem Titel „Die Vierlande. Beiträge zur Geschichte, Landes- und Volkskunde Niedersachsens“ als Veröffentlichung des „Vereins für Hamburgische Geschichte“.[17] Spätestens seitdem galt Finder in Hamburg und darüber hinaus als Experte in Sachen Vierlande, aber überhaupt als engagierter Parteigänger des Niederdeutschtums.

Bereits 1918 hatte er anlässlich der Rezension eines Buches von Hamburgs führendem Volkskundler, Otto Lauffer (1874-1949), dessen Konzept „der deutschen Volkskunde“ dargestellt. Lauffer wurde 1919 Professor an der Hamburger Universität und war ab 1908 Direktor des Museums für Hamburgische Geschichte, bis 1946; im Jahr 1933 gehörte er zu den Unterzeichnern des „Bekenntnisses der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“ (übrigens wie auch der genannte Germanistik-Professor Conrad Borchling und der Rassenbiologe Professor Walter Scheidt, von dem noch zu sprechen sein wird.)

Lauffers Buch, so Finder, berichte „über niederdeutsche Stammeskunde und Stammesveranlagung, über die äußeren Lebensformen des niederdeutschen Volkstums, über die Sprache und die volkstümliche Dichtung, den volkstümlichen Glauben und die volkstümliche Sitte. (…) Der Leser wird belehrt über Siedelungsverhältnisse, Hausbau, Hausrat, Tracht, über die Stellung des Hochdeutschen zum Niederdeutschen, über die Äußerungen der Volksseele, wie sie zum Ausdruck kommen in Sprichwörtern, Volksrätseln, Abzählreimen, Kinderreimen, Spottreimen, volkstümlichen Liedern u. a. m., über das Gebiet des sog. Aberglaubens, der mit der Volkssitte aufs innigste verwachsen, in unsere Urzeit zurückweist, über die in unsern Tagen wieder zu Ehren kommende Volksheilkunde, über die volkstümlichen Gebräuche, die vornehmlich den Kreislauf des Jahres sinnig schmücken und die Hauptstufen des menschlichen Daseins (Geburt, Jugend, Hochzeit, Ehe, Tod) verklären und adeln.“

Eine solche Ansammlung volkskundlicher Fundsachen füge sich dann „zu einem einheitlichen Bilde des niedersächsischen Volkstums“ zusammen.[18]

Dies war genau die Art von Volkskunde, die Finder vertrat und praktizierte – nicht nur in seinem Vierlande-Buch, sondern in allen weiteren Veröffentlichungen. Gleich, mit welcher Region er sich beschäftigte, der Blick ging zurück in die Vergangenheit, richtete sich auf Lebensformen, denen ein Wert zugesprochen wurde, welcher sich aus Distanz und Gegnerschaft zur Moderne - zu Aufklärung, Großstadt, Technik und Industrie, Demokratie und Weltoffenheit - rechtfertigte. Anhand der Veröffentlichungen Finders lässt sich zeigen, wie von dieser Position aus der Anschluss an die nationalsozialistische Blut- und Boden-Ideologie gesucht und gefunden werden konnte[19] und wie dies bei Finder tatsächlich auch geschah.

Ernst Finder als Elfenbeinturm-Privatgelehrten zu sehen, der seine Bestimmung vornehmlich weltabgewandt in Archiven und Bibliotheken suchte, wäre jedoch eine Fehleinschätzung. Wie schon erwähnt, nahm er an der Arbeit des Hamburger Geschichtsvereins aktiv teil und pflegte überhaupt seine Kontakte zu akademischen Kreisen; ebenso betätigte er sich aber in der Szene der Niederdeutschen Bewegung in Hamburg. Bei seinen volkskundlichen Recherchen sammelte er auch regelmäßig Informationen „vor Ort“, wobei ihm seine Plattdeutschkenntnisse halfen, mündliche Überlieferungen zusammenzutragen.

Schon 1904, als in Hamburg eine „Freie Vereinigung von Freunden der Niederdeutschen Sprache und Literatur“ gegründet wurde, die sich kurz danach den Namen „Quickborn“ zulegte, war Finder unter den Männern der ersten Stunde. Bald war dieser Verein die maßgebliche Gruppierung der Niederdeutschen Bewegung Hamburgs. Zu den entscheidenden „Machern“ des „Quickborn“ gehörten der nachmals langjährige Vorsitzende Paul Wriede (1870-1926), daneben Hinrich Wriede (1882-1958), Volkskundler, plattdeutscher Schriftsteller und Volkschullehrer, aber auch Johann Kinau (1880-1916), der sich als Schriftsteller Gorch Fock nannte. Alle drei hatten ihre familiären Wurzeln oder lebten und arbeiteten in Finkenwerder – und alle drei waren sich auch schon in Hamburg im niederdeutsch inspirierten „Kreis um die Himmelsleiter “ begegnet, wo Gorch Fock inmitten von Künstlern und Literaten eine zentrale Rolle spielte. Hans Friedrich Blunck (1888-1961), der damals auch dazu gehörte (ab 1933 war er erster Präsident der NS-Reichsschrifttumskammer, bis 1935), sprach von diesem Kreis als fast schon „geschlossene Kampfgruppe“ - es ging um „gemeinsamen Widerstand“ gegen „Berlin“.[20]

Als der „Quickborn“ etabliert war, entfaltete er eine rege Veranstaltungstätigkeit, und ab 1907 besaß er eine eigene Zeitschrift: die „Mitteilungen aus dem Quickborn“. Einer der ersten Vorträge im Verein wurde von Dr. Ernst Finder gehalten. Er sprach über „das Eindringen des Hochdeutschen in Hamburg“. Allein in den Anfangsjahren 1904 bis 1909 hielt er dort vier Vorträge; im Jahr 1936 verlieh ihm der „Quickborn“ den Titel „Ehrenmitglied“. (Finder war seit 1905 auch Mitglied im „Verein für Vierländer Kunst und Heimatkunde“; seit 1917 im „Verein zur Pflege der Natur- und Landeskunde in Schleswig- Holstein, Hamburg und Lübeck“; von 1917 bis 1923 vertrat er den Hamburger Geschichtsverein in der „Theobald-Stiftung zur Förderung der niederdeutschen Sprachforschung“.)[21]

Ernst Finder, Hinrich Wriede und Johann Kinau (Gorch Fock) wirkten dann 1914 auch gemeinsam an der erwähnten Veröffentlichung der „Pädagogischen Vereinigung“ mit.

Gorch Fock und Hinrich Wriede schrieben über Sagen, die Elbe, das niedersächsische Bauernhaus und Finkenwerder; Wriede bemerkte in diesem „Heimatbuch“ über die in seiner Sicht bedauerlichen Veränderungen in Finkenwerder: „Schon wohnen fremde Arbeiter, Holländer und Süddeutsche, auf unserer Insel; wie lange wird es dauern, dann werden Polen, Tschechen, Galizier und sonstige minderwertige Rassen ihren Einzug halten.“[22] 

Finders spätere volkskundliche Beschäftigung mit Finkenwerder hat demnach eine lange Vorgeschichte. Von 1919 an arbeitete er aber – im Auftrag des „Vereins für Hamburgische Geschichte“ - als Nächstes an einer Studie über Billwärder. Daneben widmete er sich ab 1922 einigen Aspekten der Geschichte Hamburgs. „Hamburgisches Bürgertum in der Vergangenheit“ hieß das Ergebnis schließlich; es hörte in seinen Betrachtungen Ende des 18. Jahrhunderts auf. So manche abstoßenden Seiten des städtischen Lebens wurden dabei herausgearbeitet, trotz vieler amüsanter und beeindruckender insgesamt. Der Rezensent des „Vereins für Hamburgische Geschichte“ nannte es eine „erstaunliche wissenschaftliche Leistung“ und meinte, „dem Verfasser hat zweifellos so etwas wie eine s t ä d t i s c h e V o l k s k u n d e vorgeschwebt“. Dass Finder hierbei seinem erprobten volkskundlichen Konzept treu geblieben ist, verdeutlicht die fast schon ironische Besprechung: „Daß der Autor dieser aus einer unübersehbaren Anzahl von historischen Mosaiksteinchen zusammengesetzten Arbeit gerade 'Finder' heißt, scheint nicht nur ein neckisches Spiel des Zufalls, sondern zugleich auch das namentliche Symbol seines heuristischen Erfolgs zu sein. Es überkommt den Leser der Lektüre des Buches sehr bald das Gefühl, als sei auch nicht das kleinste Kulturpartikelchen aus der hamburgischen Vergangenheit übersehen – als könnte das Werk schlechterdings nicht kompletter sein. Wie aus den Bezeichnungen der acht Hauptkapitel hervorgeht (Der Lebenskreis – Nahrungs- und Genußmittel – Gesundheit und Krankheit – Haus und Hausrat – Zeiten und Feste des Jahres – Gartenwesen und Gartenlust – Geselligkeit und Vergnügungen – Wege und Stege) wird ganz vorwiegend die sachliche Kultur behandelt und das Geistige nur gelegentlich im Rahmen von Sitte und Brauch erörtert.“[23] Das Werk war diesmal nicht vom Geschichtsverein, sondern vom Hamburger Staat finanziert worden. Es erschien in dem Jahr, 1930, in dem Finder seine Lehrertätigkeit beendete.   

Die folgende, seit 1919 längst vorbereitete Veröffentlichung erschien fünf Jahre später, 1935. Ein weiteres Mal – und nun wieder in gewohnt ländlich-antistädtischer Perspektive – legte Finder eine traditionell volkskundliche Kompilation vor, in diesem Fall unter dem Titel „Die Landschaft Billwärder, ihre Geschichte und ihre Kultur“.[24] Verändert hatten sich inzwischen aber die politischen Verhältnisse. Zuvor war Finders volkskundliche Arbeit auf die im Umkreis der Niederdeutschen Bewegung übliche kulturkritische, anti-modernistische Haltung begrenzt gewesen, wie sie etwa auch im „Quickborn“ gepflegt wurde. Dort, wie in der niederdeutschen Szene überhaupt, wurde 1933 der Beginn einer „neuen Zeit“ freudig begrüßt.[25] Auch im „Verein für Hamburgische Geschichte“, der bis 1937 noch nicht vollends den NS-Erwartungen entsprach, standen die Befürworter der nationalsozialistischen Herrschaft aber bereit, dem Zeitgeist Geltung zu verschaffen.[26]

Finder entschloss sich, in seiner Volkskunde Billwärders die Zeichen der Zeit in deutliche Worte zu fassen. „Seit der Neugestaltung des Reiches“, schrieb er, „ist auch für unsere Marsch eine neue Zeit heraufgezogen, die unter Verwirklichung der Volksgemeinschaft spürbar wird auf dem Gebiete der geistigen und sachlichen Kultur. Das Bauerntum, das von Natur aus für die Ernährung unseres Volkes zu sorgen hat, ist auch der unablässig fließende Quell für den Bestand, die Erneuerung der Lebenskraft unseres Volkes, das, wenn es die Urkräfte des deutschen Seins, Blut und Boden, die in Jahrhunderten deutsche Sonderart geformt haben, verleugnet oder ihr entsagen muß, in der Großstadt nicht selten in wenigen Geschlechterfolgen zu verkümmern pflegt.“ Und er fügte hinzu, was die Botschaft unanfechtbar zu machen versprach: „'Das Deutschland der Zukunft wird ein Bauernreich sein, oder es wird nicht sein.' (Adolf Hitler)“.

An anderer Stelle in diesem Buch bekannte er sich zu der von nationalsozialistischer Seite immer wieder angemahnten Ausrichtung der Heimat- und „Volkstums“-Arbeit auf Gegenwart und Zukunft: „In der starken Bewegtheit der Gegenwart kündet sich an, vollzieht sich eine Zeit- und Volkswende. Das Ziel des Dritten Reiches ist die innere Erneuerung des deutschen Volkes. Heimatliches Brauchtum guter Art soll wieder eine Stütze des Volkstums werden, denn in unserem selbstbewußten nationalen Staate sind die Werte des eigenen Volkstums erkannt, die Heimatbewegung hat kraftvoll eingesetzt: Sie will in allen Bereichen das Vätererbe, das Kulturgut volklich-heimatlichen Lebens, bewahren, soweit es gut und erhaltenswert ist, das Gemeinschaftsleben stärken und mit neuem Geist auf volksmäßiger Grundlage erfüllen. Die Vergangenheit soll wirksam bleiben, damit die Gegenwart sich wieder an ihr belebe und die Zukunft durch sie Kraft und Zuversicht gewinne.“[27]

Auch dieses Buch Finders wurde wegen „seiner Stoffülle“, „seinem reichen und sorgfältigen Quellennachweis“, jetzt aber auch wegen seiner „bewußt und betont reindeutschen Sprache“ gelobt, und dem Verfasser wurde eine tadellose „Haltung“ bescheinigt.[28]

Nach Erscheinen dieser Publikation war Finders nächstes Vorhaben in folgerichtiger Fortsetzung seiner bisherigen Arbeit auf ein besonders prägnantes Objekt niederdeutschen „Volkstums“ gerichtet. Die „Mitteilungen aus dem Quickborn“ zeigten im Jahrgang 1935/1936 an, dass Vereinsmitglied Dr. Ernst Finder an einem neuen Buch über Finkenwerder arbeite. Zugleich wurde angekündigt, dass für Mitte 1936 in Finkenwerder eine große 700-Jahr-Feier zu erwarten und dass der Finkenwerder Volksschullehrer Adolph Albershardt (1892-1969) damit befasst sei.[29] Er war gleichfalls „Quickborn“-Mitglied. Seit 1912 war er in Finkenwerder tätig und hatte sich nach dem Ende des Weltkrieges aktiv in die Gestaltung des Ortes eingeschaltet. Damit hatte er u.a. auch Anschluss an die aus „ Himmelsleiter “- und „Quickborn“-Zusammenhängen bekannten Finkenwerder gefunden – Gorch Fock (der allerdings 1916 gestorben war), statt seiner nach dem Weltkrieg sein Bruder Rudolf Kinau (1887-1975) und Hinrich Wriede.

Schnell galt der aus Lübeck stammende Albershardt, der seit 1918 für das Lokalblatt „Norddeutsche Nachrichten“ Beiträge zu Finkenwerder schrieb, als besonders dem Ort bzw., wie es meist hieß, der Insel verbundener Niederdeutscher. Als Finder 1935 für sein neues Buch zu recherchieren begann, habe er Albershardt gefragt, berichtete dieser 1940, „ob ich nicht selbst auf Grund meiner heimatlichen Forschung die Herausgabe eines Finkenwärder Buches plante, da gab es für mich nur eine Antwort: 'Finkenwärder kann keinen besseren Chronisten finden, als Sie es sind.'“ Und Albershardt ergänzte: „Es ist für mich eine herzliche Freude gewesen, daß sich durch die jahrelange Zusammenarbeit eine ehrliche Freundschaft zu dem 27 Jahre älteren Professor entwickelte.“[30]

Finkenwerder (oder „Finkenwärder“, wie der zu Hamburg gehörende Nordteil der Insel geschrieben wurde) war für Volkskundler schon länger von besonderem Interesse gewesen, da auf der relativ isolierten, „reinen“ Bauern- und Fischerinsel der mystifizierte „germanisch-nordische“ Mensch vermutet wurde, was zu einer „Stilisierung Finkenwerders zu einem Musterbeispiel für herausragendes rassisches Erbgut“ führte. So machten sich Volkskundler und Rassenbiologen auf die Suche nach dem „'niederdeutschen Menschen', als dessen Prototyp der Finkenwerder häufig angesehen“ wurde.[31] Hinrich Wriede, seit den „Quickborn“-Anfängen 1904 selbst als Volkskundler Finkenwerders hervorgetreten, tat sich deshalb 1925/1926 mit dem Hamburger Rassenkundler Walter Scheidt zusammen, der schon damals mit Hilfe von Schädelvermessungen usw. die „typische ererbte Eigenart des Finkenwärder Menschenschlages“ herausfinden wollte.[32]

Mit vielfacher Unterstützung Adolph Albershardts konnte Finder bei der Zusammenstellung seines Finkenwerder-Buches auf solche Vorarbeit zurückgreifen. Wie stets befragte er aber auch Finkenwerder Einwohner, „die in immer gern und zuverlässig gewährten Auskünften auf landes- und volkskundlichem Gebiet ein freundliches Entgegenkommen gezeigt haben.“[33] Ebenso trug er, wie gewohnt, zusammen, was sich in Archiven und Chroniken finden ließ. Insofern war das neue Werk, das Ende 1939 ausgeliefert wurde – als Erscheinungsdatum galt 1940 –, ein „typischer“ Finder. Der Verfasser nannte es: „Die Elbinsel Finkenwärder. Ein Beitrag zur Geschichte, Landes- und Volkskunde Niedersachsens.“[34] Auch dieses Buch übernahm der „Verein für Hamburgische Geschichte“ in sein Veröffentlichungsprogramm. In der Vereinszeitschrift

wurde von „einem umfassenden Werk“ gesprochen; der Verfasser habe sich und Finkenwerder damit „ein Denkmal gesetzt, für das ihm nicht nur die Elbinsel, sondern auch die Heimatstadt Hamburg Dank schuldet“. „Jeder Freund der Heimatgeschichte und des heimatlichen Volkstums wird viel Freude an dem Werke haben und man möchte ihm weite Verbreitung in unserem Heimatgebiete wünschen“, schrieb der Rezensent abschließend. Es war Adolph Albershardt.[35]

Nicht störend wurden Passagen empfunden, die an dem Erkenntnisgewinn (auch an der Formulierungssicherheit) solcher Volkskunde eher zweifeln lassen. Beispielsweise: „Die äußere Erscheinung des Menschen ist nicht nur durch die Körperbeschaffenheit bedingt, sie hängt auch zum nicht geringen Teil von der Körperbekleidung ab, ja, Mensch und Tracht können von innen her miteinander verwachsen sein.“ Oder: „Die Zahl der Bewohner ist durch fremdbürtigen Zuzug unaufhörlich gewachsen und ist noch immer im Ansteigen. Die Neusiedler entstammen den verschiedensten Teilen unseres Vaterlandes. Als eigentliche Finkenwärder fühlen sie sich nicht (oder noch nicht) trotz mehrfach eingegangener ehelicher Verbindungen mit alteingesessenen Familien des Landes. Unter den veränderten Zeitverhältnissen droht das Finkenwärder Volksleben seine Besonderheit zu verlieren.“[36]

Bei aller unverändert rückwärtsgewandten niederdeutschen Kulturkritik war Finder jedoch offenbar bewusst, dass Ende 1939/Anfang 1940 niederdeutsche Heimatpflege nicht ohne verstärktes Bekenntnis zu den Erwartungen der nationalen Gegenwart möglich war. Entsprechend wusste er „der Regierung des Dritten Reiches (…) zu danken“ - so etwa für die Aufwertung „der Landbevölkerung (…) im Gemeinschaftsleben“, z.B. durch „Verkehrsverbesserung“.[37] Wenn er die Fotos („Lichtbilder“) Albershardts lobte,

die in großer Zahl das Buch illustrierten, nannte er den Fotografen einen „Finkenwärder Volksgenossen“[38]. Der sprachlichen Anpassung an NS-Gepflogenheiten entsprach, dass Finder, dem es eigentlich um die Bewahrung des Überlieferten ging, nun dennoch die Errungenschaften der „neuen Zeit“ zumindest erwähnte. So registrierte er, dass „ein 50 Hektar großes Fluggelände entsteht, aus dem schon die ersten Hallen für Flugzeuge emporwachsen“ und dass „der Reichsstatthalter die Verlegung des Hamburg- Altonaer Fischereihafens und der mit ihm verbundenen Fischindustrie nach Finkenwärder“ verkündet habe.[39] Schließlich fasste Finder zusammen: „Eine neue Zeit ist für Finkenwärder angebrochen. Große Veränderungen stehen der Insel bevor“[40], und sein Fazit lautete: „Finkenwärder ist in völliger Umgestaltung begriffen. Das Großgewerbe nimmt von der Insel Besitz. Ein Straßennetz, an dem Zehntausende von Volksgenossen ihre Wohnstätte finden sollen, wird gebaut. Der Heimatfreund mag beklagen, daß im Laufe der Entwicklung die stillen landschaftlichen Schönheiten des Eilands verlorengehen. Indes: die Gegenwart fordert gebieterisch ihr Recht.“[41]

Wie sich volkskundliche Vergangenheitsorientierung mit der Anerkennung nationalsozialistischer Gegenwart verbinden ließ, zeigte dann eine Passage am Ende des Abschnitts „Brauchtum im Jahreslaufe“, wo Finder auf ein ganz aktuelles „Brauchtum“ hinwies – und damit zugleich seinem Mitstreiter Adolph Albershardt das Wort überließ: „Ihr verdienter Leiter äußert sich im folgenden über die Finkwarder Speeldeel“, leitete Finder dies ein.[42] Albershardt hatte nämlich 1936 vor der erwähnten 700-Jahr-Feier die niederdeutsche Volkstanz-, Trachten und Laienspielgruppe „Finkwarder Speeldeel“ neu belebt. Ursprünglich war sie 1906 von Gorch Fock und Hinrich Wriede gegründet und dann von Wriede nach dem Weltkrieg einige Jahre - letztlich vergeblich – weitergeführt worden. Nun schrieb Albershardt in Finders Buch über die „Speeldeel“:

„Eine Kampfgruppe für die Erhaltung und Sicherung des Volkstums war notwendig. (…) Als dann Finkenwärder seine 700-Jahrfeier 1936 begehen konnte, gründete Adolph Albershardt (…) die 'Finkwarder Speeldeel' zum dritten Mal. (…) Die 'Finkwarder Speeldeel' fand schon 1936 Anschluß an die NS-Gemeinschaft 'Kraft durch Freude' (Amt Feierabend, Abteilung Volkstum und Brauchtum). Höhepunkt im Dienst von 'Kraft durch Freude' waren eine Fahrt mit der 'Monte Olivia' nach Norwegen (1937), der Tanz vor Frau v. Horthy beim Führerbesuch auf Helgoland (1938), die Teilnahme mehrerer Paare an der Jungfernfahrt des 'Wilhelm Gustloff' nach Italien (1938) und die Mitwirkung auf den KdF-Reichskongressen in der 'Hanseatenhalle' beim 'Volk spielt fürs Volk' (1938 und 1939).“[43]

Das „Brauchtum im Jahreslaufe“, wie Finder formulierte, bot somit eine Gelegenheit, den Bogen in die Gegenwart des „Dritten Reichs“ zu schlagen. 1935 hatte Finder in seinem Billwärder-Buch frohlockt, „die Heimatbewegung hat kraftvoll eingesetzt“. Die „Vergangenheit soll wirksam bleiben“, hatte er NS-konform postuliert, „damit die Gegenwart sich wieder an ihr belebe und die Zukunft durch sie Kraft und Zuversicht gewinne.“ Vier Jahre später war nun deutlich, wo dies endete: bei „Kraft durch Freude“, beim „Dienst“ mit Plattdeutsch, Volkstanz und Trachtenpflege für den nationalsozialistischen Staat, der die „Volksgenossen“ gerade in die Zukunft eines Raub- und Vernichtungskrieges führte.

Finder hat sich auch nicht gescheut, das „Volkstum“ Finkenwerders dort aufzuspüren, wo es von vielen Niederdeutsch Bewegten schon lange vermutet und wo es im NS-Staat programmatisch verortet wurde: in der Rasse. Eine seiner „Erkenntnisse“ über „die“ Finkenwerder lautete, mit bezeichnendem Anfang: „Rassenmäßige Veranlagung, Geschichte, Umwelt und Familienverhältnisse, die von Natur gegebene Bodenform, Witterungsverhältnisse, der die wirtschaftliche Lage bedingende Beruf, auch die Nahrung haben die Wesenszüge der Bewohner geformt, haben ihre Denk- und Sinnesart gelenkt und ihr Volkstum bestimmt.“[44] So konnte er „über die körperlichen Eigenschaften der Finkenwärder“[45] schreiben - bzw. über die „körperlichen Rassenmerkmale, welche die alteingesessene Bevölkerung Finkenwärders kennzeichnen“.[46]  Daraus gelang es ihm einen zeitgemäß zufriedenstellenden Befund abzuleiten: „Die meisten Eigenschaften [der Finkenwerder] werden herkömmlicher[-] und wohl auch berechtigterweise der nordischen Rasse zugeschrieben.“[47] Hier bediente er sich der rassenbiologischen Angaben von „Universitätsprofessor Dr. W. Scheidt“ – jenes Scheidt, mit dem Hinrich Wriede schon 1926 das Finkenwerder „Volkstum“ ergründen wollte und der seine Studien inzwischen erweitert hatte.[48] Seit 1933 war er Professor für Rassenbiologie an der Universität, auf der umgewidmeten Stelle des jüdischen Philosophen Ernst Cassirer, der 1933 entlassen und in die Emigration gezwungen wurde. Solche Zusammenhänge zu bedenken, lag Finder offenbar fern. In seiner Volkskunde zählte als „Volk“ nur die „alteingesessene Bevölkerung“, nicht aber irgendwelche „fremdbürtigen Neusiedler“, die gewiss keine „eigentlichen Finkenwärder“ waren. Wie sollte, wer so schrieb, einen Gedanken auf einen jüdischen Philosophen verwenden?

Einige Monate nach Erscheinen des Finkenwerder-Buches starb Ernst Finder im Alter von 75 Jahren. Wie schon von Finders Finkenwerder Mitstreiter, Adolph Albershardt, wurde das Buch – und wurde sein Autor – allerorts geschätzt und empfohlen. Der (vertretungsweise amtierende) Vorsitzende des „Vereins für Hamburgische Geschichte“, Hans Nirrnheim, sprach 1940 anerkennend von einem Buch von „grundlegendem Werte“[49], und der Verein teilte den Mitgliedern und Freunden am 12. Oktober 1939, sechs Wochen nach Kriegsbeginn, mit, dass trotz wohl zu erwartender Finanzprobleme „mit dem Druck des Werkes von Ernst Finder (...) zu unserer Freude eben jetzt begonnen werden konnte. (…) Heil Hitler! Der Vorstand des Vereins für Hamburgische Geschichte.“[50] Dementsprechend zeigten die „Hamburgischen Geschichts- und Heimatblätter“ (ebenfalls vom Geschichtsverein herausgegeben) das Buch als eine der „wertvollen literarischen Neuerscheinungen“ an.[51] Kurz zuvor hatte der „Verein“ seinem „langjährigen Mitglied“ Dr. Finder die Lappenberg-Medaille in Bronze verliehen.[52]

Im Niederdeutsch-Verein „Quickborn“ sah man das alles ähnlich. Schon am 12. Februar 1936 war Finder der Titel „Ehrenmitglied“ verliehen worden – Vorstandsmitglied Hinrich Wriede verkündete den Beschluss -[53], und Otto Specht schrieb 1940 zu dem Finkenwerder-Buch Finders, es sei „besonders wertvoll, daß der Verfasser (…) den Sitten und Gebräuchen nachgegangen ist und das Ergebnis in diesem wertvollen Buche niedergelegt hat.“[54] Hans Bahn bescheinigte Finder zum 75. Geburtstag gar, er habe bereits 1922, in seinem Buch über die Vierlande, „einer späteren Zeit eine Einstellung zur Volkstumspflege vorweg[genommen], die heute nationalsozialistisches Gemeingut geworden ist.“ Von diesem Hans Bahn wurde in der zweiten Auflage dem Finkenwerder-Buch ein ergänzender Artikel als Anhang beigefügt.[55]

Die parteiamtlichen Propagandisten des Niederdeutschtums, die seit 1935 alle einschlägigen Aktivitäten unter dem Dach der „Vereinigung Niederdeutsches Hamburg“(VNH) zu kontrollieren suchten, boten den Vorsitzenden des VNH-Fachausschusses „Heimatliche Geschichte“ auf, Ernst Finder zu würdigen. Sozusagen im Auftrag des 1. Vorsitzender der VNH (NS-Kultursenator v. Allwörden) nutzte Rudolf Schmidt (Schulleiter der Oberschule für Jungen Eppendorf) als vielfältiger NS-Propagandist der Hansestadt das Dezember-Heft der „Niederdeutschen Warte“ 1940 zu einem Schwerpunkt: „Professor Dr. Ernst Finder zum Gedächtnis“. Schmidt selbst schrieb über den Volkskundler und sein letztes Buch über „Gorch Focks Fischerinsel“[56]. Dabei ging es ihm aber „Um eine Volkskunde der Großstadt“, wie er seinen Artikel überschrieb, und er bedauerte: „Allzu sehr hat sich die Wissenschaft von der Volkskunde auf die ländlichen Gebiete eingestellt (…).“ Mit dem Altonaer Volkskundler Otto Lehmann forderte Schmidt dann: „Eine ernsthafte Volkskunde, die das gesamte Volk umfassend sein Brauchtum, seine Kultur und die formenden Kräfte in Stadt und Land untersucht, muß zu Ergebnissen führen, die in ihrer praktischen Auswertung unserem ganzen deutschen Volke zugute kommen. Es handelt sich ja nicht um Erkenntnis. Wir treiben Volkskunde um unserer Zukunft willen, um zu wissen, - was habe ich zu tun!“ Solchen Erwartungen der NS-Partei hatte Finder nicht wirklich genügen können. So fand Schmidt schließlich, der Volkskundler sei „einer von denen“ gewesen, die eine NS-genehme Volkskunde in gewisser Weise vorbereitet hätten, der also den „Boden hat schaffen helfen“[57], mehr nicht, aber auch nicht weniger. Im Anschluss an Schmidts Artikel wurde Adolph Albershardt Gelegenheit gegeben, Finders „Persönlichkeit“ darzustellen.[58]

Für 1943 war eine zweite Auflage des Finkenwerder-Buches vorgesehen; dazu kam es jedoch nicht - in Folge der Bomben- und Feuerschäden im Verlauf der „Operation Gomorrha“ im Juli/August. Daraufhin entschieden der „Verein für Hamburgische Geschichte“ und der Verlag nach 1945, sobald es ging das Buch erneut herauszubringen. Sie bemühten Adolph Albershard für die nötigen Vorbereitungen. Der angeblich unveränderte Neudruck geriet auf diese Weise zu einer „entnazifizierten“ Version[59], in der NS-Vokabular und Passagen, die sich auf das „Dritte Reich“ bezogen, verschwunden waren oder verharmlosend umgeschrieben worden waren. Albershardt sorgte auch dafür, dass in der Darstellung seiner „Finkwarder Speeldeel“ möglichst jeder belastende Hinweis auf ihre NS-Verstrickung getilgt war. Das Gesamtkonzept des Buches, einschließlich der Auswertung der rassenbiologischen Untersuchungen Walter Scheidts, blieb jedoch unangetastet.[60] Kritik an der „deutschen Volkskunde“, die nach 1945 ganz grundsätzlich formuliert wurde, blieb unberücksichtigt.[61] So erschien Finders Buch erneut 1951.

Im Vorwort „Zum Geleit“ erfreute sich der Geschichtsverein unverändert „des vortrefflichen Werks“[62] und im „Quickborn“ fand Ludwig Lahaine, dass die Neuauflage „jedem Heimatfreunde zur wahren Freude“ erschienen sei, widme das Buch sich doch der „Elbinsel vor Hamburgs Toren, deren ursprüngliche Eigenart von der sich ausdehnenden Großstadt immer stärker verwirrt wird. (…) Finders letztes Werk ruft bei uns Älteren liebe Erinnerungen an das alte Finkenwerder wach (...).“[63]

Erinnerungen wohl auch an das alte, seit 1945 vergangene Hamburg, in dem Lahaine Mitarbeiter Rudolf Schmidts im Fachausschuss für „Heimatliche Geschichte“ der VNH gewesen war. Damals, 1940, hatte Ernst Finder noch vom NS-Senat (bzw. Reichsstatthalter und Gauleiter Kaufmann) die „Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes“ bekommen. Und ab dem 1. Januar 1943 war in Lohbrügge eine Straße nach dem Volkskundler benannt, der „ Ernst-Finder-Weg “.[64] Bis heute heißt er so.

Text: Ralph Busch, 2015

1 „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 29/1935-1936, S. 48
2 Zu Finders Biographie siehe Gunnar B. Zimmermann, „Finder, Ernst“, in: Hamburgische Biographie. Personallexikon, Band 6, Göttingen 2012, S. 91/92; ders., „Komplementäre Identitätsräume. Regionale Geschichtslandschaften in der bürgerlichen Gedächtniskultur Hamburgs von 1918 bis 1933“, in: Janina Fuge/Rainer Hering/Harald Schmid (Hg.), Das Gedächtnis von Stadt und Region. Geschichtsbilder in Norddeutschland (= Hamburger Zeitspuren 7), München/Hamburg 2010, S. 15-38; Hamburger Lehrerzeitung. Wochenschrift des Nationalsozialistischen Lehrerbundes Gau Hamburg 14/2. März 1935 [StAHH, Zeitungsausschnittsammlung, 731-8_A 756 Finder, Ernst]; Wikipedia: „Ernst Finder“: de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Finder (17.6.15) - Finders Dissertation erschien : Kiel 1898. - Zu seinen Wohnadressen: Siehe die Hamburger Adreßbücher ab 1918 und 1933 bis 1940.
3 Siehe die Schilderung in Renate Hauschild-Thiessen (Hg.), Die Hamburger Katastrophe vom Sommer 1943 in Augenzeugenberichten (= Veröffentlichungen des Vereins für Hamburgische Geschichte 38), Hamburg 1993, S. 75-81: „Erich Titschak: Dimpfelsweg 5“ und S. 157-159: „Erich Titschak: 'Mit leeren Händen verlassen wir die Stätte'“.
4 Hildegard Thevs, „Dr. Max Besser“, www.stolpersteine-hamburg.de/index.php?MAIN_ID=7&BIO_ID=1878 (17.6.15)
5 Ebd. - Zu Dr. Heidemann und seiner Frau Dr. Charlotte Heidemann: Eduard Seidler, Jüdische Kinderärzte 1933-1945. Entrechtet – geflohen – ermordet. Erweiterte Neuauflage. Jewish pediatricians – victims of persecution 1933-1945. Completed new edition, Basel u.a. 2007, S. 288
6 Siehe Standard Adressbuch der deutschen Tierärzte, tierärztlichen Behörden, Hochschulen und Vereinigungen, 1931, www.505083forumromanum.com/.../entry_ubb.user_505083.1385565378.1121993122.2.standard_adressbuch_deutschen_tieraerzte_tieraerztlichen_behoerden_hochschulen_und_vereinigungen-rheinische_ahnen_und.html (11.6.15)
7 Siehe Hamburger Adreßbuch 1940, S. IV/287 (vgl. Hauschild-Thiessen (wie Anm. 3) zu Titschak).
8 Zu Hunzinger siehe Rainer Hering, „Hunzinger, Walther“, in: Hamburgische Biographie. Personallexikon, Band 3, Göttingen 2006, S. 176.
9 Zu Hockenheimer: Stefanie Antoniadis-Wiegel/Susanne Lohmeyer/Hildegard Thevs, „Fred Sally Hockenheimer“, www.stolpersteine-hamburg.de/index.php?&MAIN_ID=7&p=85&BIO_ID=785 (11.6.15)
10 Zimmermann, Identitätsräume (wie Anm. 2), S. 20 – Generell: Kay Dohnke /Norbert Hopster/Jan Wirrer (Hg.), Niederdeutsch im Nationalsozialismus. Studien zur Rolle regionaler Kultur im Faschismus, Hildesheim/Zürich/New York 1994 – Den „Mythos germanischer Kontinuität“ hat schon Wolfgang Emmerich, Zur Kritik der Volkstumsideologie, Frankfurt/M. 1971, instruktiv behandelt; siehe unter neueren Beiträgen beispielsweise Ingo Wiwjorra, „Die deutsche Vorgeschichtsforschung und ihr Verhältnis zu Nationalismus und Rassismus“, in: Uwe Puschner/Walter Schmitz/Justus H. Ulbricht, Handbuch zur „Völkischen Bewegung“ 1871-1918, München/New Providence/London/Paris 1996, S. 186-207, und Rainer Kipper, Der Germanenmythos im Deutschen Kaiserreich. Formen und Funktionen historischer Selbstthematisierung (= Formen der Erinnerung 11), Göttingen 2002.
11 Erschienen: Hamburg 1907
12 Erschienen: o.O. o.J. [Hamburg ca. 1908]
13 Besprochen wurde das Buch Hermann Haase, Tracht, Haus und Hof der Vierländer. Beitrag zur Kulturgeschichte, Hamburg 1910, in der „Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte“ 15/1910, 273-277.
14 Pädagogische Vereinigung von 1905 in Hamburg (Hg.), Heimatbuch für unser hamburgisches Wandergebiet, Hamburg 1914, „Vorwort“
15 Ernst Finder, „Die Vierlande“, in: Heimatbuch (wie Anm. 14), S. 150-159
16 Siehe Mirko Nottsched/Myriam Richter, „Die 'Deutsche Gesellschaft in Hamburg' und ihre Sitzungen (1910-1925). Ein wissenschaftlicher Verein im Umfeld der Hamburger Germanistik“, in: Myriam Richter/Mirko Nottsched (Hg.), 100 Jahre Germanistik in Hamburg. Tradition und Perspektiven (= Hamburger Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte 19), Berlin/Hamburg 2011, S. 434, sowie „Mitteilungen des Vereins für Hamburgische Geschichte“ 13/1918, S. 118/119.
17 Zur Spende siehe Zimmermann, Identitätsräume (wie Anm. 2), S. 20, und dort Anm. 43.
18 Finders Besprechung galt Otto Lauffer, Niederdeutsche Volkskunde (= Wissenschaft und Bildung, Einzeldarstellungen aus allen Gebieten des Wissens 140), Leipzig 1917, und erschien in der „Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte“ 22/1918, S. 219/220. - Zu Lauffer: Bernward Deneke, „Lauffer, Otto“, in: Neue Deutsche Biographie 13/1982, S. 712/713; Wikipedia: „ Otto Lauffer“, de.wikipedia.org/wiki/Otto_Lauffer (11.6.15). Bislang steht eine eingehende Darstellung zu Lauffer und seiner Volkskunde aus: „Gerade in Hinsicht auf die politischen Verflechtungen von Lauffer im Speziellen und der [Hamburger Volkskunde] im Allgemeinen bedarf es für eine genaue Einordnung noch weiterer Forschung.“ (Victoria Asschenfeldt/Olaf Matthes (Hg.), Quellen zur Geschichte des Museums für Hamburgische Geschichte 1839 bis 1973, Hamburg 2014, S. 185)
19 „Die Verwandtschaft von niederdeutscher und nationalsozialistischer Bewegung rührt schlicht daher, daß beide der gleichen Wurzel entstammen: der großen konservativ-nationalen Strömung der deutschen Geistesgeschichte (…). Die (…) entwickelte Volkstumsideologie, die dann im 19. Jahrhundert Weltanschauung und Kultur Deutschlands so nachhaltig bestimmte, führte schließlich direkt in die Perversion des unbedingten Glaubens an Rasse, Blut und Boden. Zur Sicherung dieser ideologischen Kontinuität haben die regionalistischen Bestrebungen, hat bei uns [in Norddeutschland] die niederdeutsche Bewegung entscheidend beigetragen.“ (Claus Schuppenhauer, „Harry Wolff – geboren als Jude, Niederdeutscher aus Überzeugung. Vorläufige Nachricht von einem vergessenen Aktivisten der Heimatbewegung“, in: Friedrich W. Michelsen/Gerd Spiekermann (Hg.), Dat en Spor blifft. Ulf Bichel zum 60. Geburtstag am 9. April 1985 (= Quickborn Bücher 80/81), Göttingen 1985, S. 47 – Eine kritische Aufarbeitung der Volkskunde hat erst spät eingesetzt, siehe dazu u.a. Helge Gerndt (Hg.), Fach und Begriff „Volkskunde“ in der Diskussion (= Wege der Forschung 641), Darmstadt 1988; Wolfgang Jacobeit u.a. (Hg.), Völkische Wissenschaft. Gestalten und Tendenzen der deutschen und österreichischen Volkskunde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Wien/Köln/Weimar 1994
20 Hans Friedrich Blunck, „Gorch Fock und der 'Kreis um die Himmelsleiter '“, in: Walter Schnoor (Hg.), Gorch Fock und seine Heimat. Von Deich und Dünung, Berlin o.J. 1937, S. 203 – Dazu: Ulf-Thomas Lesle, „Hamburg als 'Mittelpunkt und Kraftquelle'. Die 'Niederdeutsche Bewegung' – ihre Voraussetzungen und Verbindungen“, in: Inge Stephan/Hans-Gerd Winter (Hg.), „Liebe, die im Abgrund Anker wirft.“ Autoren und literarisches Feld im Hamburg des 20. Jahrhunderts, Hamburg 1989, S. 69-82
21 Siehe Gunnar B. Zimmermann, Hamburgische Biographie. Personallexikon (wie Anm. 2), S. 92. - Zimmermanns Angabe (siehe ebd.), Finder habe ab 1908 beim „Quickborn“ Vorträge gehalten, ist insofern ungenau – siehe „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 1/1907-1908, S. 27, und 3/1909, S. 27-29.
22 Hinrich Wriede, „Finkenwärder, eine Fischerinsel“, in: Heimatbuch (wie Anm. 14), S. 173
23 Ernst Finder, Hamburgisches Bürgertum in der Vergangenheit, Hamburg 1930, wurde in der „Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte“ 31/1930, S. 265-268, von E. Grohne besprochen.
24 Ernst Finder, Die Landschaft Billwärder, ihre Geschichte und ihre Kultur (= Veröffentlichung des Vereins für Hamburgische Geschichte 9), Hamburg 1935
25 Siehe Fritz Specht, „Wo stehen wir Plattdeutschen?“, „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 26/Sommer 1933, S. 65-68; generell zur Szene: Kay Dohnke, „'Nordlüüd tohoop!' Plattdeutsch, Niederdeutsch, Nordisch. Zur ideologischen Radikalisierung norddeutscher Regionalkultur im Reflex auf die bildende Kunst zur Zeit des Nationalsozialismus“, in: Brigitte Hartel/Bernfried Lichtenau (Hg.), Architektur und bildende Kunst von 1933 bis 1945, Frankfurt/M. 1997, S. 53-74
26 Detailliert dazu: Joist Grolle/Ina Lorenz, „Der Ausschluss der jüdischen Mitglieder aus dem Verein für Hamburgische Geschichte. Ein lange beschwiegenes Kapitel der NS-Zeit (mit biographischem Anhang)“, „Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte“ 93/2007, S. 1-145
27 Ernst Finder, Billwärder (wie Anm. 24), S. 120 und S. 376
28 Besprechung von W. F. Lembke in der „Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte“ 35/1936, S. 118-122
29 Siehe „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 29/1935-1936, S. 48 (Finder), S. 120 (Albershardt) – Eine kurze, unkritische biographische Skizze zu Adolf (eigentlich: Adolph) Albershardt in Kurt Wagner/Rudolf Meier/Hinrich Stroh, Finkenwerder. Auf den Spuren der Vergangenheit, Hamburg 1986, S. 164/165.
30 Adolf Albershardt, „Finders Persönlichkeit. Mensch und Werk. II“, „Niederdeutsche Warte“ 8/1940, S. 4
31 Reinhard Goltz, Die Sprache der Finkenwerder Fischer. Die Finkenwerder Hochseefischerei. Studien zur Entwicklung eines Fachwortschatzes, Herford 1984, S. 38
32 Walter Scheidt/ Hinrich Wriede, Die Elbinsel Finkenwärder, München 1927, S. 114 – Zu H. Wriedes volkskundlichen Vorträgen im „Quickborn“ siehe z.B. „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 3/1909, S. 27-29 - Für das Buch von 1927 (zuerst: 1926) hatte Wriede den Teil „Volkstum“, Scheidt den Teil „Rasse“ beigesteuert. Zu Scheidts Rassenbiologie siehe u.a. Christian Hühnemörder, Biologie und Rassenbiologie 1933-1945“, in: Eckart Krause/Ludwig Huber/Holger Fischer (Hg.), Hochschulalltag im „Dritten Reich“. Die Hamburger Universität 1933-1945, 3 Bände, Berlin/Hamburg 1991, besonders S. 1169-1196. - Zu H. Wriede siehe Hans-Peter de Lorent, „ Die braunen Lehrer des schwarzen Schülers (Teil 1: Hinrich Wriede)“, „Hamburger Lehrerzeitung“ 10-11/2012, S. 50-54 (fortgesetzt in: ders., „ Die braunen Lehrer des schwarzen Schülers (Teil 2: Friedrich Grimm elshäuser)“, „Hamburger Lehrerzeitung“ 12/2012, S. 52-54).
33 Ernst Finder, Die Elbinsel Finkenwärder. Ein Beitrag zur Geschichte, Landes- und Volkskunde Niedersachsens (= Veröffentlichung des Vereins für Hamburgische Geschichte 13), Hamburg 1940, „Vorwort“
34 (Wie Anm. 33) - Die Ausgabe von 1951 trägt den unveränderten Titel.
35 Besprechung in der „Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte“ 39/1940, S. 236/237
36 Ernst Finder, Finkenwärder (wie Anm. 33), S.130 und S.192 -Finders Wortwahl „fremdbürtig“ ist als persönliche und altmodische Variante zu „fremdblütig“ zu lesen, welches „schon im völkischen Sprachgebrauch“ eingeführt war, bevor es zur NS-Vokabel wurde. (Cornelia Schmitz-Berning, Vokabular des Nationalsozialismus, Berlin/New York ²2007, S. 236. Siehe die Einträge „fremdblütig“, S. 236/237, und „fremdvölkisch“, S. 239/240.)
37 Ernst Finder, Finkenwärder (wie Anm. 33), S. 137
38 Ebd., „Vorwort“
39 Ebd., S. 64
40 Ebd., S. 172
41 Ebd., S. 331
42 Ebd., S. 284
43 Ebd., S. 284/285
44 Ebd., S. 133
45 Ebd.
46 Finder bezieht sich hier (ebd.) auf Scheidts Buch „Bevölkerungsbiologie der Elbinsel Finkenwärder vom Dreißigjährigen Kriege bis zur Gegenwart“, Jena 1932: „Die körperlichen Rassenmerkmale, welche die alteingesessene Bevölkerung Finkenwärders kennzeichnen, sind in einem aufschlußreichen Buch von dem hamburgischen Universitätsprofessor Dr. W. Scheidt, S. 81 ff. aufgezeigt (…).“ (Das Buch erschien als Band 10 der Reihe „Deutsche Rassenkunde. Forschungen über Rassen und Stämme, Volkstum und Familien im deutschen Volk“ bzw. als Band 2 von „Niedersächsische Bauern“.)
47 Ernst Finder, Finkenwärder (wie Anm. 33), S. 134
48 Vgl. Anm. 32.
49 Hans Nirrnheim im „Vereinsbericht für das Jahr 1940“ : „Hamburgische Geschichts- und Heimatblätter“ 13/April 1941, S. 34/35
50 Rundschreiben des Vereinsvorstandes am 12. Oktober 1939 „An die Mitglieder und Freunde des Vereins für Hamburgische Geschichte!“, Privatbesitz
51 „Hamburgische Geschichts- und Heimatblätter“ 12/Mai 1940, S. 302
52 Siehe ebd., S. 300
53 Siehe „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 29/1935-1936, S. 47
54 Otto Specht zu Finders Finkenwerder-Buch in „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 34/1940-1941, S. 38.
55 Hans Bahn in „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 33/1939-1940, S. 192 – Zu Hans (Johannes) Bahn siehe Birte Pusback, „ Hans Bahn und die Hamburger Denkmalpflege 1934-1945“, in: Ruth Heftrig/Olaf Peters/Barbara Schellewald (Hg.), Kunstgeschichte im „Dritten Reich“. Theorien, Methoden, Praktiken, Berlin 2008, S. 337-346; Manfred F. Fischer, „ Hans Bahn (1934-1945)“, in: Manfred F. Fischer/Elke Först, Denkmalpflege in Hamburg. Idee – Gesetz – Geschichte (= Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Hamburg 19), Hamburg 2000, S. 49-56. Der „Quickborn“-Autor Bahn hatte nicht zufällig über Finder geschrieben. Bahn war ab 1934 bis 1945 kommissarischer Leiter des Hamburger Denkmalschutzamtes, das zur Behörde für Volkstum, Kirche und Kunst gehörte, also von v. Allwörden geführt wurde, der auch die „Vereinigung Niederdeutsches Hamburg“ leitete. Auch Bahn war ein Vertreter des „Heimatgedankens“, was für ihn von Amts wegen hieß, alten Baubestand zu konservieren. „Ohne Heimatliebe keine Vaterlandsliebe!“ hatte er schon 1936 als Losung ausgegeben (siehe Pusback, a.a.O., S. 342) und 1942 hieß es in einer anderen Schrift Bahns: „Wir glauben, dass unser Volk ohne Tradition, ohne innere Bindung an die Leistungen der Vorfahren nicht den Weg in die Zukunft nehmen kann mit derjenigen Sicherheit, die der angeborene Instinkt verleiht. (…) Wenn der Staat unser Volk emporentwickeln will, so ist die Erhaltung der grossen, bodenständigen Kultur und ihre Erschliessung für alle eine sittliche Pflicht.“ (Zitiert nach ebd., S. 341)
Sein Text „Zwei Finkenwärder Haustypen“, angefügt in der Neuauflage des Finder-Buches (S. 332-337), stammt aus diesen Zusammenhängen. (Die beigefügten Haus-Darstellungen wurden von Bahns Mitarbeiter Gädtgen im Mai 1935 angefertigt.) Der herausgebende Geschichtsverein fand 1951, dies sei „eine wertvolle Ergänzung der Finderschen Ausführungen über die Bauweise auf der Insel“ (Finder (wie Anm. 62), „Zum Geleit“) Wie Bahn vor 1945 meinte auch der Geschichtsverein 1951 mit beachtenswerter „Bauweise“ nur solche Bauwerke, die aus der Vergangenheit vor Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts stammten.
Hans Bahn war „1933 (…) der NSDAP beigetreten. Nach eigenem Bekunden beschränkte er aber seine Mitarbeit (…) bald auf das unbedingt Notwendige“.(Fischer, a.a.O., S. 50). Er war, befindet Fischer, ein „Mitläufer aus Berufsidealismus“ (ebd.). „Die extrem konservative, völkische Tradition der Institution [Denkmalpflege] – die durchaus auch nach 1945 noch Spuren hinterlassen hat -“, heißt es dagegen bei Hermann Hipp, „machte ihre Vertreter zu den prädestinierten Erfüllungsgehilfen des Nationalsozialismus, ob sie das bewusst so erstrebten, nur einfach in Kauf nahmen oder sogar gelegentlich in Frage stellten. Bahn war in diesem Sinne Nationalsozialist und hat nationalsozialistisch ausgerichtete Denkmalpflege betrieben, daran kann gar kein Zweifel bestehen. Niedersächsische Bauerhäuser und die in der geplanten 'Denkmalzone Cremon ' [in der Hamburger Altstadt] stilisierte Bürgerhaustradition in sozialhygienischer und niederdeutsch-völkischer Deutung bestimmen die Ziele seiner Arbeit.“(Hermann Hipp, „Rezension zu Fischer/Först, Denkmalpflege in Hamburg, Hamburg 2000“, „Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte“ 87/2001, S. 239-245, Zitat: S. 242)
56 Rudolf Schmidt, „Um eine Volkskunde der Großstadt“, „Niederdeutsche Warte“ 8/Dezember 1940, S. 2
57 Ebd.
58 Siehe Adolf Albershardt, „Finders Persönlichkeit. Mensch und Werk II“, „Niederdeutsche Warte“ 8/Dezember 1940, S. 4 – Einen ersten Teil zu Persönlichkeit und Werk Finders steuerte Gustav Apel bei, der u.a. im Bereich Alstertal volkskundlich aktiv war und daher sowohl Finder als auch Rudolf Schmidt bekannt war; siehe z.B. Armin Clasen/Walter Rehders/G[ustav] Apel, Hummelsbüttel und Poppenbüttel. Geschichte zweier Dörfer und ihrer Höfe (= Die Bauerndörfer vor den Toren Hamburgs 1, hrsg. v. Rudolf Schmidt für d. Vereinigung Niederdeutsches Hamburg, Fachgruppe Heimatliche Geschichte), Hamburg 1938
59 Harald Schloz, Finkenwerder – vom „Fischeridyll“ zum „Industriestandort“?, Hamburg 1996, S. 11, spricht davon, es handele sich um eine „sozusagen 'entnazifizierte'“ Neuauflage. Jens Homann hat die beiden Ausgaben von 1940 und 1951 detailliert verglichen und eine Synopse der Veränderungen vorgelegt, z.T. unter Verwendung von Vorarbeiten von Joist Grolle. Siehe Jens Homann, Die Zeit des „Dritten Reiches“ in Finkenwerder im Spiegel der heimatgeschichtlichen Literatur, unveröffentlichtes Typoskript, 2 Bände, Hamburg 2009, Band 2, S. 132 und S. 134-138.
60 Auch in der Ausgabe von 1951 wird Scheidt unverändert mit rassenbiologischen Angaben herangezogen - siehe etwa die Literaturliste, S. 338, oder die zitierten Aussagen, S. 133 (vgl. Anm. 44, 45, 46); der Gesamtaufbau des Buches bleibt unverändert.
61 Der Soziologe Heinz Maus legte 1946 kritische Überlegungen „Zur Situation der deutschen Volkskunde“ vor, in denen es hieß: „Mag immerhin da und dort die Volkskunde auf alte Weise sich umtun – wie Herbarien nützlich sind, nützlicher aber die Laboratorien für Pflanzenzüchtung, so auch sind von ihr Untersuchungsmethoden heute aufzunehmen, die sich einmal durch ihr Objekt bestimmen: durch die Sozialordnung, welche ein Volk und seine Kultur kennzeichnet; die damit aber auch die hergebrachte Volkskunde selber gründlich verändern möchte.“ (Text in Gerndt (Hg.), Fach und Begriff „Volkskunde“ (wie Anm. 19), S. 36.) Weder die Volkskundler selbst noch ihr Umfeld (wie z.B. in diesem Fall der „Verein für Hamburgische Geschichte“) waren damals aber zu einer „gründlichen Veränderung“ bereit.
62 Ernst Finder, Die Elbinsel Finkenwärder. Ein Beitrag zur Geschichte, Landes- und Volkskunde Niedersachsens (= Veröffentlichung des Vereins für Hamburgische Geschichte 13), Hamburg, 2. Aufl.,1951, „Zum Geleit“
63 „Mitteilungen aus dem Quickborn“ 43/1952, S. 11/12
64 Zur „Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes“ siehe Gunnar B. Zimmermann, Hamburgische Biographie. Personallexikon (wie Anm. 2), S. 92. (Die Medaille, in der NS-Zeit ausschließlich in Bronze, zeigt auf der Vorderseite das Hamburger Wappen mit zwei Löwen und die Schrift „Freie und Hansestadt Hamburg“, auf der Rückseite den Text „Das Gemeinwohl ist das höchste Gesetz“, kranzförmig umrahmt von zwei Lorbeer-Zweigen. Auch nach 1945 wurde und wird die Medaille vom Hamburger Senat verliehen (nun auch in Silber). Als Finder sie 1940 bekam, befand sich zwischen den Spitzen der Lorbeerzweige allerdings ein Hakenkreuz.) - Die Benennung des „ Ernst-Finder-Weg s“ erfolgte nach Zimmermann (siehe ebd.) 1942, laut dem Bergedorfer Archiv Ludwig Uphoff offiziell (laut „Amtl. Anzeiger Nr. 1“) am 1. Januar 1943. Siehe www.bergedorf-chronik.de/strassen/html/E0156.html (18.6.15)
 

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Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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