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Walter Frahm

(31.8.1883 Rethwischfeld - 26.4.1969)
Schulrektor in Wandsbek, Heimatforscher
Wohnadresse: Kurfürstenstraße 39 in Wandsbek (1938)
Namensgeber für Walter-Frahm-Stieg , Wandsbek (1983)

(Teil 1)

Ein Wandsbeker Heimatforscher, nach dem in Hamburg eine Straße benannt wurde, war schon in jungen Jahren karrierebewusst, seit 1920 Rektor. Am 1.5.1933 trat er in die NSDAP ein, blieb Rektor und zeigte dabei eine unrühmliche pädagogische Haltung.

Walter Frahm wurde am 31.8.1883 als Sohn des Lehrers und niederdeutschen Schriftstellers Ludwig Frahm in Rethwischfeld geboren. Nach Besuch des Lehrerseminars in Ratzeburg absolvierte er dort am 18.2.1904 die erste Lehrerprüfung, die zweite Lehrerprüfung am 25.4.1907 in Kiel. Er bestand am 6.11.1914 die Mittelschullehrerprüfung ebenfalls in Kiel, die ihn zur Übernahme einer Rektorenstelle befähigte. Diese übernahm er dann am 7.11.1916 in Kiel, 1920 wurde er zum Rektor ernannt. „Begünstigt" wurde die schulische Karriere durch die ärztlich attestierte „Daueruntauglichkeit für den Militärdienst", die Walter Frahm vor dem vierjährigen Kriegsdienst bewahrte. [1]

Walter Frahm, Vater von vier Kindern, musste sich stets um die Versorgung seiner Familie bemühen. Er zeigte aber auch schon in jungen Jahren Ambitionen und war karrierebewusst. Das mag mit seinem bekannten Vater im Zusammenhang gestanden haben. Als Walter Frahm 80 Jahre alt und vom „Hamburger Abendblatt“ gewürdigt wurde, entstand der Eindruck, als habe er stets im Schatten von Ludwig Frahm gestanden. Dieser, Pädagoge, Schriftsteller und Märchensammler, hatte 1900 den Alster-Verein gegründet und war Schriftleiter der Jahrbücher des Vereins. Walter Frahm „fühlte sich dem Schaffen seines Vaters Ludwig Frahm verpflichtet“ und setzte dessen Arbeit fort. Er bekannte: „Ich wäre nichts ohne den Vater. Mein Vater konnte alles besser als ich und sah die Probleme tiefer", äußerte sich Walter Frahm bescheiden, wie das Hamburger Abendblatt verriet. [2]

Weniger bescheiden agierte Walter Frahm im beruflichen Leben. Am 10.5.1930 stellte er ein Gesuch, in den Schulaufsichtsdienst übernommen zu werden. Unterstützung bekam er durch den von Ludwig Frahm gegründeten Alster-Verein. Dessen 1. Vorsitzender, Hans Dreckmann, schrieb am 7.5.1930 an den Regierungspräsidenten in Schleswig: „Der unterzeichnete Verein hat seit dreißig Jahren seine Tätigkeit im Sinne der heimatlichen Volkshochschule ausgeübt und den Schulen des Kreises Stormarn – besonders der Alstergegend – viel heimatkundliches Material geliefert. Da uns jetzt bekannt wird, daß die Stelle des Kreisschulrats für Stormarn demnächst zu besetzen ist, bitten wir darum, daß ein Schulmann aus unseren Reihen für diesen Posten durch den Herrn Minister ernannt wird. Es handelt sich um den Rektor Walter Frahm aus Wandsbek, der seit 1924 das Ehrenamt eines Archivpflegers für Stormarn bekleidet und sich auf dem Gebiet der Heimatkunde für unsere Gegend in Wort und Schrift – Vorträge und Aufsätze – betätigt hat. Wir verweisen dabei auf die Tätigkeit des Vaters dieses Mannes, des Heimatschriftstellers Ludwig Frahm, und auf die Jahrbücher des Alstervereins. 2 Exemplare anbei.

Wir glauben, daß ein Kreisschulrat, der unsere Gegend und unsere Verhältnisse kennt, unter der Lehrerschaft und der gesamten bodenständigen Bevölkerung sehr anregend wirken kann. Die beigegebenen Jahrbücher unseres Vereins geben am besten den Beweis, in welchem Sinne unser Verein bisher gearbeitet hat. Wir bitten über unseren Verein und den Rektor Frahm Erkundigungen bei dem Herrn Landrat unseres Kreises einzuziehen.“[3]

Aus diesen Ambitionen wurde nichts. Frahm blieb Rektor, leitete weiter Grundschul- Arbeitsgemeinschaften und solche für Heimatkunde und Lehrplanfragen. Er war Sammler volkskundlichen Materials, veröffentlichte. „Das größte Werk ist sein ‚Stormarn-Buch‘, das 1938 erschien, ein großes Geschichtswerk über das Gebiet zwischen Hamburg und Lübeck." [4]

Am 20.2.1932 beantragte Frahm eine Amtszulage, weil er eine Schule mit 16 Planstellen und 15 Klassen führte. Ein Vater von vier Kindern muss sich in diesen Zeiten um deren Versorgung sorgen.

Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, trat Walter Frahm in die NSDAP ein, Aufnahmedatum der 1.5.1933, ebenfalls in den NSLB und die NSV. [5]

Eine Hospitation von Schulrat Scheer, der an seiner Stelle in das Amt gekommen war, in seinem Religions- und Erdkundeunterricht kommt zu positiven Ergebnissen. Schulrat Scheer resümierte: „Rektor Frahm unterrichtet erfolgreich. Einzelne Klassen müssen von ihm öfter und schärfer beobachtet werden." [6]

Intensiver beschäftigte sich Walter Frahms Personalakte mit zwei Vorfällen, die ein ungünstiges Licht auf dessen Charakter und Verhalten werfen.

Am 3.11.1934 beschwerte sich die Direktorin der städtischen Haushaltungsschule in Wandsbek, Magdalene Junge, über Walter Frahm. Frahm hatte sich als Vater über die Zeugnisnoten seiner Tochter mokiert und das erteilte Zeugnis der Schule zurückgegeben, „in dem Herr Rektor Frahm das seiner Ansicht nach nicht Zutreffende rot unterstrichen und durchgestrichen hatte." [7]

Direktorin Junge erklärte, alles eingehend geprüft zu haben, mit dem Ergebnis, „sämtliche Zeugnisnoten würden zu Recht bestehen“. Sie schloss ihre Beschwerde: „Ich muss mich auch dagegen verwahren, dass an einem von der Schule ausgestellten Zeugnisse eine derartige sachlich nicht berechtigte und in der Form ungehörige Kritik geübt wird."

Walter Frahm ärgerte sich darüber, dass die Direktorin der Haushaltungsschule sich in dieser Angelegenheit „ohne meine Ermächtigung" an die vorgesetzten Stellen in Schleswig gewandt hatte. Er habe seine Argumente anlässlich eines Besuchs von Frau Junge an seiner Schule, von der stets Mädchen für die Haushaltungsschule rekrutiert wurden, genannt. Im mündlichen Gespräch habe Frahm seine Argumente für bessere Noten vorgebracht. Danach erst schickte er das Zeugnis ein, „kennzeichnete aber, da bei der Unterredung das Zeugnis nicht vorgelegen hatte, diejenigen Fächer, in denen meine Tochter und ihr Vater bessere Zensuren erwartet hatten“.

Frahm verwies auf die Notwendigkeit besserer Zensuren: „Da meine Tochter über FAD auf Landjahr-Lehrgänge übergehen möchte, braucht sie, wenn sie im Wettbewerb mit anderen jungen Mädchen nicht von vornherein unterliegen soll, die erwarteten Zensuren."

Frahm machte deutlich, warum er die Leistungen seiner Tochter besser beurteilen könne als die jeweiligen Pädagoginnen der Haushaltungsschule: „Das Grundsätzliche, das m. E. aus der Angelegenheit hervorschaut, besteht wohl darin, dass kinderlose Lehrerinnen bei der Zensurenerteilung den Lebenskampf anders erkennen, als ein Vater einer kinderreichen Familie." [8]

Stadtschulrat Scheer wurde damit befasst und schrieb an den Regierungspräsidenten: „Herr Rektor Frahm sollte auf Veranlassung des Herrn Regierungspräsidenten der Direktorin gegenüber sein Bedauern aussprechen. Dieser Aufforderung ist er nicht nachgekommen, sondern hat mir zur Weiterleitung an den Herrn Regierungspräsidenten das folgende Schreiben übergeben. Es handelt sich bei dem ganzen Vorgange nicht um eine ungerechte Zeugniserteilung, sondern darum, dass ein an einer öffentlichen Schule tätiger Schulleiter ein ordnungsgemäß ausgestelltes Zeugnis einer anderen öffentlichen Schule mit Buntstift durchgestrichen und dadurch wertlos gemacht hat." [9]

Es dürfte daraufhin ein Normen verdeutlichendes Gespräch mit Rektor Frahm gegeben haben.

Ein anderer Fall, der in der Personalakte von Walter Frahm ausführlich dokumentiert ist, stellte ebenfalls kein Ruhmesblatt für den Pädagogen Walter Frahm dar, auch wenn er wohl einer damals häufig praktizierten Norm entsprach.

Am 8.11.1940 beantragte der Vater Friedrich Stucken ein Disziplinarverfahren „gegen Direktor Frahm wegen Übertretung der Züchtigungsrechte" gegenüber seinem Sohn, der Schüler an der von Walter Frahm geleiteten Schule war. Der Vater schildert den Fall folgendermaßen:

„Mein Sohn Arno hat am Morgen des 5. Novembers mit seinem Freund vor Beginn der Schule durch ein offenstehendes Fenster Eingang genommen und gemeinsam mit seinem Freunde Schularbeiten erledigt. Dieses ist von einem Lehrer gesehen worden und ist dem Direktor gemeldet. Sein Freund hat 2 Stockhiebe erhalten und Arno wurden sofort vom Direktor 25 Stockhiebe angedroht. Er hatte fünf Stockhiebe erhalten und wurde durch eine Lehrerin unterbrochen. Wie mein Sohn Arno einen Moment Zeit gewonnen hatte, verliess er fluchtartig die Schule und lief nach Hause. Meine Frau hörte morgens im Garten einen großen Lärm und sah wohl ca. 20 Jungen mit großen Stöckern bewaffnet und fragte sie was los wäre. Die Jungens erklärten, sie hätten von dem Lehrer Auftrag erhalten Arno einzufangen. Hierauf erschien der Schuldiener und verlangte von meiner Frau, dass Arno sofort die Schule aufsuchen sollte, wenn er dies nicht täte würde er die Polizei benachrichtigen die dann Arno abführen sollte. Meine Frau liess sich nicht einschüchtern sondern erwiderte ihr Mann würde schon diese Angelegenheit regeln. Leider war mein Sohn Arno inzwischen in den Garten gegangen und verstand der Schuldiener Arno einzuschüchtern und gab ihm das Versprechen dass er keine Stockschläge mehr bekommen würde. Hierauf ging Arno mit zur Schule und wie er dort ankam nahm ihn Herr Dir. Frahm sofort mit und nahm obendrein noch drei Lehrer hinzu die abwechselnd diesen kleinen Knirps von zehn Jahren über den Tisch zogen und ihm eine große Anzahl Stockhiebe aufzählten. Das Geschrei hat die ganze Schule gehört und ist für die Zukunft mein Sohn derart heruntergesetzt, dass er sich wohl nie mehr in der Schule wohl fühlen wird." [10]

Der Vater legte ein ärztliches Attest vor, aus dem hervorging, dass der zehn-jährige Sohn „am linken Gesäß eine große stark angeschwollene blutangelaufene Hautstelle hat, auf der eine größere Anzahl Stockhiebe sichtbar sind". [11]

Der Vater war auch deswegen empört, weil sein Sohn „sehr zart und unter ärztlicher Kontrolle und Aufsicht“ wegen diverser Krankheiten stand.

Die Schule und Schulleiter Frahm bagatellisierten den Vorgang, beschrieben den Sohn als schwierig und verhaltensauffällig. Schulrat Hugo Millahn, Nationalsozialist der ersten Stunde, untersuchte den Fall und erstellte einen Bericht, der zu dem Schluss kam, dass die Beschwerde des Vaters zurückgewiesen werden müsse. Und  Stadtinspektor Kunstmann befand am 5.12.1940: „Von einer Überschreitung des Züchtigungsrechts kann nicht gesprochen werden. Die Bestrafung des Stucken ist ordnungsmäßig im vorgeschriebenen Buch am Tage der Züchtigung eingetragen worden." [12]

In Millahns Bericht war festgehalten, dass die Mitschüler des Zehnjährigen ihn überredet hatten, wieder in die Schule zu kommen. „Er ist ihnen dann gefolgt und wurde dann vom Rektor in der Schule bestraft. In Zeugengegenwart – Lehrer Geib und Wriedt – erhielt der Junge zuerst einen Schlag mit einem von der Schulverwaltung gelieferten Stock, der aber durch die Widerspenstigkeit des Jungen vorbei ging. In Folge fortgesetzter Widerspenstigkeit haben dann die Lehrer Geib und Wriedt ihn übergelegt, und er hat dann vom Schulleiter noch 3 weitere Stockschläge erhalten. Insgesamt also hat er 4 Stockschläge bekommen. Nach dieser Bestrafung hat er dann noch 2 Stunden in der Schule gesessen, ohne darüber Klage zu führen, dass er nicht sitzen könne."

Den Wunsch des Vaters, den Sohn umzuschulen, lehnte die Schulverwaltung ab. Schulleiter Walter Frahm wurde seinerseits bei der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) aktiv, und stellte einen Antrag, den zehnjährigen Sohn von Friedrich Stucken in „Zwangserziehungsfürsorge" zu nehmen. [13]

Das Ende des Falles ist nicht dokumentiert. Der Vater brachte ein Attest bei, sein Sohn leide nach der Züchtigung des Schulleiters unter „nervösen Angsterscheinungen“ aufgrund des „starken Schocks“ und könne vorerst einen Monat nicht zur Schule gehen.

Die Kommentierung schulischer Disziplinarmaßnahmen nach Aktenlage erscheint schwierig. Ein pädagogisches Ruhmesblatt stellte die dargestellte Züchtigung in keinem Fall dar. Auch wenn in diesen Zeiten und auch noch nach 1945 die Prügelstrafe auf der „unpädagogischen“ Tagesordnung stand.

Auf Anordnung der britischen Militärregierung wurde Walter Frahm 1945 als Schulleiter amtsenthoben, da er schon 1933 der NSDAP beigetreten war. [14]

In der neuen Hamburger Schulbehörde wurde Frahm anders bewertet. So schrieb der gerade berufene Schulrat Hans Brunckhorst: „Herr Rektor Frahm hat sich nach den mir gewordenen Erkundigungen als Lehrer und Schulleiter bewährt. Er hat sich auch während der ‚Nazi-Regierung‘ schützend vor seine Schule und seine Mitarbeiter gestellt." [15]

Walter Frahm legte Einspruch gegen die Amtsenthebung ein. Sein Argument: „Im April und Mai 1933 lagen für uns Schulleiter in Altona und den Elbgemeinden, in Wandsbek, Rahlstedt und den Alstertalgemeinden die Verhältnisse bezüglich der Bedrohung und Bedrängung durch die Nazi-Partei wesentlich anders als für unsere Kollegen auf hamburgischen Gebiet. Somit erfolgte für die letzteren der Eintritt in die Nazi-Partei meist erst 1937, während er für ehemals preussische Schulleiter bereits mit dem 1. Mai 1933 aus Dringlichkeitsgründen geboten war." [16]

Frahm blieb in seiner Begründung sehr formal. Für ihn sprach sich der Vorsitzende des Kirchenvorstandes der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Wandsbek aus: „Er hat den Lehrern, die trotz der entgegengesetzten, von Herrn Schulrat Millahn eifrig geförderten Strömung Treue zur Kirche hielten und den Kirchenaustritt verweigerten, nicht die geringsten Schwierigkeiten bereitet und selber auch in vorbildlicher Treue zur Kirche gestanden." Außerdem habe Frahm geheizte Schulräume für den Konfirmandenunterricht zur Verfügung gestellt. [17]

Walter Frahm gehörte sicherlich zu den Schulleitern, die das Führerprinzip verinnerlicht hatten und sich von niemandem in ihre Schule hineinreden ließen. In seinem Entnazifizierungsfragebogen gab er an: „Im Frühling 1937 widersetzte ich mich dem Verlangen der Nazi-Partei, Lehrer der von mir geleiteten Schule für drei Wochen aus dem Dienst mitten im Schuljahr herauszunehmen. Ich wurde wegen dieser Opposition vor ein Parteigericht gebracht, weil ich mir eine solche Beschränkung meiner beruflichen Freiheit schroff verbeten hatte." [18]

Kirchenvorstand Jensen vermerkte zu Gunsten Frahms: „Über diese seine unseren kirchlichen Belangen gegenüber freundliche Einstellung hinaus erfreut er sich hier in Wandsbek, um dessen Geschichte und ihre reicheren Matthias Claudiuserinnerungen er sich stets besonders bemüht hat, allgemeiner Wertschätzung. Auch auf diesem Gebiet der Heimatbetreuung und Heimatsforschung befinden wir uns hier in tätigem Aufbau." [19]

Und Schulsenator Landahl vermeldete am 6.9.1945 dem Kirchenvorstand: „Die Militärregierung hat jetzt über die weiteren Verwendung von Herrn Rektor Frahm entschieden. Als Rektor konnte Herr Frahm nicht bestätigt werden, da er zu früh in die Partei eingetreten ist. Daran ließ sich leider nichts ändern. Wir haben aber erreicht, daß Herr Frahm als Lehrer weiterverwendet werden darf. Darüber hinaus haben wir in Aussicht genommen, ihm im Rahmen der Raumbewirtschaftung und Bauaufgaben einen besonderen Auftrag zu geben. Mehr konnten wir leider nicht tun. Wir müssen nach Lage der Dinge sogar zufrieden sein, daß wir so viel erreicht haben." [20]

Offensichtlich fand Walter Frahm Gefallen an seinem veränderten Einsatz. Am 7.8.1946 gab er einen Bericht über seine Tätigkeiten: „Ich habe mich neben meinen Aufgaben, die mir in der Schulraumbewirtschaftung erwuchsen, an folgenden Stellen beim Wiederaufbau Hamburgs eingesetzt:

I. Seitens des Ortsamtes Wandsbek wurde ich aufgefordert: 1. zur Mitarbeit bei der Begründung der Vorschläge für Umänderungen von Straßenbezeichnungen, 2. zur Wiedereinrichtung der Außenstellen der sog. öffentlichen Bücherhallen im Bereich dieses Ortsamtes, 3. zur Übersetzung von Bauanträgen.

II. Unterrichtlich betätigte ich mich im Januar bis März des Jahres bei der Auslese von Mädchen für das hiesige Oberlyzeum und bei der Prüfung von Knaben für das hiesige Gymnasium.

III. Beim Wiederaufbau der Hamburgischen Staats- und Universitätsbibliothek war ich seit März des Jahres mit der Gewinnung von mehreren privaten Büchereien und der Katalogisierung derselben beschäftigt." [21]

Nach einem nicht näher benannten Zwischenfall wurde Walter Frahm von Schulrat Wilhelm Dressel aus der Schulraumbewirtschaftung zurückgezogen und als Lehrer mit 15 Stunden an die Schule Volksdorfer Straße versetzt.

Es gab einige Leumundszeugnisse, die hervorhoben, welche Verdienste Walter Frahm in der Heimatsforschung erworben hätte. So von dem Verleger der Schriften von Ludwig und Walter Frahm, Richard Hermes, der angab, „der nationalsozialistischen Bewegung in jeder Hinsicht ablehnend gegenüber“ gestanden zu haben. Hermes schrieb: „Mir ist bekannt, dass Herr Frahm Pg. gewesen ist, ich habe aber immer gesehen, dass Herr Frahm seine Mitgliedschaft und seinen Einfluss nur zum Besten des niederdeutschen Volkstums und der niederdeutschen Literatur eingesetzt hat, so weit das unter dem nat. Regime eben möglich war. Man kann ihm also in dieser Hinsicht nur dankbar sein." [22]

Auch der Schulleiter des Matthias-Claudius-Gymnasiums, der von den Nationalsozialisten abgesetzt worden war, Prof. Peter Zylmann, nach 1945 wieder im Amt, verwendete sich am 28.9.1946 für Walter Frahm: „Daneben habe ich Herrn Frahm als einen vortrefflichen Kenner der Dichter Matthias Claudius und Detlev von Liliencron und der kulturellen Zusammenhänge Holsteins in den letzten Jahrhunderten kennengelernt. In meinen vielen Unterhaltungen mit Rektor Frahm habe ich eindeutig feststellen können, daß seine Interessen ausschließlich in dem oben bezeichneten Interessengebiet lagen." [23]

Der Fachausschuss für die Entnazifizierung hatte am 18.2.1947 unter Vorsitz von Kurt Zeidler festgestellt, dass Walter Frahm „als nicht tragbar für das Amt eines Schulleiters ist". Daraufhin stellte Frahm den Antrag auf Versetzung in den Ruhestand, dem entsprochen wurde. Am 4.9.1947 wurde er pensioniert. [24]

Walter Frahm setzte Hoffnung in Fritz Köhne, der nach 1945 weiterhin Oberschulrat in der Hamburger Schulverwaltung war. Sicherlich fand Frahm bei Fritz Köhne, der seinen Sohn im Krieg verloren hatte, Verständnis und Sympathie, wenn Frahm seine eigene „Verlustliste der Jahre 1943-1945“ aufschrieb: „1. mein ältester Sohn und ein Schwiegersohn, 2. mein Wohnhaus mit meinen Heimatkundlichen Sammlungen, 3. ein Schulhaus mit meinen amtlichen Papieren, 4. mein Arbeitsfeld als Volksschulrektor." [25]

Am 29.11.1947 teilte man Walter Frahm mit, dass er von der Britischen Militärregierung bindend zum Mittelschullehrer zurückgestuft worden sei. [26]

Am 15.6.1949 war die Entnazifizierung Frahms durch den Berufungsausschuss abgeschlossen. Der Berufung wurde stattgegeben und Walter Frahm mit Wirkung vom 1.6.1949 die Pension eines Rektors zuerkannt. [27]

Im Weiteren war Walter Frahm als Heimatforscher tätig. Der „Hamburger Anzeiger“ würdigte ihn zum 70. Geburtstag: „Noch heute wirkt Frahm in der Hamburgensien- Abteilung der Staats- und Universitätsbibliothek, berät Studenten, hilft Liebhabern der Heimatsgeschichte und ist jedem Interessierten ein unermüdlicher Ratgeber." [28]

Walter Frahm starb am 26.4.1969

Autor: Dr. Hans-Peter de Lorent

 

(Teil 2)

Wohl dem, der den Pulsschlag germanischen Blutes in sich verspürt“

Der Apfel fiel nicht allzu weit vom Stamm: Aufgewachsen im (damals) schleswig-holsteinischen, also preußischen Poppenbüttel, unter den Augen seines der Heimat und dem Volkstum verpflichteten Lehrer-Vaters und Volksschulrektors Ludwig Frahm (1856-1936), wurde auch Walter Frahm, was jener war: Lehrer, Rektor, Heimat- und Volkstumsaktiver.

Dass des Vaters Herz nicht nur für die Vergangenheit seiner Alstertal-Heimat schlug, sondern auch für das ganz gegenwärtige, große Vaterland (inzwischen wird selbst im „Alsterverein“ von Ludwig Frahms „deutschnationalen und völkischen Tendenzen“[29] gesprochen), war spätestens dann nicht mehr zu übergehen, wenn man  seine Kriegsgedichte gelesen hatte. Wie so viele andere Deutsche hatte auch Ludwig Frahm dem Drang nachgegeben, gleich zu Kriegsbeginn eine Serie von dem Zeitereignis gewidmeten Gedichten zu veröffentlichen. Freilich war es ihm gegeben, auf Plattdeutsch zu reimen. (Diese Gabe teilte er mit seinem Dichterkollegen Johann Kinau – Gorch Fock -, der ebensolche plattdeutsche Kriegsgedichte verfasste, bevor er für Kaiser und Vaterland sein Leben am Skagerrak in der Nordsee ließ.)[30] Ob Walter Frahm auch an solche Beiträge zum Schatz der plattdeutschen Poesie dachte, als er dem „Hamburger Abendblatt“ noch Jahrzehnte später verriet, „mein Vater konnte alles besser als ich“? [31] Überprüfen lässt sich das nicht.

Als ab 1933 erneut, nun unter nationalsozialistischem Vorzeichen, besondere Vaterlandsliebe verlangt wurde, war es an Walter Frahm, dies mit den ihm eigenen Mitteln zu begleiten. Er hatte sich frühzeitig – ab 1934 – dafür mit einem einflussreichen Gleichgesinnten verständigt, dem neuen Landrat von Stormarn, Dr. Constantin Bock von Wülfingen. Beide, der Lehrer und „Alsterverein“-Aktive und der aus altem niedersächsischen Adel stammende Jurist und Landrat, gingen daran, ein grundlegendes Werk zur Region Stormarn („der Lebensraum zwischen Hamburg und Lübeck“) zusammenzustellen und herauszugeben.[32]

Das war nicht, wie das „Hamburger Abendblatt“ später ungenau schrieb, „ein großes Geschichtswerk“.[33] Stormarn sollte vielmehr in viel umfassenderem Sinn dargestellt und dabei das gerade sich etablierende „Dritte Reich“ gehörend gewürdigt werden. (Ludwig Frahm hatte ein ähnliches Buch, inhaltlich und umfangmäßig wesentlich bescheidener und inzwischen nicht mehr auf aktuellem Stand, zuerst 1907 vorgelegt.[34])

Bock von Wülfingen (1885-1954), mit Amtssitz in Wandsbek (das erst 1937 zu Hamburg geschlagen wurde), hatte im März 1920 am Kapp-Putsch teilgenommen, hatte sich früh der NSDAP und der SA angeschlossen, gehörte ab 1938 auch der SS an, wo er es bis zum Obersturmbannführer brachte. [35] Im Kreis Stormarn lag er in Manchem quer zu Vorstellungen der lokalen NS-Größen (z.B. NSDAP-Kreisleiter Erich Friedrich) [36], weshalb er seine Karriere ab 1937 in Hamburg fortsetzte: „Am 12. April 1933 wurde Oberregierungsrat Dr. Constantin Bock von Wülfingen Landrat. Er verwaltete den Kreis bis zum 30. Dezember 1936 und trat später in den Dienst der Hansestadt Hamburg. Während seiner Landratstätigkeit wurde die Verwaltung im nationalsozialistischen Geiste neu gestaltet.“[37]  Er wurde Regierungsvizepräsident in der Staatsverwaltung des Hamburger Reichsstatthalters Kaufmann, vertrat dort Staatssekretär bzw. Senator Georg Ahrens, die  sogenannte rechte Hand Kaufmanns. Bock von Wülfingen gehörte somit zur ersten Garnitur der Hamburger Staatsverwaltung – und blieb dies bis zum bitteren Ende, weshalb ihm einer der knapp bemessenen Plätze im Luftschutzbunker des Reichsstatthalters und Gauleiters an seinem Regierungssitz im Harvestehuder Weg 12 bis zur Übergabe Hamburgs an die Briten reserviert war.[38]

Mit diesem Nazi-Adligen konzipierte Walter Frahm also das Landes- und Volkskunde-Buch, welches später als sein „größtes Werk“ erinnert wurde. [39] Es kam 1938 heraus. Einige Blicke in diesen Band können zeigen, was Bock von Wülfingen und Frahm mit vielen „Stormarner Heimatfreunden“ zusammentrugen und „Landes- und Volkskunde“ nannten.

Frahm selbst schrieb darin über „Matthias Claudius und seinen Wandsbeker Kreis“.  In diesem Artikel bog er sich und den Lesern den Wandsbeker Dichter zu einem herausragenden Vertreter „niederdeutschen“, „niedersächsischen“ Volkstums zurecht: „Matthias Claudius ist als echter Niedersachse sich stets treu geblieben: Den Weg vom Studenten der Gottesgelehrsamkeit bis zum ernsten religiösen Schriftsteller ist er auf niederdeutsche Art in langsamer Entwicklung gegangen. Als ein getreuer Eckehard stand er auf der Wacht für Gott und Christentum, für König und Vaterland. Er hatte den Bekennermut der 'framen Holsten', wenn er glaubte, gegen Erschlaffung der sittlichen und religiösen Begriffe auftreten zu müssen. Und er trat dagegen auf mit Wort und Schrift und durch familiäres Vorleben: Matthias Claudius war das gute Gewissen seines Volkes in Wandsbek für das große Niedersachsenland.“[40]

Bock von Wülfingen erläuterte aus seiner NS-Sicht „Verwaltungsprobleme im Kreise Stormarn“.[41] Eine Reihe nicht unbekannter NS-Propagandisten lieferte weitere Beiträge; so der Hamburger Funktionär der „Vereinigung Niederdeutsches Hamburg“ (VNH), Rudolf Schmidt (der zu Frahms Artikel über Claudius ein Foto des Geburtshauses des Dichters beisteuerte,  S. 477).  Er behandelte „Neue Architektur in Stormarn“, deren letzte Höhepunkte er im Gebäude des Standortlazaretts in Wandsbek erblickte (am Haupteingang „gekrönt von einem das Hoheitszeichen [= Hakenkreuz] tragenden Adler mit mächtig gewölbter Brust und kraftvoll gespannten Flügeln“[42]), dann noch im Klinkerbau „Haus Neuerburg“ des völkischen Architekten Höger – eine Zigarettenfabrik in Wandsbek. Höger sprach sich gegen funktionale Architektur aus und wollte lieber einen „Tempel der Arbeit“ errichtet haben.[43]

Den allerhöchsten Höhepunkt sah Schmidt schließlich in den Werken des von ihm immer wieder propagierten Bildhauers Rudolf Kuöhl, wegen seiner „hervorragenden Denkmäler“ (so etwa das 76er-Kriegsmal in Hamburg am Dammtorbahnhof). „Handwerk und Kunst gehören zusammen“, war Schmidts Credo, „ - Fritz Höger hat es aufgewiesen, und die nationalsozialistische Forderung findet ihre Verkörperung auch in Richard Kuöhl.“ Dessen „Ehrenmal für die Gefallenen Groß-Hansdorfs und Schmalenbeks“ rufe „eindringlich und unaufhörlich zum Einsatz, zur Tatbereitschaft“ auf.[44]

Auch der heimatbegeisterte Armin Clasen war vertreten - „Flurgeschichte von Stormarn“  hieß sein Beitrag. [45] Von Rolf Rautenstrauch und dem Plattdeutschdichter und VNH-Aktiven Walter Schnoor – auch „Referent im Reichspropagandaamt, Hamburg“ - wurde „Aus Stormarns Schrifttum in jüngerer Zeit“ [46] berichtet: Außer von den Üblichen wie Joachim Mähl, Thomas Westerich, Carl Budich und Hermann Claudius zeigten sie sich besonders von Walter Gättke begeistert (der im gleichen Band über „Detlev von Liliencron in seinen Beziehungen zu Stormarn“ schreiben durfte, S. 533-538).

Von ihm zitierten sie u.a. aus dem Gedicht „Und wenn wir marschieren“ von 1922 [!] die als lesenswert erachteten Zeilen:

Du Volk aus der Tiefe,

du Volk in der Nacht,

vergiß nicht das Feuer!

Bleib' auf der Wacht! [47]

Allein drei Aufsätze stammten von dem Wandsbeker Pastor Dr. Wilhelm Jensen (1882-1960), der unter anderem (abgesehen von den Kirchen und der preußischen Verwaltung in Stormarn) die „Sippenforschung in Stormarn“ vorstellte [48] und so sein breit gefächertes Interesse an volkskundlichen Themen bezeugte. Er war ab 1933 Pastor in Wandsbek (Kreuzkirche-Ost), wurde 1951 emeritiert und führte die Amtsgeschäfte noch bis 1952 weiter. Als er 1945/46 dem vormaligen Herausgeber des „Stormarn“-Buches, Walter Frahm, einen Persilschein ausstellte, in welchem er über die NS-Zeit bekundete, Frahm habe „sich hier in Wandsbek (…) allgemeiner Wertschätzung“ [49] erfreut, war das sicher auch seine persönliche Meinung, nicht nur weil er Mit-Autor des Buches war. Während Walter Frahm, seiner eigenen Darstellung gemäß, seinen „Aufbauplan des Werkes“ [50] einbrachte, als das Buchprojekt 1934 im Landratsamt bei Bock von Wülfingen auf den Weg gebracht wurde, assistierte der ebenfalls anwesende Pastor Jensen, indem er erklärte, „daß er sich als Mitarbeiter bedingungslos zur Verfügung stelle für das geplante Werk betreffend Stormarn“ [51].

Frahm und Jensen kannten sich bereits seit 1924 – der Beginn einer Jahre dauernden Freundschaft noch bis 1960, als Jensen und seine Frau das Ehepaar Frahm, das Goldene Hochzeit feierte, besuchten und beschenkten.[52] Konkrete, vielleicht inkriminierende Erinnerungen an die Zeit von 1933 bis 1945 waren dagegen, wie allgemein, so auch bei Jensen eher verblasst, will es scheinen. Das schloss auch seine eigenen Beiträge zur „Sippenforschung“ und zu „Ariernachweisen“ auf Grundlage von schleswig-holsteinischen Kirchenbüchern ein: Damals „bezeichnete [er] die Hilfe der Pastoren bei der Mitarbeit an den 'Ariernachweisen' als großen Dienst an der Volksgemeinschaft.“ [53] Auch seine Bemühungen, Kirchenlieder zu „arisieren“, indem „Judaismen“ wie „Zion“ oder „Jehova“ gestrichen und durch echt deutsche Wörter ersetzt werden sollten, verfielen dem Vergessen. 1959 fiel ihm zu den NS-Jahren nur noch ein: „Es kam die Zeit der vielfachen Not und Verwirrung mit ihrem 'tausendjährigen Reich' und dem totalen Zusammenbruch nach einem 'wahnsinnigen' Kriege im Jahr 1945.“ [54]

Dass in dem von Frahm und Bock von Wülfingen herausgegebenen Werk auch Passagen wie die des Kieler Staatsarchivrats Dr. Gottfried Ernst Hoffmann enthalten waren, war damals wohl eher förderlich. Hoffmann schrieb über Stormarn in der Zeit zwischen 1544 und 1773 [55] und kam dabei zu dem Befund: „Juden hatten – wie sie während des Dreißigjährigen Krieges Räuberbanden in Stormarn organisierten – auch in den Finanzgeschäften ihre schmutzigen Hände im Spiel. Strenge Untersuchungen wurden in Stadt und Land durchgeführt (…).“ [56] Und zu den Auswanderern nach Russland, ins Wolgagebiet, fiel ihm ein: „Etwa 8000 deutsche Familien sind in den Jahren von 1764 bis 1767 hier angesiedelt worden. Echtes deutsches Volksschicksal, das uns hier begegnet! Wie viele von den Nachkommen derer, die in den Ställen der Amtsmannshäuser in Reinbek und Trittau einst notdürftig untergebracht wurden, mögen dem Hungertod und der Ausrottung durch die bolschewistischen Machthaber entgangen sein?“ [57]

Dem Wandsbeker Künstler Martin Schwemer bescheinigte der schon erwähnte Rudolf Schmidt „sein ernstes Streben für arteigene Kunst“,  weshalb er nach 1933 „ zum Referenten für bildende Kunst in der NS.-Kulturgemeinde berufen“ worden sei.[58]  Schwemer behandelte in Frahms und Bock von Wülfingens Werk stormarnische „Kunst der Gegenwart“ [59], von der er sich noch Großes erhoffte: „Die Autobahnen, die neuen Bauten, die zeitbewegenden Aufmärsche, die Darstellung der nationalsozialistischen Geschichte sind Motive, die zu einer künstlerischen Gestaltung drängen. Es mag noch mehr derartige Aufgaben geben. Alles ist dringend notwendig und alles wird unser Gemeinschaftsleben mit einem wunderbaren Sinn erfüllen und das Volk wieder zurückführen zu einem kunstgebundenen und schönheitserfüllten Leben.“ [60] (Abgebildet wird dann auch ein Porträt Walter Frahms, ein von Schwemer gefertigtes Ölgemälde.)

Mit dem gleichen Martin Schwemer hatte Walter Frahm schon 1935 den Band „Wandsbek. Unsere Stadt in Wort und Bild“ herausgebracht. Schwemer war für die Buchausstattung zuständig, Walter Frahm übernahm die „Schriftleitung“. Da war zu lesen: „Es gab eine Zeit, da man über kulturelle, insbesondere künstlerische Dinge, sehr liberal und individualistisch zu denken pflegte. (…) Sogenannte Vereinigungen 'geistig' Eingestellter bildeten Brutstätten jener Verrücktheiten und Schamlosigkeiten, die wir als Expressionismus, Futurismus und Dadaismus kennen lernen durften, ganz zu schweigen von jenen Künstlervereinen, deren Wortführer die wildesten Vertreter dieser 'Kunstrichtungen' stellten.

Nein, es hat schon sein Gutes, daß dieser ganze Spuk mit dem Sieg des Nationalsozialismus hinweggefegt wurde, (…). (…) so ist die nationalsozialistische Bewegung auch im Kunstleben revolutionierend und aufbauend vorangegangen. Sie schuf sich dazu in der Nationalsozialistischen Kulturgemeinde unter der Führung Alfred Rosenbergs eine Organisation, welche die nationalsozialistische Weltanschauung auf kulturellem Gebiet machtvoll vorantreibt.“ [61] Auf die NS-Kulturgemeinde wird zurückzukommen sein.

Walter Frahm fand von Haus aus zuallererst im 1900 von Ludwig Frahm und anderen gegründeten „Alsterverein“ seine geistige und publizistische „Heimat“. „In den Jahrbüchern des Alstervereins, an deren Schriftleitung er seit 1925 maßgeblich beteiligt war, finden wir manches Wissenswerte aus seiner Feder“, lautete später das Resümee.[62] Noch bis 1933 zeichnete jedoch Ludwig Frahm allein als „Schriftleiter“ verantwortlich, dann aber traten er und Walter Frahm gemeinsam als „Schriftleitung“ auf.

Das „Jahrbuch des Alster-Vereins“ Nr. 20, 1933-1934, dessen „Schriftleiter“ nun also auch Walter Frahm war, erklärte die Haltung des Vereins zur „neuen Zeit“: „Wenn wir Alstervereinsleute uns jetzt (…) der neuen Bewegung, die in dem 'Reichsbund Volkstum und Heimat' mit seiner Landschaftsführung Niedersachsen-Niederelbe verkörpert ist, eingliedern, so bleibt unser Ziel das gleiche, wie es bisher in unseren Vereinsbestrebungen und in unseren Jahrbüchern in die Erscheinung getreten ist:

'H e i m a t p f l e g e   a l l e r w e g e!'“ „Wir haben uns dabei zuweilen die Frage vorgeworfen, ob wir zu sehr der Vergangenheit lebten. Wer sich in dem großen Strom des Geschehens selbst erkennen will, muß dem Ruf nach 'Blut und Boden' in d e r  Weise nachgehen, wie wir es getan haben. Nur so spürt er seine Verbundenheit mit dem Boden, den Väter und Urväter für uns alle bearbeiteten.“[63]

Nach solchen Fingerübungen im NS-gefälligen Umformulieren vermeintlich unverändert zu bewahrender Heimatkunde und der Bemühung, im „Reichsbund“ organisatorisch möglichst ungeschoren davonzukommen [64], zeigte schon das nächste Jahrbuch an (Nr. 21, 1935-1936), dass auch der „Alsterverein“ der Gleichschaltung und dem Einschwenken auf NS-Linie sich nicht entziehen konnte, wenn er denn weitermachen wollte.  Ludwig Frahm („der alte Kämpfer für Blut und Boden, der Erzieher zur Volksgemeinschaft“, wie er jetzt genannt wurde) war soeben verstorben. Nun war der Verein der „NS-Kulturgemeinde“ eingegliedert, der Walter Frahm an anderer Stelle (siehe oben) begeisterte Worte zuwies. Dieses Ludwig Frahm gewidmete Jahrbuch, dessen Schriftleiter also allein Walter Frahm war, wurde durch ein gemeinsames Vorwort des Kreisobmanns der „NS-Kulturgemeinde“ - an erster Stelle -  und des „Vereinsführers“ – an zweiter Stelle - eingeleitet. Der damalige Landrat des Kreises Stormarn, Dr. Bock von Wülfingen, stellte Worte der Erinnerung an Ludwig Frahm voran. [65]

Walter Frahm verfasste zu diesem Jahrbuch einen Artikel über seinen Vater. Er stellte ihn in einer den neuen Verhältnissen besonders angepassten Betrachtungsweise dar: „Ludwig Frahms Ahnenerbe“ überschrieb er seine Ausführungen. „Im Nachstehenden soll gesagt werden, woher diese vielseitigen Veranlagungen Ludwig Frahms rührten; es soll auf sein Erbgut, sein Ahnerbe hingedeutet werden. (…) Es soll die Frage beantwortet werden: Was ererbte Ludwig Frahm von seinen Eltern und Großeltern?“ „In Ludwig Frahm floß väterlicherseits das Blut und das Erbgut der Frahms aus Grambow im westlichen Mecklenburg“, stellte er so unter anderem fest, um abschließend zusammenzufassen: „Da Ludwig Frahm, obwohl er viele Talente als Ahnerbe in seinem Blut trug, viel an sich selbst gearbeitet hat, seine Kräfte und Künste zu steigern suchte, alles zum Besten seiner Volksgenossen anwandte, hat er sich ein Denkmal im Herzen seiner stormarnschen Landsleute und aller Heimatfreunde für alle Zeiten gesichert.“ [66]

Nebenbei -  nach solchen Herleitungen stand auch Walter Frahm selbst in gutem Licht da, war doch er der biologische und kulturelle Erbe des hochgelobten Vaters. Vielleicht auch deshalb hat er den gleichen Beitrag, unter leicht verändertem Titel, in der „Heimat“ („Monatsschrift für schleswig-holsteinische Heimatforschung und Volkstumspflege“) 1940 erneut veröffentlicht. [67]

Doch gegenüber 1936 hielt er offenbar eine weitere Steigerung in nationalsozialistischer Tonlage für angebracht: „Obwohl Ludwig Frahm viele Talente in seinem Blute als Ahnenerbe trug“, hieß es nun 1940, im zweiten Kriegsjahr, unvollkommen stabreimend,  „hat er doch seine Künste und seine Kräfte, sein Können und seine Gaben zu steigern gesucht: er hat viel an sich selbst gearbeitet, sei es mit der Feder oder mit dem Zeichenstift, sei es, das Ohr immer feiner einzustellen, um die Geschichten und Sagen unserer Bevölkerung volkstümlich erzählen zu können. Stets aber hat Ludwig Frahm alles zum Besten seiner Landsleute und seiner Volksgenossen angewandt. Er hat seiner eigenen Sippe die Augen für Ahnenforschung und Erbgut geöffnet. Das tat er aber nicht nur für seine eigenen Nachkommen (drei Kinder und acht Enkelkinder):  L u d w i g 

F r a h m  h a t  g a n z  S t o r m a r n  u n d   H o l s t e i n  a u f  d i e  F o r d e r u n g e n

v o n  B l u t  u n d  B  o d e n  hingewiesen. Er hat sich dadurch im Herzen seiner Landsleute und aller Heimatfreunde ein Denkmal für lange Zeit gesichert. Lodfafners Lehre in der Edda gilt auch für Ludwig Frahm: 'doch nimmer stirbt der Nachruhm  d e m, der schönen sich geschaffen.“ [68]

Diese Referenz auf Germanisches ist nicht der einzige Beleg für Walter Frahms Vertrautheit mit den vermeintlichen Urgründen seiner heimatverbundenen Vergangenheit. So hat er in einem Aufsatz von 1942 zu Johannisnacht-Feuern in Hamburg bekannt: „Wohl dem, der in dieser Kriegszeit, da keine Sonnenwendfeuer die Johannisnacht erleuchten dürfen, sich in die alten Bräuche unserer Ahnen hineinzuträumen vermag und den Pulsschlag germanischen Blutes in sich verspürt.“ [69] Frahm war sicher geübt in diesen germanischen Sonnenwend-Gefühlen: „1909 erwarb der Verein ein 3 ha großes Gebiet (…) in der Lehmsaler Heide (…). Er hatte dort seit 1906 jährlich Johannisfeiern mit einem goßen Feuer abgehalten, die in der Folgezeit wahre Volksfeste wurden, bis 1935 die HJ dieses Monopol für sich beanspruchte.“ [70]

 Walter Frahm stand in solchen Dingen nicht allein. Ab 1939 erfolgte die „Schriftwaltung“ der Jahrbücher gemeinsam mit Friedrich Sparmann (dem „Vereinsleiter“). Frahms Kontakte zu anderen Heimat- und Volkstumszirkeln und -zeitschriften beschränkten sich auch keineswegs auf die schleswig-holsteinische „Heimat“. (Später widmete ihm die Zeitschrift - Frahm war „altes Mitglied“ dieses „Heimat“-Kreises [71] – ein Heft anlässlich seines 80. Geburtstages.[72]) Frahm veröffentlichte außerdem mehrfach in den „Hamburgischen Geschichts- und Heimatblättern“ des „Vereins für Hamburgische Geschichte“, ebenso in der „Lauenburgischen Heimat“ wie  im „Schleswig- Holsteiner“.[73]

Der „Alsterverein“ insgesamt bot eine Vernetzung mit prominenten Figuren der niederdeutschen – und nunmehr NS-gleichgeschalteten – Szene: So gehörte der weit vor 1933 Rassismus verbreitende langjährige Aktivist der „Fehrs-Gilde“, Pastor Christian Boeck (wohnhaft in Wellingsbüttel), zu den „Alsterverein“-Mitgliedern – und wurde schließlich vom Verein zum „Ehrenmitglied“ erklärt.[74]

Dass die offiziöse NS-„Vereinigung Niederdeutsches Hamburg“ den „Alsterverein“ wohlwollend behandelte (oder auch: im Blick hatte), war schon 1936 bei Ludwig Frahms Tod ersichtlich, als der Leiter der Abteilung „Heimatliche Geschichte“, Rudolf Schmidt, dem „Erzieher zu Heimatstolz und Heimatehr“ im Jahrbuch des Vereins einen Nachruf widmete.[75] Später gehörte Schmidt dann zu den Autoren des „Stormarn“-Buches, wie dargestellt. Dafür verfasste er auch ein Vorwort. Das umfangreiche Jahrbuch 22 (1937/38) des „Alstervereins“ erschien schließlich als Veröffentlichung der VNH, Fachgruppe „Heimatliche Geschichte“, herausgegeben von Rudolf Schmidt.[76]

Texte des auch im „Alsterverein“ überaus geschätzten, NS-gefälligen und vielerorts präsenten Erfolgsdichters Hermann Claudius – zumal er Urenkel des „Wandsbeker Boten“, Matthias Claudius, war - wurden vielfach in den Jahrbüchern abgedruckt; auch er wurde zum „Ehrenmitglied“ des Vereins erklärt. Zu Walter Frahms Tod verfasste Hermann Claudius eigens ein plattdeutsches Gedicht - Titel: „Walter Frahm“. [77]

Zwei weitere Vertreter der Hamburger Niederdeutsch-Zirkel müssen erwähnt werden, beide wohnhaft in Volksdorf. Der eine, Thomas Westerich (1879-1953), wohnte in der Wensenbalken -Siedlung: „Der Schriftsteller  Westerich, von den Wensenbalken ern auch als 'der kleine Goethe' apostrophiert, tat sich als völkischer Autor und Träger des Dietrich-Eckart-Preises der Hansestadt Hamburg“ hervor und war „einer der  herausragendsten Protagonisten des aggressiv-antisemitischen Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes [gewesen]“.[78] „Als NSDAP-Mitglied trat er in der NS-Zeit auch als 'Gau-Redner' der NSDAP-Ortsgruppe Volksdorf in Erscheinung (…). Mitglied war er auch in der Vereinigung Niederdeutsches Hamburg (…).“ [79] Auch Thomas Westerich zählte zu den Mitgliedern des „Alstervereins“.

Der andere war Frahms Kollege als Schulleiter (in Barmbek) und Niederdeutsch-Aktivist seit seinen Finkenwärder Tagen. Ab 1937 war er – aktiver NS-Funktionär im Hamburger Kulturbereich - Leiter des Niederdeutsch-Vereins „Quickborn“: Hinrich Wriede. Auch er war „Alsterverein“-Mitglied. 1939 trug er zur Ausgestaltung einer Vereinsversammlung bei, indem er dort, im geselligen Teil der Veranstaltung, aus eigenen Werken las. [80]

„Vereinsleiter“ Sparmann beschrieb die Lage der Dinge 1940 folgendermaßen: „Wenn sich auch bereits in fast allen Ortsteilen im Alstertal und in den Walddörfern intensive kulturelle Arbeit zeigt, so ist bisher Volksdorf wohl als der  k u l t u r e l l e  M i t t e l p u n k t  dieses Gebietes anzusprechen. Die Kulturgemeinde [= „NS-Kulturgemeinde“] bietet hier neben unterhaltenden auch ernstere und gehaltvollere Veranstaltungen. Dichter, wie Kolbenheyer und Grimm lasen aus ihren Werken (…).“ Im Mai 1937, so Sparmann weiter, wurde eine Festwoche zur 700-jährigen Zugehörigkeit Volksdorfs und Wohldorfs zu Hamburg gefeiert: „ Hermann Erdlens Festkantate 'Von deutscher Art' und Hinrich Wriedes historisches Festspiel 'Hein Dickkopp' sowie ein Heimatfilm von Volksdorf waren die Höhepunkte der Festwoche.“ [81]

Nachdem er auch den Beitrag des eigenen „Alstervereins“ zu diesem Aufschwung im Alstertal erwähnt hatte, kam Sparmann schließlich zu dem Fazit: „So zeigt sich dank der vielseitigen und regsamen Arbeit der Dienststellen in Staat und Partei im hamburgischen  Siedlungsgebiet im Norden Hamburgs der Pulsschlag eines aufblühenden Gemeinwesens, der die Gewißheit gibt, daß dieses Gebiet die ihm im nationalsozialistischen Reich zugewiesene Aufgabe erfüllen wird: Ungezählten müden Großstädtern Licht und Sonne, Gesundheit und Kraft, Erdverbundenheit und Heimatliebe zu vermitteln.“ [82]

Solche Unterwerfungserklärungen („die im nationalsozialistischen Reiche zugewiesene Aufgabe erfüllen“) waren auch vom „Alsterverein“ abzugeben. Seine guten Verbindungen zu maßgeblichen – vielleicht auch schützenden – NS-Personen und -Stellen waren in jedem Fall auch hilf-  und erfolgreich: Der „Alsterverein“ konnte sich weiter seinen Beschäftigungen widmen, freilich innerhalb des NS-gesetzen Rahmens. Mehrfach wird herausgestrichen, dass das Einvernehmen mit der „Landbezirksverwaltung“ gut sei – und dadurch „finanzielle Hilfe“ bei der Herausgabe der Jahreshefte auch in schwierigen Kriegszeiten möglich war. Ein besonderer, nachträglicher Dank ging 1940 beispielsweise an den gerade verstorbenen „Senatsrat Pg. [= NSDAP-Parteigenosse] Emil Kaiser, den Leiter der Hauptdienststelle Alstertal“, der auch NSDAP-Ortsgruppenleiter war – und Vereinsmitglied. [83] Zweifellos war die langjährige Verbindung zum ehemaligen Landrat und inzwischen der obersten Verwaltungsetage Hamburgs angehörenden Bock von Wülfingen nützlich – er war selbstverständlich auch Vereinsmitglied. [84] 

Später wird auch angedeutet, dass mit Professor Nirrnheim (dem amtierenden Vorstand des „Vereins für Hamburgische Geschichte“ bis 1945) ein einflussreicher Unterstützer zur Verfügung gestanden habe.[85] Günstig war auf jeden Fall, dass  in diesen Kriegsjahren der Verlag der Brüder Kröger aus Blankenese  Vereinsmitglied wurde und damit zum Erscheinen und Druck der Jahrbücher (bis 1942) beitragen konnte. Der Verlag gab schon lange vor 1933 ein vor allem in Altona und in den westlichen Vororten Hamburgs verbreitetes „Heimatblatt“ heraus: die Tageszeitung „Norddeutsche Nachrichten“ (mit zahlreichen lokalen „Kopfblättern“, d.h. regelmäßigen Lokalberichten aus Hamburger Randbezirken, z.B. Finkenwerder oder die Vierlande). Der Übergang in die NS-Zeit verlief problemlos, hatte das Blatt doch bereits in der Weimarer Republik eine deutlich deutsch-nationale Prägung ausgezeichnet. [86] Diesem „Verlag der 'Norddeutschen Nachrichten' in Hamburg-Blankenese und ihrem Hauptschriftleiter Dr. Bruno Gabriel“ galt 1940 der ausdrückliche Dank des „Alstervereins“.[87]

Deutschnational und völkisch mit besonderer Konzentration auf Niederdeutsches war schließlich auch Richard Hermes. Mit seinen verlegerischen und literarischen Unternehmungen gehörte der Hermes-Verlag in die erste Reihe der Organisationen, die besonders nach 1918 aktiv niederdeutsch-nationale Bestrebungen in Hamburg und Umgebung zusammenzufassen als Ziel hatten, in Gegnerschaft zur Weimarer Republik.[88]  Bei Hermes erschienen sowohl Texte Ludwig Frahms  (die Kriegsgedichte) als auch Walter Frahms und auch – mindestens 1913 – das Jahrbuch des Vereins. [89] Dass Walter Frahm sich gerade an Hermes wandte, um sich nach 1945 eine politisch weiße Weste bescheinigen zu lassen, und offenbar meinte, damit einen glaubwürdigen Bürgen vorzeigen zu können, zählt zu den vielen Ungereimtheiten der „Entnazifizierung“ in Hamburg.[90]

Nachdem Walter Frahm sich hatte 1947 in Ruhestand versetzen lassen und ab 1949 auch seine Pension als Rektor wieder bezog, konnte er sich vollends seinen seit Jahrzehnten gepflegten Interessen widmen. Natürlich war er weiter im Rahmen des „Alstervereins“ aktiv. Alsdann „engagierte [er] sich nach seiner Pensionierung für den Wiederaufbau der Hamburger Staatsbibliothek in der Abteilung Hamburgensia und Holsatica.“ [91] Solche Betätigungen waren schließlich eine der Grundlagen für eine besondere Ehrung durch die Stadt.

Damit schloss sich der Kreis: Auch Walter Frahms Vater war eine besondere Ehrung - durch das nationalsozialistische Hamburg – zuteilgeworden, noch zu seinen Lebzeiten! Ab 1934 hieß die Volksschule in Poppenbüttel fortan „Ludwig-Frahm-Schule“.[92] Walter Frahm erlebte eine vergleichbare Ehrung nicht mehr selbst. Aber vierzehn Jahre nach seinem Tod wurde in Wandsbek eine Straße nach ihm benannt, der „ Walter-Frahm-Stieg “.

Es gibt allerdings einen entscheidenden Unterschied zwischen beiden Ehrungen: Anfang der 1990er-Jahre kam es zu Diskussionen und Planungen bezüglich der Umgestaltung der „Ludwig-Frahm-Schule“ in eine Gesamtschule. Dabei wurde (erneut)

in Augenschein genommen, womit sich Ludwig Frahm beschäftigt hatte, was er geschrieben und veröffentlicht hatte und wie die Schule zu ihrem Namen gekommen war. Ergebnis der schul- und ortsöffentlichen Meinungsbildung war: Ludwig Frahm wurde nicht mehr als angemessener Namensgeber für eine Schule angesehen.[93] (Die Schule hieß seitdem „Gesamtschule Poppenbüttel“ - heute „Stadtteilschule Poppenbüttel“.)

Die Straße, die nach Walter Frahm benannt wurde, trägt dagegen unverändert seinen Namen.

Autor (Teil2): Ralph Busch

Anmerkungen Teil 1
1 Alle Angaben nach Walter Frahms Personalakte, StA HH, 361-3_A 1345
2 „Hamburger Abendblatt“ vom 31.8.1963, Menschlich gesehen: Walter Frahm.
3 Personalakte Frahm, a.a.O.
4 „Hamburger Abendblatt“ vom 31.8.1963
5 Entnazifizierungsakte Frahm, StA HH, 221-11_Ed 2088
6 Personalakte Frahm, a.a.O.
7 Das Schreiben von Schulleiterin Junge und die weitere Korrespondenz ebd.
8 Schreiben von Walter Frahm vom 19.1.1935, alle weiteren Dokumente ebd.
9 Schreiben vom 25.1.1935, ebd.
10 Schreiben vom 8.11.1940, ebd.
11 Ebd.
12 Alle zitierten Dokumente in der Personalakte, ebd.
13 Ebd.
14 Ebd.
15 Ebd., wie auch alle weiteren Dokumente, aus denen zitiert wird.
16 Schreiben vom 11.7.1945, ebd.
17 Fragebogen vom 12.7.1945, Zeuge Hans Brunckhorst, Personalakte a.a.O.
18 Schreiben vom 15.8.1945, ebd.
19 Ebd.
20 Ebd., Schreiben vom 6.9.1945
21 Ebd.
22 Schreiben vom 27.9.1946, Entnazifizierungsakte Frahm, a.a.O.
23 Ebd.
24 Alles laut Personalakte, a.a.O.
25 Schreiben vom 21.10.1947, ebd.
26 Personalakte, a.a.O.
27 Laut Entnazifizierungsakte, a.a.O.
28 „Hamburger Anzeiger“ vom 3.9.1953

Anmerkungen Teil 2
29 Mathias Hattendorff, „100 Jahre Alsterverein. Eine kritische Bilanz“, Jahrbuch des Alstervereins 74/2000, S. 11-22, Zitat: S. 22.
30 Ludwig Frahms und Gorch Focks Kriegsgedichte fügen sich in eine Massenproduktion ähnlicher Texte ein: „Mit den Elaboraten professioneller Literaten schwillt ab August 1914 eine nie dagewesene Flut von Laien-Lyrik – wie aus Maschinengewehren rattert es da von 'Krieg' und 'Sieg'. Die Zahl der Gedichte, die anfangs von der Bevölkerung täglich an die Presse eingesandt werden, schätzt eine neue Studie auf 50 000.“ (Rainer Traub, „Der Krieg der Geister. Der nationalistische Wahn von Schriftstellern, Gelehrten und Künstlern“, in: Stephan Burgdorff/Klaus Wiegrefe (Hg.), Der Erste Weltkrieg. Die Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts, München 2008, 3. Aufl. 2014, S. 44-53, Zitat: S. 51 – Die immer wieder genannte Zahl der besonders 1914 und 1915 produzierten Gedichte ist empirisch nicht belegt, die Menge ist aber zweifellos ungewöhnlich groß: Siehe Nicolas Detering, „Kriegslyrik im Ersten Weltkrieg. Germanistische Perspektiven“, in: Nicolas Detering/Michael Fischer/Aibe-Marlene Gerdes (Hg.), Populäre Kriegslyrik im Ersten Weltkrieg, Münster/New York/München/Berlin 2013, S. 9-40, besonders S. 15.) Bei Frahm und Fock/Kinau gibt es eindrucksvolle Parallelen, zum Beispiel zwischen Frahms Gedicht „Dat jüngste Kind“ und Kinaus „De dicke Berta“, worin jeweils die „Wunderwaffe“ aus der Krupp'schen Waffenschmiede, die Kanone (d.h. der Mörser) „Dicke Bertha“, auch genannt „Brummer“, mit einem 42-cm-Kaliber poetisiert wurde (wie übrigens in einer Reihe hochdeutscher Gedichte auch). Karl Kraus hat Gorch Focks Gedicht zusammen mit weiteren Kriegsgedichten „jener unnennbaren Schande, die aus Herzverhärtung und Gehirnerweichung Verse gemacht hat“, zugeordnet.(Karl Kraus, „Der Krieg im Schulbuch“, „Die Fackel“, 18 (Nr. 426-430), 15. Juni 1916, S. 56-65). Ludwig Frahms Poem war ihm vermutlich nicht bekannt.
Dat jüngste Kind
Ik bün dat jüngste Kind von uns' Armee,
Min Teerung sünd ganz utverschamte Klüten;
Doch nümmer deiht darvon dat Liev mi weh,
Ik bruk keen Pilln ut Schachteln un ut Tüten.
Ik heet de groote Brummer
Un hev en hoge Nummer,
Bün langsam man to Foot,
Doch geiht mi't ümmer god.

Min Weeg is hart, se wiggt veel hunnert Pund,
Ik bruk keen Kinnermäten und keen Ammen;
De mi bedeent, sünd Kerls, frisch un gesund,
Soldaten sünd't un darto von de Strammen.
Un fang' ik an to singen,
Denn möt de Finstern springen,
Denn bevt de ganze Eer
En Miel in'n Kreis ümher.

Smiet ik min Klöterbüß mal ut de Weeg,
So möt darvon de dicksten Muern störten,
Denn fallt as Kegels Minschen ut de Reeg,
Un dicke Panzers gaht in Grus un Schörten.
De Städ' mögt mi nich lieden,
Ehr Hüser kamt in't Glieden,
Un wo ik gah to Knaß,
Dar waßt nahher keen Gras.

Ik bün noch jung, doch hev ik all en Leng'n,
Ik müch as rieke Herrn mal'n Seereis' maken.
Müch den John Bull woll mal den Weg versegg'n,
Min Dütsch mal spreeken mank de annern Spraken.
Schriev doch mal an min' Paten,
He schull mi reisen laten.
Mal trummeln: „Kamerad kumm!“
Denn rop ik lut: „Bum bum!“

De dicke Berta
Dicke Berta heet ik,
tweeunveertig meet ik,
wat ik kann, dat weet ik!
Säben Milen scheet ik,
Steen un Isen freet ik,
dicke Muern biet ik,
grote Löcker riet ik,
dusend Mann de smiet ik!
Beuse Klüten kok ik,
Blitz un Donner mok ik,
heete Suppen broo ik,
grote Reisen do ik:
Erst vor Lüttich stunn ik,
Huy un Namur funn ik,
ok Givet, dat kreeg ik,
un Maubeuge sehg ik
un Antwerpen stuk ik
un Ostende duk ik.
Vor Verdun, dor stoh ik,
no Paris hen goh ik,
ok no London, gleuf ik:
op den Tag dor teuf ik!
Schient de Sünn, denn summ ik,
schient de Moon, denn brumm ik
ganz verdübelt, meen ik!
Mienen Kaiser deen ik,
dicke Berta heet ik,
tweeunveertig meet ik,
wat ik kann, dat weet ik!

(Aus: Ludwig Frahm, Leewer dod, as Slav! Plattdütsche Kriegsgedichte, Hamburg 1914, S. 11. Der zweite Band: Röhrt de Hann' un snied't de Bann'! Plattdütsche Kriegsgedichte, Hamburg 1915; beide im Hermes-Verlag. Gorch Focks Gedichte erschienen in vier Heften als „Plattdeutsche Kriegsgedichte“, Folge 1-4, Hamburg 1914/15, im Verlag Glogau Jr. Die Hefte tragen die Titel: John Bull, John Bull! (daraus „De dicke Berta“, S. 7), Uns Mariners, Op em, Jungs!, Zeppelin kummt.)
31 „Hamburger Abendblatt“, 31. August 1963
32 Constantin Bock von Wülfingen/Walter Frahm (Hg.), Stormarn. Der Lebensraum zwischen Hamburg und Lübeck. Eine Landes- und Volkskunde als Gemeinschaftsarbeit Stormarner Heimatfreunde, Hamburg 1938
33 Siehe Anm. 31.
34 Ludwig Frahm (Hg.), Stormarn und Wandsbek. Ein Hand- und Hausbuch der Heimatkunde, Poppenbüttel [Eigenverlag] 1907
35 Siehe die Angaben des Kreisarchivs Stormarn zu „ Constantin Bock von Wülfingen“, unter: www.kreisarchiv-stormarn.de/geschichte/landraete/bock.html (zuletzt gesehen: 24. 02. 16)
36 Siehe zu Friedrich und den Konflikten mit Bock von Wülfingen: Sebastian Lehmann, Kreisleiter der NSDAP in Schleswig- Holstein. Lebensläufe und Herrschaftspraxis einer regionalen Machtelite, Bielefeld 2007.
37 Wilhelm Jensen, „Die Neuordnung der Verwaltung unter preußischer Herrschaft“, in: „Stormarn“ (wie Anm. 32), S. 502-504, Zitat: S. 504
38 Christine Lindner, „'Gebaut, um übersehen zu werden (…).' Der Bunker des Hamburger Gauleiters und Reichsstatthalters Karl Kaufmann“, unter: www.unter-hamburg.de/Bunker-des-Hamburger-Gaul.433.0.html (zuletzt gesehen: 05. 03. 16)
39 Siehe Anm. 31.
40 Walter Frahm, „Matthias Claudius und sein Wandsbeker Kreis“, in: „Stormarn“ (wie Anm. 32), S. 477-483, Zitat: S. 483 – Auf die stets wiederkehrenden Etiketten „der frame Holste“ (= fromme/aufrechte Holsteiner) und, in umgreifenderen Kontexten, „der getreue Eckehard“ kann hier nur hingewiesen werden – eine eingehendere Darlegung der Konnotationen wäre ein Thema für sich.
41 Constantin Bock von Wülfingen, „Verwaltungsprobleme im Kreise Stormarn“, in: „Stormarn“ (wie Anm. 32), S. 554-567
42 Rudolf Schmidt, „Neue Architektur in Stormarn“, in: „Stormarn“ (wie Anm. 32), S. 585-601; Zitat: S. 597
43 Ebd., S. 599
44 Ebd., S. 599 und S. 601
45 Armin Clasen, „Flurgeschichte von Stormarn“, in: „Stormarn“ (wie Anm. 32), S. 263-281 - Zu Clasens Vita siehe den Beitrag von Hans-Peter de Lorent in dieser online-Datenbank: www.hamburg.de/ns-dabeigewesene/ (zuletzt gesehen: 06. 03. 16)).
46 Rolf Rautenstrauch/Walter Schnoor, „Aus Stormarns Schrifttum in jüngerer Zeit“, in „Stormarn“ (wie Anm. 32), S. 614-618
47 Ebd., S. 616
48 Wilhelm Jensen, „Sippenforschung in Stormarn“, in: „Stormarn“ (wie Anm. 32), S. 575-581
49 Schreiben vom 15. 08. 45, Personalakte Frahm (Staatsarchiv Hamburg), siehe Hans-Peter de Lorent,„Walter Frahm“, Teil 1, Anmerkung 19.
50 Walter Frahm, „Meine Begegnungen mit Pastor D. Dr. Wilhelm Jensen,“, Jahrbuch des Alstervereins 39/1960, S. 5-8; Zitat: S. 6
51 Ebd. - Jensen hatte sich zu der Zeit bereits als Autor verschiedener einschlägiger Veröffentlichungen einen Namen gemacht.
52 Ebd., S. 8
53 Benjamin Heim, „ Wilhelm Jensen“, in dieser online-Datenbank : www.hamburg.de/ns-dabeigewesene/ (zuletzt gesehen 04. 03. 16) Hier auch der Hinweis auf Jensens Bestrebung, Kirchenlieder zu „arisieren“.
54 Wilhelm Jensen, Wandsbek und seine Kirche. Zum 325jährigen Jubiläum der Kirchengemeinde Wandsbek, Hamburg 1959, S. 81/82. - Hier (S. 94 und 95) seine eigenen Angaben zu seiner Vita; Renate Hauschildt-Thiessen, „Gustav J.J. Witt (1854-1828) und seine Familie. Zwischen Hamburg und Beidenfleth“, „Tiedenkieker (= Hamburgische Geschichtsblätter N.F.)“, 5/2014, S. 15-22, gibt einige Hinweise zu Wilhelm Jensen (S. 15 und S. 22), irrt jedoch bei der Angabe, Jensens letzte Veröffentlichung sei 1958 erfolgt. Insgesamt charakterisiert sie den Pastor nur folgendermaßen: „ Wilhelm Jensen war ein sehr engagierter Heimatforscher.“(S. 15) -
Auch der andere Leumundszeuge, Professor Peter Zylmann (1884-1976), lieferte ein Gefälligkeitsschreiben. Zylmann war bis 1933 Schulleiter des Wandsbeker „Matthias-Claudius-Gymnasiums“, wurde dann – er war SPD-Mitglied gewesen – als Studienrat nach Blankenese strafversetzt. Mitte 1936 wurde er von der Gestapo verhaftet, in das KZ-Fuhlsbüttel und anschließend in das Untersuchungsgefängnis gebracht. Im Prozess wegen „Hochverrats“ (Kontakt zu KPD-Kreisen) vor einem Sondergericht im April 1937 wurde er freigesprochen, wurde aber im September 1937 als Lehrer entlassen. Nach 1945 beantragte er seine Wiedereinsetzung als Schulleiter des „Matthias-Claudius-Gymnasiums“, was er dann auch bis zur Pensionierung 1949 war. Inzwischen war er Mitte 1937 der NSDAP beigetreten, nachdem er – wie viele Lehrer - bereits seit 1933 im NSLB und NSV war. Zylmann und Frahm kannten sich gut, siehe beispielsweise Zylmanns Beitrag „Stormarn in der Bronzezeit“ in dem von Walter Frahm und Bock von Wülfingen herausgebrachten „Stormarn“-Band (S. 117-131) (wie Anm. 32) oder auch seinen Abschnitt „Hummelsbüttel in der Bronzezeit“ in dem von VNH und „Alsterverein“ veröffentlichten Band von Clasen/Rehder/Apel (S. 42-52) (wie Anm. 76).
Als Walter Frahm seinen alten Bekannten Zylmann 1946 um Unterstützung bei seiner Entnazifizierung anging, stieß er auf offene Ohren: „Ich bin von vornherein gewillt gewesen, für die Nationalsozialisten einzutreten, für die ich die Gewähr für ihr einwandfreies Verhalten auf mich nehmen kann“. So eine Notiz in Zylmanns Tagebuch (6. 5. 1945). In seiner Niederschrift „Aus meinem Leben“ (vor 1970) lautete sein Bericht, er habe damals „viele Verhandlungen mit Amtsstellen im Interesse der Nationalsozialisten [geführt], die mir in jeder Hinsicht als einwandfrei und zuverlässig bekannt waren, damit sie im Amt bleiben konnten und nicht in eine negative Haltung gedrängt wurden.“ (Martin Tielke, „Loyalität im NS-Staat. Der Fall Peter Zylmann (1884-1976)“, „Emder Jahrbuch für historische Landeskunde Ostfrieslands“ 77/1997, S. 178-224; die Zitate: S. 212) Tielke ist eine detailreiche Studie zu Zylmann und dem NS-Staat zu verdanken – allerdings ohne Auseinandersetzung mit Zylmanns Publikationen. Im Einzelnen und in seiner gesamten Tendenz ist Tielkes Text allerdings kritisch zu lesen. (Tielkes Ansatz: „Denn da fast alle mitgemacht und ihre - mal mehr, mal weniger ausgeprägten – Nazi-Vergangenheiten hatten, konnte es jetzt [nach 1945] nur darum gehen, 'zwar nicht die Vergangenheit, aber doch ihre Subjekte in den neuen demokratischen Staat zu integrieren'. Wichtiger als Tribunal und Strafe, als Gerechtigkeit auf Teufel komm raus, ist die Gewinnung des inneren Friedens. Wer ihn will, muß nicht nur das Recht auf politischen Irrtum als ein selbstverständliches Menschenrecht anerkennen, er muß auch die Größe haben, über manches den Mantel des Vergessens zu breiten.“ Ebd., S. 224) Vgl. auch die gestraffte, überarbeitete Fassung: Martin Tielke, „Peter Hermann Zylmann“ [Aurich, 2001], unter: www.ostfriesischelandschaft.de/fileadmin/user_upload/BIBLIOTHEK/BLO/Zylmann.pdf (zuletzt gesehen: 3. 3. 16)
55 Gottfried Ernst Hoffmann, „Politische Geschehnisse und Aufbau der Verwaltung in der gottorfischen Zeit (1544-1773)“, in: „Stormarn“ (wie Anm. 32), S. 248-253
56 Ebd., S. 250
57 Ebd.
58 Rudolf Schmidts Ergänzung zu Schwemers Artikel (siehe Anm. 59), S. 611
59 Martin Schwemer, „Kunst der Gegenwart“, in: „Stormarn“ (wie Anm. 32), S. 601-611
60 Ebd., S. 611
61 Walter Frahm [Schriftleitung], Wandsbek. Unsere Stadt in Wort und Bild, Wandsbek 1935, S. 35/36
62 Otto Henneberg, „Walter Frahm und Friedrich Sparmann zum Gedächtnis“, Jahrbuch des Alstervereins 48/1969, S. 6
63 Die Schriftleiter, „Vorwort“ (unpaginiert), Jahrbuch des Alstervereins 20/1933-1934 – Hervorhebungen im Original
64 Der „Reichsbund Volkstum und Heimat“ (RVH), 1933 von Werner Haverbeck gegründet, stand in Konkurrenz zu Rosenbergs „Kampfbund für deutsche Kultur“, Goebbels' „Reichskulturkammer“ und Leys „NS-Gemeinschaft 'Kraft durch Freude'“ als Teil der „Deutschen Arbeitsfront“ (DAF). Aus den unvermeidlichen internen Auseinandersetzungen um die Hoheit im Kulturbereich folgte zunächst ab 1934 die Zusammenlegung des „Kampfbundes“ mit dem „Reichsverband Deutsche Bühne“ zur „NS-Kulturgemeinde“, die sich der DAF anschloss. Der RVH wurde, nachdem Haverbeck in Ungnade gefallen war, im Januar 1935 aufgelöst, so dass Vereine, die sich dort eingerichtet hatten, sich an die „NS-Kulturgemeinde“ halten mussten. Bis dahin war der RVH als Organisation aufgetreten, die „keine Gleichschaltung im üblichen Sinne des Wortes betrieb“, somit aus Sicht einzelner Vereine deren „Eigenleben unter den gegebenen Umständen noch am wenigsten antastete.“ Somit gewann der RVH auch – ohne es direkt angestrebt zu haben - „die Funktion eines Schutzverbandes gegen die Organisation Rosenbergs.“ (Reinhard Bollmus, Das Amt Rosenberg und seine Gegner. Studien zum Machtkampf im nationalsozialistischen Herrschaftssystem, 2. Auflage, München 2009, S. 46/47; dort die detaillierte Darstellung der verworrenen Verhältnisse der fraglichen Zeit.)
65 Die NS-Kulturgemeinde: Dr. Stein, Kreisobmann im Kreis Stormarn/Der Alster-Verein: Georg Mohr, Vereinsführer, „Vorwort“, Jahrbuch des Alstervereins 21/1935-1936, S. 3. (Bock von Wülfingens Vorspruch auf S. 2)
66 Walter Frahm, „Ludwig Frahms Ahnenerbe“, Jahrbuch des Alstervereins 21/1935-1936, S. 21-26; Zitate: S. 21 und S. 26
67 Walter Frahm, „Was Ludwig Frahm von seinen Ahnen ererbte“, „Die Heimat. Monatsschrift für schleswig-holsteinische Heimatforschung und Volkstumspflege“ 50/1940, S. 133-136
68 Ebd., S. 136 – Hervorhebung im Original
69 Walter Frahm, „Ein Feuer in der Johannisnacht sollte Hamburg schützen“, Jahrbuch des Alstervereins 26/1942, S. 53-55; Zitat: S. 55
70 Klaus Richter, „Traditionelle lokale Geschichts- und Heimatvereine in Hamburg“, „Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte“ 74-75/1989, S. 23-39; Zitat: S. 31
71 Der Hinweis zu Frahms Mitgliedschaft im „Heimat“-Verein: „Die Heimat. Monatsschrift des Vereins zur Pflege der Natur- und Landeskunde in Schleswig- Holstein und Hamburg“ 70/1963, S. 218
72 Siehe ebd.: Das August-Heft ist dem „Rektor a.D. Walter Frahm in Wandsbek zu seinem 80. Geburtstag am 31. August 1963 gewidmet“.
73 Siehe ebd. - Der zuvor erwähnte Friedrich Sparmann (1890-1969) war wie Frahm Volksschullehrer und seit 1931 Leiter der Volksschule in Bergstedt (bis 1945). Seit 1933 gehörte er der SA an, seit 1937 der NSDAP. Die Leitung des „Alstervereins“, dem er seit 1920 angehörte, gab er 1945 seiner NS-Verstrickung wegen auf, wie er auch seine Rektorenstelle an der Schule aufgeben musste. Er blieb weiter im Verein aktiv und unterrichtete u.a. an der Volkshochschule. 1960 überreichte ihm Schulsenator Landahl das Bundesverdienstkreuz am Band. (Siehe Hans-Wilhelm Eckardt, „Sparmann, Friedrich Wilhelm Theodor“, Hamburgische Biographie – Personallexikon, Band 2, Hamburg 2003.)
74 Siehe z.B. Gustav Jürgensen, „Unser Ehrenmitglied Christian Boeck“, Jahrbuch des Alstervereins 39/1960, S. 13/14.
75 Rud[olf] Schmidt, „Ludwig Frahm, der Erzieher zu Heimatstolz und Heimatehr“, Jahrbuch des Alstervereins 21/1935-1936, S. 27-32 – Vgl. Rudolf Schmidt, „Ludwig Frahm[,] dem Erwecker und Forscher zum Dank“, in: „Stormarn“
(wie Anm. 32), S. 12-16.
76 Armin Clasen/Walter Rehder/G[ustav] Apel, Hummelsbüttel und Poppenbüttel. Geschichte zweier Dörfer und ihrer Höfe (= Bauerndörfer vor den Toren Hamburgs 1, hrsg. v. Rudolf Schmidt für d. Vereinigung Niederdeutsches Hamburg, Fachgruppe Heimatliche Geschichte; = Jahrbuch des Alstervereins 22/1937-1938), Hamburg 1938 – Zu Schmidts Vorwort für das „Stormarn“-Buch siehe Anm. 75.
77 Herm[ann] Claudius, „Walter Frahm“, Jahrbuch des Alstervereins 48/1969, S. 55 - Das Gedicht (mit dem Vermerk „für das Jahrbuch des Alstervereins“ versehen) endet mit vier Versen zu Frahms „Dodensteen“:
Wat Heimat? Sie fleegt na den Maan
De Minschheit is rein dull.
Wi wüllt nadenkern wull
an dinen Steen mal stahn.
78 Jens Koegel, „Siedlungsbau in Hamburg: Die Reichsheimstätten-Siedlung Wensenbalken in Volksdorf und ihre Bewohner. Nachrichten aus dem Wensenbalken -Archiv, Teil 2“, „Tiedenkieker (= Hamburgische Geschichtsblätter N.F.)“ 6/2015, S. 23-42; Zitat: S. 25 - „Thomas Westerich (1879-1953) betätigte sich bereits kurz nach der Jahrhundertwende in der Hamburger 'Nedderdüütsh Sellshopp' ('Niederdeutsche Gesellschaft'); der Verfasser mehrerer pseudo-religiöser Weihespiele (u.a. Orplid das heilige Land. Das Mysterium der Reinheit, mit einem Vorwort 'Rasse 'ist' Religion', 1923; Niedersachsennot, 1926) publizierte zahlreiche rassistische Aufsätze sowie Lyrik (u.a. in Deutsch-völkische Blätter 1920ff., hrsg. vom radikal antisemitischen Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund; Westerich war Schriftleiter dieser Zeitschrift, ferner publizierte er mindestens 1926 in der gleichfalls antisemitischen Zeitschrift Hammer); 1933 setzte er sich als Vorsitzender des 'Allgemeinen Plattdeutschen Verbandes' für eine zügige Umsetzung des Führerprinzips ein und wurde zum Referenten des Niederdeutschen Kulturamtes im Kampfbund für Deutsche Kultur bestellt. 1914 gab Westerich Das Jugendgeleitbuch mit dem Untertitel 'Gedenke, daß Du ein Deutscher bist' heraus (Leipzig, 2. Auflage als Das Jugend- und Lebensgeleitbuch 1920, 1937 gefolgt vom 'Jugendbuch um Art und Wesen' Dein Volk bist Du, Leipzig). Zahlreiche verstreute Publikationen in Tageszeitungen des norddeutschen Raumes und plattdeutschen Vereinszeitschriften, daneben niederdeutsche Theaterstücke, Lyriksammlungen und ein Roman.“ (Kay Dohnke, „Auf dem Weg zum Eutiner Dichterkreis“, S. 12-41, in: Lawrence D. Stokes, Der Eutiner Dichterkreis und der Nationalsozialismus 1936-1945. Eine Dokumentation (= Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig- Holsteins 111), Neumünster 2001; das Zitat: S. 28, Fußnote 17)
79 Bundesarchiv – Zentrale Datenbank Nachlässe: „Westerich, Thomas (1879-1953) , Biographische Notiz“, unter: www.nachlassdatenbank.de/viewsingle.php?person_id=40697&asset_id=45967 (zuletzt gesehen: 04. 03. 16); vgl auch den Eintrag „Westerich, Thomas“ in: Deutsches Literatur-Lexikon. Biographisch-bibliographisches Handbuch, hrsg. v. Wilhelm Kosch, 3. Auflage, Band 31, Berlin/Boston 2012, S. 310/311.
80 Das Jahrbuch 23/1939 erschien als „monatliche Heimatbeilage“ zur „unpolitischen Wochenzeitung“, dem „Alster-Boten“, wo in Nr. 1, Januar 1939, S. 4, für Sonntag, den 29. Januar eine Mitgliederversammlung angekündigt wurde, für deren geselligen Teil vorgesehen war: „ Hinrich Wriede liest aus eigenem Schaffen“. (Ort des Geschehens: Gasthaus Krogmann, Poppenbüttel, Am Markt; die Inhaberin war Vereinsmitglied.) - Siehe Ralph Busch, „ Hinrich Wriede“, in dieser online-Datenbank: www.hamburg.de/ns-dabeigewesene/ (zuletzt gesehen: 06. 03. 16)
81 Friedrich Sparmann, „Neuer Siedlungsraum im Norden Hamburgs. Ein Beitrag zur Chronik des Alstergebiets nach Berichten der Dienststellenleiter zusammengestellt“, Jahrbuch des Alstervereins 24/1940, S. 143-146; Zitat: S. 145
82 Ebd., S. 146
83 Friedrich Biehl, „Senatsrat Pg. Emil Kaiser, dem Leiter der Hauptdienststelle Alstertal zum Gedächtnis“, Jahrbuch des Alstervereins 24/1940, S. 5
84 Zu seiner Mitgliedschaft bzw. zu der anderer genannter Personen siehe in den verschiedenen Jahrbüchern die üblicherweise aufgeführten Mitgliederlisten, geordnet nach Orten bzw. Stadtteilen und (meist) mit Berufsangaben.
85 Hans Dreckmann, „70 Jahre Alsterverein“, Jahrbuch des Alstervereins 49/1970, S. 5-6: „In enger Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Nirrnheim haben wir ohne Namensänderung die nationalsozialistische Zeit überstanden.“ (S. 6)
86 Zur Charakterisierung der „Norddeutschen Nachrichten“ siehe u.a. Karl Christian Führer, Medienmetropole Hamburg. Mediale Öffentlichkeiten 1930-1960 (= Forum Zeitgeschichte 20), München/Hamburg 2008, S. 453.
87 Einleitung zum Jahrbuch des Alstervereins 24/1940, S. 5 – Johannes Kröger war „privat“ - aber als „Buchdruckereibesitzer“ - bereits vor dem Ersten Weltkrieg Mitglied des Vereins (siehe die Mitgliederliste im Jahrbuch 1913, S. 45).
88 Zur zentralen Rolle des Verlages – und seiner verschiedenen, verzweigten publizistischen Betätigungen – siehe kurz Dirk Hempel, „'Karger vielleicht als wo anders, schwerer abgerungen.' Literatur und literarisches Leben“, in: Dirk Hempel/Friederike Weimar (Hg.), „Himmel auf Zeit“. Die Kultur der 20er Jahre in Hamburg, Neumünster 2010, S. 67-92, insbesondere S. 83/84. Im von Hermes herausgegebenen „Niedersachsenbuch. Ein Jahrbuch für niederdeutsche Art“ 4/1920 (herausgekommen November 1919) werden die grundlegenden „Leitgedanken“ aller Hermes-Unternehmungen programmatisch dargestellt (S. VIII-X): „Noch niemals hat die niederdeutsche Bewegung einen so erhebenden Aufschwung genommen, wie im verflossenen ersten Jahr nach Beendigung des Krieges. Trotz Spartakus und der vielen sonstigen zersetzenden Erscheinungen dieses Schwebezustandes zwischen Krieg und Frieden drang wie ein Quell aus tiefstem Grund das Heimatsgefühl übermächtig im Herzen des deutschen Volkes empor. (…) Wie in eisiger Kälte erstarrte unser Herz, als wir sahen, wie deutsche Landstriche, bewohnt von deutschen Brüdern, uns von fremder Erobererhand entrissen oder unserer Gewalt auf lange Jahre hinaus entzogen wurden. (…) Die Scharen fremdländischer Bevölkerung, die sich in unsere niederdeutsche Großstädte und auch auf dem flachen Lande eingedrängt hatten, und denen das Stammestum schon allmählich zum Opfer zu fallen schien, - gerade in den Revolutionstagen machten sich diese Elemente mehr als unliebsam bemerkbar – können nun wieder ausgestoßen werden, und da die Arbeitsmöglichkeiten so außerordentlich verringert sind, so ist ein neuer großer Zustrom fürs erste wohl nicht so sehr zu fürchten.“(S. VIII/IX) – Eine umfassende Darstellung zu Hermes und seinen literarischen/verlegerischen Betätigungen steht aus.
89 Das gesamte Verlagsprogramm lässt kaum einen niederdeutschen und später NS-gefälligen Autor der Zeit aus. Eine kurze (unzureichende) Darstellung dazu in Josef Steinky, Hamburger Kleinverlage in der Zeit der Weimarer Republik. Eine Dokumentation publizistischer Vielfalt, Hamburg 1997, S. 269-272. Dort der Hinweis auf die Beteiligung Ludwig Frahms an einer der vielen Hermes-Initiativen (Zeitschrift „Der Schimmelreiter“ als Organ der „Niederdeutschen Vereinigung“): „Die Niederdeutsche Vereinigung wurde am 3. Juli 1914 unter anderen von Gustav Falke, Ludwig Frahm, Gorch Fock, Robert Garbe, Fritz Lau, Hermann Löns, Wilhelm Poeck und Heinrich [sic!] Wriede begründet. (…) Die Geschäftsstelle des Vereins befand sich beim Richard Hermes Verlag in der Isestr. 73.“ (S.269/270)
Zumindest das Jahrbuch des „Alstervereins“ für 1913 erschien bei Hermes.
90 Zur zweifelhaften Entnazifizierungspraxis in Hamburg siehe Joachim Szodrzynski, „Entnazifizierung – am Beispiel Hamburgs“, unter: www.hamburg.de/contentblob/4462240/data/aufsatz-szodrzynski.pdf (zuletzt gesehen: 06. 03. 16) und Hans-Peter de Lorent, Täterprofile. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz, Band 1, Hamburg 2016, S. 38-68.
91 Eintrag „Frahm, Walter“, in: Deutsches Literatur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert. Biographisch-bibliograhisches Handbuch, 9. Band, hrsg. v. Konrad Feilchenfeldt, Zürich/München 2006, S. 259. Die im Lexikon verwendeten Abkürzungen sind im Text dieses Artikels ausgeschrieben.
92 Die Namensgebung kam nach Schilderung des Jahrbuchs folgendermaßen zustande (Hans Oeljeschlager, „Das Wiedersehen. Eine Erinnerung an Ludwig Frahm“, Jahrbuch des Alstervereins 49/1970, S. 66): „Nun war die Erweiterung der alten Volksschule fertig geworden. Es mußte ein Name für die Schule gefunden werden, und einer seiner Anhänger schlug vor, sie 'Ludwig-Frahm-Schule' zu nennen. Der damalige Landrat Bock von Wülfingen war damit einverstanden.“
93 In Mathias Hattendorfs Artikel aus dem Jahr 2000 (wie Anm. 29) gibt es folgende Darstellung: „Dem Gedankengut Ludwig Frahms und seiner Mitstreiter stehen wir heute eher distanziert gegenüber. Die idyllisch-idealisierende Verherrlichung von Heimatliebe, das Bild bodenständiger Dorfbewohner in intakter Gemeinschaft und das Ausblenden oder Verdrängen bestimmter Teile von Lokalgeschichte: das alles ist einer kritischen Betrachtungsweise gewichen.
Das bedeutet nun nicht, sich vom Erbe Ludwig Frahms zu verabschieden. Anfang der 1990er Jahre wurde der Gründungsvater in Teilen der Lokalpresse in Bausch und Bogen als 'Kriegsverherrlicher, Rassist und Antisemit' geschmäht. In überzogener 'political correctness' wurde sein Lebenswerk – genauer: ein kleiner Ausschnitt daraus – auseinandergenommen. Die Poppenbütteler Schule, die den Namen Ludwig Frahms trug, sah sich öffentlichem Druck ausgesetzt und distanzierte sich schnell von ihrem Namensgeber. Eine differenzierte Betrachtung fand leider nicht statt. Dass Frahm der Werte- und Gedankenwelt des Wilhelminischen Kaiserreiches verhaftet war, wurde nicht einmal im Ansatz berücksichtigt. Die Biographie, welche die Leistungen Frahms umfassend würdigt (dabei allerdings auch die deutschnationalen und völkischen Tendenzen in seinem Werk benennt), ist noch zu schreiben.“ Der „Alsterverein“ hat sich, über diese wenig eindeutigen Bemerkungen hinaus, der hier geforderten „differenzierten Betrachtung“ der Biographie Ludwig Frahms bisher nicht gewidmet, geschweige denn einer kritischen Darstellung der Geschichte des Vereins. Der Eindruck liegt nahe, dass der Verein seine eigene Tradition ungebrochen weiter pflegt: Im Jahrbuch des Alstervereins 89/2015 wird jedenfalls, wie üblich, die Liste der „Ehrenmitglieder des Alstervereins“ abgedruckt, auf der sich unkommentiert und nach wie vor außer Ludwig Frahm („Ehrenvorsitzender“) die Namen Walter Frahm, Christian Boeck, Hermann Claudius und Armin Clasen befinden. (Als Herausgeber des Jahrbuchs zeichnet, neben Dr. Rainer Hoffmann, Mathias Hattendorff, M.A.) Darstellungen oder Erwähnungen des Vereins durch Autoren außerhalb des „Alstervereins“ sind kaum vorhanden, eine kritische Betrachtung findet auch dort nicht statt (so 1963 in „Die Heimat“ - wie Anm. 71 und 72); siehe insoweit besonders die Darstellung des Vereins durch Klaus Richter (wie Anm. 70, S. 29 bis 33) aus dem Jahr 1989. Sein Blick auf „traditionelle Geschichts- und Heimatvereine“ erfasst möglicherweise fragwürdige Anteile solchen „Traditionalismus'“ nicht einmal ansatzweise.
 

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Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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