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Peter Jacobsgaard

(16.6.1879 Lund - 4.1.1961)
Schulleiter Knabenschule Kielortallee 18 und später Schulleiter Janschule
Wohnadresse: Reesweg 6 (1938)

„Sein Kuhhandel: Übergabe der Lehrergewerkschaftskasse gegen die Zusicherung, als Schulleiter anerkannt zu werden.“

Er war einer der Aktiven der „Gesellschaft der Freunde“ in der Weimarer Zeit, engagierte sich für Beamtenrechte und die sozialen Kassen der Lehrerschaft und geißelte in der Hamburger Lehrerzeitung in scharfen Worten die Personalabbauverordnungen. Als die „Gesellschaft der Freunde“ gleichgeschaltet wurde, blieb Jacobsgaard dabei und versuchte, sich im NSLB als Rechnungsführer und Entschuldungsreferent, insbesondere für den Erhalt des Curiohauses und der sozialen Kassen einzusetzen. Dafür blieb er Schulleiter und übernahm mit der Jahnschule eine „Vorzeigeschule“.

Peter Jacobsgaard wurde am 16.6.1879 in Lund, Kreis Tondern, als Sohn des Lehrers Andreas Jacobsgaard geboren. Jacobsgaard besuchte das Lehrerseminar in Tondern von 1997 bis 1900. Es schloss sich eine einjährige militärische Ausbildung an, die er 1901 als Unteroffizier beendete.

Danach begann er am 1.4.1901 seine Lehrertätigkeit. Am 1.4.1902 wechselte er in den Hamburger Staatsdienst und arbeitete 22 Jahre an der Mädchenschule Papendamm 3 a unter Rektor Guido Höller, der später ein unangenehmer Nationalsozialist werden sollte.

Im Ersten Weltkrieg diente Jacobsgaard im IX. Armeekorps Altona-Bahrenfeld, zeigte sich als guter Organisator und Herr der Zahlen, war Unterzahlmeister. (1)

Nach dem Krieg, in den Zeiten der Republik, engagierte sich Jacobsgaard in der „Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul-und Erziehungswesens“, wie der schon 1805 gegründete älteste Lehrerverein der Welt mit Sitz im Curiohaus hieß (kurz: „Gesellschaft der Freunde“). Dort kümmerte er sich um Beamtenrechte und die sozialen Kassen der Lehrer, die damals noch schlecht bezahlte Hungerleider waren. In Artikeln in der Hamburger Lehrerzeitung geißelte Jacobsgaard die Personalabbauverordnungen in den letzten Jahren der Weimarer Republik, kritisierte insbesondere die Hamburger Praxis, das „Besoldungselend und -chaos“, als der Lehrerlohn kaum dazu ausreichte, „um die notwendigen Ausgaben für Wohnung, Kleidung und Nahrung zu decken“. (2)

Er sah die „Gesellschaft der Freunde“ nicht so sehr als Lehrerverein, sondern als Gewerkschaft und war deren Experte in Besoldungsfragen und Beamtenangelegenheiten. So konnte er in der HLZ detailliert vorrechnen, wie sich in Zeiten des Abbaus von Beamtenbesoldungen das Gehalt zusammensetzte. (3) Jacobsgaard gehörte dem Landesvorstand der Gesellschaft der Freunde bis zur „Gleichschaltung“ durch die Nationalsozialisten an, zusammen mit verdienten Hamburger Pädagogen wie Kurt Zeidler, Richard Ballerstaedt, Max Traeger, Fritz Köhne. Auch dem gleichgeschalteten Vorstand unter NS-Führung, der am 27.4.1933 gewählt wurde, gehörte Peter Jacobsgaard an. (4)

Das Curiohaus war Jacobsgaards zweiter Arbeitsplatz. Als Schulleiter residierte er seit 1927 an der Knabenschule Kielortallee 18, an die er zum 1.4.1924 gewechselt war. Er leitete dort ein Kollegium mit 21 Personen. Jacobsgaard war dann auch vorgesehen für die Schulleitung in einem modernen Schulneubau in der Bogenstraße am Rande eines damals großen Kleingartengeländes. Das nach Plänen des Schulbaupioniers Fritz Schumacher auch für reformpädagogische Veränderungen konzipierte Gebäude, dessen Bau 1929 begann, musste 1931 infolge der Weltwirtschaftskrise, der Politik der Notverordnungen und der damit einhergehenden Finanzknappheit des Hamburger Haushalts unterbrochen werden. Erst nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten wurde der Bau der Schule vollendet und 1934 eingeweiht. Schulleiter wurde, nun unter NS-Herrschaft, Peter Jacobsgaard. (5)

Jacobsgaard, vor 1933 Mitglied der eher liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP), die später zur Deutschen Staatspartei wurde, war von seiner Biografie und Grundeinstellung kein Nationalsozialist. 1933 stand er vor der Frage, 54-jährig, auf eine weitere Karriere als Schulleiter zu verzichten und wieder als Lehrer zu arbeiten. Und als Verwalter des Vermögens, der sozialen Kassen und des Curiohauses der „Gesellschaft der Freunde“ stand für ihn noch mehr auf dem Spiel. Uwe Storjohann, ehemaliger Schüler und Sohn des Jahnschul-Lehrers Adolf Storjohann, brachte es auf eine einfache Formel. Er nannte es einen „Kuhhandel“, auf den sich Jacobsgaard 1933 „mit der Nazischulbehörde eingelassen“ habe: „Übergabe der Lehrergewerkschaftskasse, die er als Kassenwart verwaltete, gegen die Zusicherung, trotz exponierter gewerkschaftlicher und politischer Tätigkeiten für das republikanische System, als Schulleiter der neuen, nach dem Turnvater Jahn getauften Hamburger Musterschule anerkannt zu werden.“ (6)

Er trat in einige nationalsozialistische Organisationen ein. Im Nationalsozialistischen Lehrerbund (Mitglied seit dem 1.5.1933) wurde er Rechnungsführer und Entschuldungsreferent, insbesondere für das Curiohaus. Dem NS- Reichskriegerbund gehört er seit dem 23.3.1935 an, der NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) seit dem 15.6.1934, dem VDA (Volksbund für das Deutschtum im Ausland) seit April 1934. In die NSDAP trat er zum 1.5.1937 ein, zu einem Zeitpunkt, an dem die Parteimitgliedschaft für Schulleiter von der NSDAP eingefordert wurde. (7)

Jacobsgaard hatte in die neu gegründete Jahnschule in der Bogenstraße einen Großteil des Kollegiums der Schule Kielortallee mitgenommen. Insofern wusste er, auf wen er sich als Schulleiter einließ. Aber die Zeiten hatten sich geändert und mit ihr die Personen, wie ein Blick auf die biografischen Notizen des Kollegiums zeigt.

Die Aktivisten des Deutschen Turnerbundes, des Deutschvölkischen Turnvereins „Jahn“, der damit warb, Turnen „streng im Geiste des Altmeisters Friedrich Ludwig Jahn auf völkischer (nationaler) Grundlage zu betreiben.“ Und: „Nur Deutsche, germanisch-arischer Herkunft können Mitglieder werden. Juden, Polen Tschechen und sonstige Fremdstämmige sind von der Mitgliedschaft ausgeschlossen.“ (8)

Schulturnwart Rudolf Fehling, SA-Mann und strammer Nationalsozialist, betrieb eine vormilitärische Ausrichtung des Sportunterrichts. (9) Zu den Turnveranstaltungen der Jahnschule luden Jacobsgaard und Fehling immer gemeinsam ein. Das 3. Schauturnfest im März 1936 begann nach der Fahnenweihe und dem Lied „Die Fahne hoch“ mit dem Sprechchor. „Rassereinheit, Volkseinheit, Geistesfreiheit“. Jacobsgaard und Fehling luden auch gemeinsam zu den völkischen Abenden ein. Der 7. Völkische Abend zeigte am 3.11.1936 den Film „Unser Heer“. (10)

Und der Personalakte Fehlings ist zu entnehmen, dass Jacobsgaard seinen nationalsozialistischen Turnwart auch zu Arbeiten bei den Kassen des NSLB heranzog.

Laut Schulchronik der Jahnschule vermeldete der Parteigenosse und Turnwart Rudolf Fehling dem NSDAP-Kreisleiter: „Die Volksschule in der Bogenstraße 34 wurde Ostern 1934 durch Beschluss des Senats Jahnschule genannt, in Erinnerung an einen unserer ersten Vorkämpfer für ein deutsches Volkstum. An dieser Schule sollen schätzungsweise 40 bis 50 Kinder jüdisch sein. Wenn sich auch jede Schule heute noch mit artfremden Kindern abfinden muss, so müsste diese jedenfalls bei zwei Schulen unter allen Umständen vermieden werden, nämlich bei der Adolf- Hitler-Schule, wo auch tatsächlich keine Juden aufgenommen wurden, und in der Jahn-Schule.“ (11)

Die Schulverwaltung stellte nach Intervention des NSDAP-Kreisleiters daraufhin fest, dass es 1934 etwas mehr als 2% jüdischer Schüler an der Jahnschule gab, 29 von 1331, und ordnete zum nächsten Aufnahmetermin ein restriktiveres Verfahren an.  (12) 

Uwe Schmidt schrieb, dass Peter Jacobsgaard habe unter dem ausgeübten Druck das Gespräch mit den betroffenen Eltern gesucht und sich bemüht, „menschlich tragbare Lösungen“ zu finden. (13)

Jacobsgaard gab als Schulleiter keinen regelmäßigen Unterricht, übernahm aber Vertretungsstunden. Während sein Enkel ihn als etwas pedantisch beschreibt, wurde sein Unterricht von Uwe Storjohann als „recht unterhaltsam“ bezeichnet. Storjohann berichtete auch, dass nach einem Erlass Jungen von den Lehrern nicht mehr geschlagen werden durften und statt dessen zum Rektor Jacobsgaard geschickt wurden. „Dieser war jedoch kein Anhänger der Prügelstrafe und zog es vor, das Gespräch zu suchen“. (14)

Jacobsgaard musste auf vielen Feldern lavieren. Die Jahnschule war seit dem 5.11. 1934 wie die Schule Binderstraße 34 „Institutsschule“. (15) Sie war der Abteilung für praktische Pädagogik des Seminars für Erziehungswissenschaften der nahen Hansischen Universität als Übungsschule zugewiesen und der Schulaufsicht des bisherigen Schulrats entzogen. Verantwortlich für die Jahnschule als geschäftsführender Schulrat war jetzt der Leiter der Abteilung für praktische Pädagogik, Prof. Rudolf Peter.

Das hieß für die Jahnschule, dass einige pädagogisch eher der Reformpädagogik, des Werkstattunterrichts zugeneigte Lehrer wie Walter Jeziorsky pädagogisch ausbildend wirken konnten, wobei fast alle Lehrer der Jahnschule auch Praktikanten bekamen, so Turnlehrer Fehling die Sportstudenten. Und schließlich war auch das Seminar für Erziehungswissenschaften inzwischen nazifiziert.

Die ganze Widersprüchlichkeit der 12 Jahre Schulleiterarbeit unter der Herrschaft der Nationalsozialisten wurde anschaulich deutlich in der Schilderung Uwe Storjohanns, der schilderte, was er am 1. Mai 1945 an der Jahnschule erlebte, ein paar Tage bevor die Nazis die Macht endgültig an das einmarschierende britische Militär abgeben mussten:

 „Als ich am Mittag, kurz nach zwölf, in der Jahnschule aufkreuze, räumen Herr Jacobsgaard, mein Vater und noch ein paar Kollegen mit der Vergangenheit auf.

Vater lässt gerade ein Prunkstück der Schulbibliothek, Alfred Rosenbergs ‚Mythos des 20. Jahrhunderts‘, im Mülleimer verschwinden, gefolgt von Günters ‚Rassenlehre‘.

Auch die letzten Volkssturmhelden treffe ich noch an. Ich werde Zeuge, wie Schulleiter Jacobsgaard den harten Kern der Schulbesetzer, eine Gruppe von SA-Männern, die ihren Volkssturmposten offensichtlich nicht verlassen wollen, wutschnaubend aus der Schule hinausjagt. ‚Das ist ein Befehl von Ihrer Gauleitung‘, schreit er. ‚Hier wird nichts mehr verteidigt! Sie haben hier nichts mehr zu suchen! Verlassen Sie sofort meine Schule! Hier habe ich das Hausrecht! Verschwinden Sie! Hinaus! Hinaus!!‘ ‚Meine Schule‘, sagt er - und in der Schimpfkanonade macht sich der aufgestaute Zorn eines Mannes Luft, der zwölf Jahre lang mit Wölfen geheult hat, die ihm im Grunde vom ersten Tage an zuwider waren. Es ist eine Abrechnung, auch mit sich selbst. Gewiss hat er schon hundertmal bereut, sich 1933 auf den Kuhhandel mit der Nazischulbehörde eingelassen zu haben: Übergabe der Lehrergewerkschaftskasse, die er als Kassenwart verwaltete, gegen die Zusicherung, trotz exponierter  gewerkschaftlicher und politischer Tätigkeiten für das republikanische System, als Schulleiter der neuen, nach dem Turnvater Jahn getauften Hamburger Musterschule anerkannt zu werden. Gut, er hat in seinem Amt über politisch gefährdete Kollegen und Kolleginnen die Hand gehalten, dafür gesorgt, dass als ‚demokratische Pädagogen‘ verschriene Junglehrer  weiter unterrichten  konnten, dass  die bekennende Christin Fräulein Petersen lange Zeit ungeahndet  Jesu Bergpredigt über Adolf Hitlers ‚Mein Kampf‘ setzen durfte, aber er hat auch geduldet, dass  Lehrer wie der Synagogenschänder Fehling, die Chauvinisten Reisener und Kumlehn, der HJ-Einpeitscher und Herrenmenschenzüchter Einfeldt, der Heinrich-Himmler-Gefolgsmann Behn seine Schule zum Vorzeigehort ihrer Nazipädagogik machten, dem Hamburgs braune Prominenz, einschließlich der Gauleiter, bedenkenlos ihre Sprößlinge anvertrauten. Er hat darunter gelitten, der gute Peter Jacobsgaard, hat Ängste ausgestanden, sich insgeheim vor sich selbst geschämt, wie so viele Deutsche mit demokratischer Vergangenheit. Nun hat auch er sich von der Angst befreit: „Hinaus! Hinaus! Und wenn ich in der Schule auch nur eine Waffe finde, mache ich Sie dafür verantwortlich! Nun gehen Sie schon! Ich will Sie nicht mehr sehen!‘ Die SA-Leute trollen sich wie geprügelte Hunde. Ich verbringe den Tag im Lehrerzimmer der Schule. Dort höre ich die Radiomeldung: ‚Aus dem Führerhauptquartier wird gemeldet, daß unser Führer Adolf Hitler heute nachmittag in seinem Befehlsstand in der Reichskanzlei, bis zum letzten Atemzuge gegen den Bolschewismus kämpfend, für Deutschland gefallen ist.‘ (…) Fünf, sechs Leute sind wir im Lehrerzimmer der Jahnschule, es ist niemand dabei, der diesen Heldentod beweint. ‚Jetzt ist Schluß mit dem Morden‘, sagt Schulleiter Jacobsgaard und nimmt das Hitlerbild von der Wand. ‚Für diese Erbschaft wird sich keiner finden‘.“(16)

Die Widersprüche spiegelten sich auch in der Familie Jacobsgaard wider. Der Enkel des Jahnschulleiters, ebenfalls mit Namen Peter Jacobsgaard, Jahrgang 1936, der für ein paar Wochen selbst Schüler an der Jahnschule gewesen ist, bekräftigte in einem Gespräch, das ich mit ihm am 25.3.2014 geführt habe, dass sein Großvater, genauso wie er selbst, keine wirklichen Sympathien für die Nationalsozialisten gehabt hätte. Anders als der Mann zwischen den beiden Peter Jacobsgaards, Sohn des Großvaters, 1907 geboren, Mediziner, Parteimitglied und seit 1933 in der SA als Sanitäts-Obertruppführer. Obwohl von nationalsozialistischer Ideologie infiziert ließ der Vater des Enkels die Familie besonders während des Krieges ständig den Wohnort wechseln, da seine Ehefrau jüdische Vorfahren gehabt haben soll. (14)

Peter Jacobsgaard wurde mit Ablauf des 30.9.1945 in den Ruhestand versetzt. Er war mittlerweile 66 Jahre alt.

Peter Jacobsgaard starb am 4.1.1961

Senator Heinrich Landahl, der Jacobsgaard aus der DDP und der Deutschen Staatspartei kannte, der er vor 1933 seinerzeit angehört hatte und dessen Vater Heinrich (geb. 9.4.1866) Lehrerkollege von Jacobsgaard an der Kielortallee 18 gewesen war, ehrte Jacobsgaard in seinem Beileidsschreiben vom 11.1.1961 nachdrücklich: „Peter Jacobsgaard gehörte wohl zu den markantesten Persönlichkeiten der Hamburger Lehrerschaft. Er war ein tüchtiger Lehrer und Schulleiter, der seiner Schule ein eigenes Gesicht zu geben verstand. Ganz besonders aber hat er sich in jahrzehntelanger ehrenamtlicher Arbeit der Kollegen innerhalb der Lehrerschaft angenommen, die in Bedrängnis und Not geraten waren. Vielen Hamburger Lehrern hat er durch seine Tatkraft und Umsicht geholfen, und für jeden fand er trotz seiner Arbeitsfülle ein verständnisvolles menschliches Wort.

Die Schulbehörde und die Lehrerschaft gedenken in Dankbarkeit dieses Mannes, der sein Bestes für die Schule und für seine Kollegen gab und dessen Name bei ihnen in guter Erinnerung bleiben wird.“ (18)

Die Wertschätzung, die Jacobsgaard in der Lehrerschaft und ihrer Gewerkschaft genoss, wird auch in dem Nachruf deutlich, den Friedrich Kraus in der Hamburger Lehrerzeitung veröffentlichte. Darin hieß es:

„Da rief der Standesausschuß die gesamte hamburgische Lehrerschaft zu der ersten großen Protestversammlung im Juni 1930 zusammen, die den großen Saal des Curiohauses überfüllte, und Peter Jacobsgaard richtete eine flammende Anklagerede gegen die Regierung, die ihre Beamten nicht schützte, sondern sie preisgab, die die Not durch Schaffung neuer Not und Ungerechtigkeit noch vergrößern wollte. In seiner Anklage bezeigte er die Triebkräfte seines Temperaments und seines Handelns, einen unbeugsamen Rechtssinn und den inneren Zwang zu helfen, Not zu lindern und zu beseitigen. Ohne Recht keine Sicherheit und kein Vertrauen. Die Rede schloß mit seinem Wahlspruch: Treue um Treue!“(19) Und Kraus beschrieb, ähnlich wie Senator Landahl, dass Jacobsgaard sich den Respekt und die Dankbarkeit der Kollegenschaft erworben hatte:

„Wer etwas auf dem Herzen hatte, kam zu Peter Jacobsgaard und wurde angehört. Für viele war er Lehr- und Rechenmeister, Vater, Bruder, Kollege und Zuchtmeister in einer Person.

Manch einen hat er gerettet, und er konnte derb und laut zufassen und drohen, er konnte aber auch Untertöne und wunde Schwingungen vernehmen und gütig helfen.

So war es vor und nach 1933 und so war es auch wieder nach 1945.

Peter Jacobsgaard gehörte zu denen, die, wie auch Fritz Köhne, mitten im Strome stehen geblieben waren, von ihm wohl umspült wurden, dabei ihrem selbst gestellten Auftrage sich verpflichtet fühlend und dienend, die ganze trübe Flut an sich vorüberrauschen ließen, und wenn sie gefragt wurden, so weit antworteten, wie eine Antwort eine Hilfe in ihrem Sinne sein konnte. Das war Traditionstreue in schwerer Zeit.“ (20)

Text: Hans-Peter de Lorent

Anmerkungen:
1. HLZ 44/1930, S. 806.
2. HLZ 27/28- 1932, S. 364.
3. Siehe Thomas Littmann in: 50 Jahre Jahnschule, Hamburg 1984, S. 14ff.
4. Uwe Storjohann: „Hauptsache überleben“, Hamburg 1993, S. 207.
5. Laut Entnazifizierungsakte Jacobsgaard, StA HH, Staatskommissar für die Entnazifizierung, 221-1_F 9513
6. Siehe Biografie Fehling in diesem Buch.
7. Staatsarchiv Hamburg: StA HH, 362- 9/14, 2 Chronik
8. Ebd.
9. Beate Meyer: „Jüdische Mischlinge“. Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933-1945, Hamburg 1999, S. 192.
10. Uwe Schmidt: Hamburger Schulen im „Dritten Reich“, Hamburg 2010, S. 79 .
11. Uwe Storjohann im Gespräch mit mir am 15.8.2012.
12. Staatsarchiv Hamburg: StA HH, 362- 9/14_2 Chronik
13. Storjohann, a.a.O., S. 207f.
14. Manfred Kuhn über den Enkel Peter Jacobsgaard, in: Steine des Anstoßes, Hamburg , S. 29
15. Personalakte Jacobsgaard, StA HH, 361-3_A 753
16. HLZ 3/1961, S. 102 f.
17. HLZ 3/1961, S. 103.
 

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Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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