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Marie Petersen

Geschäftsfrau, profitiert von der „Arisierung“
Wandsbeker Marktstraße 57/Ecke Wandsbeker Königstraße ( Lübecker Straße 1/ Königstraße 94) (Sitz der Firma Geschwister Korn)

In ihrer Biographie über das NS-Opfer Ilse Grube , geborene Kümmermann (1899-1941 Riga, weiterdeportiert nach KZ Stutthof) unter www.stolpersteine-hamburg.de/index.php?MAIN_ID=7&BIO_ID=900  schreibt Astrid Louven über Marie Petersen.

„Die drei Stolpersteine vor dem Eckgrundstück im Zentrum Wandsbeks erinnern an Aufstieg und Ermordung der Familie Kümmermann, die an dieser Stelle ein ‚Spezialhaus‘ für Damenkonfektion führte. Das unter dem Firmennamen Geschwister Korn bekannte Bekleidungsgeschäft war in den 40 Jahren seines Bestehens zu einer Institution geworden, wofür ein großer Kundenstamm – auch über die Grenzen Wandsbeks hinaus – und die Persönlichkeit der Gründerin standen.
In den Tagen des Novemberpogroms 1938 wurde auch das Bekleidungsgeschäft Geschwister Korn angegriffen (…). Lina Kümmermann sah sich nach 40 Jahren gezwungen, ihr Geschäft aufzugeben. (…)
Der Geschäftsfrau blieben zunächst noch das Grundstück und das Haus. Während in den oberen Etagen eine verfolgte Familie lebte, ging unten der Verkauf weiter. Die neue Inhaberin Marie Petersen machte sich im wahrsten Sinne des Wortes daran, ihr Haus zu bestellen. Das begann damit, dass sie den ‚jüdischen Namen‘ tilgte und das Geschäft in ‚Modenhaus Petersen‘ umbenannte. Etwa anderthalb Jahre später hatte sie sich auch das Grundstück angeeignet. (…)
Im Januar 1940 kam Bewegung in die Angelegenheit, als die Verwaltung für Handel, Schifffahrt und Gewerbe, die für die Grundstücksübertragung zuständig war, der Devisenstelle mitteilte, dass ein Antrag auf Verkauf der im Besitz der Jüdin Lina Kümmermann befindlichen Grundstücke Königstraße 92/ 94 und Lübeckerstraße 1–3 eingegangen war. Als gemeinschaftliche Käufer dieses erweiterten Eck-Grundstücks fungierten Marie Petersen, der bereits das Geschäft gehörte, und Julius Heese aus Malchow in Mecklenburg. Der Verkauf erfolgte auf Veranlassung des Finanzamtes Wandsbek, das noch 15500 RM Judenvermögensabgabe einzutreiben hatte. Die Bezahlung dieser und evtl. weiterer Steuerschulden sollte aus dem von der neuen Eigentümerin bar zu zahlenden Teil des Kaufpreises erfolgen. Ohne die Eintragung der Hypothek würde sich der Baranteil um 30000 RM auf 65000 RM erhöhen. Da dieser Betrag aber von den Käufern nicht aufgebracht werden konnte, drohte der Verkauf zu scheitern. Ein Verkauf an andere Interessenten wurde als so gut wie ausgeschlossen bezeichnet, weil die jetzigen Kaufinteressenten auch das zum Grundstück gehörende Geschäft übernommen hatten. Bei dieser Gelegenheit hatten sie einen langfristigen Mietvertrag bis 1946 erhalten. Zudem war ihnen ein Vorkaufsrecht auf die Grundstücke eingeräumt worden.
Nun stand der Eintragung der Hypothek für Fritz Pünjer, der ebenso wie seine Ehefrau und seine Schwiegermutter im gerade verkauften Objekt gemeldet war, nichts mehr im Wege, sie wurde im Mai 1940 vollzogen. Das Finanzamt Wandsbek hatte von Marie Petersen als Sicherheit für die restliche Judenvermögensabgabe und etwaige weitere Steuern den Betrag von 16000 RM erhalten, wodurch Lina Kümmermanns Steuerschuld abgesichert war. Die neue Eigentümerin war mittlerweile alleinige Käuferin der Grundstücke, da ihr Partner aus dem gemeinsamen Vertrag ausgestiegen war. Im Zusammenspiel behördlicher wie privater Interessen profitierte Marie Petersen, indem sie sich die Notsituation der langjährigen Eigentümerin zunutze machen konnte und das Grundstück in sehr guter Lage an sich brachte.
Doch für Lina Kümmermann war die Angelegenheit noch nicht erledigt. Sie legte Beschwerde bezüglich des Kaufpreises ein, dessen Einheitswert 112200 RM betrug. Die Schätzungskommission befasste sich mit der Sache. Letztlich belief sich der Kaufpreis auf 115000 RM. Die Käuferin übernahm die Hypotheken-Schulden von rd. 85000 RM, darin die Hypothek für Fritz Pünjer. An Lina Kümmermann bar zu zahlen waren 35100 RM. Diese Summe reduzierte sich nach Abzug von Steuern, Gebühren und Abgaben in Höhe von rd. 21800 RM, darin rd. 14900 RM Judenvermögensabgabe, auf rd. 13300 RM. Das waren lediglich gut 10% (!) des festgesetzten Kaufpreises. Nicht einmal über diesen Betrag durfte Lina Kümmermann verfügen, er wurde vielmehr auf ihr gesperrtes Sicherungskonto bei der Commerzbank, Depositenkasse Wandsbek, eingezahlt. (…)
Das Modenhaus Petersen existierte bis Anfang der 1990er Jahre. Die damalige Inhaberin und Nachfolgerin von Marie Petersen war 1988 anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Geschäfts nicht bereit, Auskunft zu geben über die Vorgänge der einstigen ‚Arisierung‘ bzw. über die Nachfolgerin von Lina Kümmermann. Das Schweigen aus kollegialer Loyalität fiel leichter als das Sprechen über Geschehnisse, die mit einem Tabu belegt waren, stand am Ende der finanziellen Ausplünderung durch die Nutznießerin Petersen doch die Ermordung der einstigen Geschäftsgründerin und ihrer Töchter durch den NS-Staat.“ [1]

Quelle:
1 Astrid Louven über Ilse Grube in http://www.stolpersteine-hamburg.de/index.php?MAIN_ID=7&BIO_ID=900 (Hier auch Quellenangaben)
 

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Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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