Namens-/Sachregister

Frauenbios

Hannelore Schmidt

( Hannelore „Loki“ Schmidt, geb. Glaser )
(3.3.1919 Hamburg – 21.10.2010 Hamburg)
Pädagogin, Naturschützerin und Autorin
Schleusenstraße 11; dann Baustraße in Mitte; Reformierte Grundschule Burgstraße,
Gluckstraße in Barmbek-Nord (erste Wohnung mit Helmut Schmidt)
Schwalbenplatz 16 (ab Mai 1952)
Zickzackweg in Klein Flottbek, Neue Heimat-Siedlung (ab 1954)
Neubergerweg 80, Langenhorn (Wohnadresse, wird jetzt von der Helmut und Loki Schmidt Stiftung verwaltet)
Ohnhorststraße 18, (Namensgeberin) Loki-Schmidt-Garten und Loki-Schmidt-Haus; umbenannt am 23.10.2012 aus Botanischer Garten Klein Flottbek (gegr. 1821). Gehört zum Biozentrum der Universität Hamburg und den Tropengewächshäusern auf dem Gelände von Planten und Blomen.
Loki-Schmidt-Platz, seit Mai 2017 in Winterhude
Loki-Schmidt-Schule, seit dem 1.8.2012 heißt die Offene Ganztagsschule am Othmarscher Kirchenweg 145 „Loki-Schmidt-Schule“.
Hannelore „Loki“ Schmidt, Bildquelle: Montgomery / gemeinfrei
Hannelore „Loki“ Schmidt, geb. Glaser war Pädagogin und Ehefrau des Altbundeskanzlers Helmut Schmidt. Sie wirkte als Botanikerin, Natur- und Pflanzenschützerin mit internationaler Anerkennung für ihre Leistungen als Autorin und der von ihr initiierten Einrichtungen.
„Frau Mantel“ ist der erste Pflanzenname, den die kleine Hannelore lernte. Der Frauenmantel mit seinen schönen gezähnten Blättern und den Wassertropfen drauf brachte sie zum Staunen bevor sie richtig sprechen konnte. Ihre Bilderbücher waren die Kupferstiche der „Flora von Deutschland“. Mit acht Jahren stellte sie fest, dass der „Löwenzahn“ zwischen den Pflastersteinen vor ihrem Wohnhaus anders aussah als der im Hammer Park. Die Sommerferien verbrachte die ganze Familie bei den Großeltern in der Heide vor den Toren Hamburgs. Der Botanische Garten wurde für sie zum Zaubergarten (mehr unter www.biologie.uni-hamburg.de/einrichtungen/wissenschaftliche-sammlungen/loki-schmidt-haus/museum/lokischmidt.html).
Im Arbeiterstadtteil Hammerbrook wurde sie geboren. In der ehemaligen Schleusenstraße 11 wuchs Hannelore mit ihren Eltern und ihren Geschwistern in bescheidenen Verhältnissen auf. Dem Bruder Christoph, geb. 1920, folgten zwei Schwestern: Linde, geb. 1922, und Rose, geb. 1929. Früh lernte sie als Älteste, soziale Verantwortung zu übernehmen. Ihr Vater Hermann Glaser war Betriebselektriker auf einer Werft. Als er 1931 arbeitslos wurde, begann Mutter Gertrud als Näherin zu arbeiten. Wie sehr die Arbeitslosigkeit des Vaters Loki Schmidts weiteren Lebensweg beeinflusste, schreibt Reiner Lehberger in seiner Biographie über Loki Schmidt: „Über sechs Jahre sollte die Zeit der Arbeitslosigkeit des Vaters andauern (…). Erst Mitte 1936 fand er endlich wieder eine Anstellung (…). Es waren diese schweren Erfahrungen der wirtschaftlichen Not, die bei Loki später den starken Wunsch entstehen ließen, möglichst schnell ihre Ausbildung zu Ende zu bringen, ihre Eltern unterstützen zu können und vor allem für sich selbst eine wirtschaftliche Eigenständigkeit zu erlangen und zu bewahren.“ [1]
Mit dem Größerwerden ihrer Familien zogen die Glasers aus der Wohnung der Großeltern zunächst nach Borgfelde, dann in einen Neubau für kinderreiche Familien nach Horn. [2]
Als kleines Kind gab sie sich selbst den Rufnamen „Loki“. Ihr späteres Markenzeichen bezog sie vermutlich auf den Riesen aus den Sagen der Nordischen Mythologie. Ihre außergewöhnliche schulische Bildung entsprach dem Bildungswillen der Arbeiterschaft der 1920er-Jahre: Ab 1925 besuchte sie die reformorientierte (Grund-)Schule Burgstraße. Von 1929-1937 die musisch geprägte, ebenfalls reformorientierte Lichtwarkschule am Grasweg in Winterhude (aufgelöst 1937). Dort bereits lernte sie ihren späteren Ehemann Helmut Schmidt kennen. Klassenlehrerin mit dem Fach Biologie war Ida Eberhardt, die 1935 entlassen wurde, weil sie sich gegen den Aushang der Hetzschrift „Der Stürmer“ in der Lichtwarkschule ausgesprochen hatte. Ihre zeitweilige Deutschlehrerin Erna Stahl gehörte zum Umfeld der Widerstandsgruppe „ Weiße Rose Hamburg“. Für beide Schulen galt ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Lehrerinnen/Lehrern und Schülerinnen/Schülern, selbstständiges Arbeiten der Schülerinnen und Schüler und Beteiligung der Eltern am Schulleben.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten war Loki Schmidt von Dezember 1935 bis März 1938 Mitglied des BDM (Bund Deutscher Mädel), in dem sie acht Monate lang den Rang einer Scharführerin ausfüllte. [3]
Reiner Lehberger schreibt in seiner Loki Schmidt Biographie dazu: „1936 wurde reichsweit die Zwangsmitgliedschaft [in den BDM bzw. HJ] eingeführt] (…). Ende 1935 trat auch Loki in den BDM ein. Um eine Anpassungshandlung handelt es sich dabei sicher nicht, denn ihr Schulleiter hatte das als Bedingung für den Verbleib auf der geliebten Schule gemacht. In ihrer Horner BDM-Gruppe machte sie Vorschläge für die Verschönerung des kargen Gruppenraums (…). Weniger erfreulich waren für sie die stetigen Haus- und Straßensammlungen. (…) Schon in ihrer Lichtwarkschule galt Loki als eine ‚Führernatur‘, wie eine Mitschülerin es formulierte. Sie galt als resolut, sportlich, geistig beweglich und an der Klassengemeinschaft interessiert. In der BDM-Gruppe wird das nicht anders gewesen sein, denn bereits im Sommer 1936 wird sie Kameradschaftsführerin, d. h. Leiterin einer BDM-Gruppe. (…) Von nun an musste sie die Heimabende gestalten. Eines der vorgegebenen Themen ist das Schicksal und Leben der sogenannten Auslandsdeutschen in den ehemaligen deutschen Kolonien. Der politische Hintergrund war das Wachhalten des Kolonialgedankens, wie es im Jargon der damaligen Zeit hieß. Im Jahr 1936 wurde Loki zur Scharführerin ernannt, die nächste hierarchische Stufe in der BDM-Struktur. Der normale Dienst war für sie jedoch bald beendet. Loki wurde ins BDM-Orchester aufgenommen, von nun an traten an die Stelle von Heimabenden und Straßensammlungen Orchesterproben und öffentliche Musikeinsätze. (…) Für das BDM-Orchester gehörte aber gewiss auch das politische Liedgut der Zeit zum Repertoire. Die Ernennung zur Scharführerin sollte ihr im Übrigen nach 1945 im Entnazifizierungsverfahren noch einmal große Schwierigkeiten bereiten. (…)
Bei aller geschilderten Skepsis, der Gedanke an irgendeine Form des Widerstandes kam ihr nie. Nur einmal zeigte sie öffentlich eine deutliche Distanz. Als Ostern 1936 im Turnunterricht der Lichtwarkschule für alle Schießübungen mit Kleinkalibergewehren angeordnet wurde, erklärte sie gegenüber dem Schulleiter, dass sie ‚kein Gewehr anfassen würde‘. Dieser nahm es hin, verlangte lediglich, dass sie das schriftlich zu erklären habe. Ansonsten galt: Über die Abneigung gegenüber dem NS-System und ‚Adolf-Nazi‘, wie dieser in ihrem Elternhaus genannt wurde, verständigte man sich nur im kleinen, vertrauten Kreis, schon in größeren Gruppen ließ sie Vorsicht walten. (…) Man tut der jungen Hannelore Glaser sicher nicht unrecht, wenn man sagt, dass der Wille, die Zeit unbeschadet zu überleben, stärker war, als sich gegen das NS-Regime aktiv aufzulehnen.“ [4]
Ihr Abitur bestand Loki Glaser 1937 an der Klosterschule. Danach wurde sie vom 1.4.1938 bis zum 1.10.1938 zum Reichsarbeitsdienst eingezogen.
Ihr Wunsch, Biologie zu studieren, scheiterte an den Studiengebühren. Daraufhin absolvierte sie von 1938 -1940 eine Ausbildung zur Volksschullehrerin an der von den Nationalsozialisten neu eingerichteten Hochschule für Lehrerbildung. Reiner Lehberger schreibt dazu: „Die Politischen Anteile des Studiums berührten die junge Studentin offenbar wenig. Durch ihre Mitgliedschaft im Hamburger BDM-Orchester musste sie keinen aktiven Dienst in anderen NS-Organisationen aufnehmen. Auch nahm sie an keinem der von der Hochschule organisierten Studentenlagern teil, sondern ging stattdessen auf eine volkskundliche Exkursion mit Studierenden des höheren Lehramts im Wahlfach Deutsch und Niederdeutsch.“ [5]
Als Examensarbeit wählte sie eine volkskundliche Studie über die dörfliche Vorgeschichte des Arbeiterstadtteils Horn. Im Mai 1940 trat sie mit 21 Jahren in den Hamburger Schuldienst ein
„Bei der endgültigen Einstellung [in den Schuldienst] hatte man Loki angetragen, dass die Mitgliedschaft in der NSDAP erwünscht sei. (…) Der Druck war (…) groß, und auch Hannelore Glaser beugte sich ihm. Sie unterschrieb ein Eintrittsgesuch für die NSDAP und die NSV (…). Ein Jahr später, im April 1941, erhielt sie ein vorgefertigtes Schreiben der Schulverwaltung, in dem nach ihrer Mitgliedschaft in der NSDAP nachgefragt wird. Sie trug ein: ‚Antrag gestellt‘, blieb danach von Partei und Behörde aber offenbar unbehelligt.“ [6]
In ihrem „Entnazifizierungsfragebogen“ vom 21.6.1945 teilte Loki Schmidt auf die Frage nach einer Mitgliedschaft in der NSDAP mit: „Ja, Anwärterin 1940 Eintritt“. [7]
Ein knappes Jahr später, am 4.4.1946, vermerkte Loki Schmidt in einem weiteren „Entnazifizierungsfragebogen“ der Military Government of germany unter „Anmerkung“ zu ihrem Beitritt in den BDM und zu ihrem Eintrittsgesuch in die NSDAP und die NSV: „Mein Vater war viele Jahre arbeitslos. Er konnte mein Schulgeld für die höhere Schule nie bezahlen. Es wurde immer vom Hamburger Staat getragen und ich erhielt Beihilfen. 1935 wurde die Fortführung verweigert, wenn ich nicht in den BDM eintrat und mich dort als Führerin betätigte. So wurde ich ohne persönliche Überzeugung zum Beitritt gezwungen. Gleichfalls wurde ich im Mai 1940 wider Willen gezwungen, die Aufnahme in NSDAP und NSV zu beantragen, da ich eine Bescheinigung dieser Anträge der Hber. Schulverwaltung vorzeigen musste, um eine Anstellung zu erhalten. Nachdem ich meine Anstellung hatte, zog ich mich von NSDAP und NSV zurück, zahlte keine Beiträge und hatte seit März 42 nie wieder mit NSDAP oder NSV zu tun.“ [8]
Reiner Lehberger dazu: „Die Aussagen entsprechen den tatsächlichen Umständen. Das Bundesarchiv bestätigt im März 2012 nach Auswertung aller einschlägigen Quellen – wie den personenbezogenen Akten des Berlin Document Center; des Reichserziehungsministeriums und der NSDAP-Mitgliederkartei -, dass Hannelore Glaser bzw. Hannelore Schmidt zu keinem Zeitpunkt Mitglied der NSDAP war.“ [9]
In dem ersten „Entnazifizierungsfragebogen“, datiert auf den 21.6.1945 hatte Loki Schmidt allerdings eine Mitgliedschaft in der NSV von April 40-1945 handschriftlich eingetragen. Und zu ihrer Mitgliedschaft in der NSDAP hatte sie geschrieben: „Ja, Anwärterin, 1940 Eintritt“ (siehe Fußnote 7). Dies erklärt Reiner Lehberger wie folgt: „Anders als im ersten Fragebogen [gemeint ist der vom 21.6.1945, R. B.] konnte Loki Schmidt jetzt [gemeint sind die Angaben auf dem am 4.4.1946 ausgefüllten „Entnazifizierungsfragebogen“, R. B.] auch die Angabe ihrer Mitgliedschaft in der NSV auf die Jahre 1940 bis 1942 präzisieren.“ [10] In diesem zweiten „Entnazifizierungsfragebogen“ vom April 1946 war nun neben der oben zitierten „Anmerkung“ bei der Frage zur Mitgliedschaft in der NSDAP vermerkt: „Anwärter, ja, Mai 1940 bis März 1942“. Und bei der Frage zur Mitgliedschaft in der NSV hieß es nun: „ja, Mai 1940 – März 1942“. [11]
Die NSV war mit „17 Mio. Mitgliedern (1943) nach der Dt. Arbeitsfront die größte (…)NS-Massenorganisation.(…) Ihren Anspruch auf Monopolisierung der gesamten freien und öffentlichen Wohlfahrt konnte die N. zwar nicht realisieren, doch gelang es ihr, die in der freien Wohlfahrtspflege tätigen Verbände zurückzudrängen bzw. gleichzuschalten (…). Angesichts der ihr zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel (Mitgliedsbeiträge, Spenden, staatliche Zuwendungen) war es ihr n möglich, in alle Bereiche der Wohlfahrt zu expandieren (…). Aufgrund ihrer scheinbaren Ideologieferne war die Arbeit der N. populär und die Mitgliedschaft erschien auch für diejenigen, die dem Regime eher zögernd oder kritisch gegenüberstanden, aber aus Opportunitätsgründen in eine Parteiorganisation eintreten wollten, akzeptabel. Tatsächlich war die Arbeit der N. von rasse- und erbbiologischen Selektionskriterien bestimmt (…).“ [12]
Loki Schmidt wurde nach der Befreiung vom Nationalsozialismus durch die Britische Militärregierung im Oktober 1945 als Lehrerin entlassen, zuvor hatte sie im Juni 1945 den bereits oben erwähnten und zitierten „Entnazifizierungsfragebogen“ ausgefüllt. Reiner Lehberger schreibt über die Situation, in die Loki Schmidt durch die Entlassung aus dem Schuldienst geriet und bezieht sich dabei auch auf die im Juni 1945 in dem Entnazifizierungsfragebogen von Loki Schmidt gemachten Angaben: „Am 27. September wurde ihr von der Schulverwaltung ‚im Auftrag des Bürgermeisters‘ mitgeteilt, dass sie ab sofort suspendiert sei. Gehaltszahlungen oder andere Bezüge ständen ihr nicht zu. Und ‚Ihre Wiederverwendung in dem Amte eines Lehrers ist von einer erneuten Überprüfung Ihrer Eignung nach Absolvierung eines 6-monatigen Sonderkurses (…) abhängig.‘ [Zitat bei Lehberger: Schreiben der Schulverwaltung vom 27.9.1945, Personalakte Hannelore Schmidt, Staatsarchiv Hamburg, R. B.] Eine Begründung ist in dem Schreiben nicht enthalten, doch ohne Zweifel waren es Angaben aus dem Fragebogen [vom 21.6.1945], die zu dieser Maßnahme geführt haben. Denn in dieser ersten Phase der Entnazifizierung wurde schematisch ausgewertet, individuelle Motive und Besonderheiten wurden nicht berücksichtigt. Im November verschärfte die Behörde die Suspendierung und wandelte sie in eine sofortige Entlassung um. (…) Für Loki und ihren Mann war dies ein harter Schlag. Neben der Ungewissheit, wie die Sache ausgehen würde, kam eine erhebliche Verschärfung ihrer wirtschaftlichen Lage durch die Streichung des Gehalts hinzu. In mehreren Eingaben bat sie um eine finanzielle Unterstützung, die aber wurde nicht gewährt. (…) In den nächsten 14 Monaten arbeitete sie als Putzfrau, nähte abends Kinderkleidung oder strickte Pullover für Bauern in der Umgebung und besser gestellte Familien. Inzwischen hatte Helmut Schmidt im November 1945 sein Volkswirtschaftsstudium an der Universität Hamburg aufgenommen. (…) Um ihr Einkommen aufzubessern übernahm Helmut Schmidt [mit dem Loki seit 1942 verheiratet war, R. B. ] kleinere Aufträge von Selbstständigen, z. B. das Erstellen von Steuererklärungen. (…) Zu allem Unglück erlitt Loki am Heiligabend 1945 eine Fehlgeburt. In einem Schreiben an die Schulverwaltung vom März 1946, in dem sie ausführlich über ihre ‚besonders harte Notlage‘ berichtet und finanzielle Unterstützung erbittet, heißt es dazu: ‚Ich bin seit 4 Jahren verheiratet, mein Mann war 8 Jahre Soldat (1937 eingezogen), er steht jetzt mit 27 Jahren am Beginn des 2. Semesters und ist seit Mai 1945 ohne jedes Einkommen oder Beihilfen und dergl. Wir haben in diesem Kriege zweimal einen vollständigen Haushalt verloren, das zweite Mal im April 1945. Da wir für die zweite Wohnungseinrichtung alles Ersparte verbraucht hatten, sind wir zur Zeit ohne jegliche Mittel. Die beiderseitigen Eltern und alle näheren Verwandten sind gleichfalls total ausgebombt und wohnen in kümmerlichen Verhältnissen (…). Die Überlastung führte im Winter zu einer Fehlgeburt mit Bettlägerigkeit, Klinikaufenthalt und Operation.‘ [bei Lehberger angegebenes Zitat: Schreiben der Schulverwaltung vom 24.3.1946, Personalakte Hannelore Schmidt, Staatsarchiv Hamburg, R. B.] Unter diesen Umständen konnten die Schmidts die Arzt- und Klinikkosten nicht begleichen. Loki bat um Befreiung, die ihr schließlich gewährt wurde.“ [13]
Nachdem Loki Schmidt den Sonderlehrgang, den sie wegen ihrer Funktion als Scharführerin absolvieren musste – Reiner Lehberger schreibt dazu, dass Zeitgenossen ihn „Entbräunungskurs“ nannten [14] – beendet hatte, erhob sie am 6.5.1946 Einspruch gegen ihre Entlassung aus dem Schuldienst. Sie schrieb an die Militär-Regierung Hamburg. „Betr. Einspruch gegen die Entlassung der Lehramtsanwärterin Hannelore Schmidt. Kontrollnr. ---…
Bezug: Schreiben der Militärregierung vom 18. Oktober 1945 No. 3754 H.
Auf Grund der Verfügung der Militärregierung vom 18. Oktober 1945 No. 3754 H.Hmg/LR.HMG.Ed. 2592 bin ich aus dem Amt als Lehrerin entlassen worden. Ich habe an dem von der Hamburger Schulverwaltung eingerichteten Sonderlehrgang für die jungen Lehrkräfte (6 Monatskursus) teilgenommen.
Ich darf bemerken, dass meine Notlage mich zu meiner seinerzeitigen Tätigkeit im BDM gezwungen hat. Ich habe die näheren Umstände in den Anmerkungen (Absatz J ) meines Fragebogens angegeben.
Zur Bestätigung füge ich Gutachten von Oberschulrat F. Köhne und Lehrer Ernst Peters bei.
Ich beantrage hiermit meine Wiedereinstellung in den Schuldienst.“ [15]
Zuvor hatte Loki Schmidt am 4.4.1946 - wie bereits oben ausgeführt und in Teilen daraus zitiert - einen zweiten „Entnazifizierungsfragebogen“ ausfüllen müssen. Dazu Reiner Lehberger: „Natürlich wiederholte Loki ihre Antworten auch in diesem zweiten Bogen exakt, aber dieser zweite Bogen enthielt nun wesentliche Anmerkungen und Präzisierungen, die für das weitere Verfahren mit Sicherheit hohe Bedeutung hatten. So finden sich hier die später vom Berlin Document Center bestätigten Einlassungen zu ihrer ‚erzwungenen‘ NSDAP-Anwartschaft, die zeitliche Eingrenzung dieser Anwartschaft auf die Jahre 1940 bis 1942 und der Verweis auf den Rückzug von ihrem Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP im März 1942. (…). In den persönlichen Akten von Loki Schmidt, (…) existieren handschriftliche Notizen von Helmut Schmidt, die nahelegen, dass die beiden sich intensiv über die Einträge auf diesem zweiten Fragebogen ausgetauscht und gemeinsam nach Formulierungen gesucht haben“ [16]
Für Loki Schmidts Einspruch gegen die Entlassung aus dem Schuldienst verfasste Christian Bollmann, kom. Schulrat des Kreises Regen, am 14.5.1946 ein „Politisches Zeugnis“: „Frau Hannelore Schmidt geb. Glaser ist mir seit ihrem 1. Dienstantritt 1939 oder 1940 bekannt. Wir waren bis zu meiner Einberufung im Februar 1943 an der gleichen Schule tätig, und ich kenne sie sowohl ihrer Tätigkeit als Lehrerin, als auch privat. Sie hat in allen Gesprächen und Unterhaltungen immer wieder ihre ablehnende Einstellung zum Nationalsozialismus zum Ausdruck gebracht und hat besonders in ihrer Schularbeit nie irgendwelche nationalsozialistischen Ideen vertreten. Sie war gegen ihren Willen zu einer BDM-Führerin ernannt worden, hat aber mir gegenüber immer wieder betont, dass sie dieses Amt entweder gar nicht oder nur sehr oberflächlich ausführte und vor allen Dingen schon garnicht so, wie es von ihr erwartet würde.
Ich kann ihr aus meiner persönlichen Kenntnis bestätigen, das sie sich immer gegen den Nationalsozialismus in jeder Form geäussert hat.“ [17]
Oberschulrat Fritz Köhne schrieb am 4.6.1946 an die Militärregierung Hamburg wegen der Entlassung der Lehrerin Hannelore Schmidt: „Frau Hannelore Schmidt hat an der Arbeitsgemeinschaft regelmäßig teilgenommen und sich in den politischen Aussprachen lebhaft beteiligt. Sie hat sich oft in längeren Ausführungen zu den verschiedensten Problemen unserer Zeit Stellung geäußert. Dabei wurde eine entschieden demokratische und kriegsgegnerische Einstellung deutlich. Dabei ist sie nicht eigentlich politisch interessiert, nimmt vielmehr zu allen Fragen aus dem Bewußtsein inniger Verbundenheit mit der Schuljugend unter dem Gesichtspunkt der Erziehung zur Menschlichkeit Stellung.
Die Schulverwaltung empfiehlt ihre Wiedereinstellung in den Schuldienst.“ [18]
Ebenfalls datiert auf den 6.5.1946 ist ein „Gutachten über Frau Hannelore Schmidt, geb. Glaser“ verfasst von Ernst Peters, Lehrer Hamburg-Volksdorf Wulfsdorferweg 77. „Frau Hannelore Schmidt geb. Glaser und ihre Familie kenne ich seit 1933. Mutter und Vater, beide hilfsbereit, künstlerisch begabt, mit vielseitigen Kulturinteressen, haben den Nationalsozialismus in seiner Enge und Gefährlichkeit stets erkannt und ihn abgelehnt. Der Vater und ich haben einander oft deutlich unsere ausgesprochene Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus in gegenseitigen Vertrauen zum Ausdruck gebracht.
Die älteste Tochter, jetzige Frau Schmidt, ist in solcher antifaschistischen Luft erzogen und konnte darum dem B.D.M. nicht aus innerer Überzeugung beitreten. Sie war dazu gezwungen, wenn sie den Beruf einer Lehrerin ergreifen wollte. Im anderen Falle hätte sie die Oberschule verlassen müssen, weil ihr der Unterstützungsbetrag entzogen werden sollte, der aber war notwendig wegen der Erwerbslosigkeit ihres Vaters. Sie hat im B.D.M. gearbeitet, ohne die verschleierten Ziele der Partei und ihre verhehlte Schändlichkeit voll zu erkennen und die politischen Folgen vorauszusehen. Sie hat niemals nationalsozialistischen Ansichten und Lehren mit den üblichen verwerflichen Mitteln der Partei zu verbreiten und durchzusetzen versucht.
Ich müsste es bedauern, wenn Frau Schmidt, die ihrer Herkunft und Kindheit nach zu den Gegnern des Faschismus gehört, keine Lehrerin bleiben dürfte.
Der Unterzeichner hat der NSDAP nicht angehört.“ [19]
Reiner Lehberger dazu: „Natürlich, Gutachten dieser Art haben bei der Entnazifizierung eine große und nicht unumstrittene Rolle gespielt. Auch viele Täter verschafften sich entsprechende Zeugnisse, nicht ganz ohne Grund sprach man von ‚Persilscheinen‘. Im Fall von Hannelore Schmidt waren die Schriftstücke jedoch unzweifelhaft Ausdruck ehrlicher Meinungen und stellten die tatsächlichen Sachverhalte korrekt dar.“ [20]
Schließlich schrieb die Schulverwaltung am 27.8.1946 an den Berufungsausschuss 2: „Betr. Einspruch der Lehrerin Frau Hannelore Schmidt gegen ihre Entlassung. Frau Schmidt ist nur nominelles Mitglied der Partei gewesen. Sie hat nur dem Zwang folgend und der Not gehorchend die Mitgliedschaft der Partei erworben und sich kurze Zeit als Führerin betätigt. Sie hat im Sonderlehrgang ausführlich und lebhaft zu den verschiedensten Problemen unserer Zeit Stellung genommen. Sie äusserte dabei entschieden demokratische und kriegsgegnerische Gedanken. Sie ist nicht eigentlich politisch interessiert, nimmt vielmehr zu allen Fragen aus dem Bewusstsein innerer Verbundenheit mit der Schuljugend und unter dem Gesichtspunkt der Erziehung zur Menschlichkeit Stellung. Die Schulverwaltung empfiehlt ihre Wiedereinstellung in den Schuldienst. K. Hoffmann Schulrat i. V.“ [21]
In einem mit der Überschrift „Empfehlung“ versehenen Schreiben vom 12.12.46, das von einer Mitgliedschaft in der NSDAP („P.G. 1940“ und auf Englisch: „Member of the Party since 1940“) und NSV („NSV 40“) spricht, heißt es dann abschließend: „Hannelore Schmidt, Jahrgang 1919, Lehramtsanwärterin, Der Berufung wird stattgegeben.“ „P.G. 1940, H.J. 35/38 (8 Monate Scharführerin) NSV 40, RAD. Teilnahme am Sonderkursus. Schulverwaltung positiv. Amnestiejahrgang. 12.12.46,“ [22] unterzeichnet von Schmidt, Meyer, andere Unterschriften unleserlich.
Bis zu ihrer Pensionierung 1972 arbeitete Loki Schmidt als Volks,-Grund- und Realschullehrerin u.a. in der Schule am Bauerberg, an den Schulen Hirtenweg, Othmarscher Kirchenweg und Eberhofweg. Auch „nach 1945 knüpfte sie in ihrer pädagogischen Arbeit an die reformpädagogischen Erfahrungen aus ihrer eigenen Schulzeit an. Meist führte sie ihre Grundschulklassen über vier Jahre, um sie zu Lern- und Sozialgemeinschaften zu entwickeln. Sie unterrichtete fächerübergreifend und projektorientiert“ [23] Wegen dieser unverändert aktuellen Pädagogikform blieb sie zeitlebens eine geschätzte und anregende Gesprächspartnerin auch für jüngere Lehrkräfte.
Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Sohn Helmut Walter starb noch vor seinem ersten Geburtstag 1945. Tochter Susanne wurde im Mai 1947 geboren und ist promovierte Volkswirtin und Wirtschaftsjournalistin. Vor und nach der Geburt ihrer Tochter erlitt Loki Schmidt insgesamt sechs Fehlgeburten. Nachdem ihr Mann 1945 aus der britischen Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, studierte er bis 1949 Staatswissenschaften und Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg, bevor er eine Beschäftigung bei der Hamburger Wirtschafts- und Verkehrsbehörde aufnahm. Während dieser Zeit sorgte Loki Schmidt allein für den Unterhalt der Familie.
Zwischen 1974 und 1982 nahm Loki Schmidt vor allem protokollarische Aufgaben als Ehefrau des Bundeskanzlers Helmut Schmidt in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn wahr. „Du hast ja wohl einen Vogel, dich irgendwie zu verbiegen“, soll sie ihrem Gatten, dem SPD-Politiker Helmut Schmidt, zum Amtsantritt mit auf den Weg gegeben haben. An solche Autonomie im Denken und Handeln hielten sich wohl beide.
Zurück in ihrer Heimatstadt Hamburg, widmete sich Loki Schmidt der Unterstützung von Schulkindern in schwierigen sozialen Verhältnissen [24]. Sie verstärkte ihren bisherigen Einsatz für gefährdete Pflanzen und ließ sich in die Deputation der Behörde für Bezirksangelegenheiten, Naturschutz und Umweltgestaltung in Hamburg wählen. Auf eigene Kosten begleitete sie Forschungsreisen von Wissenschaftlern, meistens der Max-Planck-Gesellschaft, beispielsweise zum Nakuru-See nach Kenia, auf die Galapagos-Inseln, nach Ecuador, Malaysia, Nordborneo oder Brasilien. Auch nach dieser Zeit bis in die 1990er Jahre hinein unternahm sie umfangreiche Auslandsreisen zum Studium der Pflanzenwelt und der Natur. 1976 hatte sie bereits das Kuratorium zum Schutze gefährdeter Pflanzen gegründet. Das fusionierte 1979 mit der Stiftung Naturschutz Hamburg zur heutigen Loki Schmidt-Stiftung. Die Stiftung vergibt seit 1977 die „Loki-Schmidt-Silberpflanze“ (Idee von Kurt A. Körber und Loki Schmidt); seit 1980 wählt sie auch die Blume des Jahres aus.
Seit den 1970er Jahren setzte sich Loki Schmidt zudem für den Botanischen Garten in Hamburg und dessen Aufgabe zur Erforschung und Erhaltung biologischer Vielfalt ein. 1986 initiierte sie den internationalen Gärtnertausch, der mit einer von ihr finanzierten Reise von Gärtnern des Hamburger Botanischen Gartens zur Mitbepflanzung des ersten tropischen Gewächshauses in Israel begann. Für einen 1997 veröffentlichten Bildband „Die Botanischen Gärten in Deutschland“ mit der ersten vollständigen Übersicht der Botanischen Gärten Deutschlands und ihren Sammlungen, recherchierte sie zwei Jahre lang und legte 26.000 Reisekilometer zurück. Noch in ihrem 90. Lebensjahr machte ihr Erinnerungsbuch „Erzähl doch mal von früher“ sie zur Bestsellerautorin.
Loki Schmidt starb am 21. Oktober 2010 in ihrem Haus in Hamburg-Langenhorn. Nach einer prominent besetzten Trauerfeier in der Michaeliskirche wurde ihre Urne im schlicht gehaltenen Grab der Familie Schmidt auf dem Hauptfriedhof Hamburg-Ohlsdorf am 2. November 2010 beigesetzt.
Auszeichnungen (Auswahl): 1990 Ernennung zur Ehrensenatorin der Universität Hamburg; 1994, acht Jahre nachdem zum ersten Mal die Alfred-Toepfer-Medaille für Verdienst um Stadtentwicklung und Umweltschutz verliehen wurde, bekam sie als erste Frau diese Auszeichnung; zu ihrem 80. Geburtstag 1999: Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Hamburg des Fachbereichs Biologie für „ein Lebenswerk von herausragender Bedeutung und Engagement in allen Bereichen des wissenschaftlichen und praktischen Naturschutzes“; 2004: Deutscher Umweltpreis der Bundesstiftung Umwelt für ihre Lebensleistung; 2009 ernannte Hamburg sie zur Ehrenbürgerin. Am 30. März 2009 eröffnete das neue Museum für Nutzpflanzen der Universität Hamburg als „Loki-Schmidt-Haus“ im Botanischen Garten Klein Flottbek. Seit dem 1.8.2012 heißt die Offene Ganztagsschule am Othmarscher Kirchenweg „Loki-Schmidt-Schule“.
Text: Dr. Cornelia Göksu und Dr. Rita Bake
Quellen:
– Loki Schmidt in Wikipedia sowie Informationen auf den Websites der von ihr initiieren Institutionen wie z.B. www.loki-schmidt-stiftung.de

1 Reiner Lehberger: Loki Schmidt Die Biographie. Hamburg 2014, S. 33.
2 vgl.: Reiner Lehberger, a. a. O., S. 16.
3 Staatsarchiv Hamburg; 221-11, ED 2592
4 Reiner Lehberger, a. a. O., S. 65ff.
5 Reiner Lehberger, a. a.O., S. 59f.
6 Reiner Lehberger, a. a. O., S. 76.
7 Staatsarchiv Hamburg; 221-11, Ed 2592
8 Staatsarchiv Hamburg; 221-11, ED 2592
9 Reiner Lehberger, a. a. O., S. 77.
10 Reiner Lehberger, a. a. O., S. 105.
11 Staatsarchiv Hamburg, 221-11, Ed 2592
12 (Marie- Luise Recker: NS-Volkswohlfahrt, in: Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß (hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. 2. Aufl., München 1998, S. 619.
13 Reiner Lehberger, a. a. O., S. 102ff.
14 Reiner Lehberger, a. a. O., S. 104.……..
15 Staatsarchiv Hamburg; 221-11-ED 2592
16 Reiner Lehberger, a. a. O., S. 106.
17 Staatsarchiv Hamburg; 221-11, ED 2592
18 Staatsarchiv Hamburg; 221-11, ED 2592
19 Ebenda.
20 Reiner Lehberger, a. a. O., S. 105.
21 Staatsarchiv Hamburg 221-11-ED 2592
22 Ebenda.
23 Reiner Lehberger: Loki Schmidt, in: Hamburgische Biografie, Band 6, Göttingen 2012, S. 294.
24 vgl.: ebenda.
 

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Nur 474 Straßen sind nach Frauen und Mädchen (9) benannt. (Das sind 14% der nach Personen benannten Straßen. Darin enthalten sind: Literarische Gestalten (39), frei gewählte weibliche Vornamen (21) sowie nach Frauen und Männern benannte Straßen (66). Bei Letzteren handelt es sich in erster Linie um nachträglich nach Frauen mitbenannte Straßen, die ehemals nur nach den Nachnamen von bedeutenden männlichen Familienangehörigen benannt worden waren) (Stand: Januar 2024).

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Anzahl der Denkmäler und Erinnerungstafeln. Auch bei Ehrungen und Auszeichnungen wird oft an IHN und nur wenig an SIE gedacht.

Trotz aller Leistungen von Frauen scheint die Erinnerung an sie schneller zu verblassen, sind die Archive und Netze der Erinnerung besonders löchrig - erweist sich die Wertschätzung weiblichen Wirkens als gering. Wie oft heißt es, wenn auch Frauen geehrt werden könnten:

„Uns ist dazu keine Frau von Bedeutung bekannt!“

Ein Argument, das in Zukunft keine Chancen hat, denn es gibt jetzt diese Datenbank. Eine Bank, die ihren Anlegerinnen und Anlegern hohe Renditen verspricht, denn das Kapital ist das historische Wissen. Geschöpft aus Archivmaterialien, Lexika, Zeitungsartikeln und –notizen, aus veröffentlichten Biografien, zusammengetragen und erforscht von Einzelpersonen etc., bietet die Datenbank die beste Voraussetzung für eine hohe gesellschaftliche Wirksamkeit - im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit. Die Früchte dieser Datenbank sollen die Bedeutung von Frauen für Hamburgs Geschichte leicht zugänglich machen und selbstverständlich in den Alltag von heute tragen.

Im Mittelpunkt stehen verstorbene Frauen, die in Hamburg gewirkt und/oder gewohnt und die Spuren hinterlassen haben. Das können Autorinnen, Schauspielerinnen, Wohltäterinnen, Kneipenwirtinnen, Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, bildende Künstlerinnen, Sängerinnen, Unternehmerinnen, Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen, Juristinnen, Journalistinnen, Widerstandkämpferinnen gegen und Opfer des NS-Regime etc. sein – aber auch Täterinnen.

Wir stellen keineswegs nur „prominente“ Frauen oder hehre Vorbilder vor – sondern auch das Wirken und Leben der „kleinen Frau“ auf der Straße, die oft im Stillen gearbeitet hat, für die Familie, die Stadt, die Partei, die Kunst, für sich.

Darüber hinaus präsentieren wir Ihnen auch Orte, Einrichtungen, Vereine und Themen, die für Frauen von historischer Bedeutung waren und sind.

An dieser Datenbank wird kontinuierlich gearbeitet. Es werden laufend neue Namen und Rechercheergebnisse eingestellt.

Wie nutzen Sie die Datenbank?

  • Sie kennen den Namen einer Frau – und möchten mehr wissen?
    Dann geben Sie den Namen ein. Sie finden: Wohn- bzw. Wirkungsstätte und mehr oder weniger ausführlich biografische Daten, ggf. mit Hinweisen auf weitere Veröffentlichungen, Webseiten.
  • Sie möchten wissen, wer in einer bestimmten Straße oder einem bestimmten Stadtteil/Bezirk gewohnt hat? Dann geben Sie den Straßennamen ein oder wählen einen Stadtteil oder Bezirk aus.
  • Sie interessieren sich für bestimmte Themen, Berufsgruppen, Orte/Gebäude, Vereine oder Institutionen, die im Zusammenhang mit Frauen eine Rolle spielen? Dann nutzen Sie das Schlagwortregister, die freie Suche oder das Namens-/Sachregister.

Die einzelnen Frauen sind in der Regel mit einer Adresse verzeichnet – für ihre Wohnung bzw. ihren Wirkungsort. Mehrere Umzüge und Ortswechsel können in der Regel nicht recherchiert werden.

Achtung: Die Namen und Verläufe von Straßen haben sich oft verändert. Wer wissen möchte, wo bestimmte Hausnummern heute zu finden sind, muss alte Stadtpläne oder u. U. Grundbucheintragungen einsehen. Es gibt beim Statistikamt Nord einen alte Kartei der so genannten "Hausnummerhistorien", in der sich alte und neue Hausnummern gegenüberstehen. Bei Umnummerierungen von Hausnummern aber auch bei Umbenennungen von Straßennamen kann hier eine raschere Auskunft möglich sein, als über den Vergleich von alten und neuen Lageplänen (freundliche Auskunft von Jörg-Olaf Thießen Staatsarchiv Hamburg). Wer dann noch nicht weiter kommt, sollte sich an das Staatsarchiv wenden. Viele Stadtpläne sind bereits online einsehbar.

Verantwortlich für die Datenbank:

Dr. Rita Bake
stellvertretende Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg a. D.
Gründerin des Gartens der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof

Die Datenbank wurde von ihr zusammengestellt und wird laufend von ihr ergänzt und erweitert.
Diverse Frauenbiografien sind von verschiedenen Autorinnen und Autoren verfasst worden. Die Namen der Autorinnen und Autoren finden Sie jeweils am Ende ihrer Beiträge. Es gibt auch eine Rubrik: Autorinnen und Autoren, in der Sie deren biografische Angaben finden.

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Ansprechpartnerin Kontakt

Haben Sie Anregungen, Neuigkeiten, Ergänzungen? Sind Ihnen neue Namen begegnet, hüten Sie alte Briefe, Akten etc., dann nehmen Sie gern Kontakt auf:
Dr. Rita Bake
rita.bake@hamburg.de

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