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Ingrid Warburg Spinelli

( Ingrid Warburg Spinelli, geb. Warburg )
(1.10.1910 Hamburg – 24.10.2000 Rom)
Philanthropin, Antifaschistin, Sozialistin
Tochter von Anna Warburg
Fontenay 5 (Wohnadresse)
Mittelweg 17 (Wohnadresse)
Kösterberg, Kösterbergstraße (Wohnadresse)
Ingrid Warburg Spinelli war die Tochter der Pädagogin Anna Warburg und ihres Mannes Fritz Warburg, Teilhaber des Bankhauses M. M. Warburg & Co. Die Familie wohnte mit den drei Kindern an der Fontenay 5, ihre Sommerresidenz hatte sie auf dem Kösterberg.
„Im Sommer wohnten wir in der ‚Arche‘. Die Arche war das erste Haus, das die Großeltern auf dem Kösterberg in Blankenese gekauft hatten. Es war 200 Jahre alt, ursprünglich ein Wirtshaus mit Strohdach, von wunderbaren Linden umgeben. Vor dem Haus lag ein kleiner Platz mit einer Sandkiste, in der wir als Kinder alle gespielt haben. Zwischen den Bäumen sah man die Elbe mit den vorüberziehenden Schiffen. Im Schlafzimmer der Eltern blickte von der Decke ein großes Auge herab, das Auge Gottes, der die Menschen im Schlaf beschützt. In diesem Haus hatten die Großeltern zuerst gewohnt, bis sie sich später das große weiße Haus daneben bauten, um für die Familien, die jedes Jahr aus Amerika und England kamen, Platz zu haben (…). Der Kösterberg war ein ziemlich großer Besitz: man konnte zwei, drei Stunden herumstreifen, wenn man alles sehen wollte. Es gab Hühnerställe, zwei Gemüsegärten, Treibhäuser und Obstbäume. Wir aßen fast nur, was im Garten wuchs. Außerdem konnte man verschiedene Sportarten betreiben. Die Bocciabahn war für meinen Vater angelegt worden, und auf dem Tennisplatz haben wir mit unseren Kusinen gespielt. Es gab ein Schwimmbad, zunächst nur ein rundes Becken, das dann zu einem richtigen Bad ausgebaut wurde, mit einem kleinen Schwedenhaus zum Umziehen. Hier haben wir alle schwimmen gelernt (…). Es gab auch einen Stall mit Pferden. Den Kutscher liebten wir. Später, als wir in Hamburg zur Schule gingen, holte er uns in Blankenese mit einem kleinen Wagen ab und ließ uns kutschieren. Auf Bella, dem dicken alten Pferd, durften wir schon mit vier oder fünf Jahren reiten. Wir ritten zum Steinberg, einem kleinen Platz in der Nähe mit antiken, vielleicht römischen Steinen, und stellten uns vor, Ritter zu sein. Der Birkenhügel hieß Charlottenruhe, weil meine Großmutter Charlotte Warburg ihn so liebte. Die Römische Terrasse war von englisch geschnittenen Buchsbäumen eingefaßt. Von dort blickte man auf den Fluß. Es gab auch ein kleines Naturtheater, wo wir z. B. ‚Leonce und Lena‘, das ‚Postamt‘ von Tagore und den ‚Sommernachtstraum‘ aufgeführt haben. Die ganze Familie hat mitgespielt. Wenn wir im Sommer mit den Kusinen aus Amerika und England im Garten spielten, bekamen wir alle Kutscherhemden über unsere feinen Kleider gezogen. Diese langen blauen Leinenhemden mit weißen, bestickten Kragen waren eine Art Kösterbeger Uniform, die alle, Jungen wie Mädchen, anziehen mußten. Kam Besuch, wurden sie schnell wieder ausgezogen, und – siehe da! - darunter kamen lauter saubere Kinder hervor. Nur die Haare mußten noch gekämmt werden.“ (Ingrid Warburg-Spinelli: Die Dringlichkeit des Mitleids und die Einsamkeit, nein zu sagen. Hamburg 1990, S. 390ff.)
Nahezu folgerichtig setzte sich das Leben des Kindes Ingrid aus jüdischer Bankiersfamilie fort zu einer Schulbildung in Salem, einem Studium der Philosophie und Literatur in Heidelberg, Hamburg und Oxfort und nach Abschluss der Dissertation im Jahre 1936 einer Reise zu Onkel Felix nach New York. Das diese auf sechs Wochen geplante Reise objektiv zur Emigration wurde, empfand sie selbst nicht. Durch die weitverzweigte Familie hatte sie einen ganz natürlichen internationalen Hintergrund, beherrschte durch ihren Aufenthalt in Oxfort die Sprache und war finanziell unabhängig. Sie arbeitete zunächst in der „German Jewish Children’s Aid“, die sich zur Aufgabe gemacht hatte, jüdische Kinder aus Deutschland, die alleine nach Amerika gekommen waren, in amerikanischen Familien unterzubringen. Die Eingliederungsschwierigkeiten der zum Teil schwer geschädigten Kinder löste sie mit dem Projekt des „Progressive School Committee for Refugees Children“. Auf progressiven Farmschulen wurden die Kinder behutsam gelenkt und konnten langsam zur Besinnung kommen.
Als im Winter 1937 der Rabbiner Philip Bernstein zum Abendessen geladen war und Onkel Felix aufforderte für das „Joint Distribution Commitee“ zu sprechen, verwies der auf seine Nichte, die gerade aus Deutschland gekommen war und die dortigen Verhältnisse viel besser kannte als er selbst. Für Ingrid Warburg begann eine Geld-Sammel-Tournee durch 200 Städte, in denen sie die USA sehr genau kennenlernte. Sie erfuhr, dass Minderheiten, die sich nicht selbst integrierten, von Amerika ausgeschlossen wurden, und erlebte „die großartige, jüdische Solidarität und Hilfsbereitschaft, aber (…) auch ihre tragischen Grenzen. Die uralten Fehden zwischen Ost- und Westjuden wiederholten sich hier in Amerika (…).“ (S. 139). Besonders eine Erfahrung aber prägte ihr politisches Bewusstsein, die Erfahrung, dass sie die jüdischen Gemeinden durch ihre Schilderung der schrecklichen Zustände in Europa nicht zum aktiven Widerstand gegen Hitler bewegen konnte. Eine Reise für den „Joint“ durch Polen im Jahre 1939, die sie mit den dortigen Verhältnissen bekannt machte, führte dazu, dass sie ihre Arbeit von der Wohltätigkeitsarbeit und der Beschränkung auf das „Judenproblem“ ausweitere auf den politischen Einsatz für einen antifaschistischen, sozialistisch motivierten Widerstand. Sie arbeitete für die „American Friends of German Freedom“, deren Aufgabe vor allem darin bestand, Menschen, die aufgrund aktiver Opposition gegen Hitler in Gefängnissen oder Konzentrationslagern gewesen waren, aus Deutschland herauszuhelfen. 1940 ging diese Vereinigung im neugegründeten „Emergency Rescue Committee“ auf, das zur Rettung von Antifaschisten aller Nationalitäten beitragen wollte. Der italienische Antifaschist Veniero Spinelle war allerdings ohne Hilfe des Komitees auf einem Bananendampfer aus Martinique in New York angekommen. In seiner löchrigen Uniform der Fremdenlegion brachte man ihn wie viele Neuankömmlinge zu Ingrid Warburg, die ihm den Rat gab: „Wenn Sie Christ sind, gehen Sie zum christlichen Komitee und lassen sich etwas Geld geben, und danach gehen Sie in das jüdische Komitee und lassen sich dort auch etwas Geld geben.“ Er behauptete später, dass er damals beschlossen habe, sie zur Frau zu nehmen. Das Paar heiratete 1941. 1945 verließ Ingrid Warburg Spinelli mit ihren ersten beiden Kindern Amerika und fuhr zu ihren Eltern nach Stockholm. Als die ersten Flugzeuge flogen, die Zivile mitnahmen, flog sie nach Rom, um ihren Mann zu suchen, der 1942 amerikanischer Soldat geworden war und an der Invasion in Italien teilgenommen hatte. 1947 gründete sie mit ihm zusammen die Zeitschrift „Italia Europa“. Drei weitere Kinder wurden geboren. Es folgten zum Teil schwere und entbehrungsreiche Jahre, denn die Familie Warburg wollte sich der Ansicht Ingrid Warburg Spinellis, dass die Familie ihren Mann in seinem antifaschistischen Kampf für eine bessere Welt ökonomisch zu unterstützen habe, nicht anschließen. „Ich bin der weiße Rabe der Familie“.
Bis zu ihrem Tod lebte Ingrid Warburg Spinelli in der Via Arenula am Rande des jüdischen Gettos in Rom.
Text: Brita Reimers


Vita, siehe Dirk Brietzke, in: Hamburgische Biografie. Hrsg. von Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke. Bd. 3. Hamburg 2006, S. 401-403.
 

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Frauen, die in Hamburg Spuren hinterlassen haben
(Datenbank Stand: März 2024) Frauen stellen mindestens die Hälfte der Menschheit. Wenn es aber um Erinnerungen geht, sind es immer noch in der Mehrzahl Männer, die die Spitzenplätze einnehmen.

Hammonia

Hamburger Frauenbiografien-Datenbank

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Stand März 2024: 1316 Kurzprofile von Frauen und 437 sonstige Einträge z. B. Vereine, Aktionen, Zusammenschlüsse und Überblicksdarstellungen zu Themen der Frauenbewegungen.

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Wesentlich aktualisiert im Januar 2024: Emma Gertrud Eckermann
Januar 2024: Astrid Matthiae
Februar 2024: Gisela Engelin-Hommes, Barbara Ahrons
März 2024: Abel Margaretha Sophia Forsmann
Wesentlich aktualisiert im März 2024: Albertine Kruse

Was erwartet Sie in der Frauenbiografie-Datenbank?

Die Zahlen allein für Hamburg sind ernüchternd: 2868 Verkehrsflächen sind nach Männern und Jungen (8) benannt (darin enthalten: Literarische Gestalten (86), frei gewählte männliche Vornamen (12) sowie nach Familien benannte Straßen (198). Letztere wurden zu den Männerstraßennamen zugezählt, weil hier in erster Linie die männlichen Familienangehörigen gemeint sind, die in vielen Fällen mit Namen genannt werden bzw. ihre Berufe aufgezählt werden).
Nur 474 Straßen sind nach Frauen und Mädchen (9) benannt. (Das sind 14% der nach Personen benannten Straßen. Darin enthalten sind: Literarische Gestalten (39), frei gewählte weibliche Vornamen (21) sowie nach Frauen und Männern benannte Straßen (66). Bei Letzteren handelt es sich in erster Linie um nachträglich nach Frauen mitbenannte Straßen, die ehemals nur nach den Nachnamen von bedeutenden männlichen Familienangehörigen benannt worden waren) (Stand: Januar 2024).

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Anzahl der Denkmäler und Erinnerungstafeln. Auch bei Ehrungen und Auszeichnungen wird oft an IHN und nur wenig an SIE gedacht.

Trotz aller Leistungen von Frauen scheint die Erinnerung an sie schneller zu verblassen, sind die Archive und Netze der Erinnerung besonders löchrig - erweist sich die Wertschätzung weiblichen Wirkens als gering. Wie oft heißt es, wenn auch Frauen geehrt werden könnten:

„Uns ist dazu keine Frau von Bedeutung bekannt!“

Ein Argument, das in Zukunft keine Chancen hat, denn es gibt jetzt diese Datenbank. Eine Bank, die ihren Anlegerinnen und Anlegern hohe Renditen verspricht, denn das Kapital ist das historische Wissen. Geschöpft aus Archivmaterialien, Lexika, Zeitungsartikeln und –notizen, aus veröffentlichten Biografien, zusammengetragen und erforscht von Einzelpersonen etc., bietet die Datenbank die beste Voraussetzung für eine hohe gesellschaftliche Wirksamkeit - im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit. Die Früchte dieser Datenbank sollen die Bedeutung von Frauen für Hamburgs Geschichte leicht zugänglich machen und selbstverständlich in den Alltag von heute tragen.

Im Mittelpunkt stehen verstorbene Frauen, die in Hamburg gewirkt und/oder gewohnt und die Spuren hinterlassen haben. Das können Autorinnen, Schauspielerinnen, Wohltäterinnen, Kneipenwirtinnen, Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, bildende Künstlerinnen, Sängerinnen, Unternehmerinnen, Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen, Juristinnen, Journalistinnen, Widerstandkämpferinnen gegen und Opfer des NS-Regime etc. sein – aber auch Täterinnen.

Wir stellen keineswegs nur „prominente“ Frauen oder hehre Vorbilder vor – sondern auch das Wirken und Leben der „kleinen Frau“ auf der Straße, die oft im Stillen gearbeitet hat, für die Familie, die Stadt, die Partei, die Kunst, für sich.

Darüber hinaus präsentieren wir Ihnen auch Orte, Einrichtungen, Vereine und Themen, die für Frauen von historischer Bedeutung waren und sind.

An dieser Datenbank wird kontinuierlich gearbeitet. Es werden laufend neue Namen und Rechercheergebnisse eingestellt.

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Die einzelnen Frauen sind in der Regel mit einer Adresse verzeichnet – für ihre Wohnung bzw. ihren Wirkungsort. Mehrere Umzüge und Ortswechsel können in der Regel nicht recherchiert werden.

Achtung: Die Namen und Verläufe von Straßen haben sich oft verändert. Wer wissen möchte, wo bestimmte Hausnummern heute zu finden sind, muss alte Stadtpläne oder u. U. Grundbucheintragungen einsehen. Es gibt beim Statistikamt Nord einen alte Kartei der so genannten "Hausnummerhistorien", in der sich alte und neue Hausnummern gegenüberstehen. Bei Umnummerierungen von Hausnummern aber auch bei Umbenennungen von Straßennamen kann hier eine raschere Auskunft möglich sein, als über den Vergleich von alten und neuen Lageplänen (freundliche Auskunft von Jörg-Olaf Thießen Staatsarchiv Hamburg). Wer dann noch nicht weiter kommt, sollte sich an das Staatsarchiv wenden. Viele Stadtpläne sind bereits online einsehbar.

Verantwortlich für die Datenbank:

Dr. Rita Bake
stellvertretende Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg a. D.
Gründerin des Gartens der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof

Die Datenbank wurde von ihr zusammengestellt und wird laufend von ihr ergänzt und erweitert.
Diverse Frauenbiografien sind von verschiedenen Autorinnen und Autoren verfasst worden. Die Namen der Autorinnen und Autoren finden Sie jeweils am Ende ihrer Beiträge. Es gibt auch eine Rubrik: Autorinnen und Autoren, in der Sie deren biografische Angaben finden.

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