Namens-/Sachregister

Frauenbios

Brigitte Mira

(20.4.1910 Hamburg – 8.3.2005 Berlin)
Volksschauspielerin, Kabarettistin und Chanson-Sängerin
Wirkungsstätten: (Bei der) Schilleroper
Haus Vaterland, Eckgebäude Ballindamm/ Bergstraße
Hamburger Kammerspiele, Hartungstraße 9-11
Brigitte Mira war Tochter des aus Russland eingewanderten jüdischen Pianisten Siegfried Mira und seiner Ehefrau Elisabeth, geborene Stramm. Ihr Vater arbeitete als Pianist und Korrepetitor an wechselnden Theatern und hätte „gern einen kleinen Mozart“ aus seiner Tochter gemacht. Sie wuchs in Düsseldorf auf und entschied sich mit acht Jahren lieber für eine Ballett- und Gesangsausbildung. In der Spielzeit 1928/29 war sie als Gruppentänzerin unter dem Pseudonym „Valencia Stramm“ am Städtischen Theater in Düsseldorf engagiert. Mit der Düsseldorfer Tanzgruppe ging sie an das Opernhaus Köln, wo sie an der weltweit ersten Aufführung von Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ außerhalb der Ballets Russes mitwirkte. Ende der 1920er Jahre debütierte sie als Sängerin in Smetanas „Die verkaufte Braut“ in Köln. Auf mehrere Jahre unter dem Namen „Gitta Mira“ in Bremerhaven folgten weitere Verpflichtungen an deutschsprachigen Bühnen, unter anderem am Operettentheater Leipzig, 1932 und 1933 in Reichenberg (damals Nordböhmen/Sudentenland, heute Tschechische Republik), mit Sommerverpflichtungen nach Kolberg (Sole- und Kurbad im ehemaligen Hinterpommern, heute Woiwodschaft Westpommern/Polen), in die exklusiven Kurorte Karls-, Marien- und Franzensbad (heute Tschechische Republik). Alle 14 Tage gab es eine neue Premiere, so erwarb sie sich ein breites Repertoire als Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin 1934 wurde sie für ein Jahr an die Städtischen Bühnen/Opernhaus Graz verpflichtet. Eine politisch wachsame Kollegin riet ihr dringend dazu, sich gefälschte Papiere mit erfundenen Namen der Eltern und Großeltern väterlicherseits zu beschaffen. „Die echten Papiere sind später beim Bombenangriff auf Berlin verbrannt“ (Brigitte Mira: Von ganzem Herzen. Erinnerungen. München 2002, S. 46).
„Ich war keine Widerstandskämpferin. Ich war nicht mutig. (...) Ich hatte Angst um meinen Vater und auch um mich. Ich reiste, als ich 1935 von Graz nach Deutschland zurückkehrte, geradewegs in den Nationalsozialismus hinein. Den Fluchtweg über die Grenze, in ein fremdes Land, dessen Sprache ich nicht beherrschte, fürchtete ich. Und ich wusste auch nicht, was aus meinen Eltern werden sollte, wenn ich mich absetzen würde“ (Mira, S. 45). Wieder zurück in Deutschland spielt sie 1935 bis 1939 am Kieler Stadttheater, wo sie mit Stars wie Richard Tauber, Fritzi Massary, Leo Slezak und Lizzi Waldmüller auf der Bühne stand. Zur deutschen Erstaufführung seiner Operette Giuditta holte sie Franz Lehár 1939 nach Hamburg an die Schiller-Oper. „Von mir war er offensichtlich angetan, hatte er mich doch für die Tanzsoubretten-Rolle des Fischermädchens Anita vorgeschlagen. ‚Mädchen’, sagte er und funkelte mich verschmitzt an, ‚du wirst das schon schaffen. Und – mach mir keinen Ärger, sondern Freude’“ (Mira, S. 127). Sie hatte auch Auftritte im „Haus Vaterland“ am Ballindamm.
1941 ging sie nach Berlin und arbeitete am Theater am Schiffbauerdamm und bald im „Kabarett der Komiker“. Ihre ersten Erfahrungen beim Film sammelte Mira, die nach nationalsozialistischer Anschauung als „Halbjüdin“ galt, in der als NS-Propaganda gedachten Kurzfilmreihe „Liese und Miese“, die im Beiprogramm zur Deutschen Wochenschau lief. Dabei war die Volksgenossin Liese die „Gute“, die sich im Sinne der Nazi-Propaganda richtig verhielt, während die „Miese“ alles falsch machte, Feindsender hörte, über knappe Lebensmittel schimpfte und sich mit Spionen einließ. Die Darstellungskunst von Brigitte Mira sorgte jedoch dafür, dass Miese beim Publikum mehr Anklang fand als die von Gisela Schlüter gespielte Liese. Das Propagandaministerium setzte die Serie nach zehn Folgen wieder ab.
Nach Kriegsende spielte Mira am Theater am Schiffbauerdamm, am Hebbel-Theater, später an der Komischen Oper in Berlin. Sie hatte Gesangsrollen bei Rundfunkanstalten und wirkte in musikalischen Lustspielen und Volksstücken, ab den 1950er Jahren auch in Schlagerfilmen und Komödien mit.
1972 entdeckte Rainer Werner Fassbinder sie am Schauspielhaus Bochum bei Peter Zadek in der Revue „Kleiner Mann, was nun?“ („Meinen eigentlichen Einstieg ins Charakterfach verdanke ich Peter Zadek“, Mira, S.162). Mit dem Film „Angst essen Seele auf“ verhalf Fassbinder ihr schließlich zu ihrem Durchbruch auch als international anerkannte Schauspielerin. Bei den Filmfestspielen von Cannes 1974 wurde sie für ihre Rolle als verwitwete Putzfrau Emmi gefeiert, die sich in einen zwanzig Jahre jüngeren Marokkaner verliebt. Im gleichen Jahr zeichnete der Deutsche Filmpreis sie als Beste Darstellerin aus. 1989 wurde Mira für ihr langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film mit dem Filmband in Gold geehrt.
Auch im höheren Alter blieb sie „ewig 69 Jahre alt“: „39 war ich mindestens zehn Jahre lang, dann zehn Jahre 49“, und ihren 75. Geburtstag feierte sie fünfmal, worüber Kanzler Helmuth Kohl sich amüsiert haben soll. Ende der 90er Jahre war sie mehr als 160 Mal mit Evelyn Künneke und Helen Vita in ihrem Chansonabend „Drei alte Schachteln“ auch in Hamburg unterwegs. Diese Tournee endete unvermittelt mit dem Tod von Helen Vita im Februar 2001. Kurz darauf starb auch Evelyn Künneke. Mira, über zehn Jahre älter als ihre Kolleginnen, stellte danach ihr eigenes Soloprogramm „Kleine Frau – was nun“ zusammen.
Brigitte Mira verkörperte – ähnlich wie Günter Pfitzmann und Harald Juhnke, die mit ihr auch in „Drei Damen vom Grill“ spielten – wie kaum eine andere Schauspielerin das alte West-Berlin. Hellmuth Karasek nannte sie eine „Ikone des Berliner Selbstbewußtseins, das sich aus Selbstironie wie aus Emanzipation speist“. Dabei: „Geboren bin ich – eher zufällig – in Hamburg. Allgemein gelte ich ja als Berlinerin par excellence, aber ich bin weder an der Spree geboren noch dort aufgewachsen“, so erzählte sie ihrem Biografen 1988. „Mein Vater trug den schönen deutschen Vornamen Siegfried. Das heißt, eigentlich hieß mein Vater ganz anders. Er war Jude, gebürtiger Russe und Waise – als Kind hatte er seine Eltern verloren. Er war ungeheuer musikalisch, und die Wirren der Zeit, die Diskriminierungen und Pogrome brachten ihn schließlich nach Deutschland. Er nahm einen deutschen Namen an und heiratete meine Mutter, Elisabeth, die Tochter eines Färbermeister-Ehepaares (Mira, S. 32). Als der Vater die Familie verließ, lebte Brigitte Mira weiter mit ihrer Mutter zusammen und wurde zeitlebens von ihr unvoreingenommen unterstützt. „Ich hatte den Krieg überstanden, meinen Vater vor den Nationalsozialisten gerettet (...) Er hat dann noch eine Weile gelebt, aber als die große Angst und der Druck von ihm gewichen waren, starb er an einem Herzschlag“ (Mira, S. 46).
Brigitte Mira starb im Alter von 94 Jahren und wurde am 16. März 2005 auf dem Luisenfriedhof III am Fürstenbrunner Weg in Berlin- Westend beigesetzt. Die Grabstätte gehört zu den Ehrengräbern des Landes Berlin. Auf einem Findling sind auch der Name ihrer Mutter Elisabeth Stramm und der des fünften und langjährigsten ihrer Liebesheiraten, Jazzmusiker Frank Guarente eingraviert.
Diese Kurzbiografie stellte Dr. Cornelia Göksu zusammen.
Quellen:
de.wikipedia.org/wiki/Brigitte_Mira
– Brigitte Mira: Von ganzem Herzen. Erinnerungen. Erweiterte Ausgabe des 1988 ersch. Bandes „Kleine Frau was nun?“, aufgezeichnet von Bernd Lubowski, fortgeschrieben von Horst Pillau. 2. Auflage, München 2002.
– Zu Caféhaus Vaterland vgl. www.hamburg-bildarchiv.de/0330549cd30d0fd29/0330549cd50d04011/0330549fd10ae8813/index.html
 

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Frauen, die in Hamburg Spuren hinterlassen haben
(Datenbank Stand: März 2024) Frauen stellen mindestens die Hälfte der Menschheit. Wenn es aber um Erinnerungen geht, sind es immer noch in der Mehrzahl Männer, die die Spitzenplätze einnehmen.

Hammonia

Hamburger Frauenbiografien-Datenbank

Erklärung zur Datenbank

Stand März 2024: 1316 Kurzprofile von Frauen und 437 sonstige Einträge z. B. Vereine, Aktionen, Zusammenschlüsse und Überblicksdarstellungen zu Themen der Frauenbewegungen.

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Wesentlich aktualisiert im Januar 2024: Emma Gertrud Eckermann
Januar 2024: Astrid Matthiae

Februar 2024: Gisela Engelin-Hommes, Barbara Ahrons

März 2024: Abel Margaretha Sophia Forsmann

Was erwartet Sie in der Frauenbiografie-Datenbank?

Die Zahlen allein für Hamburg sind ernüchternd: 2868 Verkehrsflächen sind nach Männern und Jungen (8) benannt (darin enthalten: Literarische Gestalten (86), frei gewählte männliche Vornamen (12) sowie nach Familien benannte Straßen (198). Letztere wurden zu den Männerstraßennamen zugezählt, weil hier in erster Linie die männlichen Familienangehörigen gemeint sind, die in vielen Fällen mit Namen genannt werden bzw. ihre Berufe aufgezählt werden).
Nur 474 Straßen sind nach Frauen und Mädchen (9) benannt. (Das sind 14% der nach Personen benannten Straßen. Darin enthalten sind: Literarische Gestalten (39), frei gewählte weibliche Vornamen (21) sowie nach Frauen und Männern benannte Straßen (66). Bei Letzteren handelt es sich in erster Linie um nachträglich nach Frauen mitbenannte Straßen, die ehemals nur nach den Nachnamen von bedeutenden männlichen Familienangehörigen benannt worden waren) (Stand: Januar 2024).

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Anzahl der Denkmäler und Erinnerungstafeln. Auch bei Ehrungen und Auszeichnungen wird oft an IHN und nur wenig an SIE gedacht.

Trotz aller Leistungen von Frauen scheint die Erinnerung an sie schneller zu verblassen, sind die Archive und Netze der Erinnerung besonders löchrig - erweist sich die Wertschätzung weiblichen Wirkens als gering. Wie oft heißt es, wenn auch Frauen geehrt werden könnten:

„Uns ist dazu keine Frau von Bedeutung bekannt!“

Ein Argument, das in Zukunft keine Chancen hat, denn es gibt jetzt diese Datenbank. Eine Bank, die ihren Anlegerinnen und Anlegern hohe Renditen verspricht, denn das Kapital ist das historische Wissen. Geschöpft aus Archivmaterialien, Lexika, Zeitungsartikeln und –notizen, aus veröffentlichten Biografien, zusammengetragen und erforscht von Einzelpersonen etc., bietet die Datenbank die beste Voraussetzung für eine hohe gesellschaftliche Wirksamkeit - im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit. Die Früchte dieser Datenbank sollen die Bedeutung von Frauen für Hamburgs Geschichte leicht zugänglich machen und selbstverständlich in den Alltag von heute tragen.

Im Mittelpunkt stehen verstorbene Frauen, die in Hamburg gewirkt und/oder gewohnt und die Spuren hinterlassen haben. Das können Autorinnen, Schauspielerinnen, Wohltäterinnen, Kneipenwirtinnen, Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, bildende Künstlerinnen, Sängerinnen, Unternehmerinnen, Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen, Juristinnen, Journalistinnen, Widerstandkämpferinnen gegen und Opfer des NS-Regime etc. sein – aber auch Täterinnen.

Wir stellen keineswegs nur „prominente“ Frauen oder hehre Vorbilder vor – sondern auch das Wirken und Leben der „kleinen Frau“ auf der Straße, die oft im Stillen gearbeitet hat, für die Familie, die Stadt, die Partei, die Kunst, für sich.

Darüber hinaus präsentieren wir Ihnen auch Orte, Einrichtungen, Vereine und Themen, die für Frauen von historischer Bedeutung waren und sind.

An dieser Datenbank wird kontinuierlich gearbeitet. Es werden laufend neue Namen und Rechercheergebnisse eingestellt.

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Die einzelnen Frauen sind in der Regel mit einer Adresse verzeichnet – für ihre Wohnung bzw. ihren Wirkungsort. Mehrere Umzüge und Ortswechsel können in der Regel nicht recherchiert werden.

Achtung: Die Namen und Verläufe von Straßen haben sich oft verändert. Wer wissen möchte, wo bestimmte Hausnummern heute zu finden sind, muss alte Stadtpläne oder u. U. Grundbucheintragungen einsehen. Es gibt beim Statistikamt Nord einen alte Kartei der so genannten "Hausnummerhistorien", in der sich alte und neue Hausnummern gegenüberstehen. Bei Umnummerierungen von Hausnummern aber auch bei Umbenennungen von Straßennamen kann hier eine raschere Auskunft möglich sein, als über den Vergleich von alten und neuen Lageplänen (freundliche Auskunft von Jörg-Olaf Thießen Staatsarchiv Hamburg). Wer dann noch nicht weiter kommt, sollte sich an das Staatsarchiv wenden. Viele Stadtpläne sind bereits online einsehbar.

Verantwortlich für die Datenbank:

Dr. Rita Bake
stellvertretende Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg a. D.
Gründerin des Gartens der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof

Die Datenbank wurde von ihr zusammengestellt und wird laufend von ihr ergänzt und erweitert.
Diverse Frauenbiografien sind von verschiedenen Autorinnen und Autoren verfasst worden. Die Namen der Autorinnen und Autoren finden Sie jeweils am Ende ihrer Beiträge. Es gibt auch eine Rubrik: Autorinnen und Autoren, in der Sie deren biografische Angaben finden.

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