Namens-/Sachregister

Frauenbios

Ursula Nölle

(1924 Hamburg – 8.9.2019 Oststeinbek)
Gründerin des Vereins zur Unterstützung für afghanische Flüchtlingskinder e. V
Deefenallee 21, Osteinbek (Wirkungsstätte: Afghanistan-Schulen - Verein zur Unterstützung von Schulen in Afghanistan e.V.)
Ursula Nölle wurde 1924 in Hamburg geboren und wuchs in Kirchsteinbek bei Hamburg auf. Sie machte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ihr Abitur und studierte zunächst Biologie, übernahm allerdings nach dem Tod des Großvaters dessen Gärtnerei. Danach wurde sie Turnlehrerin und übte diesen Beruf 26 Jahre lang aus. Sie ging zusammen mit ihrem Mann in den 1950er-Jahren in die USA und kehrte nach acht Jahren nach Deutschland zurück. Die Familie mit ihren fünf Kindern lebte ab den späten 1960er-Jahren in Oststeinbek bei Hamburg.
Über ihre Tochter Christine – heute Professorin für Orientalistik und stellvertretende Direktorin des Wiener Instituts für Iranistik –, die seinerzeit an der Universität von Lahore in Pakistan studierte, kam Ursula Nölle 1983 in die Grenzregion zu Afghanistan, wohin viele Menschen aus Afghanistan nach dem Einmarsch der Sowjettruppen 1979 geflüchtet waren. Dort lernte sie eine junge afghanische Lehrerin kennen, die Flüchtlingskinder in ihrem Haus unterrichtete, aber keine finanzielle Unterstützung dafür bekam. Zunächst sammelte Ursula Nölle im privaten Kreis Spenden für die Unterrichtstätigkeit in Pakistan. 1984 gründete Ursula Nölle den Verein zur Unterstützung für afghanische Flüchtlingskinder e. V. 1986 entstand die erste vom Verein finanzierte Schule.
Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen 1988 kamen erste Schulprojekte im Norden Afghanistan hinzu. Deshalb benannte sich der Verein auch um in Afghanistan-Schulen - Verein zur Unterstützung von Schulen in Afghanistan e.V. Ende 1998 übernahmen auch hier die Taliban die Macht. Die einzige Mädchenschule musste schließen. Die Lehrerinnen setzten allerdings den Unterricht in Home Schools, den Privathäusern der Lehrerinnen, fort. Bis Ende 2001 wurden so noch 800–900 Mädchen unterrichtet. [1]
Der Afghanistan-Schulen-Verein hat seit seiner Gründung zusammen mit der örtlichen Bevölkerung 63 Schulen für mehr als 71.000 Schülerinnen und Schüler erbaut. In der afghanischen Stadt Andkhoietwa gibt es ein Ausbildungszentrum für 1.000 Jungen und Mädchen, die ein Universitätsstudium anstreben und besonders gefördert werden. Der Afghanistan-Schulen-Verein organisiert in den Schulferien Lehrerfortbildungen, auch für die Lehrkräfte an staatlichen Schulen. In zwei Frauenzentren in Andkhoi und Baghe Bustan werden neben der Vermittlung von Allgemeinbildung und Vorträgen zu Frauenrechten und Gesundheitsfragen auch Fertigkeiten im Nähen und Sticken vermittelt, damit die Frauen eigenes Geld verdienen können. [2]
Von Beginn an legte der Afghanistan-Schulen-Verein Wert auf die Schulbildung von Mädchen. Vor allem auf dem Land um den Bezirk Andkhoi, wo der Verein schwerpunktmäßig arbeitet, war der Widerstand der männlich geprägten Gesellschaft groß. „Frauen galten da nichts. Das waren große Kämpfe mit den Vätern.“ sagte Ursula Nölle 2018 dem Hamburger Abendblatt. [3]
Ursula Nölle besuchte Afghanistan teilweise mehrmals im Jahr, zuletzt im Alter von 91 Jahren. Ursula Nölle setzte auf die Kraft der Bildung: "Demokratie kann es in diesem Land nur geben, wenn den Menschen dort die Möglichkeit gegeben wird, eine Ausbildung zu machen. Wenn ich in Afghanistan bin, sage ich den Schülern immer: Ihr seid die Zukunft des Landes!" [4] Und weiter: „Wir haben eine ganze Generation geschaffen, die lesen, schreiben und denken kann. Ich wünsche mir, dass die mal an die Macht kommen. [5]
Angesichts der politischen und militärischen Lage waren diese Besuche und die Unterstützung nicht ungefährlich. BRIGITTE-Redakteurin Beate Koma, die sie 2001 anlässlich eines Interviews traf, erzählt von der Courage, mit der Ursula Nölle ihre Sache verfolgte: "Damals reiste die schon recht betagte Dame nur in Begleitung ihres Schwiegersohnes nach Afghanistan – und trug die gesamten Spendengelder, das waren damals 40 000 Mark, in einer Bauchtasche bei sich." [6] Bei ihrem letzten Besuch 2015 hatte sie eine Kidnapping-Warnung erhalten und trug deshalb erstmals Burka, um nicht erkannt zu werden. [7] 2007 wurde der wichtigste lokale Mitarbeiter des Afghanistan-Schulen-Vereins, Rahmanqul, wahrscheinlich von den Taliban erschossen. [8]
Ursula Nölle leitete den Verein bis 2003 und war danach weiter als Ehrenvorsitzende aktiv.
Ursula Nölle erhielt zwei Mal den Olof-Palme-Friedenspreis der SPD Storman (1992 für den Verein, 2002 als Person), 1999 das Bundesverdienstkreuz am Bande und 2006 das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. Das ZDF-Frauenmagazin „Mona Lisa“ verlieh ihr 2007 den „Prix Courage“. Die Hälfte dieses Preisgeldes von 20.000 EUR ging an die Familie des ermordeten Mitarbeiters Rahmanqul.
Am 08.09.2019 ist Ursula Nölle im Alter von 94 Jahren zu Hause in Oststeinbek verstorben.
Text: Ingo Böhle
Quellen:
1 Alle Angaben nach Afghanistan-Schulen: Ursula Nölle (http://www.afghanistan-schulen.de/ulla-noelle.html) und Thomas Frankenfeld (DIE WELT) vom 18.09.2014: Frau Nölles Herz für Kinder in Afghanistan ( www.welt.de/regionales/hamburg/article132382743/Frau-Noelles-Herz-fuer-Kinder-in-Afghanistan.html).
2 Thomas Ruttig, 15.09.2019: In memoriam Ursula Nölle (1924-2019) ( https://thruttig.wordpress.com/2019/09/15/in-memoriam-ulla-nolle-1924-2019/).
3 Joana Ekrutt, Hamburger Abendblatt, 21.04.2018; Frau Nölle hat ein Herz für Kinder in Afghanistan. ( www.abendblatt.de/region/stormarn/article214075995/Frau-Noelle-hat-ein-Herz-fuer-Kinder-in-Afghanistan.html).
4 Wiebke Peters, BRIGITTE, 27.04.2007: Ursula Nölle. ( www.brigitte.de/aktuell/gesellschaft/ursula-noelle-10053490.html).
5 Joana Ekrutt, Hamburger Abendblatt, 21.04.2018; Frau Nölle hat ein Herz für Kinder in Afghanistan. ) www.abendblatt.de/region/stormarn/article214075995/Frau-Noelle-hat-ein-Herz-fuer-Kinder-in-Afghanistan.html).
6 Wiebke Peters, BRIGITTE, 27.04.2007: Ursula Nölle. (https://www.brigitte.de/aktuell/gesellschaft/ursula-noelle-10053490.html).
7 Susanne Koelbl, SPIEGEL online, 13.06.2015: Besuch der alten Dame. ( www.spiegel.de/spiegel/print/d-135434712.html).
8 Thomas Ruttig, 15.09.2019: In memoriam Ursula Nölle (1924-2019) ( https://thruttig.wordpress.com/2019/09/15/in-memoriam-ulla-nolle-1924-2019/).
 

Namen und Zeitepochen

Personensuche

  • (am besten nur Vor- ODER Nachname)

Historisch

 

Geografische Spuren

Meine Straße

Geografisch

 

Schlagworte und freie Suche

Thematische Suche

  • (z.B. Berufe, Gebäude, spezielle Ort)

Leichte Sprache
Gebärden­sprache
Ich wünsche eine Übersetzung in:

Datenbank Hamburger Frauenbiografien

Leichte Sprache
Gebärden­sprache
Ich wünsche eine Übersetzung in:

Frauen, die in Hamburg Spuren hinterlassen haben
(Datenbank Stand: März 2024) Frauen stellen mindestens die Hälfte der Menschheit. Wenn es aber um Erinnerungen geht, sind es immer noch in der Mehrzahl Männer, die die Spitzenplätze einnehmen.

Hammonia

Hamburger Frauenbiografien-Datenbank

Erklärung zur Datenbank

Stand März 2024: 1316 Kurzprofile von Frauen und 437 sonstige Einträge z. B. Vereine, Aktionen, Zusammenschlüsse und Überblicksdarstellungen zu Themen der Frauenbewegungen.

Quiz

Ihre Mitarbeit ist gern gesehen

Haben Sie Anregungen, Neuigkeiten, Ergänzungen?
Sind Ihnen neue Namen begegnet, hüten Sie alte Briefe, Akten etc., dann nehmen Sie gerne Kontakt auf:
Dr. Rita Bake,
Rita.Bake@hamburg.de

Zuletzt eingetragene Namen

Wesentlich aktualisiert im Januar 2024: Emma Gertrud Eckermann
Januar 2024: Astrid Matthiae
Februar 2024: Gisela Engelin-Hommes, Barbara Ahrons
März 2024: Abel Margaretha Sophia Forsmann
Wesentlich aktualisiert im März 2024: Albertine Kruse

Was erwartet Sie in der Frauenbiografie-Datenbank?

Die Zahlen allein für Hamburg sind ernüchternd: 2868 Verkehrsflächen sind nach Männern und Jungen (8) benannt (darin enthalten: Literarische Gestalten (86), frei gewählte männliche Vornamen (12) sowie nach Familien benannte Straßen (198). Letztere wurden zu den Männerstraßennamen zugezählt, weil hier in erster Linie die männlichen Familienangehörigen gemeint sind, die in vielen Fällen mit Namen genannt werden bzw. ihre Berufe aufgezählt werden).
Nur 474 Straßen sind nach Frauen und Mädchen (9) benannt. (Das sind 14% der nach Personen benannten Straßen. Darin enthalten sind: Literarische Gestalten (39), frei gewählte weibliche Vornamen (21) sowie nach Frauen und Männern benannte Straßen (66). Bei Letzteren handelt es sich in erster Linie um nachträglich nach Frauen mitbenannte Straßen, die ehemals nur nach den Nachnamen von bedeutenden männlichen Familienangehörigen benannt worden waren) (Stand: Januar 2024).

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Anzahl der Denkmäler und Erinnerungstafeln. Auch bei Ehrungen und Auszeichnungen wird oft an IHN und nur wenig an SIE gedacht.

Trotz aller Leistungen von Frauen scheint die Erinnerung an sie schneller zu verblassen, sind die Archive und Netze der Erinnerung besonders löchrig - erweist sich die Wertschätzung weiblichen Wirkens als gering. Wie oft heißt es, wenn auch Frauen geehrt werden könnten:

„Uns ist dazu keine Frau von Bedeutung bekannt!“

Ein Argument, das in Zukunft keine Chancen hat, denn es gibt jetzt diese Datenbank. Eine Bank, die ihren Anlegerinnen und Anlegern hohe Renditen verspricht, denn das Kapital ist das historische Wissen. Geschöpft aus Archivmaterialien, Lexika, Zeitungsartikeln und –notizen, aus veröffentlichten Biografien, zusammengetragen und erforscht von Einzelpersonen etc., bietet die Datenbank die beste Voraussetzung für eine hohe gesellschaftliche Wirksamkeit - im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit. Die Früchte dieser Datenbank sollen die Bedeutung von Frauen für Hamburgs Geschichte leicht zugänglich machen und selbstverständlich in den Alltag von heute tragen.

Im Mittelpunkt stehen verstorbene Frauen, die in Hamburg gewirkt und/oder gewohnt und die Spuren hinterlassen haben. Das können Autorinnen, Schauspielerinnen, Wohltäterinnen, Kneipenwirtinnen, Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, bildende Künstlerinnen, Sängerinnen, Unternehmerinnen, Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen, Juristinnen, Journalistinnen, Widerstandkämpferinnen gegen und Opfer des NS-Regime etc. sein – aber auch Täterinnen.

Wir stellen keineswegs nur „prominente“ Frauen oder hehre Vorbilder vor – sondern auch das Wirken und Leben der „kleinen Frau“ auf der Straße, die oft im Stillen gearbeitet hat, für die Familie, die Stadt, die Partei, die Kunst, für sich.

Darüber hinaus präsentieren wir Ihnen auch Orte, Einrichtungen, Vereine und Themen, die für Frauen von historischer Bedeutung waren und sind.

An dieser Datenbank wird kontinuierlich gearbeitet. Es werden laufend neue Namen und Rechercheergebnisse eingestellt.

Wie nutzen Sie die Datenbank?

  • Sie kennen den Namen einer Frau – und möchten mehr wissen?
    Dann geben Sie den Namen ein. Sie finden: Wohn- bzw. Wirkungsstätte und mehr oder weniger ausführlich biografische Daten, ggf. mit Hinweisen auf weitere Veröffentlichungen, Webseiten.
  • Sie möchten wissen, wer in einer bestimmten Straße oder einem bestimmten Stadtteil/Bezirk gewohnt hat? Dann geben Sie den Straßennamen ein oder wählen einen Stadtteil oder Bezirk aus.
  • Sie interessieren sich für bestimmte Themen, Berufsgruppen, Orte/Gebäude, Vereine oder Institutionen, die im Zusammenhang mit Frauen eine Rolle spielen? Dann nutzen Sie das Schlagwortregister, die freie Suche oder das Namens-/Sachregister.

Die einzelnen Frauen sind in der Regel mit einer Adresse verzeichnet – für ihre Wohnung bzw. ihren Wirkungsort. Mehrere Umzüge und Ortswechsel können in der Regel nicht recherchiert werden.

Achtung: Die Namen und Verläufe von Straßen haben sich oft verändert. Wer wissen möchte, wo bestimmte Hausnummern heute zu finden sind, muss alte Stadtpläne oder u. U. Grundbucheintragungen einsehen. Es gibt beim Statistikamt Nord einen alte Kartei der so genannten "Hausnummerhistorien", in der sich alte und neue Hausnummern gegenüberstehen. Bei Umnummerierungen von Hausnummern aber auch bei Umbenennungen von Straßennamen kann hier eine raschere Auskunft möglich sein, als über den Vergleich von alten und neuen Lageplänen (freundliche Auskunft von Jörg-Olaf Thießen Staatsarchiv Hamburg). Wer dann noch nicht weiter kommt, sollte sich an das Staatsarchiv wenden. Viele Stadtpläne sind bereits online einsehbar.

Verantwortlich für die Datenbank:

Dr. Rita Bake
stellvertretende Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg a. D.
Gründerin des Gartens der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof

Die Datenbank wurde von ihr zusammengestellt und wird laufend von ihr ergänzt und erweitert.
Diverse Frauenbiografien sind von verschiedenen Autorinnen und Autoren verfasst worden. Die Namen der Autorinnen und Autoren finden Sie jeweils am Ende ihrer Beiträge. Es gibt auch eine Rubrik: Autorinnen und Autoren, in der Sie deren biografische Angaben finden.

rechte spalte

 Teaserbild Kontakt

Ansprechpartnerin Kontakt

Haben Sie Anregungen, Neuigkeiten, Ergänzungen? Sind Ihnen neue Namen begegnet, hüten Sie alte Briefe, Akten etc., dann nehmen Sie gern Kontakt auf:
Dr. Rita Bake
rita.bake@hamburg.de

Themenübersicht auf hamburg.de

Service-Angebote im Überblick