Namens-/Sachregister

Frauenbios

Spinnschule

Unterricht für arme Frauen zwecks Erwerbsarbeit
Beim Alten Waisenhause (Standort der Allgemeinen Armenanstalt Ende des 18. Jahrhunderts)
Damit arme Frauen, die einer Unterstützung durch die Allgemeine Armenanstalt bedurften, dadurch nicht nur zu Almosenempfängerinnen wurden, eröffnete die Allgemeine Armenanstalt im Juli 1785 eine Spinnschule. Die Schule nahm zwar auch Männer und Jungen auf, doch in erster Linie waren es Frauen, die verarmten und deshalb von der Allgemeinen Armenanstalt abhängig wurden.
In der Spinnschule erlernten die Frauen das Wolle- und Flachsspinnen, eine Arbeit, die in vielen Hamburger Manufakturen (besonders in den Wollemanufakturen) ausgeübt wurde. Der Bedarf an solchen Arbeitskräften war also groß. Darüber hinaus galt solche Arbeit als ausgesprochene Frauenarbeit, die nur selten auch von Männern ausgeübt wurde. Nach zeitgenössischen Urteilen waren Männer nicht in der Lage, solche Tätigkeit zu verrichten, denn „(…) bei ihren steifen und groben Gliedern, und der durch andre Arbeit abgehärteten Haut ihrer Finger [konnten sie] sich [damit] kein erträgliches Auskommen verschaffen.“ [1]
Die Allgemeine Armenanstalt arbeitete mit Garnhändlern zusammen, die das Garn lieferten und mit Manufakturbesitzern, die die ausgebildeten Spinnerinnen beschäftigten.
Zwei Jahre nach der Eröffnung der Spinnschule spannen schon 170 Personen außer Haus für die Anstalt.
Während ihrer sechswöchigen Ausbildung erhielten die Schülerinnen noch ein tägliches Almosen von einigen Schillingen als Entschädigung für den Verdienst, den sie ansonsten in dieser Zeit hätten woanders verdienen können.
Nach der Lehrzeit wurde den armen Frauen Räder und Haspel geschenkt, damit sie in ihren eigenen Wohnungen weiterarbeiten konnten.
Es wurde damals als selbstverständlich angesehen, dass Frauen aus der Unter- und Armutsschicht erwerbstätig waren, auch dann, wenn sie den Status einer Ehefrau hatten. Deshalb wurden auch Mädchen aus dieser sozialen Schicht z. B. in der Spinnschule unterrichtet, denn diese Arbeiten kamen ihren künftigen Berufen als Dienstbotinnen, Schneiderinnen und Manufaktur/Fabrikarbeiterinnen entgegen.
Obwohl die Frauen und Mädchen in der Spinnschule eine Ausbildung absolvierten, galten sie später in den Manufakturen und Fabriken als „Ungelernte“ oder „Angelernte“, entsprechend gering wurden sie dann auch entlohnt, so dass die Gefahr zu verarmen stets als Damoklesschwert über den Frauen hing.
Fiktives Beispiel eines Lebenslaufes einer armen Frau, die die Spinnschule besuchte. Aus dem Studium der Akten der Allgemeinen Armenanstalt und der Gefängnisverwaltung kristallisierten sich Typische Frauen“schicksale“ heraus, die immer wieder auftraten. Da es für das 18. Jhd. fast keine Biografien armer Frauen gibt, wurde dieser fiktive Lebenslauf verfasst.
Anna Catharina Fischern
(Aus dem Formular des Armenbuches Nr. 67 aus dem Jahr 1788* wird folgendes Frauen“schicksal“ der Anna Catharina Fischern bekannt.
Anna Catharina Fischern wohnte in der Fuhlentwiete, einer langen, engen und dicht bebauten Straße, von der viele Gänge und Höfe abgingen, in denen viele arme Witwen wohnten.
Anna Catharina Fischern lebte in einem dieser Höfe, und zwar im Siemens Hof, der voll bebaut war mit zweigeschossigen Buden.
In solch einer Bude lebte auch Anna Catharina Fischern. Die Bude bestand aus einer Diele und einer Stube. Der Herd stand zwischen diesen beiden Räumen. Der Fußboden der sehr niedrigen Diele war mit Fliesen belegt, die Wände mit Kalktünche gestrichen. Es gab keinen Ofen, nur ein offenes Kohlefeuer brannte. Wenn es zu kalt wurde, zündete Anna Catharina Fischern einige Kohlen in ihrer Kike an. Die Kike war eine Art Stövchen, an dem sich Anna Catharina die Füße und Hände wärmen konnte.
Da in die Wohnung wenig Licht fiel, weil der Hof so eng bebaut war und in Hamburg oft kaltes Wetter herrschte, war eine kalte, feuchte und dunkle Wohnung nicht Ungewöhnliches.
Für diese elende Behausung musste Anna Catharina Fischern eine hohe Miete zahlen, die sie selbst nicht aufbringen konnte. Sie war die 68-jährige Witwe eines Hafenarbeiters, die, nachdem ihr Mann und damit der Haupternährer der Familie gestorben war, ihren Lebensunterhalt allein bestreiten musste. Dazu gab es allerdings nicht viele Möglichkeiten. Als nahezu einzige Beschäftigung für diese Frauen bot sich das Spinnen und Stricken für die Allgemeine Armenanstalt an.
Solches hatte Anna Catharina Fischern jedoch nicht erlernt, weil sie während ihrer Ehe Fische verkauft hatte. Deshalb musste sie zuerst einmal die Spinnschule der Allgemeinen Armenanstalt besuchen.
Nachdem sie das Spinnen erlernt hatte, hatte sie für die Armenanstalt zu arbeiten. Ca. 6000 Frauen übten damals das Spinnen für die Armenanstalt aus.
Obwohl Anna Catharina Fischern zwölf bis vierzehn Stunden täglich spann, erhielt sie einen Lohn, der weit unter dem Existenzminimum lag, so dass sie allein von diesem Verdienst nicht leben konnte. Aus diesem Grunde war sie völlig von der Wohltätigkeit der Armenanstalt abhängig. Diese bezahlte die Miete für die Wohnung. Außerdem bekam Anna Catharina Fischern im November 1788 von der Allgemeinen Armenanstalt noch eine Bettdecke und zwei Hemden. Und als sie im Januar 1789 an einer Lungenentzündung erkrankte und ihr Rheuma immer schlimmer wurde, erhielt sie einen Krankenzettel ausgehändigt, um kostenlose ärztliche Hilfe zu bekommen. Die Lungenentzündung wurde aber so schlimm, dass sie in den Pesthof eingeliefert werden musste (eine Art Krankenhaus, in dem langwierig und unheilbar Erkrankte aufgenommen wurden, meist Arme. 1790 lebten im Pesthof 800-900 Personen. Er befand sich beim Millerntor). Dort herrschten besonders schlechte hygienische Bedingungen.
Als Anna Catharina Fischern nach sechs Wochen wieder ein wenig genesen war, wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes aber noch nicht entlassen werden konnte, wurde sie im Pesthof zum Arbeiten herangezogen. Sie hatte für den Speisemeister des Pesthofes Wolle zu spinnen. Dieser hatte für einige Zeit einen Vertrag mit einem Strumpfhändler abgeschlossen, der schon seit vielen Jahren im Pesthof Spinnen und Stricken ließ.
Nach ihrer Entlassung aus dem Pesthof war Anna Catharina Fischern weiterhin von der Allgemeinen Armenanstalt abhängig. Sie musste solange für diese Anstalt arbeiten, wie diese sie für arbeitsfähig hielt.
Text: Rita Bake
Quellen:
Vgl: Rita Bake: Vorindustrielle Frauenerwerbsarbeit. Arbeits- und Lebensweise von Manufakturarbeiterinnen im Deutschland des 18. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung Hamburgs. Köln 1984, S. 176f.
1 Staatsarchiv Hamburg: Allgemeine Armenanstalt I. 23. Nachrichten an Hamburgs wohltätige Einwohner, 1791, S. 142 u. S. 148.
*Vgl.: Des großen Armen-Collegii nähere Erläuterung für die Herren Armen-Pfleger, über die nach Maasgabe der neuen Armen-Ordnung von ihnen zu übernehmenden Geschäfte. Hamburg, August 1788, S. 135. Staatsarchiv Hamburg.
 

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Frauen, die in Hamburg Spuren hinterlassen haben
(Datenbank Stand: März 2024) Frauen stellen mindestens die Hälfte der Menschheit. Wenn es aber um Erinnerungen geht, sind es immer noch in der Mehrzahl Männer, die die Spitzenplätze einnehmen.

Hammonia

Hamburger Frauenbiografien-Datenbank

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Stand März 2024: 1316 Kurzprofile von Frauen und 437 sonstige Einträge z. B. Vereine, Aktionen, Zusammenschlüsse und Überblicksdarstellungen zu Themen der Frauenbewegungen.

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Wesentlich aktualisiert im Januar 2024: Emma Gertrud Eckermann
Januar 2024: Astrid Matthiae

Februar 2024: Gisela Engelin-Hommes, Barbara Ahrons

März 2024: Abel Margaretha Sophia Forsmann

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Die Zahlen allein für Hamburg sind ernüchternd: 2868 Verkehrsflächen sind nach Männern und Jungen (8) benannt (darin enthalten: Literarische Gestalten (86), frei gewählte männliche Vornamen (12) sowie nach Familien benannte Straßen (198). Letztere wurden zu den Männerstraßennamen zugezählt, weil hier in erster Linie die männlichen Familienangehörigen gemeint sind, die in vielen Fällen mit Namen genannt werden bzw. ihre Berufe aufgezählt werden).
Nur 474 Straßen sind nach Frauen und Mädchen (9) benannt. (Das sind 14% der nach Personen benannten Straßen. Darin enthalten sind: Literarische Gestalten (39), frei gewählte weibliche Vornamen (21) sowie nach Frauen und Männern benannte Straßen (66). Bei Letzteren handelt es sich in erster Linie um nachträglich nach Frauen mitbenannte Straßen, die ehemals nur nach den Nachnamen von bedeutenden männlichen Familienangehörigen benannt worden waren) (Stand: Januar 2024).

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Anzahl der Denkmäler und Erinnerungstafeln. Auch bei Ehrungen und Auszeichnungen wird oft an IHN und nur wenig an SIE gedacht.

Trotz aller Leistungen von Frauen scheint die Erinnerung an sie schneller zu verblassen, sind die Archive und Netze der Erinnerung besonders löchrig - erweist sich die Wertschätzung weiblichen Wirkens als gering. Wie oft heißt es, wenn auch Frauen geehrt werden könnten:

„Uns ist dazu keine Frau von Bedeutung bekannt!“

Ein Argument, das in Zukunft keine Chancen hat, denn es gibt jetzt diese Datenbank. Eine Bank, die ihren Anlegerinnen und Anlegern hohe Renditen verspricht, denn das Kapital ist das historische Wissen. Geschöpft aus Archivmaterialien, Lexika, Zeitungsartikeln und –notizen, aus veröffentlichten Biografien, zusammengetragen und erforscht von Einzelpersonen etc., bietet die Datenbank die beste Voraussetzung für eine hohe gesellschaftliche Wirksamkeit - im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit. Die Früchte dieser Datenbank sollen die Bedeutung von Frauen für Hamburgs Geschichte leicht zugänglich machen und selbstverständlich in den Alltag von heute tragen.

Im Mittelpunkt stehen verstorbene Frauen, die in Hamburg gewirkt und/oder gewohnt und die Spuren hinterlassen haben. Das können Autorinnen, Schauspielerinnen, Wohltäterinnen, Kneipenwirtinnen, Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, bildende Künstlerinnen, Sängerinnen, Unternehmerinnen, Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen, Juristinnen, Journalistinnen, Widerstandkämpferinnen gegen und Opfer des NS-Regime etc. sein – aber auch Täterinnen.

Wir stellen keineswegs nur „prominente“ Frauen oder hehre Vorbilder vor – sondern auch das Wirken und Leben der „kleinen Frau“ auf der Straße, die oft im Stillen gearbeitet hat, für die Familie, die Stadt, die Partei, die Kunst, für sich.

Darüber hinaus präsentieren wir Ihnen auch Orte, Einrichtungen, Vereine und Themen, die für Frauen von historischer Bedeutung waren und sind.

An dieser Datenbank wird kontinuierlich gearbeitet. Es werden laufend neue Namen und Rechercheergebnisse eingestellt.

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Die einzelnen Frauen sind in der Regel mit einer Adresse verzeichnet – für ihre Wohnung bzw. ihren Wirkungsort. Mehrere Umzüge und Ortswechsel können in der Regel nicht recherchiert werden.

Achtung: Die Namen und Verläufe von Straßen haben sich oft verändert. Wer wissen möchte, wo bestimmte Hausnummern heute zu finden sind, muss alte Stadtpläne oder u. U. Grundbucheintragungen einsehen. Es gibt beim Statistikamt Nord einen alte Kartei der so genannten "Hausnummerhistorien", in der sich alte und neue Hausnummern gegenüberstehen. Bei Umnummerierungen von Hausnummern aber auch bei Umbenennungen von Straßennamen kann hier eine raschere Auskunft möglich sein, als über den Vergleich von alten und neuen Lageplänen (freundliche Auskunft von Jörg-Olaf Thießen Staatsarchiv Hamburg). Wer dann noch nicht weiter kommt, sollte sich an das Staatsarchiv wenden. Viele Stadtpläne sind bereits online einsehbar.

Verantwortlich für die Datenbank:

Dr. Rita Bake
stellvertretende Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg a. D.
Gründerin des Gartens der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof

Die Datenbank wurde von ihr zusammengestellt und wird laufend von ihr ergänzt und erweitert.
Diverse Frauenbiografien sind von verschiedenen Autorinnen und Autoren verfasst worden. Die Namen der Autorinnen und Autoren finden Sie jeweils am Ende ihrer Beiträge. Es gibt auch eine Rubrik: Autorinnen und Autoren, in der Sie deren biografische Angaben finden.

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