Namens-/Sachregister

Frauenbios

Nina Müller

(23.8.1921 Prag – 17.4.1945 KZ Bergen-Belsen)
Zwangsarbeiterin, Opfer des Nationalsozialismus
Frauenaußenlager Neugraben am Falkenbergsweg 62 (Unterkunft)
Stolperstein am Falkenbergsweg 62 (Harburg, Neugraben-Fischbek)
Nina-Müller-Weg, Neugraben-Fischbek, seit 2020
Der Ort, im dem Margarethe Meissl als Kind jüdischer Eltern geboren wurde, gehörte in ihren ersten Lebensjahren noch zum Kaiserreich Österreich-Ungarn. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er offiziell in Vyšehorovíce umbenannt. Die Anfänge des tschechoslowakischen Staates erlebte die junge Frau nach 1918 mit ihrem Mann Karl Müller (geb. 21.5.1883) in der neuen Hauptstadt Prag, wo dieser eine Anwaltskanzlei leitete. Er stammte aus einer jüdischen Familie in Horschitz (heute: Hoˇrice v Podkrkonoši) und musste sich erst langsam an das andere Leben in der Goldenen Stadt an der Moldau gewöhnen, in der nach dem Ersten Weltkrieg die beiden Töchter Nina und Melitta (geb. 27.4. 1927) aufwuchsen. Auf ihrem Werdegang wurden sie von einer Gouvernante begleitet. Wer weiß, dass hinter den Kulissen außerdem noch eine Köchin und ein Hausmädchen tätig waren, kann sich ungefähr vorstellen, welchen Lebensstil diese Familie pflegte.
Die Schwestern besuchten eines der vielen deutschen Gymnasien der Stadt und konnten sich auf Deutsch ebenso gut verständigen wie in ihrer tschechischen Muttersprache. Nina lernte in der Schule außerdem Englisch. Im Sommer 1937 belegte sie einen Ferienkurs in Großbritannien, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. In ihrer Freizeit spielte sie gern Tennis und hatte viel Spaß am Tanzen.
Das Glück der Familie zerbrach 1939. Zunächst erkrankte Nina Müller im Januar schwer. Sechs Wochen lang kämpften die Ärzte um das Leben ihrer jungen Patientin. Kaum war sie halbwegs genesen, da besetzte die deutsche Wehrmacht das Land.
Als Jude musste ihr Vater wenig später seine Kanzlei räumen und einem "arischen" Nachfolger übergeben. Bald darauf wurde die große Wohnung, in der die Familie jahrelang gelebt hatte, zu teuer, und der Umzug in eine wesentlich kleinere, die mit einer anderen Familie geteilt werden musste, unvermeidlich. Nina Müller wurde nach ihrem Abitur nicht zum Chemiestudium zugelassen. Mit Glück fand sie noch eine Beschäftigung als Kosmetikerin in einem Salon, bis sie auch dort eines Tages "unerwünscht" war. Ihre Schwester Melitta wurde im Sommer 1939 vom weiteren Besuch ihrer Schule ausgeschlossen. Anfangs gelang es ihren Eltern noch, Privatstunden für sie zu organisieren, bis auch damit Schluss war. Neben den beruflichen Möglichkeiten wurde auch der Freizeitbereich der tschechischen Jüdinnen und Juden immer weiter eingeengt. Sie durften weder Konzerte und Theateraufführungen besuchen, noch Schwimmhallen und Kinos betreten. Gleichzeitig wurde ihre Bewegungsfreiheit zunehmend eingeschränkt.
Bald wurde ihnen nicht nur das Betreten öffentlicher Parkanlagen und der Zugang zu nahe gelegenen Wäldern verwehrt, sondern auch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und das Verlassen ihres Wohnortes verboten. Private Schmuckgegenstände und Kunstwerke wurden ebenso konfisziert wie häusliche Radiogeräte und Telefonapparate. Nachdem ihre Pässe mit einem "J" versehen worden waren, mussten Karl, Margarethe, Nina und Melitta Müller ab September 1941 ihre Kleidung in der Öffentlichkeit deutlich sichtbar mit dem "Gelben Stern" kennzeichnen.
Während der Umbau der alten Garnisonsstadt Terezin in ein Getto noch in vollem Gange war, trafen bereits die ersten großen Transporte mit Jüdinnen und Juden aus Prag in den Festungsanlagen ein. Am 2. Juli 1942 wurden auch Karl und Margarethe Müller mit ihren beiden Töchtern nach Theresienstadt verschleppt. Dort kamen sie in einer der verfallenen Kasernen unter. Der ständige Hunger hinterließ tiefe Spuren. Auch die Arbeitsbedingungen, denen die Eltern und die Kinder an ihren täglichen Arbeitsplätzen in den Holzwerkstätten, in der Glimmerspaltung und in der Landwirtschaft ausgesetzt waren, zehrten an ihrer Gesundheit. Das galt besonders für Nina Müller, die bald häufiger krank als gesund war. Doch Theresienstadt war für die vierköpfige Familie nur eine Zwischenstation. Am 18. Dezember 1943 wurden Karl, Margarethe, Nina und Melitta Müller in das große Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Am stärksten hatte Karl Müller unter den unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen an diesem Ort zu leiden. Am 17. Februar 1944 starb er an einer Lungenentzündung.
Fünf Monate später wurden über 7000 tschechische Jüdinnen und Juden aus Theresienstadt in die Gaskammern getrieben, nachdem die noch Arbeitsfähigen, zu denen auch Margarethe, Nina und Melitta Müller gehörten, vorher aussortiert worden waren. Die drei Frauen trafen im Juli 1944 mit 997 anderen weiblichen Häftlingen im Außenlager des KZs Neuengamme, am Dessauer Ufer im Hamburger Hafen ein, wo sie zu Aufräumarbeiten eingesetzt wurden. Dabei zog Margarethe Müller sich nach wenigen Tagen eine Blutvergiftung zu, die viel zu spät und völlig unzureichend behandelt wurde. Hilflos mussten Nina und Melitta Müller mit ansehen, wie ihre Mutter mehr und mehr von Schmerzen zermürbt wurde und am 27. Juli 1944 für immer die Augen schloss.
Zwei Monate später wurden Nina und Melitta zusammen mit 498 Mädchen und Frauen in das KZ Außenlager Neugraben am Falkenbergsweg im Süden Hamburgs verlegt. In diesem Außenkommando, das ebenfalls dem KZ Neuengamme unterstand, waren sie mit der Produktion von Fertigbauteilen und mit Erdarbeiten im Zuge der Errichtung einer Plattenhaussiedlung befasst. Zwischenzeitlich mussten sie auch bei Aufräumarbeiten, im Winterdienst und bei der Fertigstellung eines Panzergrabens mithelfen.
Die nächste Station ihres Leidensweges war das Außenlager Tiefstack, wo Nina Müller bei einem Bombenangriff schwer verwundet wurde. Im Verlauf der Räumung aller Außenstellen des KZs Neuengamme gelangte sie mit ihrer Schwester im April 1945 in das Lager Bergen-Belsen, obwohl sie im Grunde gar nicht transportfähig war.
In diesem Inferno starb Nina am 17. April 1945, zwei Tage nachdem die Bewacher das Feld geräumt hatten. Ihre 17-jährige Schwester kehrte als Waise in die Heimat zurück.
Text: Klaus Möller, aus: www.stolpersteine-hamburg.de
Quellen:
Yad Vashem, The Central Database of Shoa Victims‘ Names: www.yadvashem.org
Liste der Bewohner des Lagers Theresienstadt, in: Theresienstädter Gedenkbuch.
Die Opfer der Judentransporte aus Deutschland nach Theresienstadt 1942-1945. Prag 2000.
Schriftliche und mündliche Mitteilungen Melitta Steins, geb. Müller, vom 23.8.2010, 27.12.2010, 9.1.2011, 18.1.2011.
Danuta Czech: Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz- Birkenau 1939-1945, 2. Aufl. Reinbek 1989.
Marc Oprach: Nationalsozialistische Judenpolitik im Protektorat Böhmen und Mähren. Hamburg 2006.
 

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Frauen, die in Hamburg Spuren hinterlassen haben
(Datenbank Stand: März 2024) Frauen stellen mindestens die Hälfte der Menschheit. Wenn es aber um Erinnerungen geht, sind es immer noch in der Mehrzahl Männer, die die Spitzenplätze einnehmen.

Hammonia

Hamburger Frauenbiografien-Datenbank

Erklärung zur Datenbank

Stand März 2024: 1316 Kurzprofile von Frauen und 437 sonstige Einträge z. B. Vereine, Aktionen, Zusammenschlüsse und Überblicksdarstellungen zu Themen der Frauenbewegungen.

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Wesentlich aktualisiert im Januar 2024: Emma Gertrud Eckermann
Januar 2024: Astrid Matthiae

Februar 2024: Gisela Engelin-Hommes, Barbara Ahrons

März 2024: Abel Margaretha Sophia Forsmann

Was erwartet Sie in der Frauenbiografie-Datenbank?

Die Zahlen allein für Hamburg sind ernüchternd: 2868 Verkehrsflächen sind nach Männern und Jungen (8) benannt (darin enthalten: Literarische Gestalten (86), frei gewählte männliche Vornamen (12) sowie nach Familien benannte Straßen (198). Letztere wurden zu den Männerstraßennamen zugezählt, weil hier in erster Linie die männlichen Familienangehörigen gemeint sind, die in vielen Fällen mit Namen genannt werden bzw. ihre Berufe aufgezählt werden).
Nur 474 Straßen sind nach Frauen und Mädchen (9) benannt. (Das sind 14% der nach Personen benannten Straßen. Darin enthalten sind: Literarische Gestalten (39), frei gewählte weibliche Vornamen (21) sowie nach Frauen und Männern benannte Straßen (66). Bei Letzteren handelt es sich in erster Linie um nachträglich nach Frauen mitbenannte Straßen, die ehemals nur nach den Nachnamen von bedeutenden männlichen Familienangehörigen benannt worden waren) (Stand: Januar 2024).

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Anzahl der Denkmäler und Erinnerungstafeln. Auch bei Ehrungen und Auszeichnungen wird oft an IHN und nur wenig an SIE gedacht.

Trotz aller Leistungen von Frauen scheint die Erinnerung an sie schneller zu verblassen, sind die Archive und Netze der Erinnerung besonders löchrig - erweist sich die Wertschätzung weiblichen Wirkens als gering. Wie oft heißt es, wenn auch Frauen geehrt werden könnten:

„Uns ist dazu keine Frau von Bedeutung bekannt!“

Ein Argument, das in Zukunft keine Chancen hat, denn es gibt jetzt diese Datenbank. Eine Bank, die ihren Anlegerinnen und Anlegern hohe Renditen verspricht, denn das Kapital ist das historische Wissen. Geschöpft aus Archivmaterialien, Lexika, Zeitungsartikeln und –notizen, aus veröffentlichten Biografien, zusammengetragen und erforscht von Einzelpersonen etc., bietet die Datenbank die beste Voraussetzung für eine hohe gesellschaftliche Wirksamkeit - im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit. Die Früchte dieser Datenbank sollen die Bedeutung von Frauen für Hamburgs Geschichte leicht zugänglich machen und selbstverständlich in den Alltag von heute tragen.

Im Mittelpunkt stehen verstorbene Frauen, die in Hamburg gewirkt und/oder gewohnt und die Spuren hinterlassen haben. Das können Autorinnen, Schauspielerinnen, Wohltäterinnen, Kneipenwirtinnen, Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, bildende Künstlerinnen, Sängerinnen, Unternehmerinnen, Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen, Juristinnen, Journalistinnen, Widerstandkämpferinnen gegen und Opfer des NS-Regime etc. sein – aber auch Täterinnen.

Wir stellen keineswegs nur „prominente“ Frauen oder hehre Vorbilder vor – sondern auch das Wirken und Leben der „kleinen Frau“ auf der Straße, die oft im Stillen gearbeitet hat, für die Familie, die Stadt, die Partei, die Kunst, für sich.

Darüber hinaus präsentieren wir Ihnen auch Orte, Einrichtungen, Vereine und Themen, die für Frauen von historischer Bedeutung waren und sind.

An dieser Datenbank wird kontinuierlich gearbeitet. Es werden laufend neue Namen und Rechercheergebnisse eingestellt.

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Die einzelnen Frauen sind in der Regel mit einer Adresse verzeichnet – für ihre Wohnung bzw. ihren Wirkungsort. Mehrere Umzüge und Ortswechsel können in der Regel nicht recherchiert werden.

Achtung: Die Namen und Verläufe von Straßen haben sich oft verändert. Wer wissen möchte, wo bestimmte Hausnummern heute zu finden sind, muss alte Stadtpläne oder u. U. Grundbucheintragungen einsehen. Es gibt beim Statistikamt Nord einen alte Kartei der so genannten "Hausnummerhistorien", in der sich alte und neue Hausnummern gegenüberstehen. Bei Umnummerierungen von Hausnummern aber auch bei Umbenennungen von Straßennamen kann hier eine raschere Auskunft möglich sein, als über den Vergleich von alten und neuen Lageplänen (freundliche Auskunft von Jörg-Olaf Thießen Staatsarchiv Hamburg). Wer dann noch nicht weiter kommt, sollte sich an das Staatsarchiv wenden. Viele Stadtpläne sind bereits online einsehbar.

Verantwortlich für die Datenbank:

Dr. Rita Bake
stellvertretende Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg a. D.
Gründerin des Gartens der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof

Die Datenbank wurde von ihr zusammengestellt und wird laufend von ihr ergänzt und erweitert.
Diverse Frauenbiografien sind von verschiedenen Autorinnen und Autoren verfasst worden. Die Namen der Autorinnen und Autoren finden Sie jeweils am Ende ihrer Beiträge. Es gibt auch eine Rubrik: Autorinnen und Autoren, in der Sie deren biografische Angaben finden.

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