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Frauenbios

Rosemarie Sacke

( Rosemarie Sacke, geb. Gaudig )
(30.10.1904 in Leipzig -19.4.1997)
Widerstandskämpferin gegen das NS-Regime
„Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv“ (HWWA) (Standort: 1971–2006); „Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften“ (ZBW) (Standort: seit 2007)
Neuer Jungfernstieg 21 (Wirkungsstätte)
Am Feenteich 5 (Wohnadresse)
Ostmarkstraße 6 (Wohnadresse)
Über ihre Kindheit in Leipzig äußerte sich Rosemarie Sacke in Bezug zu ihrem Vater Hugo Gaudig. „Vom Tage meiner Geburt an (30.10.1904) bis zu meinem 20. Lebensjahr habe ich in unmittelbarer Nähe Hugo Gaudigs gelebt - als seine 3. Tochter, als Schülerin der von ihm geleiteten II. Höheren Mädchenschule zu Leipzig, deren 10 Klassen ich von 1911 bis 1921 durchlief, und schließlich als seine unmittelbare Schülerin im Fach Geschichte in der 1. Klasse der Mädchenschule. Auch war ich in seinen letzten Lebensjahren mehrmals Begleiterin auf seinen Vortragsreisen. Es ist charakteristisch für Hugo Gaudig, dass er eine Trennung zwischen den im Beruf und den im Familienleben für ihn gültigen Grundsätzen nicht kannte. Er wollte, dass seine eigenen drei Töchter gemäß der Erkenntnis erzogen und gebildet wurden, die er in einem langen Denkprozess erworben und in der Praxis als wahr bestätigt gefunden glaubte. Er wollte seine Kinder, sein teuerstes Gut, wie er sagte, jenen Lehrern und Erziehern in die Hände geben, die an seiner Seite, in ‚seiner‘ Schule für die Verwirklichung seiner Ideen kämpften. (…)
Wie aus meinem Bericht hervorgeht, haben mich Schule und Elternhaus in nachhaltiger Einwirkung dazu erzogen, Ereignisse, Menschen, Werke, Ideen in meiner gesellschaftlichen Umwelt nicht gleichgültig an mir vorüberziehen zu lassen, vielmehr mich ihnen angerührt zuzuwenden. Ich wollte und will verstehen, durchdenken, mir, soweit ich dazu imstande bin, ein eigenes Urteil bilden, Urteile anderer Menschen nicht ungeprüft übernehmen, Stellung beziehen, Partei ergreifen. Dabei bin ich mir - im Gegensatz zu Hugo Gaudig - voll bewusst, dass die Selbstständigkeit meines Urteils nicht absolut frei ist; dass es vielmehr gelenkt und bestimmt wird durch die gesellschaftliche Umwelt, in der ich lebe." [1]
Bevor das Ehepaar Sacke, das 1932 geheiratet hatte, nach Hamburg kam, wohnte es in Leipzig, wo der arbeitslose Historiker Dr. Georg Sacke (1902– 1945 auf Räumungsmarsch) einem Widerstandskreis linker Intellektueller und Künstler angehörte. Das Ehepaar lebte von Rosemarie Sackes Lehrerinnengehalt. Im April 1934 wurde Georg Sacke verhaftet und ins KZ Sachsenhausen gebracht. Angeklagt wurde er wegen „Hochverrat“, doch er erhielt einen Freispruch und wurde im Dezember 1935 aus der Haft entlassen.
„Im Dezember 1937 trat sie [Rosemarie Sacke] dem Nationalsozialistischen Frauenwerk (NSFrW) bei, einer Unterorganisation der NS-Frauenschaft, um, wie sie später betonte, ihre Anstellung als Lehrerin nicht zu gefährden.“ [2]
1940 bekam Georg Sacke eine Anstellung im „Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Institut“ (HWWI) als Referent für Ost- und Südosteuropa. 1942 folgte Rosemarie Sacke (1921–1997) ihrem Mann nach Hamburg, nachdem ihr Mann eine Festanstellung am HWWI bekommen hatte (…). Als nicht-berufstätige, kinderlose Frau wurde Rosemarie Sacke am 5. April 1943 ‚dienstverpflichtet‘ und als Englisch-Übersetzerin mit einer halben Stelle ebenfalls am HWWI angestellt.“ [3]
das Arbeitsamt sie verpflichtet hatte, ebenfalls im HWWI zu arbeiten. Dort war sie als Englisch-Übersetzerin tätig.
Auch in Hamburg schlossen sich die Sackes einem Widerstandskreis an. Sie nahmen Kontakt zu Georg Sackes ehemaligem Studienfreund Hans Kretzscher (1903–1958) auf, der seit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in der illegalen Lehrergruppe der Hamburger KPD mitarbeitete. „Durch ihre Tätigkeit am HWWI hatten sie [die Sackes] Zugang zu Informationen über die Situation in der Sowjetunion, die für die Widerstandsarbeit genutzt werden konnten.“ [4]
Am 15.8.1944 wurden Rosemarie und Georg Sacke in den Räumen des HWWI verhaftet und ins Polizeigefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel eingeliefert. „Rosemarie Sacke geriet während ihrer Einzelhaft im Kolafu in eine schwere psychische Krise. Zwei Mal versuchte sie, sich die Pulsadern zu öffnen. Am 7. September 1944 wurde sie in das Allgemeine Krankenhaus Ochsenzoll eingeliefert. Am 21. November 1944 wurde sie von dort als ‚geheilt wieder in das Untersuchungsgefängnis zurückverlegt‘. (…) Im Februar 1945 wurde sie in das ‚Arbeitserziehungslager Hamburg-Wilhelmsburg‘ verlegt. Nach dessen Zerstörung am 21. März 1945 kam sie noch einmal ins Kolafu und von dort in das ‚Arbeitserziehungslager Nordmark‘ in Kiel Russee. Mit ihrer Entlassung aus diesem Lager am 2. Mai 1945, zwei Tage vor dessen Auflösung, endete Rosemarie Sackes Lagerodyssee. Krank und halb verhungert machte sie sich zu Fuß auf den Weg zurück nach Hamburg, voller Hoffnung, dort, in der gemeinsamen Wohnung, Georg Sacke wieder zu treffen. Von seinem Schicksal seit ihrer Trennung wusste sie nichts. (…).“ [5] Georg Sacke war bis zum Frühjahr 1945 im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel inhaftiert gewesen und kam am 24. März 1945 ins KZ Neuengamme, wo er im April 1945 auf einem Räumungsmarsch ums Leben kam.
Nach ihrer Gesundung begann [Rosemarie Sacke] im Sommer 1945 für das ‚Komitee ehemaliger politischer Gefangener‘ zu arbeiten und organisierte in ihrer Wohnung in der – jetzt wieder – Hallerstraße 6 die politische Arbeit des Komitees im Stadtteil Rotherbaum. Noch in Hamburg trat sie am 10. September 1945 in die KPD ein, dies verstand sie als Vermächtnis Georg Sackes, und hielt der Partei ihr Leben lang die Treue. Im Januar 1946 kehrte sie nach Leipzig zurück. Bis 1951 war sie die erste Leiterin der Arbeiter- und Bauern-Fakultät der Universität Leipzig. Dann wurde sie wegen ihrer Mitgliedschaft in einer NS-Organisation entlassen – mit einer zweiten Chance: Nach einem Studium an der Parteihochschule ‚Karl Marx‘ wurde sie Lehrerin für Marxismus-Leninismus. Sie überlebte nicht nur den NS-Staat, sondern auch die Sowjetunion und die DDR und starb, 92-jährig, am 19. April 1997 in Leipzig. Unermüdlich setzte sie sich für die Erinnerung an Georg Sacke ein.“ [6]
Text: Rita Bake
Quellen:
1 Rosemarie Sacke-Gaudig: Erinnerungen an meinen Vater Hugo Gaudig. 160.1923. Leipzig, maschinenschriftliches Manuskript. O. J. (1988), unter: www.leipzig-lese.de/index.php?article_id=317
2 Jost von Maydell: Georg Sacke, in der Datenbank: www.stolpersteine.hamburg.de, unter: www.stolpersteine-hamburg.de/?MAIN_ID=7&BIO_ID=1215, abgerufebn: 5.11.2020.
3 Ebenda.
4 Herbert Diercks: „Die Freiheit lebt!“ Widerstand und Verfolgung in Hamburg 1933-1945. Hamburg 2010, S. 56.
vgl. auch: Harald Vieth: Von der Hallerstraße 6/8 zum Isebek. Hamburg 1991, S. 15f.
5 Jost von Maydell, a. a. O.
6 Ebenda.
 

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Frauen, die in Hamburg Spuren hinterlassen haben
(Datenbank Stand: März 2024) Frauen stellen mindestens die Hälfte der Menschheit. Wenn es aber um Erinnerungen geht, sind es immer noch in der Mehrzahl Männer, die die Spitzenplätze einnehmen.

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Hamburger Frauenbiografien-Datenbank

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Stand März 2024: 1316 Kurzprofile von Frauen und 437 sonstige Einträge z. B. Vereine, Aktionen, Zusammenschlüsse und Überblicksdarstellungen zu Themen der Frauenbewegungen.

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Wesentlich aktualisiert im Januar 2024: Emma Gertrud Eckermann
Januar 2024: Astrid Matthiae

Februar 2024: Gisela Engelin-Hommes, Barbara Ahrons

März 2024: Abel Margaretha Sophia Forsmann

Was erwartet Sie in der Frauenbiografie-Datenbank?

Die Zahlen allein für Hamburg sind ernüchternd: 2868 Verkehrsflächen sind nach Männern und Jungen (8) benannt (darin enthalten: Literarische Gestalten (86), frei gewählte männliche Vornamen (12) sowie nach Familien benannte Straßen (198). Letztere wurden zu den Männerstraßennamen zugezählt, weil hier in erster Linie die männlichen Familienangehörigen gemeint sind, die in vielen Fällen mit Namen genannt werden bzw. ihre Berufe aufgezählt werden).
Nur 474 Straßen sind nach Frauen und Mädchen (9) benannt. (Das sind 14% der nach Personen benannten Straßen. Darin enthalten sind: Literarische Gestalten (39), frei gewählte weibliche Vornamen (21) sowie nach Frauen und Männern benannte Straßen (66). Bei Letzteren handelt es sich in erster Linie um nachträglich nach Frauen mitbenannte Straßen, die ehemals nur nach den Nachnamen von bedeutenden männlichen Familienangehörigen benannt worden waren) (Stand: Januar 2024).

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Anzahl der Denkmäler und Erinnerungstafeln. Auch bei Ehrungen und Auszeichnungen wird oft an IHN und nur wenig an SIE gedacht.

Trotz aller Leistungen von Frauen scheint die Erinnerung an sie schneller zu verblassen, sind die Archive und Netze der Erinnerung besonders löchrig - erweist sich die Wertschätzung weiblichen Wirkens als gering. Wie oft heißt es, wenn auch Frauen geehrt werden könnten:

„Uns ist dazu keine Frau von Bedeutung bekannt!“

Ein Argument, das in Zukunft keine Chancen hat, denn es gibt jetzt diese Datenbank. Eine Bank, die ihren Anlegerinnen und Anlegern hohe Renditen verspricht, denn das Kapital ist das historische Wissen. Geschöpft aus Archivmaterialien, Lexika, Zeitungsartikeln und –notizen, aus veröffentlichten Biografien, zusammengetragen und erforscht von Einzelpersonen etc., bietet die Datenbank die beste Voraussetzung für eine hohe gesellschaftliche Wirksamkeit - im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit. Die Früchte dieser Datenbank sollen die Bedeutung von Frauen für Hamburgs Geschichte leicht zugänglich machen und selbstverständlich in den Alltag von heute tragen.

Im Mittelpunkt stehen verstorbene Frauen, die in Hamburg gewirkt und/oder gewohnt und die Spuren hinterlassen haben. Das können Autorinnen, Schauspielerinnen, Wohltäterinnen, Kneipenwirtinnen, Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, bildende Künstlerinnen, Sängerinnen, Unternehmerinnen, Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen, Juristinnen, Journalistinnen, Widerstandkämpferinnen gegen und Opfer des NS-Regime etc. sein – aber auch Täterinnen.

Wir stellen keineswegs nur „prominente“ Frauen oder hehre Vorbilder vor – sondern auch das Wirken und Leben der „kleinen Frau“ auf der Straße, die oft im Stillen gearbeitet hat, für die Familie, die Stadt, die Partei, die Kunst, für sich.

Darüber hinaus präsentieren wir Ihnen auch Orte, Einrichtungen, Vereine und Themen, die für Frauen von historischer Bedeutung waren und sind.

An dieser Datenbank wird kontinuierlich gearbeitet. Es werden laufend neue Namen und Rechercheergebnisse eingestellt.

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Die einzelnen Frauen sind in der Regel mit einer Adresse verzeichnet – für ihre Wohnung bzw. ihren Wirkungsort. Mehrere Umzüge und Ortswechsel können in der Regel nicht recherchiert werden.

Achtung: Die Namen und Verläufe von Straßen haben sich oft verändert. Wer wissen möchte, wo bestimmte Hausnummern heute zu finden sind, muss alte Stadtpläne oder u. U. Grundbucheintragungen einsehen. Es gibt beim Statistikamt Nord einen alte Kartei der so genannten "Hausnummerhistorien", in der sich alte und neue Hausnummern gegenüberstehen. Bei Umnummerierungen von Hausnummern aber auch bei Umbenennungen von Straßennamen kann hier eine raschere Auskunft möglich sein, als über den Vergleich von alten und neuen Lageplänen (freundliche Auskunft von Jörg-Olaf Thießen Staatsarchiv Hamburg). Wer dann noch nicht weiter kommt, sollte sich an das Staatsarchiv wenden. Viele Stadtpläne sind bereits online einsehbar.

Verantwortlich für die Datenbank:

Dr. Rita Bake
stellvertretende Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg a. D.
Gründerin des Gartens der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof

Die Datenbank wurde von ihr zusammengestellt und wird laufend von ihr ergänzt und erweitert.
Diverse Frauenbiografien sind von verschiedenen Autorinnen und Autoren verfasst worden. Die Namen der Autorinnen und Autoren finden Sie jeweils am Ende ihrer Beiträge. Es gibt auch eine Rubrik: Autorinnen und Autoren, in der Sie deren biografische Angaben finden.

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