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Frauenbios

Olga Herschel

(15.3.1885 in Hamburg - Suizid am 17.11.1938 in Hamburg)
Historikerin
Oderfelder Straße 13 (Wohnadresse), Stolperstein
Alte Rabenstraße 34 (Wohnadresse)
Der Hamburger Augenarzt Dr. Wolfgang Herschel (1855-1913) und seine Ehefrau Sophie geb. Warburg (geb. 5.4.1862) hatten im Juni 1884 geheiratet. Sophie Warburg war die Tochter des Kaufmanns und Hamburger Bürgers Siegmund (ehemals Simon) R. Warburg (1817-1899), Mitinhaber der Seidenfirma R. D. Warburg & Co. mit Filialen in Zürich, Paris und Lyon, und Anna geb. Goldschmidt (1833-1894). Ihre Brüder Rudolph D. Warburg (1857-1902) und Otto Warburg (1859-1938) schlossen die Schule mit dem Abiturzeugnis ab.
Die Familie wohnte im Mittelweg 151. Während Rudolph Warburg nach kaufmännischer Ausbildung und eineinhalbjähriger Weltreise 1888 als Sozius in die väterliche Firma eintrat, studierte Otto Warburg Botanik und bereiste anschließend vier Jahre zu Studienzwecken Ostasien. Er engagierte sich in der zionistischen Bewegung. Mit den Bankiers Max Warburg (1867-1946) und Fritz Warburg (1879-1964) sowie Professor Aby Warburg (1866-1929) waren sie nur sehr weitläufig verwandt.
Aus der Ehe von Wolfgang und Sophie Herschel gingen die beiden Töchter Olga (geb. 1885) und Anna Ottilie (1888-1904) hervor. Sie wuchsen seit 1893 in unmittelbarer Alsternähe in einer Parterre-Wohnung in der fünfunddreißig Jahre vorher angelegten Alten Rabenstraße 34 (Rotherbaum) auf. Die Augenarztpraxis von Wolfgang Herschel befand sich bis 1905 in der Bergstraße 6 (Altstadt) und wurde dann zum Neuen Wall 5 (Neustadt) verlegt. Olga Herschel „hat von ihrem Vater eine ausgesprochen patriotische Veranlagung geerbt“, stellte 1964 Paul Wohlwill fest.
Auch das Interesse für Geschichte könnte ein vorgelebtes gewesen sein, denn der Vater war seit 1905 Mitglied der Patriotischen Gesellschaft in Hamburg. Von Haus aus finanziell abgesichert, konnte sich Olga Herschel ihren Neigungen widmen: nationale Politik und nationale Kultur. Der Kontakt zu dem Dichter Richard Dehmel (1863-1920) hatte sich nach dessen Komödie „Michael Michael“, die am 11. November 1911 am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg Premiere hatte, so intensiviert, dass Olga Herschel und Emmy Auguste Wohlwill als Hauptinitiatorinnen Mitte 1912 für sein neues Domizil in Blankenese bei betuchten Freunden Gelder sammelten, so bei Walther Rathenau (1867-1922), ab 1915 AEG-Präsident und 1922 als Mitglied der DDP deutscher Außenminister, Josef Winckler (1881-1966), dem westfälischen Dichter, sowie Albert Ballin (1857-1918), dem Generaldirektor der Hamburg-Amerika-Linie (Hapag).
Olga Herschel hatte gute Voraussetzungen für diese Mittlerrolle zwischen finanzkräftigen Persönlichkeiten, die sie vom Elternhaus her kannte, und Literaten, deren künstlerisch-gesellschaftliches Wirken sie für wichtig erachtete. Mit der jüdischen Ehefrau des Dichters Richard Dehmel, Ida Dehmel geb. Coblenz (1870-1942), war sie seit dieser Zeit eng befreundet. Auch politisch stimmten beide überein.
Dem Tod des Vaters im Jahre 1913 folgten einschneidende Veränderungen im Leben von Ehefrau und Tochter: Rund ein Jahr nach seinem Tod trat Olga Herschels Mutter aus der Jüdischen Gemeinde aus, und Olga Herschel ließ sich im November 1916 evangelisch taufen.
Im Oktober 1913, nur wenige Wochen nach dem Tod ihres Vaters, begann sie mit dem Studium der Mittleren und Neueren Geschichte an der Ludwig-Maximillians-Universität in München. Sie besuchte u.a. die Fächer Wirtschaftsgeschichte (bei Prof. Dr. Lujo Brentano), Quellenkunde und Urkundenlesen (bei Hellmann), Allgemeine Geschichte des 17. bis 19. Jahrhunderts (bei Marcks) sowie die Geschichte der deutschen Reichszeit (bei Prof. Dr. Hermann von Grauert), wofür je nach der Wochenstundenzahl Honorare zu entrichten waren. Professor von Grauert bezeichnete sie in einer Beurteilung als „scharfsinnigen Kopf“.
Im „Verein Studentischer Frauen“ in München war sie Mitglied und erhielt darüber möglicherweise auch ein Wohnquartier. Olga Herschel promovierte in München über das Thema „Die öffentliche Meinung in Hamburg in ihrer Haltung zu Bismarck 1864-1866“; am 11.12.1915 fand die mündliche Prüfung statt, 1916 erschien bei Boyens in Hamburg ihre 80seitige Doktorarbeit. Zu der Dissertationsschrift äußerte sich sogar der parteilose Bürgermeister Werner von Melle (1853-1937), ein Schulkamerad von Olga Herschels Vater.
Nicht zufällig hatte sie eine der konservativen Galionsfiguren als Thema für ihre Doktorarbeit gewählt, rechnete sie sich doch bereits während der Studienzeit dem konservativ-nationalistischen Lager zu. In den Folgejahren tauchten immer wieder Artikel von ihr in verschiedenen Zeitungen auf, eine Übersicht existiert jedoch bisher nicht. Zwei Beispiele: Im Dezember 1929 veröffentlichte Olga Herschel in der Hamburger Universitäts-Zeitung einen Nachruf mit der Überschrift „Erinnerungen an Professor Aby Warburg“, und im November 1924 berichtete sie in einer Zeitung über einen Vortag der völkischen Lyrikerin Maria Kahle (1891-1975).
Olga Herschel trat nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und der Abdankung des deutschen Kaisers der konservativen Deutschen Volkspartei (DVP) in Hamburg bei, zu dessen rechten Flügel sie fortan zählte. Die DVP war aus der 1867 gegründeten bismarcktreuen Nationalliberalen Partei hervorgegangen und in den Anfangsjahren der Weimarer Republik monarchistisch ausgerichtet. Olga Herschel engagierte sich u.a. im Frauenausschuss der DVP und berichtete über diesen im DVP-Nachrichtenblatt vom 25. November 1920 unter der Überschrift „Eine Aufgabe für Frauenausschüsse“.
Ihr Verhältnis zur neuen demokratischen Staatsform in Deutschland war - wie das der DVP - nicht ungetrübt: „Es ist für ihre Einstellung bezeichnend, dass sie alljährlich dem Kaiser gratulierte. Die Dankantwort mit dem Kaiserbild hat all die Jahre auf ihrem Schreibtisch gestanden,“ erinnerte sich Paul Wohlwill im Jahre 1964. Auch ihre Freundin Ida Dehmel engagierte sich zeitweilig in der DVP, der sie im November 1918 beigetreten war. Bis September 1920 gehörte sie sogar dem geschäftsführenden Reichsvorstand an, ab 1922 war sie einfaches Parteimitglied; ihr Ehemann Richard Dehmel hatte als nationaler Patriot den Ersten Weltkrieg in Versen besungen.
Von 1924 bis 1932 beteiligte sich die DVP in Hamburg an einer Koalitionsregierung aus SPD und liberaler DDP. Vehement setzte sich Olga Herschel in den 1920er Jahren für die Wiederbewaffnung des deutschen Heeres ein. Im Hamburger Adressbuch des Jahres 1928 wurde sie mit dem Zusatz „Dr. phil., Privatgelehrte“ aufgeführt. Sie wohnte zu dieser Zeit weiterhin mit ihrer Mutter in der Alten Rabenstraße 34, die am 28. März 1929 verstarb.
Die DVP, die politische Heimat von Olga Herschel, löste sich zum 4. Juli 1933 im gesamten Deutschen Reich auf, nachdem die politischen Institutionen bereits vorher von den Nationalsozialisten gleichgeschaltet worden waren. In Hamburg hatten die Vorstandsgremien der DVP schon am 12. April 1933 mehrheitlich beschlossen, dass ihre Mitglieder kollektiv zur NSDAP übertreten sollten – fast 75% der Parteimitglieder folgten diesem Beschluss. Mit dem „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“ vom 14. Juli 1933 sicherte die NSDAP ihre Monopolstellung auch pseudo-formal ab. Vermutlich 1936/1937 zog Olga Herschel in die Oderfelder Straße 13 (Harvestehude) um.
Hatte sie noch im August 1936 von Helgoland aus mit nationalem Pathos geschrieben: „Ich geniesse jedes Geschütz als einen wiedererstandenen Freund“, so wurde ihr zwei Jahre später der Urlaubsaufenthalt von der Kurverwaltung verwehrt. „Auf Ihre gefl. Anfrage vom 9. d. Mts. teilen wir Ihnen ergebenst mit, daß der Besuch unseres Bades durch Juden nicht erwünscht ist. Heil Hitler! Kurverwaltung Helgoland“. Die Ablehnungsschreiben von Hiddensee und Cuxhaven fielen fast gleich lautend aus. Die patriotische Deutsche wurde von den NS-Machthabern auf ihre jüdische Herkunft reduziert, als „volksfremd“ eingestuft und ausgegrenzt. Auch das Schwimmen, dass sie regelmäßig als Ertüchtigung betrieb, wurde ihr unmöglich gemacht. Die Benutzung von Schwimmbädern war Juden ab circa Juni 1937 untersagt, große Tafeln in den Schwimmbädern wiesen darauf hin. (Ab Dezember 1938 verbot eine Polizeianordnung Juden den Besuch von öffentlichen und privaten Bädern sowie von Kultureinrichtungen.)
Noch im Herbst 1937 hatte sie die Emigration einer Cousine als „Verrat an Deutschland“ betrachtet. Aber allmählich dämmerte auch der engagierten Nationalistin und religiösen Protestantin, dass der nationalsozialistische deutsche Staat seine „Volksgemeinschaft“ in gewaltsamer Abgrenzung zu seinen selbst ernannten Gegnern schuf, zu denen sie als geborene Jüdin auch gezählt wurde.
Beim Novemberpogrom eskalierte die Gewalt und danach wurde eine weitere Stufe der Rechtlosigkeit eingeleitet. Einzig die Emigration wurde Juden, bzw. Personen die von den Nationalsozialisten dafür erklärt wurden, noch zugebilligt. Dazu war die Patriotin Olga Herschel nicht bereit. Am 13. November 1938 verfasste sie einen Abschiedsbrief. „Liebe Verwandte und Freunde“ lautete die Anrede des zweiseitigen Schreibens, in dem sie den Entschluss zum Selbstmord ruhig erklärte. Der Schmerz, zum Nichtstun verurteilt zu sein, wo doch Energie und Wille vorhanden waren, klang mit, wenn sie schrieb: „In den letzten zehn Jahren, wo das Leben für mich ohne unmittelbare Pflichten war, habe ich verschiedentlich den Gedanken des freiwilligen Todes gehabt und ihn in ernsthaftem Zwiegespräch mit meinem Gott erwogen. Immer hatte ich aber dabei zuletzt das Gefühl, daß Gott mir den Weg noch nicht frei gab. Heute ist es anders. Heute wo ich mein Vaterland, das ich über alles liebe, nicht mehr achten kann, ist diese Schranke gefallen. Ja, ich habe das feste Gefühl, daß Gott selbst mir diesen Weg weist und ich werde ihn gehen.“
Den Strick, mit dem sie sich das Leben nehmen wollte, knüpfte Olga Herschel selber. Am 17. November 1938, eine Woche nach dem Pogrom, erhängte sie sich im Alter von 53 Jahren am Fensterkreuz ihres Schlafzimmerfensters in der Oderfelder Straße 13. Bereits acht Jahre vor ihrem Freitod hatte sie bestimmt, dass der Pastor die Trauerrede für sie über 1.Korinther 16 V.13 aus dem Neuen Testament halten sollte: „Wachet, stehet im Glauben, seid männlich und seid stark!“.
Paul Wohlwill (1870-1972), Oberlandesgerichtsrat i.R. und ein Cousin zweiten Grades, kümmerte sich um ihren Nachlass.
Am 27. Dezember 1938 wurde an Olga Herschel ein Bescheid über 38.000 RM „Sühnezahlung“ adressiert, erst im Februar 1939 stellten die Behörden fest, dass Olga Herschel bereits verstorben war.
Im August 2009 wurde ein Buch aus dem Besitz von Olga Herschel (Görries, Die heilige Allianz und die Völker auf dem Congresse von Verona, 1822) bei einem Schweizer Antiquariat angeboten. Dieses wies insbesondere auf das eingeklebte Exlibris von Olga Herschel hin und teilte zur besseren Zuordnung einige biografische Angaben der ehemaligen Besitzerin mit.
Text: Björn Eggert
Quellen:
Hamburger jüdische Opfer des Nationalsozialismus. Gedenkbuch, Hamburg 1995, S.161; Staatsarchiv Hamburg (= StaHH) 231-3 (Handelsregister, bis 1908), B 14612 (R.D.Warburg & Co., 1848, 1850, 1879); StaHH 314-15 (Oberfinanzpräsident), R 1939/761 (Hypothekenrückzahlung an Olga Herschel, 1939); StaHH 314-15 (Oberfinanzpräsident), R 1939/2378 (Sicherungsmaßnahmen); StaHH 332-8 (Alte Einwohnermeldekartei), Dr. W.A. Herschel, Siegmund Rudolph Warburg; StaHH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 150395 (Mathilde Schneider); Hamburger Adressbuch 1902, 1928; Amtliche Fernsprechbücher Hamburg 1897-1913 (Dr. W.A. Herschel), 1925-1928 (Frau Herschel), 1929-1937 (Dr. O. Herschel); Jahrbuch der Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe /Patriotische Gesellschaft, Hamburg 1913, S.59 (Dr. W. A. Herschel); Lieselotte Resch /Ladislaus Buzàs, Verzeichnis der Doktoren und Dissertationen der Universität Ingolstadt – Landshut – München 1472-1970, Philosophische Fakultät 1750-1950, Band 7, München 1977, S.211 (Olga Herschel, U 16.1898); Maximilians Universität München, Promotionsakte (UAM, O-II-3p), Studentenkartei I Herschel, Olga, Verzeichnis der Honorarzahlungen; Online-Katalog der Deutschen Nationalbibliothek, Dissertation von Olga Herschel; Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (SUB), Literaturarchiv (LA): Herschel, Olga (u.a. Abschiedsbrief vom 13.11.1938 u. Lebenslauf erstellt von Dr. Paul Wohlwill, 1964); Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (SUB), Literaturarchiv (LA): Kahle, Maria : 3 (kurzer Dankesbrief an Olga Herschel, 4.12.1924); Matthias Wegner, Aber die Liebe – der Lebenstraum der Ida Dehmel, München 2000, S. 270, 272, 367 (Olga Herschel), S.343, 355 (DVP); Helmut Stubbe – da Luz, Die Stadtmüter Ida Dehmel, Emma Ender, Margarethe Trenge, Hamburg 1994, S.28-30 ( Ida Dehmel und die DVP); www.loebtree.com/warburg.html (eingesehen 12.5.2009); Raffael Scheck, Mothers of the nation – right wing woman in Weimar Germany, Oxford 2004, S.148, 155 (Olga Herschel); Eva Schöck-Quinteros /Christiane Streubel (Hrsg.), Ihrem Volk verantwortlich – Frauen der politischen Rechten (1890-1933), Berlin 2007, S. 169 (DVP-Frauenausschuss, Herschel); Ursula Büttner /Werner Jochmann, Hamburg auf dem Weg ins Dritte Reich – Entwicklungsjahre 1931-1933, Hamburg 1985, S.63/64 (DVP); Ferdinand S. Warburg, Die Geschichte der Firma R. D. Warburg & Co., ihre Teilhaber und deren Familien, Berlin 1914, S. 12-34; E-Mail von Herrn M.W. (Israel), August 2009; Wolf Gruner, Judenverfolgung in Berlin 1933-1945. Eine Chronologie der Behördenmaßnahmen in der Reichshauptstadt, Berlin 1996, S.43 (Badeanstalten).
 

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Frauen, die in Hamburg Spuren hinterlassen haben
(Datenbank Stand: März 2024) Frauen stellen mindestens die Hälfte der Menschheit. Wenn es aber um Erinnerungen geht, sind es immer noch in der Mehrzahl Männer, die die Spitzenplätze einnehmen.

Hammonia

Hamburger Frauenbiografien-Datenbank

Erklärung zur Datenbank

Stand März 2024: 1316 Kurzprofile von Frauen und 437 sonstige Einträge z. B. Vereine, Aktionen, Zusammenschlüsse und Überblicksdarstellungen zu Themen der Frauenbewegungen.

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Wesentlich aktualisiert im Januar 2024: Emma Gertrud Eckermann
Januar 2024: Astrid Matthiae
Februar 2024: Gisela Engelin-Hommes, Barbara Ahrons
März 2024: Abel Margaretha Sophia Forsmann
Wesentlich aktualisiert im März 2024: Albertine Kruse

Was erwartet Sie in der Frauenbiografie-Datenbank?

Die Zahlen allein für Hamburg sind ernüchternd: 2868 Verkehrsflächen sind nach Männern und Jungen (8) benannt (darin enthalten: Literarische Gestalten (86), frei gewählte männliche Vornamen (12) sowie nach Familien benannte Straßen (198). Letztere wurden zu den Männerstraßennamen zugezählt, weil hier in erster Linie die männlichen Familienangehörigen gemeint sind, die in vielen Fällen mit Namen genannt werden bzw. ihre Berufe aufgezählt werden).
Nur 474 Straßen sind nach Frauen und Mädchen (9) benannt. (Das sind 14% der nach Personen benannten Straßen. Darin enthalten sind: Literarische Gestalten (39), frei gewählte weibliche Vornamen (21) sowie nach Frauen und Männern benannte Straßen (66). Bei Letzteren handelt es sich in erster Linie um nachträglich nach Frauen mitbenannte Straßen, die ehemals nur nach den Nachnamen von bedeutenden männlichen Familienangehörigen benannt worden waren) (Stand: Januar 2024).

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Anzahl der Denkmäler und Erinnerungstafeln. Auch bei Ehrungen und Auszeichnungen wird oft an IHN und nur wenig an SIE gedacht.

Trotz aller Leistungen von Frauen scheint die Erinnerung an sie schneller zu verblassen, sind die Archive und Netze der Erinnerung besonders löchrig - erweist sich die Wertschätzung weiblichen Wirkens als gering. Wie oft heißt es, wenn auch Frauen geehrt werden könnten:

„Uns ist dazu keine Frau von Bedeutung bekannt!“

Ein Argument, das in Zukunft keine Chancen hat, denn es gibt jetzt diese Datenbank. Eine Bank, die ihren Anlegerinnen und Anlegern hohe Renditen verspricht, denn das Kapital ist das historische Wissen. Geschöpft aus Archivmaterialien, Lexika, Zeitungsartikeln und –notizen, aus veröffentlichten Biografien, zusammengetragen und erforscht von Einzelpersonen etc., bietet die Datenbank die beste Voraussetzung für eine hohe gesellschaftliche Wirksamkeit - im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit. Die Früchte dieser Datenbank sollen die Bedeutung von Frauen für Hamburgs Geschichte leicht zugänglich machen und selbstverständlich in den Alltag von heute tragen.

Im Mittelpunkt stehen verstorbene Frauen, die in Hamburg gewirkt und/oder gewohnt und die Spuren hinterlassen haben. Das können Autorinnen, Schauspielerinnen, Wohltäterinnen, Kneipenwirtinnen, Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, bildende Künstlerinnen, Sängerinnen, Unternehmerinnen, Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen, Juristinnen, Journalistinnen, Widerstandkämpferinnen gegen und Opfer des NS-Regime etc. sein – aber auch Täterinnen.

Wir stellen keineswegs nur „prominente“ Frauen oder hehre Vorbilder vor – sondern auch das Wirken und Leben der „kleinen Frau“ auf der Straße, die oft im Stillen gearbeitet hat, für die Familie, die Stadt, die Partei, die Kunst, für sich.

Darüber hinaus präsentieren wir Ihnen auch Orte, Einrichtungen, Vereine und Themen, die für Frauen von historischer Bedeutung waren und sind.

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Verantwortlich für die Datenbank:

Dr. Rita Bake
stellvertretende Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg a. D.
Gründerin des Gartens der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof

Die Datenbank wurde von ihr zusammengestellt und wird laufend von ihr ergänzt und erweitert.
Diverse Frauenbiografien sind von verschiedenen Autorinnen und Autoren verfasst worden. Die Namen der Autorinnen und Autoren finden Sie jeweils am Ende ihrer Beiträge. Es gibt auch eine Rubrik: Autorinnen und Autoren, in der Sie deren biografische Angaben finden.

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