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Marie Anne Lippert

( Marie Anne Lippert, geb. Zacharias )
(07.09.1854 - 18.06.1897)
Gutsherrin und Stifterin
Fontenay (Wohnadresse)
Gut Hohenbuchen, Poppenbüttler Hauptstraße (Wohnadresse)
Poppenbüttler Markt (Wirkungsstätte)
Erholungsheim für weibliche Ladenangestellte und Telephonistinnen (Wirkungsstätte)
Waisenhaus für zwölf Kinder bis zum 14. Lebensjahr, Poppenbüttler Hauptstraße 25 (Wirkungsstätte)
Ohlsdorfer Friedhof, Fuhlsbüttler Straße 756, Grab Nr. U 23, 21-35 / V 23, 17-25
Teilansicht des Grabmals von Marie Lippert und ihrem Mann auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Das Grabmal zeigt in Reliefs Szenen aus dem Leben Marie Lipperts. Hier sitzt sie in einer offenen Veranda an einem kleinen Tisch, stützt den Kopf in die eine Hand und hat in der anderen Hand eine Schreibfeder, ihr Blick ist in die Ferne gerichtet. Marie Lippert schreibt an ihren Reiseberichten.
Marie Lippert, geb. Zacharias und ihre drei Brüder wuchsen in einer großbürgerlichen Familie auf. Ihr Elternhaus lag im Hamburger Stadtteil Harvestehude in der Fontenay.
Marie Zacharias heiratete den 10 Jahre älteren Eduard Amandus Lippert (1844 - 1925), der zusammen mit seinen beiden Brüdern ein Wollhandelsunternehmen leitete. Als das Unternehmen nach einem Börsenkrach unverschuldet in Konkurs gegangen, ein Bruder von der Familie des Landes verwiesen worden war – die Gründe hierfür sind uns heute unbekannt – und der andere die Firma übernommen hatte, ging das kinderlose Ehepaar Eduard und Marie Lippert in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts nach Afrika ins Matabeleland und kehrte erst in den 90er-Jahren endgültig wieder zurück nach Hamburg. Die Sehnsucht nach ihrer Verwandtschaft trieb Marie Lippert jedoch immer mal wieder für einen kurzen Besuch nach Hause zurück, obwohl es für sie ein großes Unterfangen bedeutete, solch eine weite Reise allein zu unternehmen.
In Afrika schufen sich die Lipperts eine neue finanzielle Basis, was allerdings nicht ohne Schwierigkeiten von statten ging. Eduard Lippert, der von König Lobengula eine Landkonzession für seinen englischen Freund erwirkt hatte, erwarb auf diesem Areal die oberirdischen Nutzungsrechte und erwirtschaftete ein Vermögen mit Gold- und Diamantenschürfungen. Der britisch-südafrikanische Kolonialpolitiker, Abgeordnete, Finanzminister, Premierminister der Kapkolonie und Vorkämpfer des britischen Imperialismus, Cecil Rhodes, der großen Reichtum durch die Ausbeutung der südafrikanischen Diamantenfelder erworben hatte, machte Eduard Lippert jedoch das Land streitig, weil er für dieselben Ländereien die unterirdischen Rechte eingehandelt hatte. Die Situation verschärfte sich, als Lippert dem betrunkenen Cecil Rhodes in einem Klub vor Zeugen Unangenehmes sagte. Rhodes wollte daraufhin Lipperts Konzession vernichten und hatte auch seine Regierung hinter sich, im Gegensatz zu Lippert, der die Hilfe der deutschen Regierung vergeblich erbat. 1892 kam es zu einer Einigung: Eduard Lippert verkaufte zu einem Millionenbetrag seine Rechte an Cecil Rhodes.
Nachtrag, 2020 zu Eduard Lippert:
Der Historiker Henning Albrecht schreibt in seinem 2018 erschienenen Buch „Diamanten, Dynamit und Diplomatie: Die Lipperts Hamburger Kaufleute in imperialer Zeit“ über das Ansehen Eduard Lipperts: „Seine Spuren finden sich in zahlreichen, vornehmlich englischsprachigen und älteren Werken über das südliche Afrika und zur Gold- und Diamantindustrie dort. In ihnen tritt Lippert auf als Gegenspieler von Cecil Rhodes, einem der bekanntesten britischen Imperialisten: als deutscher Agent, der dem kolonialen Projekt der Briten durch seine Unterstützung Paul Krugers im Wege stand– als ‚der böse Deutsche‘ also, als undurchsichtige Gestalt, deren Geschäfte für den zweiten Südafrikanischen Krieg, besser bekannt als der ‚Burenkrieg‘, mit verantwortlich waren.“ a)
Und weiter schreibt Henning Albrecht über Lipperts Einstellung zum Kolonialismus:
„Bereits am 1. November1877 – also lange bevor die Debatte um deutsche Kolonialpolitik im Jahr 1880 mit der Samoa-Vorlage im Reichstag einen ersten Höhepunkt erlebte und Kolonialpolitik mit dem Erwerb von‘„Deutsch-Südwest‘1883/84 auch Praxis wurde – hielt (…) Eduard (…) einen Vortrag über die südafrikanischen Diamantfelder, (…) Mit ihm leistete er seinen wenn auch geringen Beitrag dazu, jene deutsche Öffentlichkeit heranzubilden, die sich für Kolonien interessierte und ihren Erwerb forderte, inspiriert eben durch die faszinierenden Berichte von Forschungsreisen den, Missionaren oder Kaufleuten – so wie umgekehrt das daraus folgende koloniale Engagement des Reichs zu einem nicht geringen Teil dadurch motiviert war, deutsche Handelsinteressen zu schützen, die im wesentlichen hanseatische oder diejenigen Hamburger Kaufleute waren.
Die Stimmung seines Vortrags, Lipperts Rede vom ‚freien kolonialen Ton‘ etwa, war geeignet, mehr als ein rein auf Information gerichtetes Interesse am Beschriebenen zu wecken – oder bloß an der Förderung des Außenhandels. Das abwertende wie zugleich herablassend-freundliche Bild der Schwarzen, das Lippert, ganz Kind seiner Zeit, zeichnete, wirkte wie eine Einladung zu europäischem Ausgreifen. ‚Die diebischen Schwarzen‘ beschreibt er als ‚äusserst geschickt‘, andererseits aber als ‚meistroh, dumm, nur ihre eigene Sprache sprechend‘. An anderer Stelle heißt es: ‚Der Afrikaner arbeitet nicht gern mehr als nothwendig ist, um sich erst ein Gewehr, dann Rindvieh, mit diesem wieder eine Frau zukaufen, die für ihn arbeitet.‘ ‚Der Schwarze‘ sei ‚gutmüthig‘, wenn auch ‚geschwätzig‘, er übertreibe ‚gern‘ und lege sich selbst zu ‚grosse Wichtigkeit‘ bei. Und mit der Milde des sich als überlegen fühlenden Weißen resümiert Lippert: ‚Im Ganzen sind sie ein fröhliches und gelehriges Völkchen, das nur leider zu leicht mit den Tugenden auch die Kultur-Laster annimmt. Gegen Europäer sind sie stets höflich, rufen ihnen guten Morgen zu und rücken am Hut. Auf meinen vielen Reisen in einsamen Gegenden jenseits der Kolonie habe ich nie einer Waffe zu meinem Schutze bedurft.‘
Dass aber Eduard Lippert selbst durchaus nicht für das Ziel eigener deutscher Kolonien eintrat, wurde bei anderer Gelegenheit deutlich, auf anderem Terrain. 1880 bis 1883war er Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft, ebenso der Deputation für Handel und Schiffahrt, und von 1878 bis 1883gehörte er auch der Handelskammer an. 1878 erarbeitete Lippert hier gemeinsam mit Arthur Lutteroth Entwürfe für die Reorganisation des Kaufmannskonvents, der Handelskammer wie auch zu einer (bis dahinfehlenden) Börsenordnung. (…) Und auch in der Debatte um die große handelspolitische Wende der Jahre 1878/79war er engagiert, als die Bismarcksche Reichsregierung sich vom Freihandel ab- und der Schutzzollpolitik zuwandte. Die Handelskammer Hamburg setzte sich nach Kräften gegen diesen Umschwung ein, und Lippert, der ein führendes Mitglied im Hamburger Zweig des Vereins zur Förderung der Handelsfreiheit war, war mit von der Partie. Als die Hamburger gemeinsam mit den Handelskammern Frankfurt am Main und Leipzig und den Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin im Januar 1879 eine Delegiertenkonferenz freihändlerisch gesonnener Kammern in der Reichshauptstadt organisierte, entsandte man Lippert gemeinsam mit Lutteroth und Georg Heinrich Embden als Vertreter. Hierauf aufbauend war Lippert auch bei der Positionierung der Handelskammer zur Kolonialfrage involviert. 1881, nach dem Scheitern der Samoa-Vorlage, versuchten Aktivisten wie Friedrich Fabri und Wilhelm Hübbe-Schleiden diese zum Thema im Reichstagswahlkampf zu machen und im Verein mit westdeutschen Industriellen den Kolonialerwerb als Mittel der Exportförderung zu propagieren, und dabei zielten sie insbesondere darauf, die hanseatischen Handelskammern für ihre Ziele zu gewinnen. Eduard Lippert trat diesen Versuchen in Hamburg vehement entgegen –einerseits mit klassischen laisser faire-Argumenten; andererseits warnte er gemeinsam mit Lutteroth vor den aus dem Kolonialerwerb entstehenden Kosten sowie vor möglichen politischen und militärischen Verwicklungen. Als auf dem Deutschen Handelstag in Berlin im Dezember der Generalsekretär Annecke versuchte, mit einem Vorschlag zur ‚Exportförderung‘ durchzudringen, war es Eduard Lippert, der diesen Antrag zu Fall brachte, gemeinsam mit Handelskammerpräsident Lutteroth, der die Hamburger Delegation führte, (…) Zur Stärkung des Außenhandels trat er stattdessen für eine Verbesserung und Ausdehnung des Konsularwesens und die Schaffung von Berufskonsulaten ein. Eduard Lippert war also keineswegs von früh an kolonialistisch gesinnt. Später würde er in dieser Frage allerdings eine Wende vollführen.“ b)

Das Privatleben des Ehepaares Lippert wurde überschattet von Marie Lipperts Krebserkrankung. Doch die junge Frau ließ sich nicht unterkriegen. Sie liebte Afrika, war neugierig auf das fremde Land, und nichts war ihr mehr zuwider, als irgendwelche Umstände zu machen. Deshalb war es für sie auch selbstverständlich, gleich nachdem sie 1891 den ersten Krankheitsschub überstanden hatte, ihren Mann auf eine dreimonatige Reise durch das Matabeleland zu begleiten.
Eduard Lippert schreibt dazu in seinem Nachwort zu den von seiner Frau für einen kleinen Freundeskreis veröffentlichten kurzen Landschaftsskizzen und Reisebriefen an die „liebe Mama“: „Umstände waren ihr ihr Leben lang in den Tod zuwider, und so nahm sie, kaum vom Krankenlager erstanden, auch diese Reise zu den Wilden als etwas ganz Einfaches, Selbstverständliches, da die Reise gemacht werden mußte und sie mich doch nicht allein ziehen lassen könne.“ [1]
Von der Fahrt durch das Land mit einem Planwagen und einigen Bediensteten schrieb Mike, wie Marie Lippert genannt wurde, ihrer Mutter regelmäßig Briefe. Aus ihnen spricht sowohl die Beschwerlichkeit solch einer Reise als auch Zuversicht und fröhliche Neugierde auf die fremde Kultur. Vieles Ungewohnte empfand Marie Lippert eher als spaßig denn beschwerlich. So äußert sie sich über das Schlafen in einem Zelt: „...sehr komisch, man kriecht hinein, so niedrig ist es“. [1] Und über das Schlafen im Wagen: „Vorige Nacht haben wir im Wagen geschlafen, der ganz zugemacht werden kann, und die Sitzlehnen klappt man herunter, so daß es wie ein Bett wird.“ [1]
Auf der Fahrt durch den endlosen Busch musste die kleine Reisegruppe selbst für ihr Essen sorgen und es im Freien zubereiten. Sie fingen z.B. zwei Hühner und kochten sie: „Kochen im Freien ist auch komisch, man hat nie Zeit und man ist Abends müde, Reis spielt eine große Rolle, das geht so rasch.“ [1] Wenn sie am Lagerfeuer saßen und ihr Essen zubereiteten, kamen sie schnell mit den Einheimischen in Kontakt, was Marie Lippert sehr schätzte, trotz der wenigen Zeit, die dadurch für ein trautes Beisammensein des Ehepaares blieb. Marie Lippert scheint keine Scheu vor dem Fremden und den Fremden gehabt zu haben, mit denen sie sich hauptsächlich auf Englisch unterhielt, weil sie Zulu nur bröckchenweise sprechen konnte. So schreibt sie über ein Zusammentreffen mit Einheimischen: „Die letzten Tage nur Kaffern gesehen, uns sehr mit ihnen amüsiert.“ [1] Oft saß das Ehepaar mit seinen neuen Freunden am Lagerfeuer und genoss die romantische Stimmung: „Unsere Marabele-Führer hatten ein großes Feuer gemacht, dazu der schöne Mondschein, es war wirklich gemütlich.“ [1]
Wenn das Ehepaar Lippert länger an einem Ort weilte, wohnte es in einfachen Lehmhütten, liebevoll dekoriert von den Einheimischen. Darüber berichtet Marie Lippert in einem Brief an ihre Mutter: „Denke dir, acht oder zehn Lehmhütten, weit voneinander entfernt, jede auf einem Hügel, Strohdächer, ganz kleine Fenster ohne Scheiben, innen mit Matten und Fellen und allerhand Zeug zurechtgemacht. Für mich hatten sich die jungen Leute wirklich angestrengt, sie dekorierten, was nur zu dekorieren war. Wir haben ein Haus für uns allein. Bettlaken, Tischtücher, Gläser gibt es nicht; man schläft auf seinen Schaffellen, trinkt aus emaillierten Kummen und hat sein Essen in einer handgroßen Zinnschüssel. Dann trinkt man Burgunder und Champagner und ißt fein eingemachtes französisches Obst und Gemüse. Frisches Fleisch, Brot und Milch sind Luxusartikel, frisches Gemüse und Kartoffeln gibt es gar nicht.“ [1]
Marie Lippert passte sich ohne Murren den Gegebenheiten an, auch wenn sie dabei auf gewohnten Komfort verzichten musste, war aber doch froh, als man ihr für eine täglich zu verrichtende Tätigkeit einen gewissen Luxus bot: „Man darf darauf verfallen, ein Klosett zu bauen und das ist ein außerordentlich angenehmer Luxus! In der Wildnis ist es in Ordnung, aber in einem Camp mit einer Menge von Männern, ist es akward, to say the least of it, besonders in Tati, wo unser Haus ganz allein auf einem Hügel stand, das von allen Seiten zu übersehen war, so daß man sich bei gewissen Gelegenheiten so fühlte wie Jochen Nüssler’s Eltern, wenn sie sich Geheimnisse erzählen wollten!“ [1]
Marie Lippert lernte das Leben in der freien Natur gegenüber den eingeschränkten Verhältnissen in der Zivilisation schätzen: „Wundern tue ich mich auch darüber, daß schlechtes Wasser und komisches Essen und Anstrengung einem nichts tut. Es zeigt recht, wieviel natürliches Leben ganz im Freien wert ist und wie verkehrt unser zivilisiertes Leben sein muß. Wäre ich den Ratschlägen der Königinnen gefolgt und trüge keine Gürtel und kein Korsett mehr, ginge es mir vielleicht noch besser.“1 Dem Land und der Kultur wäre sie vermutlich noch mehr verbunden gewesen, wenn sie auf die einheimischen Frauen gehört und sich dem dort vorherrschenden Schönheitsideal zugewandt hätte. So wie Marie Lipperts Figur beschaffen war, entsprach sie so gar nicht den Vorstellungen der Einheimischen. „Ganz entsetzt sind sie (die Frauen) über meinen geringen Umfang. Besonders wenn ich aufstehe, erhebt sich ein allgemeines Oh und Ah, und sie zeigen alle auf meine Taille und fragen, ob ich nicht abbreche, und sagen, ich muß immer einen großen Haufen Fleisch auf dem Tische stehen haben und einen großen Topf Bier, damit ich dicker werde. Im übrigen habe ich seit Johannisburg sechs Pfund zugenommen und Eduard drei Pfund abgenommen, womit wir beide sehr zufrieden sind.“ [1]
An manchen ihrer Aufenthaltsorte wurde Marie Lippert aus Sicherheitsgründen nur ein eingeschränkter Bewegungsradius zugestanden: „Für mich ist es auch ein wenig langweilig, wenn die Herren den ganzen Tag weg sind, was im Camp zu zeichnen ist, das habe ich gezeichnet und allein aus der Umfriedung herausgehen darf ich nicht. Es würde einem nicht gerade etwas passieren, aber die jungen Regimenter, die in Buluwaju liegen, sind übermütig und solcher Trupp von jungen Leuten mit ihren Schildern und Speeren könnte einen belästigen.“ [1]
Nach dieser Reise kehrte das Ehepaar in sein festes Haus in Afrika zurück. Marie Lipperts Krankheit war jedoch nicht zum Stillstand gekommen. Sie musste operiert werden. Aber auch das half nicht. Eduard Lippert, in großer Sorge um seine Frau, verkaufte seine Besitztümer in Afrika, und um seiner Frau den Abschied von Afrika und die Eingewöhnung in Hamburg so angenehm wie möglich zu machen, kaufte er 1896 ein schönes Haus in der Fontenay und das Gut Hohenbuchen in Poppenbüttel. Marie Lippert fiel der Abschied von ihrem geliebten Afrika dennoch sehr schwer. Eduard Lippert äußert sich dazu in seinem Nachwort: „Noch bis in die letzten Tage kämpften bei meiner Frau mit der Liebe zu dem hier neu geschaffenen Heim, welches das Zusammenleben mit den unsrigen doppelt wert machte, der Zug nach dem Heim draußen im fernen Afrika, nach den großen einsamen Flächen, den weiten blauen Horizonten, nach dem selbst aus der Wüste geschaffenen Heim, das sie im nächsten Jahre wieder aufsuchen wollte.
Und sie war wie vorbestimmt für ein solches Leben; ob sie am Morgen mit Entzücken durch die Waldanpflanzungen oder über die Felder ritt, ob sie im Garten grub und pflanzte, ob sie am Abend der Mittelpunkt der Geselligkeit war, überall dieselbe unbesiegbare und unsiegende Heiterkeit, die der Grundzug ihres Charakters war, und die auf alle, die ihr nahe kamen, eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausübte. Ob sie Leidenden, Unglücklichen Hilfe zu bringen suchte, ob sie tätigen Anteil nahm an Beschwerden und Kämpfen, an denen das Erwerbsleben in Ländern wie der Transvaal überreich ist, immer der selbe klare, grade auf das Ziel gerichtete Blick, dieselbe Leichtigkeit, sich in die Verhältnisse zu schicken, ohne ‚Umstände“ zu machen.“ [1]
In Hamburg angekommen, ließ das Ehepaar Lippert auf Gut Hohenbuchen in Poppenbüttel ein Kindergenesungsheim für Kinder bis zum sechsten Lebensjahr errichten und am Poppenbüttler Marktplatz ein Erholungsheim für ca. 30 weibliche Ladenangestellte und Telefonistinnen bauen, die dort für einen sehr geringen Geldbetrag zwei bis vier Wochen Urlaub machen konnten. Zudem unterhielt das Ehepaar Lippert ein Säuglingsheim in Groß-Borstel sowie ein Waisenhaus für zwölf Kinder bis zum 14. Lebensjahr an der Poppenbüttler Hauptstraße Nr. 23.
Die Gründe für Eduard Lipperts Tatendrang nennt Marie Lipperts Schwägerin Elise geb. Wentzel in ihrem unveröffentlichten Tagebuch: „Eduard Lippert tat alles, um seiner Frau ein langes Leben vorzutäuschen, ob sie sich täuschen ließ? Wir glaubten es nicht! Eduard gründete auf Hohenbuchen ein Kinderheim. Zu seinem Erstaunen war es schwer, verwahrloste Kinder aufzutreiben. Mike war die Leiterin des Heimes. Das war wieder ein Täuschungsmanöver für Mike, die Totkranke. So lebte sie in den schönsten Verhältnissen, dem bitteren Tod entgegen. Sie wurde wieder operiert, und man sah, daß das Leiden sehr weit fortgeschritten war. 1897 im schönsten Sommer wurde sie von ihrem Leiden erlöst.“ [2]
Marie Lippert wurde nur 42 Jahre alt. Sie wurde auf dem Ohlsdorfer Friedhof begraben. Das Grabmal auf dem Familiengrab der Familie Lippert zeigt in Reliefs Szenen aus dem Leben Marie Anne Lipperts. Bestimmte Gesichtszüge sollen typisch für die Zacharias-Linie sein, aus der Marie stammte. Auf der linken Seite des Reliefs sieht man Marie Lippert an einer Rosenblüte riechend in einem Garten mit exotischen Pflanzen und Bergen im Hintergrund.
Hier muss sie sich schon in Afrika befunden haben. Rechts daneben sitzt sie in einer offenen Veranda an einem kleinen Tisch, stützt den Kopf in die eine Hand und hat in der anderen Hand eine Schreibfeder, ihr Blick ist in die Ferne gerichtet. Marie Lippert schreibt an ihren Reiseberichten. Die Inschriften über dem Relief lauten: „Selig sind die reines Herzens sind“ – darunter: „Nur einmal weile ich auf dieser Erde. Alles Gute daher, das ich thun, jede Liebe, die ich einem meiner Mitmenschen erweisen kann, lass sie mich sogleich thun. Lass mich nicht säumen, dass ich die Zeit nicht ungenutzt verstreichen lasse! Denn niemals werde ich dieses Weges wieder ziehen.“
Auf der rechten Seite sieht man Marie Lippert zwischen zwei großen Bäumen stehen, um sich herum eine große Kinderschar. Es handelt sich dabei um ihre Neffen und Nichten. Rechts davon ist im Hintergrund ein niederdeutsches Bauernhaus zu sehen, das von Marie Lippert gestiftete Waisenhaus, rechts davor steht am Bildrand Marie Lippert hinter einem Leiterwagen, aus dem ein Baby die Arme und Beine hochstreckt. Dabei soll es sich nach Aussagen von Christoffer Zacharias-Langhans, dem Großneffen von Marie Lippert, um seinen Vater handeln, mit dem seine Großmutter zu diesem Zeitpunkt schwanger ging. Marie Lippert hat die Wagendecke hochgehoben und sieht auf eine schräg vor ihr hockende bäuerlich gekleidete Frau, die die Hände zu ihr emporhebt. Inschriften über dem Relief: „Die Liebe höret nimmer auf“, unter dem Relief: „Wer wahre und vollkommene Liebe hat, sucht in keiner Sache sich selbst.“
Der letzte Spruch ist auch an der Südseite des Hauses an der Poppenbüttler Hauptstraße Nr. 23 als Inschrift zu sehen, gefolgt von dem Datum „18. Juni 1897“ – dem Sterbedatum Marie Anne Lipperts. Auch auf der Nordseite des ehemaligen Waisenhauses verweist die Inschrift auf dieses Datum: „Marie und Eduard Lippert 1897“.
Eduard Lippert führte das gemeinsam begonnene wohltätige Werk fort. Auf Gut Hohenbuchen, welches er noch bis 1914 betrieb, züchtete er im Kupferteich Karpfen, nutzte die Gebäude an der oberen Mühle als Fischbrutanstalt für Forelleneier und produzierte ab 1900 keimfreie und fettreiche Kindermilch, die „Kontroll-Kindermilch Hohenbuchen“, eine Art Vorzugsmilch, die in Deutschland eine Neuheit war. Der Hof umfasste 40 ha landwirtschaftliche Nutzfläche und 15 ha Wasser sowie Ödland. Durch Zukauf erweiterte Eduard Lippert den Besitz auf 147 ha Nutzfläche. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg besaß er 142 Milchkühe. Während der Inflationsjahre verlor er fast sein gesamtes Vermögen.
Text: Rita Bake
Zitate:
1 Marie Lipperts Reisebriefe und Skizzen aus dem Matabeleland, geschrieben in der Zeit vom 21.9.-223.12.1891. Privatbesitz.
2 Elise Lippert. Unveröffentlichtes Tagebuch. Privatbesitz.
a) Henning Albrecht: Diamanten, Dynamit und Diplomatie: Die Lipperts. Hamburger Kaufleute in imperialer Zeit. Hrsg. Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung, Hamburg 2018, S. 181.
b) Henning Albrecht, a. a. O., S. 56f.
 

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Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Anzahl der Denkmäler und Erinnerungstafeln. Auch bei Ehrungen und Auszeichnungen wird oft an IHN und nur wenig an SIE gedacht.

Trotz aller Leistungen von Frauen scheint die Erinnerung an sie schneller zu verblassen, sind die Archive und Netze der Erinnerung besonders löchrig - erweist sich die Wertschätzung weiblichen Wirkens als gering. Wie oft heißt es, wenn auch Frauen geehrt werden könnten:

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Ein Argument, das in Zukunft keine Chancen hat, denn es gibt jetzt diese Datenbank. Eine Bank, die ihren Anlegerinnen und Anlegern hohe Renditen verspricht, denn das Kapital ist das historische Wissen. Geschöpft aus Archivmaterialien, Lexika, Zeitungsartikeln und –notizen, aus veröffentlichten Biografien, zusammengetragen und erforscht von Einzelpersonen etc., bietet die Datenbank die beste Voraussetzung für eine hohe gesellschaftliche Wirksamkeit - im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit. Die Früchte dieser Datenbank sollen die Bedeutung von Frauen für Hamburgs Geschichte leicht zugänglich machen und selbstverständlich in den Alltag von heute tragen.

Im Mittelpunkt stehen verstorbene Frauen, die in Hamburg gewirkt und/oder gewohnt und die Spuren hinterlassen haben. Das können Autorinnen, Schauspielerinnen, Wohltäterinnen, Kneipenwirtinnen, Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, bildende Künstlerinnen, Sängerinnen, Unternehmerinnen, Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen, Juristinnen, Journalistinnen, Widerstandkämpferinnen gegen und Opfer des NS-Regime etc. sein – aber auch Täterinnen.

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